Eintrag No. 746 — Um der Verwirrung vorzubeugen: dieser Wochenrückblick umfasst drei Nummern der Zählung, damit die Zahlen mit dem Wochenfortlauf übereinstimmen. Im August hatte ich derart viel um die Ohren, dass ich drei Wochen Rückblickpause eingelegt habe.
Lektüre: Ich trachte ja zu vermeiden, bei Hugendubel (oder anderen Buchgroßkaufhäusern die auf üble & mächtige Weise auf den Markt einwirken ) Geld zu lassen. Aber wenn dann die Frankfurter Filiale (wieder Mal) auf den Erstverkaufstages-Termin des Verlages pfeifft und ich somit z.B. früher als üblich an den neusten Roman von Neal Stephenson rannkommen kann, mache ich eine Ausnahme. — Also, seit Samstag lese ich »Reamde« (setzt bei der Aussprache die Silben so: Re|am|de). Bisher habe ich in zwei Tagen etwa 200 der ca. 1100 Seiten bewältigt und bin begeistert.
Die ›Nachdenkseiten‹ präsentieren den bisher vielleicht gescheitesten Text, der im deutschen Netzl über die Unruhen in England geschrieben wurde. Götz Eisenberg: Die große Wut der Überzähligen.
Sehr löblich, wie die Mutter Beate Turner sich mal die Geschichtslehrbücher ihres Sohnes vorgeknöpft hat, und bass erstaunt war, mit welch verhamlosender Propaganda darin die mittelalterliche Geschichte des Christentums behandelt wird: Geschichtsunterricht missioniert subtil (beim ›Humanistischen PresseDienst‹).
Endlich wurde eines der fulminantesten und originellsten Werke des großartigen Douglas Coupland übersetzt und erscheint diesertage beim Tropen / Klett-Cotta Verlag. Anlässlich von »JPod« hat sich Jan Pfaff für ›Der Freitag‹ mit Coupland unterhalten: Out of Office.
— Und das Schweizer Fernsehen hat Coupland eine ganze »Sternstunde Philosophie«-Sendung gewidmet: Der ganz normale Wahnsinn unserer Zeit. Bilde ich mir es nur ein, oder ist Coupland derzeit der aussichtsreiche Kandidat des ›Philip K. Dick Ähnlichkeits-Wettbewerbes‹?
Für ›Literaturkritik.de‹ hat Fabian Kettner eine Rezi zu Will Eisners Graphic Novel »New York. Großstadtgeschichten« geliefert: Comic-Dramen der Großstadt.
Zuletzt ein feiner Text von Andrea Diener für den Reise-Teil der ›F.A.Z.‹, über eine kleine deutsche Stadt, die ihren jahrhundertealten Untergrund entdeckt. Es ist erst einige Tage her, seit ich bei der Komplett-Hörbuchversion von Neal Stephensons »Barock-Zyklus« die Passagen über den Londoner Untergrund in »The System of the World« wiedererlebt habe. Dies eingedenk fand ich Perspektiven der Stadt (6): Oppenheim – Bacchus in der Unterwelt besonders spannend.
(Deutschsprachige) Phantastik-Links
Kaum zu fassen, wie lange es gedauert hat, bis nun endlich einmal eine günstige einbändige Ausgabe des dollen, irren Psychodelic-, SF-, Verschörungstheorie-, Drogen-, Magie- & Sex-Klassikers »Illuminatus!« von Robert Anton Wilson und Robert Shea auf Deutsch erschienen ist. Entsprechend gibt es einen Eintrag im aktuellen Rowohlt-Magazin. — Kann gut sein, und ich veranstalte hier bald ein kleines Preisausschreiben, um Molochronik-Lesern Gelegenheit zu verschaffen, eines Bandes habhaft zu werden. Hier habe ich anlässlich des Todes von R. A. Wilson schon einmal kurz über diese Trio berichtet.
