Sonntag, 25. Februar 2007
Lokale Politik, sportlich gesehen
Erstellt von molosovsky um 16:51
in
Woanders
(Eintrag No. 330; Gesellschaft, Vor Ort, Woanders) — Andrea hat einen überwältigenden Beitrag über den Erörterungstermin zum Bau (oder Nicht-Bau) einer neuen Müllverbrennungsanlage in ihrem Blog veröffentlicht. SO liest sich für mich richtig gute Bloggerei. Viel Spaß (und Daumendrück, daß man uns Mainbewohnern dieses Ungetüm von einem Werk nicht reindrückt!)
Samstag, 24. Februar 2007
Molos Gastauftritt im »Arkadien« von Niebelschütz und »Raben«-Übersicht
Eintrag No. 329 — Anläßlich des BibPhant Buchzitateraten habe ich nach langer Zeit mal wieder im Wolf von Niebelschütz seiner respektlosen Epistel »Auch ich in Arkadien« (Haffmans Verlag, 1987) geblättert und fand auf S. 60 meinen Nickname, noch dazu in einem begeisterungsstiftenden Zusammenhang:
Vom Molo nahten neue Sensationen,
Umspühlt von neuen Massen, und es waren
Wildfremde Leute schrankenlos bereit,
Den nächsten besten hominem sapientem —
So etwa uns — an ihre brust zu ziehen.
Zwei Bezüglichkeiten auf Molo in Helmut Kraussers Tagebüchern, und nun das. Weiß gar nicht mehr wohin mit mir vor lauter Größenwahn!
•••
Und gerade im Netz entdeckt: Martin Juckers feine Übersicht der 62 (+) »Raben«, dem Magazin für jede Art von Literatur, das von 1982 bis 2001 erschien, mit dem ich ausgewachsen bin; das mit-hauptverantwortlich ist für meinen Literatur-Geschmack; das ich so schmerzlich vermisse.
Montag, 29. Januar 2007
Deutschsprachige Leser frugen, China Miéville hat geantwortet
Eintrag Nr. 328 — Letztes Jahr im Oktober haben die Haberer von Seblons großartiger China Miéville-Bas Lag-Site Interviewfragen gesammelt. Mein großes Idol der zeitgenössischen Phantastik hat sich unserer 33 Fragen mit bewunderswerter Geduld angenommen.
Was gibt es Neues? Es geht…
- …um den springenden Punkt aller Phantastik;
- … um das Kreuz mit der Rezeption homosexueller Protagonisten;
- … um Chinas Begeisterung für Walter Moers »Die 131/2 Leben des Käpt’n Blaubär«;
- … um die derzeitigen Epochenspannungen zwischen sekularen und religiösen Weltbild-Facaden;
- … um den Wohlklang von ›Blitzbaum‹ und ›Luftgeist‹;
- …um die vermeintliche Radikali- & Originalität der Techniken literarischer Postmoderne…
… und vieles andere mehr. — Was mich besonders freut: China ließ sich von uns zu neuen Literaturempfehlungen ermuntern.
Alle, die sich ganz allgemein (es geht immerhin auch um Berthold Brecht!) oder besonders als Phantasten für relevant-engagierte und ideensprühende Literatur interessieren, und die Miévilles Werke noch nicht kennen, können sich also hier im »Großen Bas-Lag-Forum-Interview« einen ersten Eindruck über diesen erstklassigen Autoren verschaffen.
Großen Dank und ›Hut ab‹ für Seblon, daß Du trotz Roboti und Klausurenstress die Zeit und Kraft für all die Orga & Fizzelei aufbringst!
Samstag, 27. Januar 2007
Blogger das Rollenspiel: Ungustiöse Charakterklassen
(Eintrag No. 326; Gesellschaft, Woanders) — Mal wieder drüben an der BlogBar rumgesenft. Der Don hat aber auch zu köstlich in »Die 5 beliebten Methoden für Blogawareness, die bei Bloganfängern genutzt werden, aber dennoch nichts bringen« die schlimmsten Gattungen der aufmerksamkeitsheischenden Blogger aufgelistet; als da wären:
- Trittbrettfahrer;
- Verschwörungstheoretiker;
- Ex-Irgendwasse;
- Geldgeile;
- kleine Schreihälse.
Ich kann mich nicht entscheiden, ob ich 2 oder 5 bin. Mit diesem Eintrag bin ich aber definitiv 1.
Ach ja: kommentiert hab ich dort auch, und zwar einmal zwo Eintrags-Entwürfe für’s »Teufels-Wörterbuchs des Informationszeitalters«; und einmal was eher assoziativ-bemüht Relevantes.
Mittwoch, 17. Januar 2007
Der ›Erfinder‹ des Totenkopfsees hat den Planeten verlassen
Eintrag No. 325 — Robert Anton Wilson ist am 11. Januar mit 75 Jahren gestorben. Die Meldung erreichte ich via Volltext-Newsletter erst Anfang dieser Woche. Der Co-Autor der berüchtigten »Illuminatus!«-Trio und markanter Pionier der ›Sex, Drugs & Rock'n Roll‹-Phantasik der Siebziger ist (zumindest für mich) einer der schillernsten Autoren des Informationszeitalters.
