molochronik

Lesenswerte F.A.Z.-Blogs

(Eintrag No. 535; Woanders) — Nur kurz bescheidgegeben, dass es unter den vielen F.A.Z.-Blogs mittlerweile schon zweie {EDIT-Ergänz: 19. Juli 2009} dreie gibt, die ich gebookmarkt habe.

Da ist zum einen Andreas Platthaus mit seinem Comic-Blog, wo er z.B. über Tardis »Scheißkrieg!«, Manu Larcenet »Der alltägliche Kampf«, oder über die Eröffnung der Ausstellung »Superman & Golem« im Jüdischen Museum zu Frankfurt berichtet.

Und letzte Woche {Januar 2009} habe ich als Unterkunftsgastgeber am Rande die historische Entwicklung miterlebt, wie der notorische F.A.Z.-Schelterer Don Alphonso nun selber zum F.A.Z.-Blogger wurde, mit seinen »Stützen der Gesellschaft«, heute eröffnet mit dem Eintrag »Darüber spricht man nicht«. Allein der absatzlange Satz, welcher in der rechten Spalte das Blog-Thema zusammenfasst, ist göttlich. — Interessant, wie der Don in seinem eigenen Blog »Rebellenmarkt« die persönliche ›Misere‹ darlegt, wie er, für den F.A.Z. ein Feindbild ist, dazu kommt für eben dieses zu bloggen. — {EDIT-Ergänz:} Ganz furchtbar dringend unbedingt empfehlen muss ich den Eintrag »Herr Burda ist ein kunstsinniger Mann«.

Das neueste F.A.Z.-Blog in der Runde ist »Ding & Dinglichkeit« von Andrea Diener das vorgestern, am Freitag den 17. Juli online ging mit dem ersten Eintrag über »Die Ikone der Werktätigkeit: Der Spaten«. Ich bin schon gespannt, was da noch alles kommen wird!

Sollte die F.A.Z. noch weitere dolle Blogs einrichten, werden die hier ergänzt.

Ist das die Zukunft?: Pynchon, der mysteriöse Mann

(Eintrag No. 352; Comic, Woanders, Literatur) — Mal was kleines, albernes für Zwischendurch. Im vergangenem Jahr bin ich, als begeisterter Wanderer durch den fetten Roman »Gegen den Tag«, ja unter die Pynchonianer gegangen. Toooodsicher werde in den kommenden Monaten und Jahren auch noch die fünf Vorgängerromane (und den einen Kurzgeschichtenband) dieses ungebändigten Rundum-Erzphantasten verköstigen. — {Ergänzung: Vor ein paar Minuten habe ich die englische Ausgabe von »The Crying of Lot 49« beendet. Ist schon enorm, was dieses dünne Büchlein da leistet, noch dazu weil die alten Thurn & Taxis hier als Partei eines sinisteren Kräftemessen auftreten dürfen. Kann diesen kürzesten Pynchon mit gutem Gewissen als Einstiegslektüre in die einzigartige Prosawelt dieses Meisters empfehlen. Nicht vergessen: zieht vielleicht ein bischen mehr an, wenn ihr euch auf eine Runde Strip Botticelli einlasst.}

Im Zuge meiner Pynchon-Begeisterung bin ich über die Reihe »Is This Tomorrow?« von Kelly Shane & Woody Compton gestolpert. Die beiden betreiben ihre lobenswerte Seite mit Pikto-Literatur seit 14. Juli 2003.

Hier nun meine (schnelle) Übersetzung der Folge vom 21. Juli 2003, welche eben Thomas Pynchon gewidmet ist.

Kästchen 1; Oben: Thomas Ruggels Pynchon Jr. wurde am 8. Mai 1937 geboren. Berühmt für seine Zurückgezogenheit sind nur wenig biographische Informationen über einen der vielleicht wichtigsten Autoren des 20. Jahrhunderts bekannt. Bild: {Schild} Auf Sendung {Sprechblase} Danke, Musikliebhaber! Unten: Jedoch soll er mal den Bandleader Spike Jones, den King of Corn, als frühen Einfluss genannt haben.

