molochronik

Print-Gatekeeper motzt gegen Net-Zigeuner

(Eintrag No. 425; Gesellschaft, Medien, Print vs. Net) — Toller Tagesanfang für mich. Andrea findet sich zitiert im »Perlentaucher«, dem sie vorgestern gratuliert hat zur dieswöchigen gewonnen Justizrunde um Weiterverwertung von Rezensions-Abstracts. Andrea schlug vor, das Internet nicht immer nur runterzumachen und als Pfui-Bäh-Medium hinzustellen, sondern ganz unaufgeregt die Habermas’schen Ausführungen über den Strukturwandel in der Öffentlichkeit auch mal auf das Internet umzuklappen. (Wir erinnern uns: Im Zeitalter der Aufklärung entstand eine neue Öffentlichkeit, mit Kaffehäusern, mit Salons, mit Zeitungen und Periodikas … es entstand das, was die Anglo-Amerikaner »Marktplatz der Ideen« nennen). — Gleich darunter (naja, dazwischen ist ein kleiner Werbekasten) berichtet »Perlentaucher« über den nächsten Deutungshoheitverteidigungsröhrer von Frank Schirrmacher. Schirrmacher versteht Öffentlichkeit als etwas mit Mauer und Kontrollschleusen drum rum. Schon vor Jahren basta-wortete er in etwa, dass ›wer jetzt nicht drin ist‹ (genau gemeint war glaub ich Journalismus in den großen Blättern und Medienplattformen), ›der kommt jetzt auch nicht mehr rein‹. Ganz auf der Linie geht seine Denke und Meinerei weiter im Kress-Report, allerdings nur für regestrierte Abonennten (soviel zum Thema Öffentlichkeit). Ich übersetzte mal:

Frank S.: »Unsere Situation kommt mir wie die des Films vor einigen Jahren vor: Da wurde das Kinosterben angekündigt, und dann kamen die großen Produktionen.« — Mit ›uns‹ meint Schirrmacher wohl die etablierten Journalisten und ›Old School‹-Medien. Das Kinosterben wurde u.a. dadurch erstmal verschoben, weil neue Technik die Filme mit neuem Zauber auflud. Zum einen Technik der Herstellung, als der Tonfilm die Monumentalstummfilme ablöste, der Farbfilm den S/W-Film in die Ecke stellte, als Stop Motion-Kameras neuen Augen-Zucker ermöglichten, zum anderen Technik der Saal-Ausrüstung, mit Dolby-Sound und Surroundsound oder diesertage mit tollen Digitalprojektoren, die aus Kinos Großfernsehbunkern machen, wo man außer Filmen dereinst auch Fußballspiele und in neuer Technik glänzendes 3-D-Kino genießen kann. Zudem: Mit Kinosterben war in den letzten Jahrzehnten vor allem auch die unseelige Entwicklung gemeint, wie große Popcorn-Tempel-Ketten (Multiplexse und Co.) kleinen Programmkinos verdrängten. Ich bin gespannt, welche Innovation die Zeitungen mit neuem Spektakelschmalz ausstatten sollen. Vielleicht gibt es einmal die Woche die F.A.Z. ja bald als Pop-Up-Zeitung (Schautafeln mit beweglichen Überraschungen), oder mit Aromakarten (der Duft zur Glosse)?

Frank S.: »Wir haben eine ähnliche Aufgabe: Inszeniertes Denken, die große Bühne.« — Mit ›wir‹ meint Schirrmacher hier wohl ›Zeitungen und Kino‹. Toll. Nicht Nachrichten, sondern eben inszenierte Nachrichten sind die Scholle, die Journalisten zu beackern haben. Der Journalist als Spielleiter, als Kontrollaufsicht im Rattenlabyrinth, die Promis und Mächtigen als Spielercharaktere und die Masse der Leser als NPCs (=NichtSpielerCharaktere) die als Hintergrundgeräusch fungieren dürfen, wenn sie sich ab und zu über den Abdruck ihrer Leserbriefe freuen dürfen. Im Internet, deutsch z.B. bei »Nachrichtenaufklärung« und bei den »Nachdenkseiten« kann man dann gucken, wo die Inszenierung der Medien alter Schule Schindluder treibt oder glattweg Wirklichkeit verdreht oder unter den Tisch fallen läßt.

