Die »Alien«-Filme, oder: Sabber bitte nicht alles voll, Schatzi
Eintrag No. 697 — Von allen großen SF-Franchises gefallen mir die »Alien«-Filme am besten, trotz aller Macken (vor allem derer von Film 3 und 4). Nun habe ich die ausführlichen Zusatzmaterialien der BlueRay-Ausgabe von »Alien Anthology« genossen, was ein gelegener Anlass ist, meine alten Einträge aus der (leider immer noch kaputten) Film-Datenbank des SF-Netzwerkes aufzubrezeln.
Auch wenn die Filme als Klassiker der SF gelten und damit ihr Inhalt als bekannt vorausgesetzt werden darf, warne ich, dass ich im Folgenden beiläufig so manche überraschende Wendung verrate. — Allein schon, dass in allen vier Filmen Ripley die menschliche Protagonistin ist, gibt preis, wer den ersten Film überleben wird. Wer die Alien-Filme noch nicht kennt, dem rate ich, sich doch erst einmal die Filme zu gönnen, und erst dann diese meine bescheidene Liebeserklärung zu lesen.
Warum gefallen mir die »Alien«-Filme so dolle? — Darum:
- Abgesehen vom allgemein hohem Produktions-Niveau begeistert mich das SF-Design, so, wie das ›used future‹-Konzept beim ersten Mal und in Folge (mehr oder weniger) immer wieder gelungen umgesetzt wurde.
- Weil jeder der vier Filme durch das Spiel eines exzellenten Schauspieler-Ensembles geprägt wird. Tatsächlich bin ich der Meinung, dass keiner der vier Flme auch nur eine einzige Fehlbesetzung zu beklagen hat (ja, ich finde, dass auch Wynona Ryder in Film 4 vorzüglich ihre Rolle ausfüllt).
- Weil jeder der vier Filme es wagt, seine jeweils eigentümliche Version des Kampfers gegen das Biest zu liefern; also, weil Varianz und nicht Einheits-Rezept die Reihe prägt.
- Und schließlich, weil das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt mein persönliches Movie-Lieblingsmonster ist.
Was den letzten Punkt angeht, könnte ich nun anheben zu einem ausgiebigen (und als eigenen Molochronik-Eintrag eigentlich schon lange ausstehenden) Verehrungs-Bekenntnis für das Schaffen von Hans Rudi Giger. Seine »Necronomicon«-Bildbände gehörten zu den ersten zehn Büchern, die ich mir als Teenager angeschafft habe. Damals, in der Hepberger Provinz hatte ich zwar noch keine Möglichkeit, den Film »Alien« zu sehen, aber aus SF-Filmlexikas der Stadtbibliothek und der Buchläden kannte ich Abbildungen vom Monster und von Giger-Kunst, und vom ersten Moment an, war ich diesen Kreationen mit Haut und Haar verfallen.
Man kann sich, denke ich, vorstellen, mit welcher Wucht Gigers Bildbände und meine empfängliche, jugendliche Phantasie zusammenprallten. Auch wenn ich zu einigen Aspekten seines Werkes auf Distanz bleibe (vor allem zu dem ganzen schwarzmagischen Okkultkram), bin ich immer noch davon überzeugt, dass er einer der visionärsten und bedeutendsten bildenden Künstler der letzten Jahrzehnte ist. Neben seinem untrüglichen Gespür dafür, zu veranschaulichen, wie beklemmend das Sein in der heutigen Welt sein kann (kosmisches Grauen!), beeindruckt mich seine erstaunliche Gabe, Grauseliges und Schönes miteinander zu verschmelzen (sehr oft, indem Dinge sexualisiert werden; Giger ist zweifelsohne einer der großen Erotomanen der Kunst), und nicht zuletzt entzückt mich sein desöfteren aufblitzender Humor, sei es in der bitteren Variante deiner »Todgeburtmaschinen«, sei es in satirischer Form, beispielsweise seinem Vorschlag, die Schweiz mit fünf Eisenbahn-Untertunnelung ein riesiges Pentagram einzubohren.