Kästchen 2; Oben: Es gibt nur wenige bekannte Photographien des Schöpfers von »Die Versteigerung von No. 49«, »Die Enden der Parabel« und »Mason & Dixon«, und alle zeigen ihn als jungen Mann. Unten: Man vermutet, dass der Autor sich nach der Veröffentlichung seines Debut-Romans »V.« 1963 die Zähne richten ließ.

Kästchen 3; Oben: Es wird gemunkelt / dass Pynchon in den 60ern-Jahren einmal / Torten im Wert von 50$ erwarb / und eine Tortenschlacht vom Zaun brach. Bild: Don’t fuck with the rocketman {Deutsch im Original: Fickt nicht mit dem Raketenmensch.}. Unten: Er war auch dafür bekannt, in dieser Zeit ein kleines Plastikschwein bei sich zu haben.

Kästchen 4; Oben: In einem Playboy-Artikel schrieb der Autor Jules Siegel, dass Pynchon / ganz versessen war auf die Shirley Tempel-Nachahmung / von Siegels Ehefrau. Bild: On the go-go-od ship lollipop … Unten: Das ähnelt einer Szene in »Die Enden der Parabel«. / Siegel behauptet auch, / dass Pynchon eine Affäre mit seiner Frau hatte.

Kästchen 5; Oben: Pynchon ließ den ulkigen Professor Irwin Corey den National Book Award für »Die Enden der Parabel« in Form einer komischen Stehgreifnummer entgegennehmen. Bild: … akzeptiere ich diese finanzielle Verfügung – ah – das Stipendium im Namen von, uh, Richard Python für seinen großen Beitrag, und um einige der Geschosse die er geliefert hat zu ziteren … Unten: Während Corey sprach / flitzte ein nackter Mann / über die Bühne.

Kästchen 6; Oben: 1994 wollte die John Larroquette Show eine Referenz bezüglich einer Pynchon-Sichtung und kontaktierte deswegen den Agenten des Autors. Unten: Pynchon ließ ausrichten, man solle ihn beschreiben als jemanden, der ein T-Shirt trägt auf dem ein Bild der TX Rocklegende Roky Erikson aus Austin zu sehen ist.

Molochronik wird geliebt

(Eintrag No. 526; Woanders, Alltag) — Namensvetter Alex von »Cynx Cynical World« hat mich die Molochronik lieb, und deshalb darf ich dieses wunderschöne Loge nun hier prangen lassen und mich an folgende Regeln halten:

  1. Der nominierte Blogger darf das Logo in seinem Blog präsentieren;
  2. Verlinke die Person, von der Du den Award bekommen hast;
  3. Nominiere mindestens 7 weitere Blogs;
  4. Verlinke diese Blogs mit Deinem Blog;
  5. Hinterlasse eine Nachricht bei den neu Nominierten;
Die Begründung von Alex, warum er mich unter seine Nominanten-Schar erkoren hat, geht mir ans Herz:
Molochronik: Für jede seiner Buchvorstellungen kann ich nur dankbar auf die Knie fallen, da mir sonst was wichtiges entgangen wäre. Die ausführlichen Analyse diverser Werke der fantastischen Literatur sind dann noch das Sahnehäubchen oben drauf.

Obwohl … ich dachte, meine Mundmukke und meine Sribbels sind die Sahnehäubchen hier und meine Literatur(wut)schaumschlägereien eher nervig anstrengendes weil überspanntes Labersackgeisttötungsgeschwätze.

Wie auch immer, hier sind meine Kandidaten:

  1. Andreas »Reisenotizen aus der Realität«: Wegen der dollen Schreibe, der exzellenten Photos, dem wunderschön unterschnitten zuckerglasierten Menschenhass, wegen der Pflanzen und Hasen, wegen der Buchemmesse-, Bachmannwettlesen- und Schokotest-Berichte.