Frank S.: »Das Internet ist wie eine Live-Sendung: Nachrichten, die neben uns herlaufen. Aber dann kommt ein Break, dann kommt die Tagesschau. Das sind wir, und wir sagen, was in der Welt passiert ist. Das ist Qualitätsjournalismus!« — Soso. Qualität ist also, wer (noch) das dicke Deuttungshoheitszepter schwingt. Nicht was wirklich der Fall ist sei Wirklichkeit, sondern das Maskenspiel des Medien-Establishments. Das entspricht eher dem Öffentlichkeitsverständis von Vatikan oder Geheimdiensten, als dem einer bürgerlich-weltlichen Zeitung. Irgendwie seh ich Schirrmacher da im Spartaner-Dress gegen die anrückenden Perser anstänkern, so nach dem Motto: »Dann schreiben wir eben im Schatten«. — Aus Schirrmachers Sicht funktionierten Zeitungen als große Zauberspiegelfenster, die aber lediglich einen Blick auf eine inszenierte Welt des Scheins freigeben, und verständicherweise sagen solche Illusionisten wie Schirrmacher dann solche Sachen wie ›Achten Sie nicht auf dem Mann hinter dem Vorhang‹.

Frank, schau, die Öffentlichkeit, zumindest deren weitaus größerer Teil, ist immer draussen, jenseits von Elitenmauern. Öffentlichkeit ist nur zu einem geringen Teil das, was man sich in Ball- und Thronsaal hinter dicken Mauern und bewacht von Armbrustschützen zutuschelt, sondern Öffentlichkeit ist die Rede auf dem Stadtplatz, das Getratsche auf der Duld. Öffentlichkeit ist nicht nur das Erbauungsprüchlein in aufwändig illuminierten Stundenbüchern für die Reichen und Schönen, sondern auch das spottende Grafitti auf den Mauern, die zwischen Stadt, Wald und Flur weitergegebene Kunde.

»Warum mögen wir die Science Fiction nicht?«

(Eintrag No. 423; Literatur, Genre, Relevanz, Science Fiction, Phantastik) — Diese Frage stellt <a href="www.bryanappleyard.com" title="Zur Bryans engl. Website" target=_blank">Bryan Appleyard in der »TimesOnline«-Ausgabe vom 02. Dezember 2007, anläßlich der Neuauflage des von Brian Aldiss herausgegebenen »A Science Fiction Omnibus«. Zwar klagt Appleyard über die Hochnäsigkeit britischer Kulturdeutungszirkel gegenüber Science Fiction, aber bei dieser Ignoranz handelt es sich keineswegs nur um ein auf die Insel beschränktes Phänomen. — Folgendermaßen bringt er die enorme Relevanz der Sf auf den Punkt (Übersetzung von Molo):

»Die Wahrheit ist«, schrieb Aldiss, »dass wir in nun letztendlich in einem SF-Szenario leben.« Eine zusammenbrechene Umwelt, eine übervernetzte Welt, Selbstmordbomber, fortwährende Überwachung, die Entdeckung anderer Sonnensysteme, neuartige Pathogene, Touristen im Weltraum, Kinder werden vollgepumpt mit Medikamenten zur Verhaltenskontrolle — all das ist nun wahr geworden. Aldiss glaubt, dass all dies die SF redundant werden ließ. Ich sehe das anders. In solchen Zeiten sind es die konventionellen Literaten die bedroht sind, und SF tritt hervor als der härteste Realismus.