Bald kommt eine dicke englischsprachige Anthologie, von niemand anderem als Jeff Vandermeer (einem meiner liebsten lebenden Phantasten) zusammengestellt auf den Markt: »The Weird«. Im verlinkten Blogeintrag kann man schon mal das Inhaltsverzeichnis des dicken Schmöckers einsehen. Sehr erfreulich, dass Vandermeer bei seinem gut 100-Jahre umassenden Blick auf die ›verdrehte‹, ›seltsame‹ Phantastik neben Stories von bekannteren zeitgenössischen Autoren wie China Miéville, Michael Chabon, Kelly Link, Neil Gaiman, Stephen King und George R. R. Martin auch weniger bekannte aber exzellente Autoren wie William Browning Spenser oder Michael Cisco, sowie Klassiker wie Mervyn Peake, Julio Cortazar, Jorge Luis Borges, (natürlich) H. P. Lovecraft, Stefan Grabinski, Franz Kafka, Georg Heym, Gustav Meyrink, Saki und Alfred Kubin berücksichtigt.
Peter V. Brinkemper veranstaltet für ›Glanz & Elend‹ wieder eines seiner klugen Textfeuerwerke in Sachen Pop-Phantastik, diesmal bezüglich zweier neuer Superhelden-Flicks: »Green Lantern« vs. »Captain America«.
Unter anderem bei ›The Laughing Squid‹ wurde folgendes lustiges fiktives Produktbildchen verbreitet: Mac OS Maru, anlässlich der Veröffentlichung des neusten Apple-Betriebsystems Lion. Wäre irre, wenn die Apple-Menschen ihr nächstes Betriebssystem tatsächlich nach der berühmtesten und putzigsten Internet-Katzenberühmtheit benennen (über die es inzwischen sogar ein eigenes Buch gibt).
›Game Wire‹ berichtet über ein iPad-App, das im Herbst erscheinen soll, und das ich unbedingt haben will: die interaktive Ausgabe von Douglas Adams’ Hitchhiker’s Guide To The Galaxy. Mehr demnächst auf der Herrsteller-Seite zum App.
Wieder ein Mal »Calvin & Hobbes«-Zeugs: der famose Pulp-Künsteler Francesco Francavilla hat zwei Poster gestaltet, die Calvin & seinen Stofftiger Hobbes in ihren Phantasie-Rollen als Hard Boiled-Krimihelden zeigen: C & H Private Investigations.
Da ich viel um die Ohren hatte (habe) in den letzten (kommenden) Wochen, lese ich vermehrt Comics. Unter anderem habe ich mir endlich alle 10 Sammelbände des ätzend-satirischen SF-Garns »Transmetropolitan« von Warren Ellis und Darick Robertson besorgt (die ich damals, um die Jahrtausendwende, als Einzelhefte komplett gelesen habe).
— Passend dazu hier ein Link einer erotischen Zeichner-Sitzung der Dr. Sletchy’s Anti-Art School: Spider Is Our Hero. Überhaupt eine anregende Sache, diese Dr. Sketchy-Sessions (ich wünschte, es gäbe einen Ableger in Frankfurt. Vielleicht reise ich mal zu einem Termin in Berlin oder Hanover).
— Eine der Teilnehmerin der »Transmetropolitan«-Sitzung war die New Yorker Illustratorin Queenmob (= Anna-Maria Jung), von der mir auch diese Zeichnung mit Killer Kaninchen gut gefällt.
— Schließlich noch der Hinweis auf das »Transmetropolitan«-Art Book 2011, das erscheinen soll, sobald die durch Fans gespendete Finanzierung steht (und das zur Unterstützung des Comic Book Legal Defense Funds beitragen soll).