  2. Davids »Randnotizen«: Wegen der anbetungswürdigen Zeichen- und Photo-Kunst, der schönen Fundstellen mit gallopierendem Schwachsinn, und der ab und zu rausgelassenen wilden Prosasau, wenn David sich über etwas aufregt oder seinen Spott anbringt, und weil er dem besten Kastenkontent der Welt bringt.

  3. Volkers »Randomnotes«: Weil er der einzige echte Gonzo- & Spider Jerusalem-Typ in meinem Umfeld ist, weil er wunderbar über den Kampf gegen die Süchte schreibt, weil er dolle Spielerezis schreibt und weil er wunderbar ätzend gegen die Dummen und Wohlbehüteten anstänkern kann.

  4. Olis »Film- & Buch-Blog«: Weil er einen seeeehr guten Phantastik-Geschmack hat (auch wenn ich auf dem Auge für die von Oli so geliebten Bollywood-Kino bisher größtenteils blind bin), weil er mich immer wieder auf gute Bücher aufmerksam macht (und er dabei z.B. ein Herz für Kurzgeschichten-Bände zeigt), weil keiner so wie er die Geduld aufbringt um verschiedene Versionen eines Films miteinander zu vergleichen, und weil er einen Seitenstandanzeiger bei seinen derzeitigen Lektüren hat.

  5. Don Alphonsos »Blogbar«: Weil er immer fast immer recht hat.

  6. Hannes »Otherland-Blog«: Weil er nun endlich wieder bloggt und mich damit an seiner Lesewelt teilhaben läßt, denn Hannes hat einen richtig guten Genre-Geschmack und hadert entsprechend unterhaltsam öffentlich mit dem Grabbelkram auf dem Phantastikmarkt und gibt Hinweise auf beachtenswerte Gemmen.

  7. »Nachdenkseiten — Die Kritische Website«: Weil die schon recht hatten, als noch keiner was von einer anstehenden Finanzmarktkrise wissen wollte.

Dietmar Dath: »Die Abschaffung der Arten« und eine schöne Unterscheidung

Eintrag No. 525 — Auf der Website zu seinem neuem Buch »Die Abschaffung der Arten« bekommt man ein ausführliches Interview mit dem Autoren Dietmar Dath geboten. Unter anderem führt er dort eine, wie ich finde, sehr verführerische Unterscheidung der drei großen Schubladen des Phantastischen, SF, Fantasy, Horror vor.

{W}as ist das denn eigentlich, Fantasy, im Gegensatz zu den beiden anderen Untergattungen der heutigen Phantastik, Horror und Science Fiction? Fantasy ist diejenige Literatur, die sich mit den Gesetzen, Konsequenzen und Implikationen des magischen Denkens beschäftigt. Das magische Denken — Analogien, Totem, Tabu, Fetisch, Übernatürliches etc.

Im Gegensatz zu den Literaturen, die sich mit dem magischen Denken beschäftigen, steht…

…das wissenschaftliche — Induktion, Deduktion, Hypothesenbildung, Occams Rasierklinge etc. pp.

Dem entsprechend erläuert Dath desweiteren:

Fantasy beschäftigt sich mit Offenbarungen; Science Fiction damit, etwas auf anstrengendere Art herausfinden und anwenden zu müssen. Also nicht: Fantasy ist das Unmögliche, Science Fiction das Mögliche. Sondern: Fantasy will Erkenntnis-Effekte als Überwältigung durch das Nichtverstehbare, Science Fiction will dieselben Effekte als Beeindrucktsein von (durchaus manchmal gewaltigen) Arbeitsergebnissen. Gemeinsam haben die beiden Gattungen allerdings miteinander (und mit dem Horror, in dem es um das auf viszerale [= lat. ›Eingeweide‹ — A.v.Molo] Wirkungen berechnete Erschüttern und manchmal Wiedererrichten von stabilen sozialen, sexuellen und sonstigen Ordnungen geht, weswegen Horrorelemente sowohl in SF wie in Fantasy Platz haben, da sich dieses Problem sowohl magisch wie wissenschaftlich betrachten läßt), daß sie versuchen, vollständige Welten zu suggerieren (nicht »zu erschaffen«, das geht ja nicht, das sagt man nur manchmal als größenwahnsinniges Kürzel so daher).