Appleyard reagiert hauptsächlich auf den »TimesOnline«-Beitrag »Why are science fiction writers so neglected?« vom 23. November 2007, in dem Aldiss einige Zeilen über seinen neuen Omnibus schrieb. Aldiss beendet seinen Artikel mit einem Zitat von <a href="de.wikipedia.org" title="Zum dt. Wiki-Eintrag" target=_blank">Percy Bysshe Shelley (aus »Defence of Poetry«):

»Wir verfügen über mehr moralische, politische und historische Weisheit als wir in die Praxis umzusetzten verstehen; wir verfügen über mehr wissenschaftliches und wirtschaftliches Wissen als wir einbringen können zur gerechten Verteilung der Erzeugnisse, die durch dieses Wissen vermehrt werden … Es mangelt uns an kreativen Fähigkeiten, die uns zeigen was wir wissen.«

Planetendesign

Eintrag No. 418 — Mein derzeitiger Lieblingspessimismus, aus dem jüngsten Roman von <a href="en.wikipedia.org" target=_blank" title="Zum engl. Wiki-Eintrag">Douglas Coupland: »The Gum Thief«.

Earth was not built for six billion people all running around and being passionate about things. The world was built for about twenty million people foraging for roots und grubs.
Auf Deutsch in schneller Moloübersetzung in etwa:
Die Erde wude nicht geschaffen für sechs Milliarden Leute die durch die Gegend rennen und sich leidenschaftlich etwas widmen. Die Welt wurde errichtet für zwanzig Millionen Leute die zwecks Nahrungssuche nach Wurzeln und Larven stöbern.

Dazu muss man sagen, dass diese Sätze von einer Figur kommen, die sich wohler als ich fühlt, Metaphern die Gott und Co enthalten zu gebrauchen. Bezeichnenderweise der Goth des Romans.

Diese schnuckelige Person läßt auch vollenden Brüller vom Stapel:

Long lives aren’t natural. God or Whoever didn’t want millions of nintysomethings hanging around forever, and if he did, there had to be a reason beyond staying alive for the sake of staying alive.
In Moloübersetzung:
Langlebigkeit ist nicht natürlich. Gott oder Wer-auch-immer wollte nicht dass Millionen von Neunzig-ebbes-Jährigen ewig herumlungern, und wenn er das doch wollte, muß es dafür einen anderen Grund geben, als nur einfach möglichst lang am Leben zu bleiben des am Leben-bleibens wegen.

Der andere Grund könnte meiner Meinung nach sein, damit konservative Parteien die Wahlen gewinnen. Aber jetzt wirds wirklich finster pessimistisch. G’nacht für heut.

Werd ich überwacht?

(Eintrag No. 416; Gesellschaft, Großer Bruder, Zurückgucken) — Über Telepolis wurde ich grad aufmerksam auf eine sinnvolle, demokratische Aktion: die Website »Überwach!« bietet ein kleinen html-Code an, der, wenn er auf der eigenen Seite eingebunden ist, anzeigt, ob diese Seite vom ›Staat‹ beobachtet wird. Der ›Staat‹ kann hier alles mögliche sein, wie das ›Protokoll der Verdachtsmomente‹ zeigt: Bundesregierung, Landesregierung, Ministerien, Bundestag, Parteien.

Ich hab den entsprechenden Code mal bei mir eingebaut, gleich unter meiner Wunschliste in der rechten Kolumne. Bin schon gespannt, ob die Molochronik gefährlich genug ist, um überwacht zu werden. Morgen ist ja der passende ›Feiertag‹ für so eine Aktion: Remember, remember the 5th of November …

Molos Empfehlungen für Web-Glotzer

(Eintrag No. 410; Gesellschaft, Medien, Phantastik, Bildung & Unterhaltung) — Obwohl ich schon einige Monate mit einer komfortablen Breitbandleitung durchs Web gurke, habe ich erst in diesem Monat angefangen, mich in entsprechenden Portalen umzuschaun, wie es um lohnende Filmchen bestellt ist. Hier eine mehr oder weniger munter-unsortierte Auswahl lohnender Clips und Streams.

Kann sein, daß meine Links nicht lange online, oder die entsprechenden URLs schnell wieder unaktuell sind und wieder verschwinden. Gebt halt ggf. als Kommentar hier bescheid, wenn dem so sein sollte.