Okey, es ist nicht ganz leicht sich Wilsons Werk zu nähern. Zuviel Deviantes, zuviel mittlerweile als haarsträubend geltende Alternativ- und Subkultur-Wüstheit macht seine Bücher zu einem verwirrenden Labyrinth.
Gottseidank aber war Wilson kein köchern-ernster Kerl und so wurde die flirrende Buntheit und Schrillheit vieler Aspekte seiner Bücher durch seinen anachristischen Humor ausgeglichen. Er ist ein Vorbild der These, dass man ruhig alle noch so durchgeknallten Ideen auf den Tisch legen kann, wenn man sich selbst nicht allzu ernst nimmt.
Herausragend finde ich, dass Wilson in seinen Büchern nicht nur ›aufregende‹ Ideen zuhauf unterbrachte, sondern daß er einer der vielseitigsten Formen-Spieler der phantastischen Literatur war (wenn man mal seine Sachbücher hintanstellt, weil deren Thesen eben zu ›abgefahren‹ für einen gepflegten Diskurs sind).
Hier zwei Feuillitonmeldung zum Tod von R.A. Wilson (soll keiner sagen, daß der deutsche Blätterwald die Genre-Phantastik völlig ignoriert):
- »Wie die Welt wohl zu retten wäre«: Brigitte Heberling für die »Berliner Zeitung« — Schöne Stellen:
Von Anfang an liebte ihn die intelligente, wenig sportliche, überwiegend männliche Jugend: die Nerds, die Garagenbastler, diejenigen, die uns Microsoft und Apple brachten und heute die Welt retten wollen. Und wie viel Anteil daran trägt wohl Wilson? {…} Wilson hat die Gründung von mindestens zwei Sekten inspiriert, man hat ihn den James Joyce der Kinderschaukel-Bauanleitung und den Arnold Schwarzenegger des Feminismus genannt, auf seiner Website ruft er in einem letzten Eintrag dazu auf, Kriege abzuschaffen und an ihre Stelle "selektive Attentate" zu setzen. "Mir fällt es schwer, irgendetwas noch ernst zu nehmen", so Wilson über die Folgen von Alter und Krankheit.
- »›Illuminatus!‹-Autor Robert Anton Wilson gestorben«: Holger Kreitling für »Die Welt« — Schöne Stellen:
Die Stadt Ingolstadt verdankt ihren Ruhm in der Weltliteratur eindeutig dem amerikanischen Autor Robert Anton Wilson. Es ist allerdings ein in mehrfacher Hinsicht zweifelhafter Ruhm. {…} Und Ingoldstadt? Nun, Adam Weishaupt, Gründer der bayerischen Illuminaten, stammte tatsächlich von da. Am Ende des Romans findet ein riesiges Woodstock-Festival am Ufer des nahe Ingolstadt gelegenen Sees statt, und aus der Tiefe des Wassers kommt ein Bataillon todeswütiger Nazis herauf, die dort Winterschlaf gehalten hatten.
- Wer neugierig ist, kann sich in dem ordentlichen Wikipedia-Eintrag zur »Illuminatus!«-Trio informieren (sei aber gewarnt, daß es dort viele Spoiler gibt).
Und hier noch ein Bildchen der (im Vergleich zu den Vorgängerauflagen) wunderfeinen neuen Taschenbuchausgabe bei Rowohlt.
Und hier noch ein paar nette Zitate aus dem ersten Band, die gleichzeitig schön ›Selbstbezüglichkeit in der Literatur‹ illustrieren (ich hab die alten Ausgaben von Rowohlt; entsprechend stimmt Seitenangabe der Zitate wohl für die neuen Ausgaben nicht):
Wahrlich, es werden noch wundersame Dinge geschehen.
(S. 10)
Romanhelden holen sich keinen runter, wenn die Wogen der Handlung höher schlugen, besann er {George Dorn} sich. Zum Teufel damit, erstens war er kein Held, zweitens war das hier keine Literatur.
(S. 80)
- Und das Buch macht sich selbst nieder. Die (wie ich annehme fiktive) New Yorker Kritikerin Epicene Wildeblood soll ein Buch (eben »Illuminatus!«) besprechen und in ihrer Mitteilung an den Redakteur lästert sie:
Es ist ein gräßliches Monster von einem Buch … und die Zeit ist viel zu kurz, es ganau zu lesen; aber ich werde es gründlich durchblättern. Die beiden Autoren halte ich für völlig inkompetent — nicht eine Spur von Stilgefühl oder für Gliederung. Es fängt als Kriminalroman an, springt dann über zur Science-Fiction, gleitet anschließend als ins Übernatürliche und ist überladen mit den ausführlichsten Informationen über Dutzende von entsetzlich langweiligen Themen. zudem ist der Zeitablauf völlig durcheinander, was ich als anmaßende Imitation von Faulkner und Joyce werte. Am allerschlimmsten aber ist, es hat het die obzönsten Sexszenen, die du dir vorstellen kannst. ich bin sicher, daß es nur deshalb verkauft wird. Sowas spricht sich am schnellsten rum. Und ich meine, die beiden Autoren finde ich einfach unmöglch; kein bischen guten Geschmack; stell dir vor, die beziehen tatsächlich lebende politische Figuren ein, um, wie sie einen glauben machen möchten, eine echte Verschwörung aufzudecken. Du kannst dich darauf verlassen, daß ich keine Minute vergeuden würde, einen solchen Schrott in die Hand zu nehmen … aber, naja, bis morgen mittag werde ich eine niederschmetternde Kritik für dich haben.