Derweil die neusten Folgen von »Futurama« auf Englisch laufen und die Zukunft der Serie bis auf weiteres gesichert ist, habe ich mich gefreut, dass für das ›Der Freitag‹-Alphabeth Ulrich Kühne diesem SF-Komik-Wahn einen Eintrag widmen durfte. — Durchaus erstaunlich auch die realistischen Skulpturen einiger »Futurama«-Figuren von artanis one bei ›Deviant Art‹.
Krass-geil sind diese Logos des T-Shirt-Vertriebes ›Amorphia Apparel‹: Monsters of Gork. Namen von Wissenschaftlern und Philosophen in der Form von bekannten Band-Logos. Mein Lieblinge: Machiavelli in Metallica-Style und Anais Nin in Form des Nine Inch Nails-Logos.
Eintrag No. 740 — Kinners, wie die Zeit vergeht! Wisst Ihr noch, wann ich das letzte Mal von meinen Entscheidungen bei ›Wer ist dir lieber?‹ berichtet habe? — Nein? — Vor über drei Monaten! — Also nicht lange gefackelt. Entscheidungen müssen her!!!
Jack Nichsolson oder Heath Ledger (als Joker): Wenn es nur darum ginge, wer der bessere Joker war, würde ich ›weder / noch‹ sagen, wenn es darum geht, wessen Schauspielerleistung ich höher schätze, dann Nicholson. — Yul Brunner oder Telly Savalas: Meine Stimme geht an den König von Siam! — Physik oder Chemie: Finde beides zu interessant und wertvoll, um mich entscheiden zu wollen, also wieder ›weder / noch‹. — Tim Taylor oder Al Borland: Ähh, das ist wohl TV-Kultur. Habe keine Ahnung. Kenne beide nicht. — Beckmann oder Kerner: Diesmal kenne ich immerhin die Namen dieser TV-Fuzzis. Weiß aber sonst zu wenig, um die unterscheiden zu können. Also wiederum, ›kenne beide nicht‹. — Inge Meysel oder Marie-Luise Marjan: Und nochmal ›kenne beide nicht‹. — Lena oder Nicole: Schlimme als das grausige »Ein bischen Friede« ist selbst lena nicht. Trotzdem unterm Strich für mich ein ›weder / noch‹-Fall. — Spiegelei oder Rührei: Klarer Fall. Ich bin ein Rührei-Typ. — Jim Knopf oder Lukas der Lokomotivführer: Ich mag Lukas ein kleines bischen mehr. — Darth Vader oder Yoda: Seit »The Attack of the Clones« ist für mich der Kampf-Flummi nicht mehr zu toppen. — David Beckham oder Victoria Beckham: Bin nicht kompetent genug, hier eine Entscheidung zu treffen, also ›weder / noch‹. — Prince William oder Kate Middleton: Ebenso.Wertner Enke oder Uschi Glas: Ich boller einfach mal so rum und wähle den Enke. — Cats oder Das Phantom der Oper: Hmmm, schwer. Als Teen mochte ich beide. Aber die Texte von Cats sind (siehe T. S. Eliot) doch 'nen winzigen Tick gehaltvoller. — Humphrey Bogart oder Ingrid Bermann: So sehr ich die Bergman mag, den Bogart finde ich einfach noch besser. — Max oder Moritz: Ist das nicht völlig Wurscht? Ich werf ne Münze … halt nein, ich finde, Max sieht nicht so nervig aus.Adam oder Eva: Meine Sympathien liegen bei Frauen, die mir was zu Essen bringen. — Liz Taylor oder Richard Burton: Wieder ein ›weder / noch‹-Fall. — Frühling oder Herbst: Mein liebste Jahreszeit ist eh der Herbst. — Harry oder Sally: Als Rollenvorbild für mich bevorzuge ich Harry. — Cornflakes oder Müsli: In Phasen die sich über mehrere Jahre erstrecken, mag ich mal das eine, mal das andere lieber. Derzeit bin ich ein Müsli-Typ.