Den Anfang macht das einzige Web-TV-Angebot der öffentlich-rechtlichen, das ich regelmäßig verfolge: »Das Philosophische Quartett« mit Peter Sloterdijk und Rüdiger Safranski. Für mich, der ich mir kaum leisten kann abends mal aufn Bier zum Klönen wohinzugehen, sozusagen mein Stamtischersatz. Glaubt bloß nicht, ich nehm alles ernst, was die Damen und Herren des Quartetts so daherphilosophieren. Aber genau das, Daherphilosophieren (und zwar unaufgeregt), ists, was diese Sendung für mich so reizvoll macht. Leider reicht das Archiv nicht allzuweit in die Vergangenheit.

Ein Abend mit Neil Gaiman. Ich habe Gaiman ja im Frühjahr 2007 in Leipzig erlebt und kann sagen: Der Mann weiß, wie man einen vergnüglichen Leseabend gestaltet. Der hier verlinkte Fora.tv-Beitrag dauert fast 2 Stunden. Neil liest aus neustem Kurzgeschichtenband »Fragile Things«, inkl. Frage und Antwortspiel. Nict versäumen sollte man die Story »Secret Brides Of The Faceless Slaves Of The Forbidden House Of The Nameless Night Of The Castle Of Dread Desire«, ein Muss für alle, die eine deftige Parodie auf Gothic Novel-Schwulst abkönnen (zugleich aber auch eine köstliche Verteidigung der Phantastik). — Knackig auch Neil Gaimans Gedanken über Horror- und Weird Fiction Papst H. P. Lovecraft.

Apropos H.P.L.: Hier gibt Howard Philip Lovecraft Auskunft (1933). Fast möcht ich meinen, daß es sich hier um einen geschickten Fake handelt, aber der Clip wurde augenscheinlich von Lovecraft-Experten S.T. Joshi beigesteuert.

J.R.R. Tolkien spricht über die seine Mythologie. Man braucht schlaue Ohren, um das murmelnde Gebabbel vom Papa Hobbit zu verstehen, aber es lohnt sich. Was dieser Clip zeigt: Ian McKellen hat alle zuhandenen Filmaufnehmen des Meisters studiert und gibt als Gandalf eine beeindruckende Hommage auf Tolkien.

Richard Dawkins: Der streitbare Atheist, Autor von »Das egoisische Gen« und dem jetzt vieldiskutierten »The God Delusion« geht in Teil 1 den Wirrnissen des Aberglaubens (Astrologie & Co) nach, in Teil 2 widmet er sich der Scharlatanerie alternativer Heilmethoden (Homöopathie & Co.).

Der Neurologe, Humorist, Theater- und Opernregiesseur Jonathan Miller hat für die BBC versucht eine »Rough History of Atheism« auszubreiten. Kein leichtes Unterfangen, haben doch aus Angst vor gröberer Unbill lange Zeit Atheisten gezögert, sich als solche zu outen. Die Dokumentation hat drei Teile, die jeweils in etwa 10-minütige Clips aufgeteilt wurden. Hier zu den ersten Abschnitten von Sendung eins (»Shadows of Doubt«), zwei (»Noughts and Crosses«) und drei (»The Final Hour«). — Eine der schönsten Gemmen dieser Reihe ist Millers Unwohlsein mit dem Begriff ›Atheist‹. Immerhin: Warum sollte man speziell dem Nichtglauben an GOtt (oder Göttern) einen eigenen Namen geben? Gibt es ein besonderes Wort für Menschen, die nicht an Geister, Kobolde und Einhörner glauben? Eben. — Zusätzlich hat Jonathan Miller mit einer Reiher prominenter Nichtgläuber (und einem Gläubigen) Interviews geführt, die schon in seiner »Rough History« gekürzt verwendet wurden. Unter dem Titel »Atheism Tapes« kann man aber die ganzen Gespräche goutieren. Hier gehts zu den jeweils ersten Clips der Interviews mit Colin McGinn (Wissenschafts-Philosoph), Steven Weinberg (Physiker), Arthur Miller (Dramatiker), Richard Dawkins (Biologe), Denys Turner (Theologe), Danniel C. Dennett (Wissenschafts-Philosoph). — Wer nicht glotzen will, kann die kompletten Transkripte der Gespräche hier lesen.