(S. 261 f)
Sonntag, 14. Januar 2007
Über Anspruch
Eintrag No 324 — SF-Netzwerk-Haberer Michael Schmidt hat im Buchform die Frage »Besser kompliziert oder einfach genial?, Qualität und ihre Stilmittel« gestellt.
Zusammengefasst eröffnet Michael wie folgt: Bei Auseinandersetzung über die Qualität von Medienwerken (Buch, Film, Musik ect) wird oftmals der ›Anspruch‹ ins Feld geführt. Andererseits aber sind die meisten großen Hits, Bestseller eher simpel.
»Ist also weniger mehr? Das einfache Konzept die wahre Geistesleistung? Oder sind doch die komplexen Romane das Maß aller Dinge?«
… fragt Michael also.
Ich hab meine Re-Aktion noch etwas überarbeitet, um es im Folgenden den Molochronik-Lesern als weiteren Beitag meiner losen Reihe »Material zum Kapieren« anzubieten.
Zuerstmal: Was für eine Frage! Ich bin mir gar nicht sicher, wie und ob ich die verstehe. Deshalb formuliere ich mal sachte an die Frage heran. Ein Gegensatz soll angenommen werden. Zwischen ›einfach genial‹ und ›anspruchsvoll kompliziert‹.
Am wichtigsten erscheint mir, dass eine Sortierung in diese beiden Schubladen sehr heikel ist. — Um für sich entscheiden zu können, ob etwas ›mit Anspruch‹ daherkommt oder nicht, muss man diesen Anspruch ja erkennen können. Jeder Text konstruiert einen ›idealen Leser‹ (oder setzt einen solchen voraus). Für gewöhnlich sollen solche Dinge wie Genreschubladen, Aufmachung (Cover), Klappentext usw dabei helfen, sich mit entsprechend fruchtbarer Einstellung eines Werkes anzunehmen. Und in einem z.B. Buch gehts so weiter: Vorwort, Motto und der Einstieg sollten (idealerweise) dem Leser markante Signale dazu vermitteln, worauf er sich einlässt, damit er sich darauf einstellen kann. — (Ganz nebenbei: man beachte diesbezüglich die Landkarten- und Glossar-Begeisterung der Fantasy-Phantastik! Wobei: auch die SF kennt Glossare!)
Wink mit dem Zaunpfahl
Beispiel zweier klassischer Romane: Sowohl »Krieg und Frieden« als auch die »Buddenbrocks« haben zu Beginn einiges an wörtlicher Rede auf Französisch. Wer also so ungebildet ist und das nicht versteht, hat also eine böse Hürde, bzw. Leerstellen vor sich. — Man kennt sowas ja auch von z.B. philosophischen Büchern. Da gibts solche Autoren, welche dem Leser die fremdsprachigen Stellen in Anmerkungen oder Fußnoten aufdröseln, und andere, die meinen, wer das Latein, Griechisch, Englisch usw nicht versteht, ists eh nicht wert das Buch zu lesen (weil eben ein ›Barbar‹, und die sollen lieber Erdlöcher buddeln oder in Schlammgruben herummatschen, statt mit ihren Pranken Gelehrtenwerke anzurühren).
Hier eines meiner Lieblingsbeispiele für einen solchen leserorientierenden Zaunpfahl:
»Nichts geht über ein wenig wohlgedachten Leichtsinn«, sagt Michael Finsbury in der Geschichte; und es gibt auch keine bessere Entschuldigung für das Buch, das der Leser nun in Händen hält. Die Verfasser können dazu lediglich noch bemerken, daß der eine von ihnen alt genug ist, um sich zu schämen, und der andere jung genug, sich zu bessern.
— R. L. Stevenson & L. Osbourne, »Die Falsche Kiste« (1889).
Exemplarisch ›unverschämt‹ ist da auch Mark Twains Klausel zu Beginn von »Huckelberry Finn«:
ZUR BEACHTUNG: Personen, die versuchen, ein Motiv in dieser Erzählung zu finden, werden gerichtlich verfolgt; Personen, die versuchen, eine Moral darin zu finden, werden verbannt; Personen, die versuchen, eine Fabel darin zu finden, werden erschossen.
Auf Befehl des Autors
für G.G., Kommandant der Artillerie
… oder Anro Schmidts Variation darauf in »Das Steinerne Herz«:
… Infolgedessen wird, im Auftrag des Autors, wie folgt verfügt:
- a) Wer in diesem Buch ›Ähnlichkeiten mit Personen und Ortschaften‹ aufzuspüren versucht, wird mit Gefängnis, nicht unter 18 Monaten bestraft.
- b) Wer ›Beleidigungen, Lästerunen, o.ä.‹ hineinzukonstruieren unternimmt, wird des Landes verwiesen.