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Wunderbare Neuigkeiten! Matt Ruff präsentiert auf seiner Website nun erste offizielle Infos über seinen (auf Englisch) im Frühjahr 2012 erscheinenden fünften Roman »The Mirage«. Hier eine schnelle Übersetzung von mir vom Waschzettel des Buches:
9. November 9, 2001: Fundamentalistische Christen haben vier große Düsenmaschinen entführt. Zwei davon steuerten sie in die Tigris & Euphrat-Welthandels-Türme in Baghdad, und das dritte in das Arabische Verteidigungsministerium in Riad. Die Passagiere des vierten Flugzeuges, dessen Bestimmung Mekka gewesen sein soll, bringen ihre Maschine in der Wüste zum Abstürzen.
Die Vereinigen Arabischen Staaten rufen einen Krieg gegen den Terror aus. Eine Koalition arabischer und persischer Truppen landet an der Ostküste Amerikas und errichtet in Washington D.C. eine Grüne Zone …
Heute, einige Jahre später, ebbt der Krieg in Amerika langsam ab. Mustafa al Baghdadi, ein Agent der arabischen Heimatsicherheitsbehörde, verhört im Irak einen festgenommenen Selbstmordbomber. Der Gefangene behauptet, dass die Welt in der sie leben ein Trugbild ist — in der wirklichen Welt ist Amerika eine Supermacht und die arabischen Staaten nur eine Ansammlung ›rückwärtsgewandter Drittwelt-Nationen‹. Eine Ausgabe der New York Times vom 12. September 2001, die bei der Durchsuchung der Wohnung des Attentäters gefunden wird, scheint seine Aussage zu bestätigen.
Es bleibt nicht bei diesem einen Zwischenfall. Andere festgenommene Terroristen erzählen die gleiche Geschichte, und man findet weitere ›Artefakte‹. Der Präsident verlangt Antworten, doch Mustafa und sein Team entdecken bald, dass weitere Interessensgruppen ihre Finger im Spiel haben. Der Verbrecherboss Saddam Hussein führt eigene Ermittlungen durch, und der Chef des Nachrichtendienstes des Senates, ein Kriegsheld namens Osama bin Ladin, macht vor nichts Halt um die Wahrheit über das Trugbild zu verbergen.
Georg Dietz, ›Der Kritiker‹ unter den SpOn-Bloggern, klärt uns auf betreffs Sieben Wahrheiten über die Hochkultur. Durch die Brille der Genre-Theorie gesehen ist für mich schon lange klar, das ›Hochkultur‹ eben auch nur eine Nische für ein spezielles Fandom ist.
(Deutschrachige) Phantastik-Links
Für das Blog der ›Bibliotheka Phantastika‹ hat moyashi am Beispiel des »Games of Thrones«-Kalenders 2012 von Joe Picacio wunderbar zusammengemeckert, was an typischer Epic-Fantasy-Grafik nicht stimmt: Blind oder nicht blind, das ist hier udie Frage.
»20th Century Boys« hat letztes Wochenende den Eisner-Award gewonnen, schöne Gelegenheit für den ›Tagesspiegel‹Inga Steinmetz dieses beeindruckende Groß-Manga empfehlen zu lassen: Mörderische Freundschaft.
Noch was aus dem ›Tagesspiegel‹: Diesmal hat sich Steffen Richter der ersten sechs Titel der ›Neue Welt‹-Reihe des Verlages Matthes & Seitz angenommen: Luftschlösser und Quantenburgen. Diese Science Fiction-Reihe wurde von der Szene (mich eingeschlossen) selbst bisher kaum wahrgenmoen, mit Ausnahme von Thor Kunkels lesenswerten Roman »Schaumschwester«.
Viel Stoff für die Ohren bieten die Tonmitschnitte der Seminare Science Fiction and Politics von Courtney Brown. Bereits verkostet habe ich die Einführungsfolge, sowie die Beiträge zu Neal Stephensons »Snow Crash«. Ganz besonders freut mich, dass auch das Werk der Science Fiction-Musikerin Janelle Monáe berücksicht wird.