Nach so viel ernsten Zeug über Glauben und Nichtglauben, hier noch ein Clip mit den englischen Humoristen, Schauspielern und Autoren Stephen Fry und Hugh Laurie, die in England berühmt sind für ihre Sendung »A Bit of Fry & Laurie«. — Unsterblich genial ist dieser Scetch »On Language«. Jupp: so isses.

Und als Schlußzuckerl schließlich noch zu den beiden haarsträubend grotesken kurzen Filmchen des amerikanischen Animationskünstlers Bill Plympton (einigen Freaks hierzulande bekannt als Schöpfer des gandiosen Films »The Tune«): »How to Kiss« und »25 Ways to Quit Smoking«.

Viel Vergnügen.

Öffentliche Petition zum Religionsunterricht an öffentlichen Schulen

(Eintrag No. 408; Gesellschaft, Großraumphantastik, Bundestags-Petition) — Gerade im deutschen Brights Blog gelesen: endlich tut sich was in Sachen Kritik und Aktion gegen §7 des Grundgesetztes. Dort steht nämlich (noch):

Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach. Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechtes wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt. Kein Lehrer darf gegen seinen Willen verpflichtet werden, Religionsunterricht zu erteilen.

Ich bin ja schon lange der Meinung, daß Kinder und Jugendliche einen neutralen ›Lebenskunde‹-Unterricht erhalten und neutral und vor allem vergleichend über Religion informiert werden sollten. Die Privilegien der etablierten, organisierten Religionen in Sachen Unterricht (aber auch z.B. bezüglich deutscher Militärseelsorge, Konkordatslehrstühlen, Finanzierung der Ausbildung von Geistlichen usw ect pp ff) sind alles andere auf der Höhe des bei uns ja nur widerwillig geduldeten pluralistischen Informationszeitalters.

Wer, wie ich, etwas tun möchte, damit vielleicht in absehbarer Zeit der Mißstand des Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen behoben wird, lese bitte hier den Text der Bundestags-Petition und raffe sein (humanistisches, aufgeklärtes) Herz auf, um diese Einreichung mit seiner ›Unterschrift‹ zu unterstützen. Dazu ist noch Zeit bis zum 27. Oktober 2007.

Gott: Versager, Soziopath oder schlicht ein Trugbild?

(Eintrag No. 405; Gesellschaft, Großraumphantastik, Gottesfrage) — Weil’s so schön ist, präsentiere ich heute mal Epikurs (ca. 341 bis 270 v.d.Z.) in »Von der Überwindung der Furcht« gereichtes Rätsel, welches knapp und schön auf den Punkt bringt, weshalb herkömmlicher Gottesglaube schlicht Quatsch ist.

Wie so oft bei kritischen klassischen Texten, findet sich diese Epikur-Schrift weder auf Deutsch noch auf Englisch im Netz (obwohl das folgende Rätsel oft zitiert wird). Lediglich der Text »Dialogues Concerning Natural Religion« in dem David Hume (1711 bis 1776 n.d.Z.) Epikur anführt, findet sich als englisher eText.

Hier die englische und dann von mir übersetzte Fassung dieses Rätsels über die Nutzlosigkeit der Vorstellung vom allmächtigen und gütigen Gott:

If God is willing to prevent evil, but is not able to Then He is not omnipotent.
If He is able, but not willing Then He is malevolent.
If He is both able and willing Then whence cometh evil?
If He is neither able nor willing Then why call Him God?

Wenn Gott willlens ist das Böse zu verhindern, aber nicht fähig, dann ist er nicht allmächtig.
Wenn er fähig sein sollte aber nicht willens, dann ist er bösartig.
Wenn er sowohl fähig als auch willens sein sollte, woher kommt dann das Böse?
Ist Gott weder fähig noch willens, warum sollten wir ihn dann Gott nennen?