- c) Wer nach ›Handlung‹ und ›tieferem Sinn‹ schnüffeln, oder gar ein ›Kunstwerk‹ darin zu erblicken versuchen sollte, wird erschossen.
Bargfeld, den 10. März 1960
das Individuumsschutzamt
(gez. D. Martin Ochs)
Später können sich sich dann z.B. Literaturwissenschaftler (aber auch normale Leser) daranmachen, anhand solcher Eigenheiten Rückschlüsse zu ziehen auf z.B. den Zeitgeist, oder den ›idealen Leser‹ wie er dem Autor vorschwebte.
Kamasutra-, ähh Gebets-, hrm Lese-Haltungen
Wiegesagt: ob man etwas als ›kompliziert anspruchsvoll‹ oder ›simple Unterhaltung‹ nimmt, hängt mindestens so sehr von der Einstellung des Lesers beim Konsum ab, wie von der Einstellung des Autoren beim Produzieren (und die dazwischenfunkenden/vermittelnden Instanzen sorgen für das nette Durcheinander, das wir ›den Medienmarkt‹ nennen). — Da gibt es diese unerhörte Möglichkeit des ›Gegen den Strich lesens‹. Persönliches Beispiel dazu: Im Großen und Ganzen bin ich gegenüber Adornos Zeug sehr skeptisch, aber ich erlaube mir, sein »Minima Moralia« als ein humoristisches Buch zu lesen; sprich: ich bin der Meinung, dass Adorno in diesem Buch mehr Humor an den Tag legt, als man gemeinhin diesem Autor zuschreibt.
Somit ist es also von großer Bedeutung, welche Lesehaltungs-Kenntnisse und Begriffs-Vielfalt dem Konsumenten zuhanden sind. »Was der Bauer net kennt, frista net.« — Oder auch: Wer den Mitteilungs-Modus nicht entschlüsseln kann, wird ein Werk entweder falsch aufnehmen, und/oder nur spärlich bis gar kein erbauliches Leseerlebnis damit haben können.
Hier spielt nun der Gegensatz zwischen ›Konvention‹ und ›Originalität‹ hinein. Konventionen sind wohlbekannte, allgemein akzeptierte Eigenschaften von Werken (Bilder mit Rahmen, Bücher die man von vorne nach hinten ließt, Filme mit Main Titles). Nur vor dem Hintergrund der Konventionen hebt sich das Originelle ab. Aber auch hier gibts keine endgültig verbindlichen Orientierungs-Marken, denn das Verhältnis von Konvention/Originalität (also von ›bestehenden Regeln‹ und ›Regelüberschreitungen‹) wandelt sich mit dem Lauf der Moden, und hängt wiederum sehr vom kulturell-geschmacklichem Gepäck des Konsumenten ab.
Östlich-Westlicher Begriffsrahmen-Diwan
So kennt die europäische Ästhetik solche bis heute einflussreichen Begriffe wie ›das Erhabene‹, ›das Groteske‹ und ›das Pittoreske‹. Die japanische Ästhetik aber ist von Begriffen geprägt wie ›Sabi‹ (›Patina‹, Reife & stille Würde des Alterns & Gerbauchtseins, unaufdringliche Schlichtheit), ›Wabi‹ (mit Bedacht gewählte ›Armut‹, Kargheit, Einfachheit) und ›Yûgen‹ (schwebende Stimmung geheimnisvoller Weite & Tiefe).
Ich bringe diese Gegenüberstellung europäischer und fernöstlicher Grundbegriffe der Ästhetik nicht von ohngefähr an. Immerhin erfährt mit dem Manga/Anime-Boom insbesonders die Science Fiction eine ›Fortbildung in Sachen Weltästhetik‹. — Es ging sicherlich nicht nur mir so, daß Animes anfangs (und teilweise immer noch) meine Erwartungshaltungen ganz schon ins Trudeln bringen. Da gibt es viele Konventionen, die mir erstmal seltsam anmuten. — Einige typische Anime-Merkmale, an die ich mich erst gewöhnen musste:
- deren Mischung aus Realismus (Technik-Oberflächen) und Cartoon (Rehaugen);
- die Inszenierung von stillen Momenten (Konvention: Stille und Verharren vor dem Moment der Gewalt, aus der sich die ›Bullet Time‹ entwickelt hat);
- die für mich als Westler oftmals ›unbekümmert‹ (oder mutig?) anmutende Vermischung von Hard-SF (z.B. gesellschaftlich vergleichsweise harter Cyberpunk) und religiöser Mystik (Lebensstromkräfte und transzendente Essenzen).
So kann, was für einen japanischen SF-Fan beste Konfektionswahre ist, die sich locker-flockig genießen lässt, für mich als Europäer als ungemein radikal-originelles Werk daherkommen, dass sich originell vom bekannten abhebt (und umgekehrt: für einen Europäer Konventionelles mag einem Japaner ungewöhnlich und neuartig erscheinen).