Zuckerl: Popkultur & Kunst
Seit ich als Hauptschüler Bachs Orgelmusik in der Einspielung von Helmut Walcha kennenlernte, und kurz darauf die Böhmsche Einspielung der Brandenburgischen, bin ich dem Jay Es Be verfallen. Letztes und dieses Jahr hatte ich wieder eine von diesen monatelangen Phasen, in denen ich auf dem Weg zur und von der Arbeit praktisch nur Bach hörte (Savall und Göbel-Einspielungen). — David Ramirer ist einer meiner Freunde, die so eine arge Bach-Begeisterung verstehen. Ihn hat’s, wie’s scheint, in letzter Zeit auch wieder vermehrt zum Thomas Cantor hingezogen, denn in seinem Blog tummeln sich wieder vermehrt elektromusikalische- und bildnerische Interprationen Bach’scher Werke: hier erstmal zum Hören für die freunde gehobener contrapunktik das »Ricercar a 6« (aus »Musikalisches Opfer«), und anschließend dann zwei visuelle Analysen / Umsetzungen dieses Stücks: ein wenig musikanalyse am mittwochabend und ein semi-chromatischer tanz.
Dank an Andrea für diesen Linktipp: Kent Rogowski macht Collagen aus verschiedenen Puzzels und nennt diese knallbunten Farbgranaten dann Love=Love.
Das Architektur-Blog ›The Web Urbanist‹ bietet einen umwerfenden Rundgang durch menschengemachte Himmelgewölbe: 15 Stunning Modern Ceiling Designs.
Zum Abschluss ein Filmchen bei ›Neatorama‹, das ich putzig-gruslig finde (aber vorsicht: manche von Euch finden folgendes sicherlich grausig-eklig!): Leckerer (toter!) Tintenfisch fängt wegen des Natriums in der Soja-Soße an zu zucken: Tanzender Tintenfisch
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Eintrag No. 737 — Es ist jetzt offiziell und kann auf der Website des Golkonda-Verlages bestöbert werden: der Kurzgeschichten-Band »Die Hölle ist die Abwesenheit Gottes« von Ted Chiang. Fünf prämierte Kurzgeschichten von einem der aufregendsten Talente der Science Fiction des neuen Jahrtausends.
Die Geschichten von Ted Chiang sind eine der besten Visitenkarten für Science Fiction und Phantastik, denn er liefert ein gutes Beispiel nach dem anderen, wie (scheinbar) locker & elegant sich in diesen Genres unterhaltsames Erzählen und philosophische Tiefgründigkeit verbinden lassen. — Und ich Glückspilz darf als Übersetzer solcher Gemmen für einen richtigen Verlag debütieren. Bin immer noch baff. — ›Schuld‹ sind Frank Böhmert und vor allem Hannes Riffel, der erste, weil er mit einem Blogeintrag Leute zum Übersetzen ermunterte; zweiterer, weil er mich für den richtigen hielt, Teds brillante Geschichten zu übertragen.
Als Zuckerl hier nun ein Blick auf eine frühe Arbeitsphase meiner Übersetzung der Titelgeschichte.
Eintrag No. 735 — Lektüre: Geht etwas wild und durcheinander zu bei mir derzeit, da ich in einer Phase bin, in der ich verschiedenes durcheinander lese. Auf dem Gebiet der Sachbücher erfreue ich mich zweier Aufsatzsammlungen zum Thema Science Fiction.