Bizarrer Hartz-IV-Fragebogen (aber ich will mal nicht so knauserig mit meiner Meinung sein)

(Eintrag No. 401; Gesellschaft, Großer Bruder, Nach Vorne Verteidigung und Reaktion) — Grad les ich bei »SpiegelOnline« von einem Fragebogen, den man für ziemlich unverschämt oder innovativ halten kann. Die Arbeitsagentur in Hamburg (und angeblich bald auch anderer Städte) stellt darin Beziehern von Hartz-IV außerordentlich persönliche Fragen zu Neigungen und Fähigkeiten, angeblich wegen der noblen Ambition, um ›ein umfangreiches Profil der Kunden zu erhalten‹, um ›passgenauere Instrumente für den Förderbedarf‹ zu erlangen.

Das ist ja schön und gut, aber die Unverschämtheit liegt klar offen, wenn ich (Hartz-IV-Empfägner) darauf verweise, daß z.B. unsere Abgeordneten sich mit Händen und Füßen gewehrt haben, ihre Nebeneinkünfte von nichtparalemtarischen Tätigkeiten offen zu legen (und so richtig transparant ist die derzeitige Praxis dazu immer noch nicht). Zudem wäre es wohl im Interesse der öffentlichen, politischen Meinungsbildung und Orientierung, wenn die genannten Fragen von allen Inhabern öffentlicher Ämter beantwortet würden. Auch um einschätzen zu können, wie gut die Arge-Mirtarbeiter geeignet sind, sich mit meiner Lage zu befassen, wäre es sicherlich nur fair, wenn die Mitarbeiter der Arbeitsagentur selbst diesen Fragebogen ausfüllen und deutlich sichtbar in ihrem Büro aufhängen würden.

Hier die bei SpOn genannten Beispiele und meine mal der Unverschämtheit der Fragen angemessenen Antworten. Ich gebe die Fragen paraphraisiert wieder, da mir der Fragebogen selbst noch nicht vorliegt:

  1. »Peppen Sie ihren Speiseplan mit exotischen Gerichten (z. B. aus Indien, Japan und Mexiko) auf?«Molos Antwort: Ich beziehe meine Nahrungsmittel von ortsansässigen Händlern. Gerade als Hartz-IV-Empfänger muß ich auch was Ernährung betrifft sparen, und kann mir exotische Nahrung aus fernen Weltgeilden in der Regel nicht leisten. Zudem bin ich trotz meines Interesses für die Herkunft von Nahrung oftmals nicht in der Lage en detail nachzuvollziehen, woher Nahrung stammt, welchen Weg sie vom Ursprung bis zu meinem Herd zurückgelegt hat. Was Rezepte betrifft kann ich aber antworten, daß ich neugierig und für alles offen bin. Ich würde mir z.B. gerne mal afrikanische Ameisen- und Termitengerichte leisten können und wäre auch nicht abgeneigt, das Amazonasindianer-Rezept ›in Pflanzenblatt eingewickelte und im Feuer gegarte Tarantel‹ auszuprobieren. Allgemein habe ich eine Schwäche für alle eintopfartigen Gerichte.

  2. »War das Leben in der DDR Ihrer Meinung nach gar nicht so schlecht?«Molos Antwort: Ich bin in der BRD aufgewachsen, und habe darüberhinaus in Wien, Marburg gelebt und wohne derzeit in Frankfurt am Main. Über das Leben in der DDR kann ich keine direkten Erfahrungsurteile abgeben. Dem Vernehmen nach, soll aber das Leben in der DDR weder vollends eitel Sonnenschein noch Pfui-Deibel gewesen sein. Die Dinge waren wohl, wie z.B. der Niederrheinländer Hans Dieter Hüsch zu sagen pflegte, ›gemischter‹.

  3. »Schauen Sie gern Filme, in denen viel Gewalt vorkommt?«Molos Antwort: Kommt auf den Film an. Nennen Sie Beispiele, und ich kann Ihnen mit meiner ästhetischen Meinung dienen. Im Großen und Ganzen weiß ich eine narrative, filmische Darstellung und Verarbeitung von bederückenderen und ungeheuerlichen Aspekten des Lebens zu schätzen.

