Grenzübergang 2009/2010
Eintrag No. 602 — Kann nicht mehr viel passieren, was folgende Auflistung ergänzen könnte (und wenn, dann pack ich es in den nächsten Grenzübergang). — Die fett markierten Links führen auf eigene Beiträge, der Rest ins WWW.
Gut-Buch (Fiktion):
Zuerst meine beiden obersten lebenden Phantastik-Meister …
- Jeff Vandermeer: »Finch« und; …
- … China Miéville: »The City & The City«; …
… die es wunderbar verstanden mit ihren Weird Noir-Romanen ungewöhnliche Phantastik-Krimis zu bieten;
- (Von Vandermeer hat mich zudem auch »Shriek« entzückt;)
- Thomas Pynchon: »Inherent Vice«, einfach nur saukomisch und die wohl beste Art, ohne Dope stoned zu werden;
- Dan Simmons: »Drood«, berührend, verstörend und ein verdammt schlauer-unheimlicher Roman über Freundschaft, Konkurrenz und die (finstere) Macht des Geschichtenerzählens;
- Douglas Coupland: »Generation A«, medizinische und fabulatorische Gesellschafts-Science Fiction mit Bienenstich;
- Cervantes: »Don Quijote von La Mancha«, Neuübersetzung bei Hanser ist ein Genuss, auch wegen der vielen feinen Anmerkungen;
- »Eine andere Welt« von Anonymus mit Illustration von Grandville, worüber ich hoffentlich fürs »Magira 2010« mehr berichten werde.
- Und als letztes kurz vor Jahreswechsel habe ich »The Sad Tale of the Brothers Grossbart« von Jesse Bullington verschlungen. Ein wirklich unglaublicher Roman. Dieser finstere, brutale, lustige, gewitzte und berührende Fantasystoff der im Europa und Ägypten des 14. Jahrhunderts spielt erfüllt lang von mir gehegte Geschmackswünsche
Gut-Buch (Sach):
- Jan Philipp Reemtsma: »Vertrauen und Gewalt – Versuch über eine besondere Konstellation der Moderne«, sehr kluges Buch über sehr ernste Themen, dennoch leicht zu lesen;
- Peter Sloterdijk: »Du musst Dein Leben ändern«, allein das Kapitel über Hubbard und Scientology als Musterbeispiel eines finsteren spirituellen Übungssystems lohnt die Lektüre;
- Albrecht Müller: »Meinungsmache«, unerlässlich in unserer schlächten schlächten Woit;
- Colin Wilson: »Das Okkulte« & »Mysteries«, , einfach nur herrlich schräg und das perfekte Kompendium für einen »Invisibles«-Fan wie mich;
- »Darwin – Kunst und die Suche nach den Ursprüngen«, herausgegeben von Pamela Kort und Max Hollein. Schön, wenn der Katalog die brilliante Ausstellung sozusagen zu einer Dauerfreude macht.
Gut-Buch (Comic):
- Fane & Jim: »Sonnenfinsternis«, Beziehungsproblemdrama. Klingt schrecklich? Ist genau das Gegenteil;
- Naoki Urasawa: »20th Century Boys« (englische Ausgabe), ich bin erst beim englischsprachigen Band 5 (von 22) und kann nicht sagen, dass ich groß durchblicke. Aber eine spannende Lesesucht hat sich bereits eingestellt und Urasawa ist ein gewiefter Erzähler mit allen Tricks;
- Max: »Bardin, der Superrealist«, ein bunter Kessel kurzer Strips von überwältigender Abseitigkeit. Wunderbares Beispiel, was für irre Hirntrips die moderne Kunst ermöglicht, wenn man nur mit dem richtigen Humor hantiert;
- David B.: »Nocturnal Conspiracies«, unheimlich, rätselhaft, wunderschön diese Traumprotokolle;
- Joan Sfar (& Hervé Tanquerelle): »Professor Bell«, feine humorig-dreiste OkkultAbenteuer mit einem Sherlock Holmes-artigen Menschenhasser plus Gespenstern, wehrhaften Frauen, Riesenaffen, Teufeln und was nicht noch alles;
- Kazuo Koike & Gôseki Kojima: »Lone Wolf & Cub«, hab alle 28 Bände durch und freue mich schon auf den Urlaub, in dem ich diese episch-tragische Rachestory am Stück noch mal lese;
- Brian Azzarello & Eduardo Risso: »100 Bullets«, 100 Hefte, mindestens doppelt so viele Gangster in einem x-bödigen Finten- und Intrigenspiel, dass einem die Luft wegbleibt;
- Manu Larcenet: »Der alltägliche Kampf«, passiert auch nix großes, außer eben den kleinen Dingen des Lebens. Nimmt das Herz sachte in die Hände und hebt es zur Sonne.