Auch zum immer noch unermüdlich vorgebrachten Eskapismusvorwurf, mit der man die Phantastik gerne ins Abseits zu stellen trachtet, hat Dietmar Dath eine vorzügliche Replik parat:

Ich fand sehr nett, wie sich der große Wahnsinnige John C. Wright in der Widmung zu seiner soeben erschienenen Fortsetzung von A.E. Van Vogts Null-A-Geschichten bei Van Vogt bedankt hat: Dessen Welten, so Wright, seien in Wrights Kindheit diejenigen gewesen, die ihn, den lesenden Jungen, gern empfangen hätten, wenn er sich wieder mal von der andern, der empirischen sozialen Welt verstoßen gefühlt habe. Das ist, entgegen der beliebten Eskapismusschimpfe von Sozialpädagogen und anderen Wirklichkeitsdressurreitern, eine völlig legitime, im Gelingensfall sogar hoch ehrenwerte Leistung phantastischer Literatur oder Kunst. Ich meine, im Ernst, Kinder: Das könnte denen so passen, daß man ihre Scheißwirklichkeit nicht nur nicht verändern können soll, sondern noch nicht einmal das Recht zugestanden kriegt, sich mal eine Weile mit was ganz anderem zu befassen, um nicht komplett abzustumpfen.

NACHTRAG vom Samstag, den 28. Okt. ‘08:

Nun habe ich den Dietmar Dath endlich mal gesehen, bzw. gehört. Ist ja immer so eine Sache, die einem bei Zweifelsfällen weiterhilft, wenn man (also ich) nicht immer durchblickt, wie ein Autor (eben Dath) etwas meint. Ich tue mir ja zugegebenerweise oftmals schwer damit zu unterscheiden, wann jemand die Wahrheit sagt, und wann er es ernst meint.

Nun also weiß ich, das Dath so ein ganz schnell Sprechender ist. Leider leider hat er sich die meines Erachtens schwächste Stelle aus »Die Abschaffung der Arten« augesucht, um dem Buchpreispublikum im Literaturhaus zu Frankfurts Schöner Aussicht eine Kostprobe zu bieten.

Bei dem Buch wird ja viel durcheinandergemischt (und der Collageästhetetik nähere ich mich ja erstmal mit einem wohlwollendem Vorurteil, zumal das Buch ja gleich zu Beginn mit einem Motto von Lord Julius aus »Cerebus« aufwartet.). Das liest sich über weite Strecken wie ein Konversationsroman mit Tieren. Ziemlich lustig, wenn z.B. Kunstgalerie-Wichtigtuerei-Gesülze veräppelt wird, oder auch, wenn Dath mittels dem Jounglieren aller möglichen dollen SF-Ideen (oder sollte ich ›Spinnereien‹ sagen?) über die Doofheit der Gegenwart lästert. Immerhin wird als der rote Faden Buches die brenzlige Frage angeboten ›warum den Menschen passiert ist, was ihnen passiert ist‹.

Langweilig und arg verstelzt geriet Daths Roman — tragischerweise ausgerechnet — wenn er anfängt über Liebe und Sex zu schreiben. Da gelingt ihm leider nur alle paar Absätze mal ein mitreissender, nichtpeinlicher Satz (Romeo & Julia wird bemüht, um den selbstgenügsamen Dual-Narzismus eines ehemals männlichen, nun weiblichen Schwanenwesens zu schildern, dass sich in zwei Leiber aufteilen kann, bei Mondlicht! im Bombenkraterteich der Ruine der Uni Princton!).

Es zeichnet sich für mich als Tendenz ab: Als Thesenschleuder und anregender Ideenbäcker ist Dath, wie immer eigentlich, echt ein Genuß. Aber leider krankt seine Erzählerei an Nervigkeit. — Extremst daneben finde ich Daths begeisterte Hillfslosigkeit, wenn seine tierischen Zukunftsbewohner sich die Namen von SF-Autoren aufsagen, und welche dollen Dinge die in ihren Büchern diagnostiziert, vorhergesehen haben.

