(Eintrag No. 446; Lyrik, Juvenilia) — Auch heute wieder wenig Zeit und deshalb nur etwas aus meinem Archiv. Heute ein Künstlergedicht, über Kunstschulenschülerbefindlichkeiten, geschrieben am 10. Mai 1992 in Wien (3. Bezirk).
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ZWISCHEN
Ich schlage ein Buch auf
und fange an
zwischen den Zeilen
gelesen zu werden.
—»Verdammich!«
Links von mir fällt
eine braunfleckige
Banane gravitätisch
bodenwärts.
—›Flatsch!‹
Die knarrende Hirnklappe
öffnet sich und
die verfluchte Muse
räkelt herein…
…»AchDubist’s«…
…zeigt mir spitzfingrig
entnervt ‘nen Vogel
und geht gelassen
zurück in ihr Chaos.
—›Knaaarz‹
Das Bett in dem ich lüge
erscheint mir wieder mal
viel zu groß für mich
und meinen Schwanz.
—›Seufz!‹
Breitbeinig aus der Ecke
grient das Klavier
unverschämt bulldoggig
zu mir herüber.
—›Plink‹
Ich hab aber keine Lust
heut schon wieder
keine Lust zu haben
nur weil ich keine Lust hab’…
…»Nixda!«
Ich schaue meine müde
müde Hand an und
da fällt mir ein kleines
Skribbel aus dem Finger.
—›Skrääätsch‹
Ich schlage ein Buch
auf und krieg’ prompt
von der Schlauheit
eine gelangt.
—›Patsch!‹
(Eintrag No. 439; Lyrik, Juvenilia, Deutschland) — Auch heute habe ich wenig Zeit, aber es ist mir nicht zu peinlich etwas aus meinem Archiv anzubieten. Diesmal Jugenddichtung, genauer: mein freies Lyrik-Triptychon über meine Teenagerbefindlichkeit zum Thema ›Deutscher sein‹, geschrieben am 13. Mai 1990, Hepberg. Zur Erinnerung: Damals regierte seit gefühlten 100 Jahren der Kandesbunzler Kohl.
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I. PECHSCHWARZ
pechSCHWARZ
wird mir vor augen
wenn ich an sie denke
pechSCHWARZ
ist das innere ihrer welten
die meine zukunft werden sollen
pechSCHWARZ
ist wohl der himmel
in dem sie zu herrschen glauben
pechSCHWARZ
ist ihre treue
die sie zum gelde haben
pechSCHWARZ
sind die geschäfte
die sie betreiben
pechSCHWARZ
müssen ihre herzen
und ihre seelen sein
II. BLUTROT
bei dem kampf / um die macht / ist jedes mittel / die eignung / wird eingefangen / sterilisiert / eingedost / zu den akten / bei den wahlen / enblößt sich ihr denken / oder auch nicht / am ende sind sie es nicht / sondern andere / im hintergrund.
sie sind die wahren bewahrer / sie kennen sich aus / sie halten wacht / an den toren / freunde und klüngel / überall und immerdar / jeder ist für sie / jeder von ihnen / ist absolut ersetzlich / doch ihre taten sind entsetzlich / sie strecken den gewinn / und nutzen alle hebel / widerstände gibt es viele / und so ist ihr pfad / durch die akten / blutROT
III. KATZENGOLD
Wer sagt denn, dass ich glücklich bin —
hat das Leben einen Sinn?
Dass alles so schön rosa funkelt,
hat wohl ein Elephant gemunkelt.
Oder tragt ihr nach ob’rigen Willen
etwa alle rosa Brillen?
Ihr seid wohl alle echt vernarrt,
in euren Billigsupermarkt.
Alles ist so schrecklich günstig,
und macht die Zuckenden blutrünstig.
In eurem Lifestyleshopzentrum
lebt ihr nur für den Konsum.
Der Freigeist wurde arg verzollt,
es schwirren keine Träume durch die Köpfe,
kein Leben, keine Luft, nur gestutzte Zöpfe,
und alles hetzt nach KatzenGOLD.
In diesem Land, da gibt es Leute,
die woll’n Geschichte machen — heute!
Die nehmen Anlauf, woll’n springen,
und das Land hier vorwärtsbringen.
Doch ich glaub’ für diesen Kanzlerschein,
wird’s wieder nur ein Fettnapf sein.
(Eintrag No. 386; Gedichtvertonung) — Hurrah! Ein Freund der MoloChronik hat dafür gesorgt, daß ich größere Dateien FTP-en, und damit z.B. umfangreichere Musikstücke hier anbieten kann.
Ist schon einige Jahre her, daß ich das großartige Apokalypsegedicht »The Second Coming« von W. B. Yeats vertont habe. Einmal (anläßlich eines Follow-Festes auf der Ludwigsburg) hab ich es auch öffentlich auf der Amateurbühne zum Besten gegeben. Damals waren nicht wenige überrascht, daß ich Musik mach, denn ich hab nun mal vornehmlich den Ruf weg, ein Gehirn- und Labertier zu sein, das vornehmlich von Büchern und Filmen lebt.