  4. »Fänden Sie es schön, wenn eine Liebe ein ganzes Leben hält?«Molos Antwort: Wer fände das nicht schön? Zudem ist mir nicht klar, welche Art von Liebe gemeint ist? Die Liebe zum Leben? Die Liebe zur Wahrheit? Die Liebe zu einem Menschen? Liebe zum Geld? Tierliebe? Bücherliebe? Selbstverliebtheit? Präzisieren Sie bitte die Frage.

  5. »Können Ihnen Dinge wie Tarot, Kristalle oder Mandalas helfen, in schwierigen Lebenssituationen die richtige Entscheidung zu treffen?«Molos Antwort: Bezogen auf schwierige Lebenssituationen nehme ich Abstand von derartigen Hilfsinstrumenten. Aber im Alltag greife ich gerne mal zum Münzwurf, wenn es bei unentschiedenen Situationen z.B. darum geht, ob ich mit meiner Partnerin den Zoo oder den Botanischen Garten besuche.

  6. »Spielen christliche Wertvorstellungen keine Rolle für Sie?«Molos Antwort: Natürlich nicht. Allein schon, weil christliche Wertvorstellungen (nebenbei: Welche?) schon vor meiner Existenz vorhanden waren und ich mich als mit ihnen Konfrontierter auseinandersetzten muß (was aber auch für z.B. heidnische, technoikratische, neokonservative, libertinäre, humanistische, bellezistische, idealistische usw. ect. pp. ff. Wertvorstellungen gilt). Ich gebe freimütig zu mich persönlich als einen ›Bright‹ zu bezeichnen, genauer: als einen ›Brückenbauer-Bright‹, der daran ›glaubt‹, daß alle Weltbilder ihre guten und schlechten Seiten haben. Das absolute Verdammen oder Lobhudeln von Wertvorstellungskonglomeraten liegt mir allerdings fern. Zudem mühe ich mich zu unterscheiden zwischen Werten die sich auf die (möglichst) objektive Erkenntnis der Welt beziehen, und solchen, die sich mit ethischer Orientierung auseinandersetzen. Als ›Bright‹ pflege ich da freilich meine Präferenzen, was den großphantastischen, gesellschaftlichen Gestaltungsdiskurs betrifft.

EDITergänz vom 28. August 2007
Eine neue Frage tauchte in einem mittlerweile erschienenen Bericht des »Hamburger Abenblattes« auf.
  1. »Die Werbung im Fernsehen finde ich meist ganz unterhaltsam.«Molos Antwort: Ich habe seit ca. 15 Jahren keinen Tv-Anschluß und die wenigen Male, bei denen ich bei Bekannten Fernseh guck, ist mir jegliche Werbung ein Greul.

Antwort auf einen »Offenen Brief an einen Atheisten«

(Eintrag No. 397; Großraumphantastik, Polemik, Diesseits, Ernsthaftigkeit) — Noch drei Tage bis zum 2000-Tage-Jubiläum der Molochronik. Entsprechend reflektiere ich über Sinn und Zweck meines Blogs und meines öffentlichen Meinungsschiebens und mir gehen vermehrt ernste Sachen durch den Kopf.

Im Forum der Brights stolperte ich über folgenden »Brief an einen Atheisten« auf den ich folgendes (mal auf die Schnelle) zu antworten weiß.

•••••

Lieber Hobby-Missionar Ingmar. Alle Menschen, ob Religiöse oder Atheisten, gründen ihre Lebenshaltung auf ›Glauben‹. Immerhin verlassen wir uns zu etwa 9/10 auf Informationen zweiter, dritter Hand.

Die Nichtreligiösen spielen halt kein metaphysisches Ponzi-Schema mit einem Phantasie-Jenseits oder fiktiven Wesen. Wie schon andere hier (im Birghts-Forum) schrieben, sind Überwesen wie GOtt, Götter, Teufel usw ›Stimmen im Kopf‹ oder Teil der kollektiven Phantasie der Menschheit.