Ach ja: in Richtung (Schutz)Umschlaggestalter des Suhrkampverlages. Das Cover ist total in Hose gegangen! Hat höchstens Chancen auf den Preis des langweiligsten Covers des Quartals.

Ich gebe bescheid wenn ich mit dem Buch fertig bin (ich bin derzeit auf Seite 319 von 552).

•••

Dietmar Dath: »Die Abschaffung der Arten«; 552 Seiten (122 Kapitel gebündelt in XVIII Abschnitten unterteilt in Vier Sätze), mit Tiervirgnetten von Daniela Burger; Suhrkamp 2008 (gebunden); ISBN: 978-3-518-42021-8

S’war Bachmann-Wettlesen…

…und hier sind die (meiner unmaßgeblichen Meinung nach) die beiden besten Berichterstattungen dazu, die sich im Netzel finden lassen.

(Eintrag No. 516; Woanders, Literatur)Uno: leider leider leider hatte ich auch dieses Jahr schon wieder Termine und konnte das Ringelreihlesen und die Ensemble-Kritik nicht mitverfolgen. Hoffentlich klappt es nächstes Jahr. — Due: Was für eine Wonne für mich, der ich damals (in meiner Jugend) ORF-»Kunststücke«-Fan war, diesmal Dieter Moor als Klagenfurt-Moderator zu erleben. Ein paar Schnipsel des Wettlesens und die Preisverleihung habe ich gesehen und bin ganz baff gewesen. Wie gesittet das ablief, wie wenig Knall-Peng-Schwachsinn grassierte, wie gepflogen und herzig moderiert wurde. Lediglich Burkhard Spinnens allzu getragene rethorische Spitzenstickerei hat mich ein klein wenig irritiert. Aber warum sollte ich dem einst so angriffslustigen, zeitweise perfide Stichelnden Herrn Spinnen nicht gönnen, mit dem Alter ein wenig betulicher, feierlicher zu werden? Sei ihm und dem Wettlesen gegönnt.

So. Nun aber für alle, die wie ich auch keine Gelegenheit hatten zum Gucken, hier der Linkservice zu den zwei berichtet habenden Grand Damen meines Vertrauens:

Und hier noch zur von Andrea zusammengestellten Presseschau.

Vielen Dank für Eure Mühen, Euren Ezzes und Eure geteilte Leidenschaft!

»Kritische Ausgabe – Abenteuer«

»Kritische Ausgabe: Abenteuer«Eintrag No. 514 — Kenner meiner unverschämt langen Link-Leiste (rechte Säule weiter unten) wissen ja, dass ich schon lange auf »Kritische Ausgabe«, das Literatur- und Germanistik-Magazin der Uni Bonn verlinke. Das Online-Angebot dort ist hübsch vielfältig und immer einen Klick wert, wenn man Musenzeit übrig hat um interessante Rezensionen und Berichte aus dem Literaturbetrieb zu lesen.

Auch die gedruckten themenbezogenen Hefte lohnen sich. Zuletzt hatte ich Gelegenheit dazu und Freude damit »Rausch« und »Werkstatt« zu genießen (in letzterem findet sich z.B. ein langes, feines Interview mit Helmut Krausser!).

Über meine prinzipielle Begeisterung für dieses Magazin hinaus, habe ich nun weitere Gründe, auf die aktuelle Ausgabe zum Thema »Abenteuer« aufmerksam zu machen. — Der persönlichere sei zuerst aber schnell abgehakt: mit dem Text »Das Abenteuer Phantastik« bin ich selbst vertreten. Darin schwurble ich (deutlich von der Lektüre der Sloterdijk’schen »Sphären« beeinflusst) ganz hyper-maximalistisch allgemein über das Abenteuer des (Phantastik-)Lesens. Den ganzen ca. 40000-Zeichen langen Text werde ich ab Herbst/Winter 2008 hier in der Molochronik einpflegen.