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Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt So ist das mit den Meisterwerken: Wollte ich meine Lieblings-Szenen des Filmes anführen, könnte ich gleich den ganzen Film nacherzählen. Allein schon der Beginn, wenn das große Raumschiff Nostromo vom Bordcomputer gesteuert zum Leben erwacht, gehört zu meinen Höhepunkten der Kinogeschichte. Für mich ist und bleibt »Alien« der prägende Pionier in Sachen ›used future‹, auch wenn »Star Wars« die Ehre gebührt, dieses Konzept bei seinen Tatooine-Schauplätzen etwas früher präsentiert zu haben, (aber: das ›used future‹-Konzept gründet sich bei beiden Filmen auf dem Geschick des Set-Dekorateurs & Produktions-Designers Roger Christian, der es verstand, auf Industrie- und Flugzeug-Schrottplätzen Material für seine SF-Kulissen zusammen zu klauben). Filmgeschichtlich gesehen, ist »Alien« der erste Film, der ein mich vollends überzeugendes SF-Design bietet.
Der erste Teil ist ein finsteres Horror-Märchen, mit dem Weltall, einem fremdartigen Planten als finsteren Wald, und der Nostromo als Platzangst bereitendem düsteres Schloss. Die Mär beginnt ruhig und kühl, steigert sich im weiteren Verlauf zu einer immer panischeren Count-Down-Hetze, und entlässt uns am Ende wieder zu den Klängen sanfter orchestraler Abspannmusik in den Cryo-Schlaf. Die Story ist freilich wenig mehr als ein ›Zehn kleine Jägermeister‹-Spiel, doch die Spannung zu der sich dieses im Verlauf aufschwingt, ist für mich heute noch vorbildlich.
Sehr fein finde ich die kleine Crew mit ihren unterschiedlichen Typen. Überzeugend prollige Gesellen hatschen mit Hawaihemd und Baseballkapp herum, und vor allem eine bürokratisch denkende (genauer: programmierte) Figur ist mit ihrer Kaltherzigkeit ein feines Neben-Monster.
Ich bevorzuge die ursprüngliche, etwas gemächlichere Fassung ohne die ›zum Ei verpuppen‹-Szenen der Quadrology-Edition. — Fazit: 10 von 10 Punkten.
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Aliens – Die Rückkehr Stimmungsvolle Menschen- und Kolonie-Architektur (die Verlade-Robots!, siehe Kampfmaschinen in »Matrix 2 & 3«), auch wenn die dicken Wummen ein wenig überzogen sind. Feines Alien-Design (nicht von, aber nach Giger), und das Groß-Puppenspiel der Alien-Queen ist meisterlich, trotzdem finde ich die Königin nicht vollends gelungen. Am meisten grummle ich, dass die Masse der Normal-Aliens der Faszinatationskraft des Monsters abträglich ist. Auch wenn das Konzept, dass sich in für sie fruchtbarer Umgebung die Aliens wie ein Insektenstaat organisieren und entsprechend vermehren, prinzipiell interessant ist, werden die Viecher in diesem Film über Gebühr zu Schießbudenfiguren degradiert. Aber dies ist der Äktschn-Kracher unter den Alien-Filmen und erfüllt diese Aufgabe geradezu perfekt. Kein Wunder, das James Cameron mit diesem Streifen Maßstäbe für große SF- und Baller-Flicks gesetzt hat, die seitdem nur selten wieder erreicht wurden.
Einige sehr dick aufgetragene Charaktere laufen herum, die aber durchwegs funktionieren (brillant zum Beispiel Bill Paxton als nervig-cooler Cowboy). Sehr feiner kleiner Schleimer-Bösewicht, und Lance Hendrickson gibt mit anrührenden Körpereinsatz einen äußerst überzeugenden Androiden. Die überlebende Newt ist wohl nicht nur für mich einer der wenigen Fälle, wo ein Kind in einem Äktschnfilm nicht nervt.
Der Extendet Cut ist stimmiger als die Kinofassung, und funktioniert als schräger Vietnam-Film. — Fazit: 9 von 10 Punkten.
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Alien3 Natürlich trauere ich darum, dass von den im Bonus-Matrial vorgestellten Plänen von Vincent Ward zu diesem Teil so wenig umgesetzt wurde. Wahrlich eine großartige Idee, Ripley und ein Alien auf einer aus Holz gemachten Sphäre mönchischer Technik-Verweigerer abstürzten, und das Monster als Inkarnation des Leibhaftigen unter den religiös Erhitzten wüten zu lassen, die daraufhin das Grundübel in der verdorbenen Frau vermuten. Übrig blieb nur, dass sich Ripley und eben wieder nur ein Alien in der Umgebung eines karg ausgerüsteten Gefängnisses für Schwerverbrecher wiederfinden, und dass diese ausnahmslos männlichen Gefangenen ihrer Hysterie mit einem spirituellem Reinheitsgelübte Herr zu werden trachten.
