molochronik
Samstag, 23. Dezember 2006

Verborgene Orte: Zehn — Horror Vacui

(Eintrag No. 342) — 03. April 2008: Fehler gemerzt.

Prosalyrische Wanderungen ins Unbekannte

»Reality is just a story thats taken on a life of its own.«
— John Constantine, Dez. 1997

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Horror Vacui

Aus dunklen Tunneln schnattert man es zwischen den Schritten hervor. Von allen Bildschirmen wispert man es uns schnabeläugig entgegen. Akribische Buchhalter bemerken es zwischen den Zeilen: Horror Vacui.

Lieber die Leere zwischen den Gedanken, mit schnell trocknendem Kittkram stopfen, als die brennende Wahrhaftigkeit von Wünschen auf die Gefühlsrinde träufeln zu lassen.

Verschlagene Agenten durchstöbern alle Reflexe, um irgendeinen Baustein für die schwarzen Löcher zu finden. Sie sind fleißig, schnell und routiniert. Sie sind deine geheimen Lappenjäger und freiheitlichen Inquisitoren.

Den letzten Rest zupflastern. Die letzte Lücke überkleben. Nur keine Flecken des Nichts zwischen all dem Plunder, sonst könnte man ergrausen beim Anblick; oder erbleichen wegen der Aussicht dahinter wäre noch Platz, für ganz neue Wesen:

Strolchend lebendige Phantasien zerfledderter Triebe und Gelüste, oder saugende Exilanten erlebter Wirklichkeiten, die richtig vernichtende Enttäuschung erkaufen, oder genügend genüßliches Genießen einhauchen.

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Verborgene Orte: Neun — Brunnen

(Eintrag No. 341)

Prosalyrische Wanderungen ins Unbekannte

»Reality is just a story thats taken on a life of its own.«
— John Constantine, Dez. 1997

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Brunnen

Irgendwo in den Gedankengängen gähnt der Brunnen in das Dunkel. Sein Wasser dürstet nach Haut, nach einer verlangenden Kehle in die es rinnen kann.

Kein Licht. Nur Schwärze. Ein Durst läßt uns nach diesen Brunnen suchen, sie verzeichnen und erforschen, was für Quellen sie verbergen. Alle sind einzig.

Man wird von den dunklen Wassern verschlungen. Kälte läßt eine Quelle vereisen. Doch schon im Flimmern eines Irrlichts, können sich zwei spiegelnde Veränderungen und zwei Brunnen ineinander stürzen.

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Verborgene Orte: Acht — Presse

(Eintrag No. 340)

Prosalyrische Wanderungen ins Unbekannte

»Reality is just a story thats taken on a life of its own.«
— John Constantine, Dez. 1997

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Presse

Sie ist eingesperrt. In einer Kammer. Ohne Bewegungsmöglichkeit. Versuche es, aber mach dich auf etwas gefaßt…

Komme und öffne die Schachtel. Greif hinein und spüre nackte Haut. Reibe dich daran. Laß es wölben. Steig dazu und vergrößere die Enge, damit Aufstrebendes eindringen kann.

Sie schließt in sich wieder, die nun zweifach zusammengekauerte Nacktheit; umschlungen in die Ecke getrieben; Finger beginnen zu gleiten; Küsse suchen nach spießenden Zungen; Schweiß wird gekeltert und die tröpfelnden Bewegungen der Lust erweiche die Wände; der Raum wird warm und fleischlich; umschließt die zwei Gedanken und pulsiert zart.

Die Schachtel schwillt an. Sie bläht sich auf und reißt hie und da; schließlich platzt sie und alles zu einem Organ gewobene bricht auseinander, verteilt sich im Wirbel driftender Spritzer.

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Verborgene Orte: Sieben — Vakuum

(Eintrag No. 339)

Prosalyrische Wanderungen ins Unbekannte

»Reality is just a story thats taken on a life of its own.«
— John Constantine, Dez. 1997

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Vakuum

Innerhalb eines Tages erreicht mich die Einsamkeit.

Wie jeden Tag vernichtet sie den Abstand zwischen mir und ihr. So viel ich versuche zu vergessen; so viele Bulldozer auch wegschieben; die Sucht nach Menschen, die Entzugserscheinungen der Liebe, klettern aus jeder noch so bodenlosen Tiefe empor; trocknet jedes noch so trennende Meer aus; füllt jeden noch so gähnenden Leerraum mit Abscheu und Ekel vor mir selbst.