Glatte und Rauhe Konventionen
Lange Rede kurzer Sinn: {SF-Netzwerk-Kollege} Simifilm bringt es auf den Punkt, wenn er davon schreibt, daß Werke ›in sich koheränt‹ sein müssen. Wobei natürlich wiederum alles davon abhängt, was einem als ›koheränt‹ gilt; denn es gibt z.B. die Möglichkeit, eben die Nichtkoheränz (oder zumindest: eine gehörige Verwirrung) zur prägenden Eigenschaft eines Werkes zu machen (Maximalbeispiel: »Finnegans Wake« oder auch Werke der Dadaisten, des Non-Sense). — Etwas sanfter als solch eine Totalverweigerung von ›Sinn‹ und klarer Entschlüsselbarkeit ist die Möglichkeit der gewollten Mehrdeutigkeit und Offenheit eines Werkes (Paradebeispiel: Kubricks »2001«).
Man denke auch an den Unterschied zwischen Konsumenten-Beruhigung (›Wellness‹-Dienstleisung) und Konsumenten-Verstörung (Provokations-Dienstleistung). Beide Vorgehensweisen haben jeweils ihre Konventionen. Wer sich z.B. mit Horrorsachen wohlfühlt, wird Ekelszenen und Gemetzel kaum als die Provokation nehmen, die solche genre-eigenen Extreme für jemanden darstellen, der mit Horrorkram nicht so gut kann.
Obwohl diese modernen Ästhetiken der Verstörung, Provokation, Mehrdeutigkeit und des gewollten ›Irrationalismus‹ mittlerweile auf eine eigene Tradition zurückblicken können, ist es nicht liederlich, wenn man sie im Gegensatz zu den ›klassischen Formen‹ als anspruchsvoller oder wenigstens als ungewöhnlicher einstuft.
Form und Inhalt
Zuletzt nur noch eine kurze Erwähnung eines weiteren Spannungsfeldes, in dem sich die begriffliche Gegensätzlichkeit zwischen ›anspruchsvoll‹ und ›einfach‹ aufziehen lässt. — Es gibt ›Ansprüche‹ des Inhalts und solche der Form.
Inhaltliche Ansprüche haben mit Themen zu tun. Hier greifen Fragen nach der Zeitgenossenschaft, oder der gesellschaftlichen Relevanz. Themen wie Serienmörder, Verschwörungstheorien, Esokram fallen mir ein, die oftmals als heikel eingestuft werden, und deren bloßes Vorhandensein bald mal Ablehnung für ein Werk zeitigt. — Aber das Thema Serienmörder kann man eher locker anpacken (Jacksons »The Frighteners«) oder auch mit ›ernsthaftem Anspruch‹ (»Der Todmacher«). Komplexität tritt hier zutage mittels der Art und Weise mit der ein Weltenbau, das Geflecht der handelnden Figuren, die Kleinteiligkeit der Vorgänge (die Kausalitäten) entworfen und entwickelt und aufgelöst werden.
Ansprüche der Form lassen sich vielleicht leichter mittels der Pole Komplixät und Schlichheit betrachten. Hier gibt es z.B. solche Konventionen wie sie z.B. durch die ›aristotelische Forderung nach der Einheit von Raum, Zeit und Thematik‹ postuliert werden. Lustigerweise fällt es heutzutage zumeist als origineller Kniff auf, wenn man sich an dieses Programm hält (»Cocktail für eine Leiche«, »Nick of Time«, »Phone Booth«, »24«).
Beispiele einiger Form-Konventionen: Üblicherweise erwartet man, daß eine Geschichte von A nach Z erzählt wird. Stellt man das auf den Kopf (z.B. »Memento«), gilt das dann eher als ungewöhnlich. — Das Publikum will zuvörderst dem Erzähler oder der Erzählperspektive vertrauen. Erzählerfiguren (oder Erzählerstimmen), die den Leser auf eine falsche Fährten lockt gelten eher als kecker Griff in die Trickkiste (»The Usual Suspects«). — Dann: wir leben in den hohen Modetagen des ›Reinspringens in die Handlung‹. Vorspiele (Prologe) oder z.B. panoramische Einstiegssequenzen sind heute eher die Ausnahmen (wenn auch nicht grad super-selten; bei Historienfilmen sind z.B. einleitende Texttafeln etwas durchaus Übliches; so wie bei Märchen zu Beginn noch das große illustrierte Buch aufgeschlagen wird und ein »Es war einmal…« aus dem Off anhebt).
Um Simifilms Argument aufzugreifen: Inhalt und Form eines Werkes sollten soweit zueinander passen (miteinander harmonieren), dass man als Konsument eine faire Chance hat, den Entcodierungs-Schlüssel zu finden. — Alles andere hängt dann wohl eher vom Betachter ab, und ob man eben z.B. eher danach trachtet sich zu ›entspannen‹ oder zu ›bilden‹. Ich setzt ›entspannen‹ und ›bilden‹ deshalb in einfache franz. Anführungszeichen, weil auch hier keine eindeutige Ordnung besteht. — ›Bilden‹ kann Info-Aufsaugen (Fakten, Daten, Zusammenhänge), aber auch Seelen-Bildung (Erweiterung des Empfindungsspektrums, Zornformung, Vorstellungskraft-Training) bedeuten. — Und ›Entspannung‹ mag daherkommen als süß (›Kitsch‹, das Niedliche, Tröstliche, streichelnder Humor) oder scharf (Äktschn, Explosionen, zwickender Humor) oder bitter-sauer (Grauen, Ekel, Tollschocks, ätzender Humor) … usw.