Film 3 präsentiert sich uns wieder als Kammerspiel, wie auch der erste Teil. Zwei leidenschaftliche Theaterschauspieler zeigen, wie man mit Kleinigkeiten Spannung in Dialoge bringt: ein Hoch auf das ›Pärchen‹ Sigorney Weaver und Charles Dance.
Der (zugegeben seltene) Humor liegt mir mehr als der in Teil 2. David Fincher beweist sein Talent bei diesem seinem Spielfilm-Debut bereits mit dem Anfang, der mit beunruhigenden Fragmenten die Ausgangssituation darstellt, und alle Hoffnungen, mit denen der zweite Film endete, zunichte macht. Überhaupt finde ich die düstere Konsequenz (viele beschreiben die Stimmung des Filmes als bedrückend nihilistisch) dieses Teils richtiggehend erfrischend. Dieser Alien-Film eignet sich vorzüglich für trübsinnige Tage, wenn man etwas braucht, in das man sich mit Depri-Laune reinkuscheln kann.
Dieser Film ist erstaunlich gut, wenn man zur Kenntnis nimmt, was für Probleme es bei der Produktion gab. Enttäuschend nur, dass die Schlussjagd sich etwas lang dahinzieht und das die Tricktechnik, mit der Alien umgesetzt wurde, in einigen Szenen sehr zu wünschen übrig lässt. — Fazit: 8 von 10 Punkten.
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Alien – Die Wiedergeburt Ich kann verstehen, dass sowohl viele Alien-Fans, als auch viele aus dem Kreise des ›gewöhnlichen‹ Publikums diesen bisher letzten Film der Reihe für mehr oder minder misslungen einstufen. Film 4 ist mit Abstand der hysterischste, der sich am weitesten vom ›Originalton‹ entfernt, und dessen Inszenierung zwischen Äktschn-, Humor- und Horror-Aspekten eine heikle Gratwanderung zusammenwackelt.
Interessanterweise lassen sich einige Sequenzen des Filmes als Selbstbespiegelung von Franchise-Ausbeuterei und überdrehter Alien-Begeisterung lesen: Skrupellose Wissenschaftler (Symbol für Filmproduzenten und Franchise-Spin Doktoren) sind dabei, Aliens zu züchten, und versuchen sie zu zähmen. Einer der Wissenschaftler ist geradezu vernarrt in die Monster und gibt sich ein zärtlich-neckisches Mimik-Duell (grandios dargebracht von Brad Dourif). — Ripley wird von Entsetzten überwältigt, als sie ein Kabinett mit misslungenen Mensch/Alien-Klon-Mischlingen entdeckt (Symbol für: enttäuschte Fans, die nicht ertragen, was aus ihrem geliebten Monster-Franchise gemacht wurde), und einem besonders erbärmlichen Exemplar verpasst die den ›gnädigen‹ Flammentod (eigentlich ziemlich ›ungnädig‹, denn Verbrennen ist recht grauselig; sie hätte dem armen Klon besser erstmal eine Kugel in den Kopf jagen sollen). — Unschuldige Menschen (Symbol für: Alien-Fans, die nicht anders können, als sich einen neuen Alien-Film angucken wollen zu müssen) werden als Versuchskaninchen missbraucht und finden sich über Alien-Eiern fixiert, damit die frischschlüpfenden Face Hugger gleich einen Wirtskörper haben.
Ich kann mir nicht helfen und finde diesen Teil trotz all seiner Unzulänglichkeiten ziemlich unterhaltsam. Genial zum Beispiel die Idee eines guten Untergrund-Androiden (menschlicher als die Menschen) und der drastisch erbärmlichen Klonkreuzung »Ripley 8«. Ich liebe auch den Stationskommandanten (ich sag nur Schuhe putzen), seinen Sicherheitschef und die Weltraum-Piraten. — Meine Lieblingsvignette spielt in der Kantine, wenn die Piraten beim Fernsehgucken Zeit totschlagen und Wynona Ryder versucht, mit Boxhandschuhen aus einer Blechtasse zu trinken.
Der ganz große Flop des Filmes ist mit Abstand das peinlich-behämmerte Design der menschlichen Äuglein in Totenkopfeinfassung für die neue Alien-Brut. Diese neue Alien-Züchtung ist schlicht ein Griff ins Klo. Da hilft der peinsame Abgang des Viehs auch nicht mehr viel. — Fazit: 7 von 10 Punkten.