Gut-Mukke (neu):
- Amanda Palmer: »Who killed Amanda Palmer«; ‘ne manisch-melancholische Aggrofrau die in die Tasten hämmert und Texte bietet, die unter die Haut gehen;
- Suzanne Vega: »Beauty & Crime«, endlich wieder eine rundum perfekte Platte der New Yorker Baladeuse;
- The Beatles (Digital Remasterd): »Rubber Soul«, »Revolver«, »Sgt.Peppers Lonley Hearts Club Band«, »Magical Mystery Tour«, »(White Album)«, »Let It Be«, hat mich voll erwischt. War über einen Monat ausschließlich am Beatles-Hören mit meinem iPod.
Gut-Mukke (alt):
- J. S. Bach: »Musikalisches Opfer« eingespielt ›Le Concert de la Nations‹ unter der Leitung von Jordi Savall. Sehr elegante, klare Aufnahme.
- Felix Mendelssohn-Bartholdy: »Die Klaviertrios« eingespielt vom ›Münchner Klaviertrio‹, zum Jubiläumsjahr.
- Ralph Vaughan Williams: »Phantasy Quintett / String Quartett No. 1 & 2« eingespielt von ›The English String Quartett‹, beste Fantasymukke, diese eigenwilligen Stücke.
Gut-Film:
- »Inglourious Basterds«, Tarantino läßt in seiner originellen Kollision von WKII, Situationskomödie und Italo-Western wieder eine Riege Darsteller glänzen;
- »Star Trek«, so macht auch mir die Enterprise und ihre Crew vollends Freude;
- »Zeiten des Aufruhrs«, ein ergreifendes Drama der stillen Töne und kleinen Unglücke;
- »Gran Torino«; Clint überzeugt als grummeliger Witwer der widerwillig seine Fremdenfeindlichkeit überwindet;
- »Avatar«, trotz der nicht gerade originellen Handlung ein Fest des SF-Fantasy-Weltenbaus das mich überzeugt hat. Ich freue mich schon auf weitere Geschichten.
Beste Momente:
- Alleine, womöglich im Dunkeln, durch die Darwin-Ausstellung gehen;
- Finanziell so gut aufgestellt zu sein, dass ich meiner Partnerin ein neues iBook schenken konnte;
- Eine Partnerin zu haben, die von ihren Reisen in den Süden feine Paisleymuster-Kravatten aus Italien versorgt
- In Dreieich dabei gewesen zu sein, als Ju Honisch für »Das Obsidianherz« den Deutschen Phantastik Preis für den besten Roman-Debut gewonnen hat;
- Meine Sinne entdecken die »Dalwhinnie Distillers Edition«.
Schlimmster Moment:
- Nach Jahren des ›geht so‹ plötzlich nicht mehr mit größeren Höhen zurechtzukommen.
Vorsätze (blöderweise gleiche wie letztes Jahr):
- Schande über mich, aber ich kann nur sagen: Siehe letztes Jahr.
grundgedanke
Oha, das mit dem schlimmsten Moment ist ja ein Ding. Den gleichen hatte ich vor ein paar Jahren. Ich dachte ich wäre der einzige dem sowas von jetzt auf gleich einfach so passiert. Keine Warnung, nix, peng! Sehr unangenehm ...
molosovsky Besitzerin
So ein Wechslel in der Ängstlichkeit gegenüber bestimmten Dingen kann ja zusammenhängen mit unterschwelligen geistigen ›Reifungen‹, z.B. des sich klarer Werdens der eigenen Sterblichkeit. Organische Ursachen habe ich auf mittels einer Untersuchung beim Hals-, Nasen- & Ohrenarzt ausgeschlossen. (Was ja nix heißt, denn vielleicht hat der Arzt geschludert, bzw. ist’s ein Hirntumor oder was weiß ich).