Glückwunsch: Ihr habt das Ende dieses Stegreif-Vortrags erreicht.
Freitag, 12. Januar 2007
Laßt uns doch über den Gröfaz lachen
(Eintrag No. 323; Geselschaft, Film, Dröttös Roich, Woanders) — Daniel Levy und Helge Schneider verhohnepiepeln Hitler und freilich wird sich schon im Vorfeld fett darüber echaufiert.
Nix lachen über Hitler! Böser Humor! usw.
Ich finde es sehr traurig, wie arg verklemmt bei uns der spielerisch-ästhetische Umgang mit der Nazivergangenheit ist. Was ist so schwer daran, die Nazis, deren Leithammel und ›die armen von denen verführten Mitläufer und willigen Helfer‹ als depperte Gestörte vorzuführen (oder auch als knackig-unheimliche Monster)? Für mich ergibt sich häufig prickelnde Schönheit (die ja nicht immer eindeutig sein muß um interessant zu sein), wenn man die glorreiche und meiner Meinung heilsame Tradition aufgreift, die durch Chaplin, Lubitsch und Co begründet wurde.
Andrea hat das hiesige Hickhack zum Thema in »die allerhöchstwahrste wahrheit über adolf hitler« bereits fruchtbar kommentiert.
Ergänzend dazu noch ein Fund von mir. In »Sour Krauts, Not a Bit« verteidigt der Enländer Roger Boyes ›uns Deutsche‹ gegen den Vorwurf, daß wir so völlig humorfrei sind. Das ganze ist Teil eines Vorabberichts zum mittlerweile erscheinenen Buch »My Dear Krauts«, in dem der ehemalige Teutonenskeptiker Boyes schildert, wie er in seinen Jahren als Deutschland-Korrespondent der Times seine Vorurteile über z.B. die berüchtigte Humorfreiheit der Deutschen korrigierte. Hier ein Zitat aus dem seinem Artikel in der »Times2« zum Levy/Schneider-Film:
The big test will come in the new year in the form of the first German-made comedy about Hitler. The Führer is shown as an impotent bed-wetter who likes to play in the bath. Judging by the press preview, German audiences will be rolling in the aisles. My bet is that British audiences will not — we have laughed ourselves dry about the Nazis. But I don’t begrudge the Germans their chance to laugh at Hitler — because I trust them not to mock or forget Hitler’s victims. That is why I feel more relaxed with, and about, the Germans. They have been liberated not by Sherman tanks but by Benny Hill and Borat.
Desweiteren finde ich folgende Ansichten aus »Sour Krauts…« bemerkenswert:
What the Germans seem to object to is a sudden switch from slapstick to sarcasm or irony.
In Germany, humour is stockaded, kept apart from everyday life … they will fail to spot the inherent absurdities of their own office life.
The Germans really do laugh, loudly and with only a slight delay, at British humour.
Und ich stimme dieser tragischen Analyse zu:
I have a theory about this banter-less society, but when I tried to advance it in a radio show it was greeted with a glacial silence. It is simply this: the fast barrow-boy wit of the urban proletariat has its roots in Yiddish, arriving in the East End or the Bronx via a generation or two of East European immigration. It came to German cities too — and, for all the familiar reasons, disappeared. So we try not to mention that.
Im Dezember 06 hatte man auch im englischen SpOn über Boyes berichtet. Dort wird der Appell Boyes hervorgehoben, daß in Deutschland eine ›Entwicklungshilfe in Sachen Humor‹ von Nöthen ist. Knackig und erhellend:
…the Germans like to be mocked and criticized. It's the masochistic element in their mentality.
Besides, I don't think there's anything wrong with being fascinated with the Nazi period. It was a uniquely evil period and I don't think there's anything unhealthy about reflecting what the roots of evil are.
Letzteres sehe ich zwar durchaus heikler als Boyes, denn ich glaube durchaus, daß eine ›Faszination für das Böse‹ zur obsessiven Fixierung umkippen, und zu einer ungesunden ›Infektion des Bösen‹ führen kann. — Dennoch: es ist nun mal ein himmelweiter Unterschied, ob man den Nazis und Schickelgruber Apologien angedeihen läßt, oder man sich über diese Bagage und ihren Obermotz lustig macht. — So gar nicht verstehen kann ich die Argumentation, daß man die Opfer verhöhnt, wenn man die Täter verulkt. Ist mir schlicht zu hoch.
Dienstag, 2. Januar 2007
Der wüste Planet
Eintrag No. 322 — Bei SF-Fan stellt mephisto einige Fragen zu Frank Herberts epischer SF-Reihe »Der Wüstenplanet«. Hier meine Antworten.
Freiwillige Angaben (Optional)
Alter: Derzeit 34.
Geschlecht: Immer noch männlich.