…stürme den Tunnel. Krieche in den Schächten. Suche nach den Schlächtern und bete zur Steckdose…

Die Adern krümmen sich vor Schmerz; das Gedärm knirscht in stiller Disharmonie; die Choreographie meiner Scham kommt aus dem Takt; Gewaltverlust breitet sich aus; Selbstverstümmelung scheint ein netter Bluttrost für entschwundene Zärtlichkeit; statt eines Streichelns eine dünne Spur rinnendes Blut auf der verwaisten Haut; die Augen sträuben sich irgend etwas Schönes wahr zu nehmen; der Anblick der Muse wird zur Singularitat verstrudelter Unerreichbarkeiten.

…baumle am Knochengerüst. Lache in den kalten Eimer. Zertrete die Gehirnkrümel und lästere der Zunge…

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Verborgene Orte: Sechs — Herren der Hölle

(Eintrag No. 338)

Prosalyrische Wanderungen ins Unbekannte

»Reality is just a story thats taken on a life of its own.«
— John Constantine, Dez. 1997

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Herren der Hölle

In erstickender Umschlingung würgen sich ihre aufgedunsenen, riesenhaften Schwulstleiber umeinander. Ihre stinkende Umgarnung und zärtlichen Verrate umtanzen ihre blinden, einsam umhertastenden Traumgespinste.

Zusammen zerdrücken sie mit arroganter Ahnungslosigkeit der Lebenden Leute Leiber, deren umherdribbelndes Blut der Lindwürmer Liebesbrunnen ist. Zwanghaft und pathologisch tolerant, das ständige Hinken und Stolpern zum grazilen Tanz erklärt. Trotz aus ängstlich hilfloser Distanz die Spiegelkabinettigkeiten zur Tugend erhoben, sind sie mit all ihrer Macht eines nicht: zwingend systemimmanent.

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Verborgene Orte: Fünf — Archiv

(Eintrag No. 337)

Prosalyrische Wanderungen ins Unbekannte

»Reality is just a story thats taken on a life of its own.«
— John Constantine, Dez. 1997

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Archiv

In den Regalen tümmeln sich allerlei Exponate.

Viele von gänzlich unscheinbarer Form. Andere wirken monströs, melken Ekel in uns hoch, aber doch sind sie von ungleichem Anmut und Reiz.

Viele der Sachen wirken alt und gebraucht. Staub umgarnt viele Stücke, die in ihrer Art archaisch und roh wirken. Wertvoll und einzig mögen all diese Dinge sein, doch die wenigsten verraten diese Eigenschaft.

…komm und stirb. Stampfe in meinem Klang…

Den Plunder- und Tandgeschmack legen einige Stücke ab, kostet man mehr von ihren Formen; leckt man an ihrem geronnen Blut; sehnt man sich nach zeremoniellen Gesängen.

…langsam und zucke. Gegen meine Stille hilft kein Pfeifen. Weise und töricht sind meine Bücher. Allein dein Sinn gibt ihnen Tat. Die fahrige Angst die uns umnebelt, ist ehr eine Furcht vor unserer Macht…

Man erkennt nun unter tausend Ornamenten verbergender Frohnatur die tanzenden Krieger. Man steht vor ihren wilden Weibern, die dreieckigen Köpfe im Krampf verzückt, aufrechte Glieder, tanzende Speere, vibrierende Brüste, gespreizte Beine, Tierfratzen, verbrannte Feinde, erlegtes Wild, zertrampelte Dämonen, verschwundene Wünsche, gemarterte Engel, verführte Märtyrer, vergewaltigter Pöbel.

…so heiß wie die Bronze beim Guß ein jederwelcher betörend geilen GOttfigur, ist das Leben in deinen Adern.

Wenn die Teufel dich genug gebissen haben die Fledderer deiner Habe geifernde Diebe, die Wucherer deiner Träume Hehler wirst du die unverschämte Gabe haben, nicht mehr vor uns ausweichen zu können.

Von Irgendwo weht Licht herein und der Schein ist hinweg. Das wenig Helligkeit aus einem gedungenen Spalt reicht aus, langweilige Schatten auf das Regal zu werfen. Sind doch alle seine Gegenstände nur Schattenbilder dessen, was sie eigentlich begatten sollten. Zwar sind sie alle Unikate, doch so unendlich viele…

Sie gleichen sich unmündig doch alle bis aufs Jota.