Das folgende ist eine rohe Arbeitsversion, erstellt mit dem tollen »Garage Band«-Programm von Apple. Fünf Stimmen und ein durch den Verstärker gejagtes Akkordeon.
Turning and turning in the widening gyre
The falcon cannot hear the falconer;
Things fall apart; the centre cannot hold;
Mere anarchy is loosed upon the world,
The blood-dimmed tide is loosed, and everywhere
The ceremony of innocence is drowned;
The best lack all conviction, while the worst
Are full of passionate intensity.
Surely some revelation is at hand;
Surely the Second Coming is at hand.
The Second Coming! Hardly are those words out
When a vast image out of Spritus Mundi
Troubles my sight: somewhere in the sands of the desert
A shape with lion body and the head of a man,
A gaze blank and pitiless as the sun,
Is moving its slow thighs, while all about it
Reel shadows of the indignant desert birds.
The darkness drops again; but now I know
That twenty centuries of stony sleep
were vexed to nightmare by a rocking cradle,
And what rough beast, its hour come round at last,
Slouches towards Bethlehem to be born?
Meine Übersetzung geht so:
DIE ZWEITE WIEDERKUNFT
Kreisend und kreisend in einem sich weitenden Strudel
Kann der Falke den Falkner nicht mehr hören;
Alles fällt auseinander; die Mitte vermag nicht zu binden;
Bloße Anarchie bricht über die Welt herein,
Die blutgetrübte Flut rollt heran und überall
Wird die Zeremonie der Unschuld ertränkt;
Den Besten mangelt es an Überzeugung, weiland die Schlechtesten
Erfüllt von leidenschaftlicher Heftigkeit sind.
Sicherlich steht eine Offenbahrung bevor;
Sicherlich steht die Zweite Wiederkunft bevor.
Die Zweite Wiederkunft! Kaum sind die Worte gesprochen
Als ein riesige Erscheinung aus dem Weltengeist
Meine Sicht verstört: irgendwo im Sand der Wüste
Eine Gestalt mit dem Körper eines Löwen und dem Kopf eines Mannes,
Der Blick leer und mitleidlos wie die Sonne,
Bewegt seine trägen Schenkel, wärend weit darüber
Die Schatten aufgebrachter Wüstenvögel taumeln.
Die Finsternis sinkt wieder herab; doch nun weiß ich
Dass zwanzig Jahrhunderte steineren Schlafes
Durch eine schaukelnde Wiege zu Alpträumen getrieben wurden,
Und welch grobes Biest, dessen Stunde schließlich naht,
Kriecht nach Bethlehem um geboren zu werden?
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Ich selber bin weder Anhänger oder Praktiker von okkulter Mystik oder religiöser Offenbahrungsinnigkeit, aber ich finde dieses Gedicht trotzdem schön (unheimlich). Kennengelernt habe ich den Text durch das Lesen den wundervollen Romans »Armageddon Rag« von George R. R. Martin. Dieser Roman ist ein melancholischer Abgesang auf die Gegenkultur der 60ger-Jahre. Darin geht es um die fiktive Rockgruppe ›Nazgul‹, die eben aus diesem Yeats-Text einem bombastischen Art Rock-Song gemacht haben. Wer wie ich diesen Roman schätzt, wird sich vielleicht die entsprechende Aufbereitung vorstellen können (lange Instrumental-Passagen, viele Stromgitarren usw.).
Auch Freunde der HBO-Serie »The Sopranos« kennen dieses Gedicht. In der letzten Staffel, der 84. von insgesammt 86 Folgen, lernt AJ dieses Gedicht an der Uni kennen (wunderbar rezitiert vom Darsteller Robert Iler!)
(Eintrag No. 373; Lyrik) — Gestern hat mein Kumpel seine PS2 wieder abgeholt, um sie einer Freundin weiterzuleihen, die derzeit krankgeschrieben zuhause darbt und die Abwechslung des Daddelns nötiger hat als ich.
Eigentlich hätte ich ja derzeit genug Projekte laufen um voll beschäftigt zu sein … aber nein, ich habe den Mai vertändelt, indem ich alter Knacker (geboren 1972) mich abmühte, in die Rockstarwelten von »Cavis Carnem Edit« und »GTA III: San Andreas« einzutauchen (und zu überleben). Derzeitiges Fazit: liebe Leute, mit diesen großen Abenteuer-Äktschn-Spielen ist mittlerweile wirklich genug Möglichkeitsraum um die Story-Missionen da, damit ich mich ohne Verkrampfung traue von Kunst und Literatur zu sprechen. Jetzt sitzt ich angefixt da und überlege, wie ich die Kohle für eine PS3 zusammenbekomme, denn im Oktober erscheint »GTA IV« und im Dezember kommt dann das Überspiel für meinen Geschmack von den Rockstar-Zauberern: »L.A. Noire«: Krimi-Mystery in den 40ger Jahren, mit Jazz-Mukke als Spielesoundtrack. Der Trailer macht mich ganz weich vor Begeisterung, und beim »GTA IV«-Trailer bin ich natürlich ganz angetan davon, wie stilsicher man »Koyaanisquatsi« zitiert.