Fragen
Frage 1: Wie würden sie Science-Fiction Literatur (Kurzgeschichte, Roman usw.) mit eigenen Worten definieren ? — Antwort: Fiktionen sind ausgedachte Geschichten (im Gegensatz zu Schilderunen wirklich vorgefallener Geschehnisse) und ›Science Fiction‹ sind entsprechend ausgedachte Geschichten, in denen im weiteren oder engeren Sinne wissenschaftliche Themen als Kern zu finden sind. SF kann, muß aber nich, Spekulationen und Prognosen über die nähere oder ferne Zukunft liefern. — Der Großteil der SF (vor allem in den neueren Medien nach dem Buchdruck) liefert in meinen Augen ›Fantasy‹ im SF-Gewand (siehe Subgenres Science Fantasy, Space Opera). — SF-Szenarien müssen nicht hauptsächlich auf den harten Wissenschaften gründen (Astrophysik, Technik, Energie, Informationstechnologie ect), sondern können auch Spekulationen auf den Feldern der wiechen Wissenschaften als Thema haben (z.B. Gesellschafts-, Kultur- und Wirtschaftswissenschaften).
Frage 2: Was macht für sie den Reiz an Science-Fiction (Literatur oder auch Film) aus? — Antwort: Wie bei jeglicher Kunst, interessiert mich die Darstellung dessen, was man als menschlich umschreibt oder begreift. Bei Filmen sind freilich auch zu einem Gutteil explodierende Außerirdische und andere Äktschn-Ereignisse, die mich begeistern können. — Speziell die Darstellung von Alltag finde ich immer sehr spannend in der SF; leider widmet man sich dem nicht so häufig, bzw. ausführlich.
Frage 3: Lesen sie SF-Romane ? Wenn ja welche Art von Romanen oder Subgenres (z.B. Cyberpunk oder Military SF ) bevorzugen sie? — Antwort: Ja, ich lese SF-Romane. Im Lauf der Zeit hatte ich wohl am meisten mit Cyberpunk und Steampunk meine Freude.
Frage 4: In welche Richtung wird sich der SF-Roman ihrer Meinung nach in den nächsten Jahren entwickeln ? Stirbt das Genre vielleicht gar aus? — Antwort: ich denke, daß die SF ›gewonnen hat‹, was aber vielleicht in einiger Hinsicht einen Phyrrus-Sieg darstellt. Vielerlei SF-Elemente und Themen sind mittlerweile von Nicht-SF-Genres assimiliert worden. Das Ringen um die Gestaltung der Zukunft läßt sich mehr oder minder offen beobachten; entsprechend sind Inhalte der SF in der Gegenwartswelt angekommen. SF ist mitunter der Anteil des weltweiten Selbstgespräches der Menschheit, in dem über die Wurzeln und anstehenden Probleme der sogenannten Globalisierung/Gloabalität locker flockig verhandelt werden (z.B. Imperialismus oder »Regeln für den Menschenpark«). Man darf davon ausgehen, daß ein nicht unerheblicher Zeck so mancher SF darin besteht, diesbezügliche Erwartungshaltungen zu fördern, sprich: Vorstellungs-Claims in den Köpfen der Individuen abzustecken (siehe z.B. Transhumanismus)
Frage 5: Ist ihnen Frank Herberts „Der Wüstenplanet“ ein Begriff ? Wenn ja haben sie den Roman gelesen oder eine Verfilmung gesehen? — Antwort: Gelesen vor ca. 20 Jahren; damals als er ins Kino kam auch den Lynch-Film gesehen (den ich sehr gut finde), bzw. den ersten Brocken der TV-Verfilmnung mit Uwe Ochsenknecht mitbekomen (die ich sehr schwach fand).
Frage 6: Was gefällt oder missfällt ihnen besonders an dem Roman in Hinsicht auf Handlungsführung , Charakterisierung und Atmosphäre? — Antwort: Skeptisch (bzw. leicht genervt) war ich wegen des ganzen Adels- und Militär- und Messias-Schmu des Romans. Nett dagegen fand ich die Idee des Spice und der Bene Gesserit-Schwesternschaft (sozusagen ein weiblicher Vatikan). Im Großen und Ganzen fand ich den Roman okey, auch wenn ich mich für dessen episches Gepräge nicht unbedingt erwärmen konnte.
Frage 7: Sehen sie in „Der Wüstenplanet“ gesellschaftskritische Ansätze ? Wenn ja welche? — Antwort: Am bemerkenswertesten ist wohl die Abhängigkeit der galaktischen Zivilisation von dem Großraumreisen ermöglichenden Spice; was ich als Bespiegelung der irdischen Abhängigkeit der Avandgarde-Zivilisation von (fossilen) Energieträgern nehme.
Frage 8: Geben sie ein kurzes persönliches Statement zu besagtem Roman ab falls sie in den vorhergehenden Fragen ein Aspekt ausgelassen wurde den sie für wichtig erachten! — Antwort: Unterm Strich ein beeindruckendes Epos, mir persönlich allerdings zu pompös und breitgetreten. Zudem finde ich, daß die Wüstenplanet-Reihe zu viele Fantasy-Elemente birgt. Pragmatisch läßt sich die Dune-Reihe zwar durchaus ohne Verrenkung als SF nehmen (Raumschiffe, Wunderwaffen, Großkonflikte), aber von unserer tatsächlichen Wirklichkeit ist die Reihe doch ziemlich losgelößt und bietet eben überwiegend Aristorkaten-Intrigen und Soldaten/Revoluzzer-Abenteuer, gewürzt mit monotheistischer Mystik. — Ich ordne die Reihe eher der Space Fantasy und Space Opera zu.