Auf alle etwa 30 Beiträgen kann ich nicht näher eingehen, aber die folgenden drei Stück will ich doch extrich erwähnt haben:

  • Der erste Text den ich unbedingt lesen musste, weil ich am neugierigsten auf ihn war, stammt von Nadja Nitsche: »Monsters in Translation. Gisbert Haefs vs. Beowulf vs. Grendel«. Mit einem hinreissenden Beieinander von Respektlosigkeit, Freude am Thema und Gelehrigkeit berichtet sie über die Probleme, welche die Neuübersetzung oder Neunachdichtung in Prosa eines Stoff wie Beowulf selbst einem veritablen Übersetzermeister und Selberfabulierer wie Gisbert Haefs bereitet, welchen Schindluder Heafs bei seinem Versuch trieb, was ihm aber auch gelang und überhaupt, wie Geschichte und Historisches mitunter in trashig-subversiven Schundliterazurzusammenhängen Metapherwellennkraft entfalten und dass letztendlich, wenn überhaupt etwas, nur die Phantasie der Leser die verschollenen Vorgänge erhellen können.
  • Vergnüglich viel gelernt und angeregt wurde ich durch Stefan Andres Beitrag »Ein Bandit, der Böses dabei denkt? Die Gattung Schelmenroman, kurzgeschlossen mit Hobsbawms ›Sozialrebellen‹«. Das Buch »Banditen. Räuber als Sozialrebellen« (engl. 1969; dt. 2007!) des Engländers Eric Hobsbawm, seines Zeichens ein marxistischer Historiker, reizt mich ja sowieso. Um so feiner, einiges über die literatur-historischen Wurzeln heutiger Konventionen des Abenteuergenre zu lernen, sprich, über die Pikaros, die als Gegenentwurf zu idyllischen Schäferspielchen und idealisierten Ritterabenteuren im barocken Spanien aufgekommen sind.
  • Und als Freund heimischer Klassiker ließ ich mich gerne (wieder)anstecken von der virulenten Begeisterung, von der das Gespräch der »K.A.«-Redakteure Andreas Jüngling und Nina Treude mit Prof. Dr. Norbert Oellers erfüllt ist: »Schiller war ein Abenteurer – Nicht nur in Liebesdingen, auch in Weltdingen«.

Ebenso lohnend fand ich die Beiträge über eine politische Lesart der Werke von Karl May, über Erich Kästner als verhinderten Südsee-Abenteuerautoren, über Parzival und Erec. Ebenfalls eine besondere Erwähnung wert ist Claude Haas unaufgeregt lobende Rezension von Littells »Wohlgesinnten«, die statt Polemik Argumentation bietet. Gut so.

»Medienlese«-Empfehlung und »Wohlgesinnten«-Dreierpack

(Eintrag No. 499; Woanders, Blogosphäre, Literatur, Nazi-Fantasy) — Das freut mich freilich, wenn (nun schon zum zweiten Mal) Klaus Jarchow die »Molochronik« erwähnt. Diesmal als eine von sechs Linkempfehlungen zu interessanten, skurrilen und bekloppten Blogs (ich bin mal so frei und pick mir die Sparte ›skuril‹ als für mich passend; ist nicht zu hoch und nicht zu selbstkasteiend): »Sechsmal um den Blog«. Ich finde die Umschreibung ganz gelungen (bis auf die Erwähnung von Tolkien, den ich ja eher skeptisch beäuge):

Der Herr Molosovsky hat umdekoriert - es geht derzeit höchst schwarzweiß und holzschnittartig mit viel ›horror vacui‹ dort zu - und zwischendurch gibt es immer noch diese seltsamen Rezensionen jener Bücher, von denen ich nie vermutete, dass irgendwer sie vermissen könnte. Worum es in ihnen geht? Um Tolkien hoch drei — oder so. Jedenfalls jede Menge Magie und auch andere Substanzen auf dieser Seite. Für mich ist’s der Blick in eine ›andere Welt‹ …

Habe mich auch gleich nach Entdecken der Meldung brav bedankt.