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Verborgene Orte: Vier — Fluß

(Eintrag No. 334)

Prosalyrische Wanderungen ins Unbekannte

»Reality is just a story thats taken on a life of its own.«
— John Constantine, Dez. 1997

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Fluß

Vergesse nicht. Verspreche nichts was du nicht halten kannst; lehne dich nicht auf gegen jene, von denen du nichts weißt. Schönheit und Furcht haben ihre Wurzeln meist im selben Humus; das fürchterliche Unbekannte keimt seit Denkensanbeginn in allen Wünschen die wir gebären, deshalb ist die Schönheit von unseren Ängsten umwoben. Versuche nicht mit brackigem Wasser dem Verlangen feste Form zu geben; schöpfe aus dem strömenden Naß und schwemm deinen Staub vom Gemüt.

Harre aus. Wache schlafend und fürchte nicht das ewige Fließen und willkürliche Wirren der Zeit; mach aus ihm keinen zerfressenden Strom des ätzenden Vergessens; ertrinke nicht im reißenden Tod der potentiellen Möglichkeiten; bewahre dir die wenigen Tropfen und wandle sie in behagliches Blut.

Erstarre nicht. Verhake dich nicht in den Zahnrädern der Spontaneität; die angstgepressten Kiefer maskiert als dachsisches Fletschen; jeder Eindringling der Veränderung des Status Quo der Diktatur wird gefoltert, mißverstanden ausgewiesen; doch so festgefrohren statisch läßt sich kein Leben zappeln.

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Verborgene Orte: Drei — Wüste

(Eintrag No. 335)

Prosalyrische Wanderungen ins Unbekannte

»Reality is just a story thats taken on a life of its own.«
— John Constantine, Dez. 1997

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Wüste

Wir verrichten unsere Notdurft des Geistes.

Sand schlängelt durch unsere Venen. Wasser verdunstet vor Schreck. Unserer Angesicht wird starr, wie unsere Waffen scharf sind; unser Blut erblaßt in konfuser Langeweile, unsere fahle Haut nur noch Pergament der Zeit; unsere Wünsche verfliegen schimmernd, Hüftschüße der Platzpatronen unserer ungeborenen Tage.

Wir wischen unseren Seelenarsch mit Stacheldraht aus.

In der Ferne ein Luftspiegelungsbollwerk, der Elfengebeinturm unserer Herkunft. Unsere Worte irren ins Leere, wie die anklagenden Zeigefinger auf alles deuten was verwirrt, wenn bezeichnet wird um abzulenken; unsere Gefühle verstecken sind zwischen den endlosen Dünen, wie unsere Ehrlichkeit vom Wind sachte zerblasen wird; unsere Sucht dörrt uns aus, wie unsere Inspirationen uns verdursten läßt.

Aus Sand und Lehm matschen wir unsere Labyrinthe; zerstören uns selbst und helfen den anderen sich in belanglosen Fallen des Geistes zu verirren.

Ein Vogel umkreist die Aussicht und gibt seine Wunder des Träumens preis; Konzerte arbeitsloser Musiker trudeln durch unsere Ohren; Salz träufelt sich auf unsere Gaumen und beißt unser Verlangen.

Wir schreiben unsere Fragen in den Sand.

Lassen uns von der Zeit erhitzen. Echsen verwischen unser Tagwerk und krabbeln in blinder Lebenswut Hyroglyphen auf die Dünen; der Vogel senkt sich auf den Horizont: ein Geier. Wie eine Eingebung kommt er, faltet seine schwarzen Flügel und zerrupft die Kadaver unserer Erinnerung.

Einige Tropfen Wasser, von einer Wolke vergessen, verdunsten eh sie glühenden Körpern Kühlung gönnen. Wenn wir uns treffen in der unendlichen Wüste, dann laß unsere Körper sich verflechten, die Schuppen ineinander haken; abtauchen in den Sand.

Bestandteil dieser Wüste werden.

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Verborgene Orte: Zwei — Zugfahrt & Cafehaus

(Eintrag No. 334; Juvenilia)

Prosalyrische Wanderungen ins Unbekannte

»Reality is just a story thats taken on a life of its own.«
— John Constantine, Dez. 1997

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Zugfahrt…

Aus den Tälern des Geistes steigen die Nebel des Summens.

Häuser parademaschieren am Fließband der Schienen.

Bewege ich mich im Zug, oder gleitet die Landschaft?

Von den Höhen des Schmerzes tönt das Rattern vom Herz.


& Cafehaus

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