Deshalb also diesen Monat so wenig los hier. Jetzt aber noch schnell der kleine Vierzeiler, der mir beim Dadedeln aus dem Kopf gefallen ist.
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Tauben und Gespenster
glotzen durch mein Fenster;
ich kann es gar nicht glauben.
Gespenster und Tauben.
(Eintrag No. 333; Lyrik, Juvelinia) — Willkommen zu den »Verborgenen Orten«, zehn Gedichten unstrenger Form über Reisen in imaginär-poetische Terrains, die ich Anfang der 90ger-Jahre in Wien und Hepberg geschrieben habe. Nocturne Meditationen die mir als Überlaufventil für allzu heftigen Gefühls- und Denkanfallüberschwang dienten. Der Titel dieser Sammlung ist eine Homage für die brillianten Comics über die »Cities Obscures« des Künstlers Francois Schuiten und des Autores Benoit Peeters.
Zusammen mit den »Zehn Etüden« (bereits eingepflegt in die Molochronik) , meiner ersten ›brauchbaren‹ Kurzgeschichte und der Novelle »Molosovsky Fragmente« habe ich diese Gedichte versammelt als »Deliterium« zweimal als Privatdruck zugänglich gemacht.
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eins:Exodus
—Laßt uns auswandern aus diesen Geistesbreiten…
zwei:Zufahrt
—Aus den Tälern des Geistes steigen die Nebel des Summens…
Eintrag No. 329 — Anläßlich des BibPhant Buchzitateraten habe ich nach langer Zeit mal wieder im Wolf von Niebelschütz seiner respektlosen Epistel »Auch ich in Arkadien« (Haffmans Verlag, 1987) geblättert und fand auf S. 60 meinen Nickname, noch dazu in einem begeisterungsstiftenden Zusammenhang:
Vom Molo nahten neue Sensationen,
Umspühlt von neuen Massen, und es waren
Wildfremde Leute schrankenlos bereit,
Den nächsten besten hominem sapientem —
So etwa uns — an ihre brust zu ziehen.
Zwei Bezüglichkeiten auf Molo in Helmut Kraussers Tagebüchern, und nun das. Weiß gar nicht mehr wohin mit mir vor lauter Größenwahn!
(Eintrag No. 342) — 03. April 2008: Fehler gemerzt.
Prosalyrische Wanderungen ins Unbekannte
»Reality is just a story thats taken on a life of its own.«
— John Constantine, Dez. 1997
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Horror Vacui
Aus dunklen Tunneln schnattert man
es zwischen den Schritten hervor.
Von allen Bildschirmen wispert man
es uns schnabeläugig entgegen.
Akribische Buchhalter bemerken es
zwischen den Zeilen: Horror Vacui.
Lieber die Leere zwischen den Gedanken,
mit schnell trocknendem Kittkram stopfen,
als die brennende Wahrhaftigkeit von Wünschen
auf die Gefühlsrinde träufeln zu lassen.
Verschlagene Agenten durchstöbern alle Reflexe,
um irgendeinen Baustein für
die schwarzen Löcher zu finden.
Sie sind fleißig, schnell und routiniert.
Sie sind deine geheimen Lappenjäger
und freiheitlichen Inquisitoren.
Den letzten Rest zupflastern. Die letzte Lücke überkleben.
Nur keine Flecken des Nichts zwischen all dem Plunder,
sonst könnte man ergrausen beim Anblick;
oder erbleichen wegen der Aussicht dahinter
wäre noch Platz, für ganz neue Wesen:
Strolchend lebendige Phantasien zerfledderter Triebe und Gelüste,
oder saugende Exilanten erlebter Wirklichkeiten,
die richtig vernichtende Enttäuschung erkaufen,
oder genügend genüßliches Genießen einhauchen.
»Reality is just a story thats taken on a life of its own.«
— John Constantine, Dez. 1997
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Brunnen
Irgendwo in den Gedankengängen
gähnt der Brunnen in das Dunkel.
Sein Wasser dürstet nach Haut,
nach einer verlangenden Kehle
in die es rinnen kann.
Kein Licht. Nur Schwärze.
Ein Durst läßt uns nach diesen Brunnen suchen,
sie verzeichnen und erforschen,
was für Quellen sie verbergen.
Alle sind einzig.
Man wird von den dunklen Wassern verschlungen.
Kälte läßt eine Quelle vereisen.
Doch schon im Flimmern eines Irrlichts,
können sich zwei spiegelnde Veränderungen
und zwei Brunnen ineinander stürzen.