Außerdem …

Scheinbar überall wird ja dieser Tage der Roman »Die Wohlgesinnten« von Jonathan Littell besprochen. (Nebenbei: In der aktuellen »Literaturen« illustriert ein Photo des Nazi-Golem-Bösewichts Kroenen aus dem ersten »Hellboy«-Film den Artikel. — Und ich frage mich, wann die SF- und Cyberpunk-Kreise merken und kommentieren, dass der Debutroman des damals zweiundzwanzigjährigen Littell ein waschechter SF-Hardcore-Flick namens »Bad Voltage« war. Fetzigen Verriss kann man bei »Die Welt« genießen, und dabei die feine Vokabel ›Poshlust‹ lernen.) — Wie auch immer: Derweil ich darauf warte, dass in einem der Antiquas Frankfurts eine für mich erschwingliche Ausgabe von »Die Wohlgesinnten« angeschwemmt wird, bin ich über drei lesenswerte Reaktionen zu diesem Monsterroman gestoßen.

A: — Alban Nikolai Herbst traut sich, uns in seinem Blog »Die Dschungel« mitzunehmen auf seine persönliche Lesereise durch das Buch. Bisher gibt es fünf Einträge in der Themenfach »Notate«: 1. Iris Radisch / 2. Abwehr heilt nicht / 3. Banalität des Bösen / 4. Es ist nicht ausgestanden / 5. Unverfluchtheit. — Spannend zu lesen, wie Herbst sich beim Lesen über die Schulter schauen lässt. Herbst ist derweil begeistert von dem Buch (oder auch ›nur‹ von den Gedanken, auf die ihn selbiges bringt), macht aber aufmerksam darauf, dass seine Notate eben noch kein Schluss-Urteil sind, und er sich womöglich im Laufe der Lektüre noch widersprechen wird. Ich ziehe auf jeden Fall respektvoll meinen Hut, wie Herbst hier die Möglichkeiten des Schreibens im Internet nutzt.

B: — Thor Kunkel hat sich in seiner Blog-Rubrik »Unnatürlich natürlich« Littell und das Pahö um sein Buch vorgenommen und lässt keinen Zweifel daran, dass er beides für schwer überzogen hält. Bedenkenswert, wie Kunkel ausdeutet, dass Jorge Luis Borges mit seiner ca. 2300 Worte kurzen Geschichte »Deutsches Requiem« bereits knapper und eleganter auf den Punkt gebracht hat, was der Katharsisziegel »Die Wohlgesinnten« zur Sprache zu bringen trachtet. Nett auch der Hinweis, dass der Roman in Spanien floppte.

C: — Am differnziertesten hat das italienische Autorenkollektiv Wu Ming den Roman besprochen (auf Englisch). Bei uns sind Wu Ming bekannter unter ihrem ›alten Pseudonym‹ Luther Blissett (nebenbei: dessen historischer, zu Zeiten der Reformation spielender, Infowar-Roman »Q« ist sehr feiner Stoff). Sie vergleichen, wie mir dünkt, durchaus passend, das Hybris-Unternehmen von Littell mit Melvilles »Moby Dick« und unterstreichen die Zweischneidigkeit der Wirkung von »Die Wohlgesinnten«. Einerseits macht Littell schön deutlich, dass eben auch das sogenannte ›Unmenschliche‹ etwas völlig Menschliches ist (jeder kann zum Nazi werden, jedermensch nehme also zuvörderst ›sich selbst‹ suspekt in Augenschein). Andererseits warnt Wu Ming, dass man sich als Komplettleser des Wälzers und dessen zig Seiten langen Greulbeschreibungen in Gefahr begibt abzustumpfen.

»To put it clearly: once we've finished the reading we're meaner than when we started.«

(Nochmal nebenbei: Warum eigentlich wurde von Luther Blissett/Wu Ming nix mehr auf Deutsch herausgebracht. Der Roman »54« dürfte doch bei uns durchaus in für einen Verlag ausreichendem Maße Leser finden, oder? Kalter Krieg, Füfzigerjahre, Cary Grant als Geheimagent und so.).