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Reitersmann
Der vierte Teil hatte das Pech in die Hände von Franzosen (noch schlimmer: Parisern!) zu fallen, und die haben bekanntlich mächtig einen an der Klatsche, sobald sie sich phantastischen Stoffen zuwenden. Style over substance und so. Oder wie Jean-Claude, der Käsefabrikant aus dem sechsten Arrondissement, sagt: "Isch mache ah-ah auf In'alt, 'auptsach, sieht bon aus, le Geramont."
Im Director's Cut von Teil zwo fand ich die anfängliche Sequenz auf dem Kolonialplaneten stets kontraproduktiv. Stellt einen Perspektivbruch dar, der das Anziehen der Stellschrauben sabotiert. Aber egal, jedem wie's gefällt.
Als Giger-Enthusiast wirf einen Blick in "Dea Mortis - Der Tempel der dunklen Göttin" (spottbillig zu haben bei Amazon-Marketplace). Seltsames Projekt, bei dem Andreas Gößling eine Geschichte um klassische Giger-Werke herum schrieb. Heftig umstritten, aber für den "intellektuellen Phantasten" womöglich gewinnbringend.
Gruß,
R.
molosovsky Besitzerin
Hallo Reitersmann! — Freut mich ganz besonders, dass Du Edelfeder Dich wieder mal hier meldest.
Jaaa die Franzmänner. Deren überdrehte HumorHysterie ist auch nicht immer meines, auch wenn ich solche Meisterwerke wie »Oscar«, so manchen Film von Luc Besson oder eben Jean Pierre Jeunet nicht missen möchte. — Die Kontraproduktivität des ›Prologs‹ von »Aliens« ist nichts im Vergleich zum totalen Stimmungbruch des Anfangs der längeren »Alien – Die Wiedergeburt«-Fassung (die Alien-Fliege die an die Scheibe gepustet wird).
Danke für den Hinweis auf »Dea Mortis«. Werd ich mal schauen, wie & ob ich mir das besorge. Ein anderes kurioses Giger-Projekt, sein Tarot zusammen mit dem deutschen Tarot-Guru Arkon, fand ich durchaus gelungen. Habe ich aber schon lange nicht mehr aus dem Regal gezogen. Vielleicht bin ich mittlerweile zu Eso-Phob für solche Sachen. In einem Moment unerschrockener Nostalgie trau ich mich da vielleicht mal rann.
T.H.Phantast
Ja, die Franzosen!
Danke, molo, für den Artikel! »Alien« und »Bladerunner« - das sind die Filme, die mich zum SF-Fan machten, wäre ich es nicht schon gewesen, als ich sie sah.
Nach dem unheimlichen »Alien« hatte mich aber »Aliens« (2) erst mal enttäuscht. Dann habe ich gemerkt (vielleicht auch so für mich beschlossen), dass das Tolle an dem Alien-Stoff ist, dass er wandelbar ist. Damit darf man viel anstellen. Insofern fand ich »Die Wiedergeburt« überhaupt nicht schlecht; ganz im Gegenteil. Außerdem mag ich den phantastischen, schwarzen Humor von »Delicatessen« und »Stadt der verlorenen Kinder«.
Ich denke, am langweiligsten wäre ein Alien-Film, der einen Alien-Film (den ersten oder welchen Teil auch immer) versucht nachzumachen. Insofern bin ich auch auf das neue Projekt sehr gespannt und finde die Vorab-Unkenrufe daneben.
Phantastische Grüße
Thomas
molosovsky Besitzerin
Gern geschehen & danke, Thomas.
Mit unserer Wertschätzung der »Alien«-Reihe als abwechslungsreich sind wir ja auf einer Linie.
»Alien - Die Wiedergeburt« fällt sicherlich am meisten aus dem Rahmen, einmal wegen der hysterisch-humorigen Note, zum anderen auch, weil er wie alle Jeunet-Filme eigentlich eine ziemlich unsortierte Grabbelkiste aneinandergereihter Vignetten ist. So ein Durcheinander muss man aushalten können, aber ich mag seine Sachen sehr.
Ich bin auch schon gespannt, was Ridley Scott nun nach so vielen Jahren an neuen »Alien«-Film bieten wird (wenn es denn ein »Alien«-Film wird).
(Habe mir erlaubt, die Anführungszeichen Deines Beitrag etwas schön zu pfriemeln.)