Montag, 1. Januar 2007
Woraus wohl Habenichtse gemacht sind?
Erstellt von molosovsky um 15:19
in
Woanders
(Eintrag No. 321. Literatur, Nervige Bücher; Vom schlechten Gewissen eines Musenlesers) — Zugegeben: ich werfe mich gerne in die Pose des ungebunden freien, weil eben nichtkommerziell daherschreibenden Phantasten. So gern ich mich deshalb glücklicher wähne als Rezensenten, die im Auftrag lesen und besprechen müssen, kommt es vor, daß mir meine Freiheit ein wenig auf der Seele lastet. Wenn ich zum Beispiel wegen meines mikrigen ›Rufes‹ als Non Profit-Rezensent nicht an gewünschte (kostenlose) Besprechungsexemplare rannkomme. Oder wenn mich Mitleid mit Aurftrags-Rezensenten überkommt, die immer wieder gezwungen sind, sich durch ›schräckliche‹ Bücher zu quälen.
So geschehen in den letzten Wochen: meine Partnerin Andrea besucht ja derzeit das Aufbaustudium »Buch- und Medienpraxis«. Zwar beneide ich Andrea z.B. darum, daß sie dort jemanden wie Andreas Platthaus als Lehrer hat, ist er doch einer der hiesigen Feuillitionmacher, die für mich ›in die Suppe kommen‹ (weil er eben schmackhaft und nahrreich berichtet, und dabei auch mal über Graphische Literatur, vulgo: Comics schreibt). Doch zum Thema Romankritik hatte Andreas Klasse jüngst zwei harte Brocken in der Reissen.
So saßen Andrea und ich in den letzten Wochen abends nebeneinander. Während ich — ganz meinem Gusto folgen könnend — meine Freude mit köstlichen Schmökern hatte, die ich für »MAGIRA 2007« zu besprechen gedenke (Clarkes »Jonathan Strange & Mr. Norrell«, Stephensons »Barock-Zyklus«, Shippeys Buch über Tolkien als Autor des Jahrhunerts, Lukianenkos »Wächter«-Reihe und die »Science of Discworld«-Reighe von Prattchett, Cohen und Steward), und ›Entspannung‹ fand, indem ich nun seit Kurzem in meiner endlich kompletten Sammlung an Schopenhauerania (Werke, Vorlesungen und Nachlass) stöbern, bzw. den neuen Dr. Lector-Roman von Thomas Harris verköstigen konnte, robbte sich Andrea raunzend durch zwei typische Kaliber deutscher Schwurbelprosa.
Lange Einleitung, kurze Linktipps: gönnt Euch Andeas stichhaltige Besprechungen zweier diesjähriger Romane, die mit großer Aufmerksamkeit und meist mit Wohlwollen von den berufsmäßigen Literaturmeinungsverbreitern besprochen wurden. Mit schon lausbübischer Freude beobachtete ich, wie Andrea meine Rand-Notation für schlimmen Formulierungsquark (›ARGH!‹) und emotionell-poetische Zuckerwatte und Laktitze (›STÖHN!‹) übernommen hat.
Hier also zu Andreas…
Viel Spaß.
Ach ja: und ein gutes 2007 allen Molochronik-Lesern.
Samstag, 23. Dezember 2006
Verborgene Orte: Zehn — Horror Vacui
(Eintrag No. 342) — 03. April 2008: Fehler gemerzt.
Prosalyrische Wanderungen ins Unbekannte
»Reality is just a story thats taken on a life of its own.«
— John Constantine, Dez. 1997
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Horror Vacui
Aus dunklen Tunneln schnattert man
es zwischen den Schritten hervor.
Von allen Bildschirmen wispert man
es uns schnabeläugig entgegen.
Akribische Buchhalter bemerken es
zwischen den Zeilen: Horror Vacui.
Lieber die Leere zwischen den Gedanken,
mit schnell trocknendem Kittkram stopfen,
als die brennende Wahrhaftigkeit von Wünschen
auf die Gefühlsrinde träufeln zu lassen.
Verschlagene Agenten durchstöbern alle Reflexe,
um irgendeinen Baustein für
die schwarzen Löcher zu finden.
Sie sind fleißig, schnell und routiniert.
Sie sind deine geheimen Lappenjäger
und freiheitlichen Inquisitoren.
Den letzten Rest zupflastern. Die letzte Lücke überkleben.
Nur keine Flecken des Nichts zwischen all dem Plunder,
sonst könnte man ergrausen beim Anblick;
oder erbleichen wegen der Aussicht dahinter
wäre noch Platz, für ganz neue Wesen:
Strolchend lebendige Phantasien zerfledderter Triebe und Gelüste,
oder saugende Exilanten erlebter Wirklichkeiten,
die richtig vernichtende Enttäuschung erkaufen,
oder genügend genüßliches Genießen einhauchen.
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