Der Schlüsselbegriff hierbei lautet meiner Meinung nach ›Verantwortung‹. Verrechne ich mein Handlen mittels einer fiktiven Jenseits-Bank, oder beziehe ich meine Haltung und Entscheidungen auf diese eine Lebenszeit? — Ich kann zwar gut verstehen, daß viele viele Menschen das ›heilige Zittern‹ erfasst, wenn sie derart mit Verantwortung konfrontiert werden und deshalb gerne jeden sich bietenden Strohhalm ergreifen, um diesen Druck zu mildern. Der Trick, Vergänglichkeit als Entlastung und Chance zu sehen, ist nun mal kein einfaches Manöver.

Persönlich bin ich aber lieber als Atheist ein ›Versager‹, als daß ich mich von solchen Machterhaltungs-Praktiken wie ›Sähe Angst und ernte Hoffnung‹, ›Teile und Herrsche‹ an der Nase herumführen lasse. Ich denke, kein noch so religiöser, vom Jenseits überzeugter Mensch würde mir 100000 Euro ›leihen‹, wenn ich als Rückzahlung verspräche, ihm im Jenseits dafür x-Jahrhunderte lang den Rücken zu massieren. Da kommt der andere Schlüsselbegriff zu dieser Angelegenheit ins Spiel: ›Vertrauen‹ = die eigentliche und wichtigste Grundwährung der Menschheit. Atheisten sind halt aus dem Fantasy-Pyramiden-Kettenbriefspiel ausgestiegen und ich für meinen Teil bin stolz auf diesen Schritt.

Als bekennender ›gläubiger‹ Maximal-Phantast finde ich z.B. Comic oder Phantastik-Genre-›Trash‹ und andere wundersame Sachen wie Monster, Garten Eden, Inferno, Limbus, Haus der Seelen, Wiederauferstehung usw ganz faszinierend. Wie aber mittels der Faszinationskraft solcher ›Ideen‹ realpolitisch auf der Kugeloberfläche Erde immer noch im Großen Maßstab Schindluder betrieben wird ist schlicht eine Schande. Die entsprechend hochmütige Einstellung von überzeugt religiös Gläubigen ist meiner Meinung der Abhängigkeit von Süchtigen (egal welcher Substanz) erschreckend ähnlich. Mensch macht sich etwas vor, mehr nicht.

Ein zufriedenstellendes Leben und den Mut den eigenen Verstand zu gebrauchen ohne vom Gewissen niedergemosert zu werden wünscht, der Geschichten erzählende Affe Molosovsky.

Über die neuen Kolonialkriege

(Eintrag No. 396; Neo-Mythen, Großraumphantastik, Geschichtenerzählen) — Mit einer Verspätung, wie ich sie mir als Blogger leisten darf, möchte ich sozusagen als Wort zum Sonntag auf folgenden Artikel aus »Le Monde Diplomatique« (Ausgabe November 2006) aufmerksam machen: »Eine gute Story – Die Macht ist mit dem, der die beste Geschichte erzählt«

Menschen und erst recht Menschengruppen denken nicht in Fakten, sondern in durch Erfahrung, Gefühl, Vorlieben und Abneigungen geprägten Zusammenhängen, kurz: in Geschichten. Für die größte Geschichtenform kennen wir den Namen ›Mythen‹. Der ganze Großphantastik-Zwist, den wir in den letzten Jahren erleben — vom Zusammenprall der Ziviliationen, über die Konkurrenz von Offenbahrungs-Meinungen und Erkenntnis-Wahrheiten bis hin zum Menschenbild verschiedener makroökonomischer Schulen — dreht sich im Grunde darum, wer mit seinen Erzählungen mehr Bewußtseine auf seine Seite zieht. Dabei geht es eben nicht darum, wer die besseren Argumente oder gar Fakten für seine Sicht der Dinge aufbringen kann, sondern leider nur darum, wer mehr Köpfe faszinieren kann, sprich: mit seinen Vorstellungen kolonisieren kann. Was im Artikel nicht erwähnt wird, ist der meiner Meinung nach stattfindende Paradigmenwechsel weg von Plausibilität hin zu Immersion.

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