»wir die wir anfingen am sinn des universums zu zweifeln«

(Eintrag No. 495; Woanders, Großraumphantastik, inverse Gebete) — Nicht nur habe ich die Gelegenheit genutzt, mich beim Besuch von Freund David für die von ihm mitgebrachten Doderer-Bücher (»Strudelhofstiege«, »Repetorium« mit einem Exemplar von Alban Nicolai Herbsts »Thetis.Anderswelt« zu revanchieren, zudem zog in den letzten Tagen auch dessen Blog »Die Dschungel« wieder vermehrt meine Aufmersamkeit an.

Hier zu einem dortigen feinen Eintrag von ›findeiss‹, zu dem ich Querbeet-Phantastschelm ein bischen Gedanken- und Zitatenwürze eingestreut habe. Kommt selten genug vor, dass ich das Gefühl habe halbwegs zu gneissen, was in »Die Dschungel« geplauscht wird.

Wenn’s klappt mit dem Knipsen

(Eintrag No. 490; Woanders, Frankfurt, Photographie) — Ich bewundere alle, die mit Photographie und Photos was anfangen können. Seit Jahren versuche ich einen positiven Zugang zum Photographieren zu bekommen, oder Photographie (dort wo sie es wohlt verdient hat) mit mehr Respekt entgegenzunehmen. Das Paradox meiner Haltung: einerseits halte ich eben das ›Auf den Auslöser drücken‹ für keine große Kunst; wenn man nur genug Bilder den lieben langen Tag zusammenklickt, dann kommen unvermeidlich auch ein paar Hübsche bei raus. So what? — Andererseits bin ich selbst ein absolut verkrampfter ›Auf den Auslöser-Dücker‹ und lösche über 2/3 aller geklickten Bilder sofort wieder. Eigentlich sollte ich also durchaus einsichtig sein und eben anerkennen, dass Photographieren-Können eben durchaus eine Fähigkeit ist, die ich eben nicht hab, und deshalb meine Meinung »dass da kaum was dabei ist« eben Quatsch ist. — Kurz: Ich blick bei meiner verqueren Haltung zu Photos selbst nicht ganz durch.

Diese etwas negative Faselei hier, dient aber nur als Einleitung zum Hinweis auf dem »Frankfurt Cluster Album« von Freund David, der die letzten Tage zu Gast in Frankfurt weilte und eben viele Photos geknipst hat. Zudem: Am Sonntag hat auch Andrea Bilder von unserem gemeinsamen Osterspaziergang gemacht.

Gezeichnetes Tagebuch & Fehlgeschlagene Ideale

(Eintrag No. 477; Woanders, Zeichenkunst, Humorskribbel) — Ich freue mich ganz besonders, dass ich Euch verehrte Leser heute dazu anstiften kann, sich der zeichnerischen Werke zweier Freunde der Molochronik zu widmen.

Zum einen: Tagebuchforscher, Medien- und Kunstwissenschaftler aufgepasst!

Es gilt ein großartiges Zwitterwerk zu entdecken, denn vor einigen Tagen hat mein Wiener Haberer und Kunst-Kammerad David Ramirer eines seiner schönsten und erstaunlichsten Werke aus seinem reichhaltigen Fundus zugänglich gemacht. Siebzig Scans umfasst dieses Flickr-Album mit den (inkl. Vorder- und Rückumschlag) 140 Seiten visuell geführtem Tagebuch aus dem Jahre 1993. — Nehmt Euch Zeit und staunt und genießt! Wagt es, Euch auf die wagemutige Großzügigkeit und wortwörtliche ›Offenherzigkeit‹ von Meister Ramirer einzulassen.

Zum anderen: Melancholischer Slapstik!

Ebenfalls jüngst erreichte mich die Meldung von Molochronik-Mitglied ishiro (aka. Jueps), der unter »ideals gone wrong« begonnen hat, ›lustige Zeichnungen‹ zu verbreiten. Ich finde Jueps Arbeiten bewundernswert, mit ihrer berührenden Mischung aus krudem Blödsinn & schönster Weltschmerzschwelgerei. — Ich hoffe, die Sammlung wird sich eines gesunden Wachstums erfreuen!

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