1)»Red Planets. Marxism and Science Fiction« (Hrsg. von Mark Bould und China Miéville), in dem sich 13 Texte finden. In der Einleitung leistet Mark Bould eine interessante Schau auf die Veränderung der Kommentierung der globalen Ökonomie durch die SF anhand von Jules Vernes »20.000 Meilen unter dem Meer« und »The Matrix«. — Die erste Abteilung »Things to Come« beschäftigt sich mit den Spuren des utopischen ›noch nicht‹ von Ernst Bloch; — die zweite Abteilung »When Worlds Collide« legt u.a. am Beispiel der Werke von Charles Stross und Ken MacLeod dar, wie SF geschichtliche Zustände kommentiert, in denen sich Gelegenheiten für revolutionäres Hanlen eröffnen; — die dritte Abteilung »Back to the Future« schlägt am Beispiel der Werke u.a. von Philip K. Dick, Ursula K. Le Guin und dem Weimarer Kino alternative Science Fiction-Studien vor, die vom durch Darko Suvin gesetzten Paradigma abweichen. In seinem Nachwort »Cognition as Ideology: A Dialectic of SF Theory« nimmt China Miéville dann Suvins Theorie derart beim Wort, dass deren unterschwellige ideologische Setzungen deutlich zu Tage treten.
2) Eine wahre Fundgrube (mit 554 großformatigen Seiten) ist »The Routledge Companion to Science Fiction« (Hrsg. Mark Bould, Andrew M. Butler, Adam Roberts & Sherryl Vint). In vier Abteilungen werden Aufsätze zu den Bereichen Geschichte (18 Texte), Theorie (14 Texte), Themen und Herausforderungen (12 Texte) und Subgenres (12 Texte) geboten. — Soweit ich die Texte zur Geschichte der SF gelesen habe (die Ausführungen zur Literatur, Film und Comics umfassen), bin ich schwer begeistert über die nüchternen und sachkundigen Darlegungen. — Der Theorie-Teil berücksichtigt neben den zu erwartenden Aufsätzen über Feminismus, Sprache, Postmoderne und postkoloniale Studien auch Texte über marxistische SF-Theorie, Queer-Theory, Virtualität und Posthumanismus. — Die Abteilung Themen und Herausforderungen sind vor allem für akademische Leser von Interesse, denn hier werden Themengebiete behandelt, die sich (wenn) noch eher am Rande der universitären Diskurse abspielen, also Sachgebiete wie z.B. Tierstudien, digitale Spiele, Umweltfragen, Musik und Pseudowissenschaft. — Der Subgenre-Teil widmet sich dann gebräuchlicheren speziellen Feldern und Betrachtungswinkeln wie Arthouse- und Blockbuster-Filmen, Hard-SF und Space Opera, Alternativgeschichten und Slipstream. Besonders freut mich natürlich der Aufsatz über Weird Fiction von China Miéville.
Bereite mich auf’s zehnjährige Jubiläumsrekapitulieren von IX.XI. vor, u.a. indem ich Mathias Bröckers (dessen »Die Drogenlüge« ich empfehlen kann) & Christian C. Walthers »11.9. Zehn Jahre danach« lese. Gutes Buch, das zusammenträgt, welche Teile der offiziellen Geschichtsschreibung (vor allem »9/11 Commission Report«) einer ordentlichen staatsanwaltlich-forensischen Untersuchung nicht genügen, wer also nochmal vorzuladen ist, welche Unterlagen freizugeben sind, welche Umstände von unabhängigen Experten geprüft werden müssten. Es ist ja wahrlich erstaunlich und empörend, was da von Statten ging und geht: wie die offizielle Untersuchung geführt wurde, welche Erkenntisse, Spuren und Zeugen (begründungslos oder mit platten Ausflüchten) unberücksichtigt blieben.
In der ›F.A.Z.‹ (im Netz nun anderswo nachzulesen) erschien am 15. Juli eine Kurzkritik von Raphael Gross, der sich darüber beklagt, dass das Buch in einer ARD-Sendung lobend vorgestellt wurde: Verschwörungstheorie: Was geschah am 11. September 2001? / Die ARD präsentiert ein Panorama der Unsicherheiten. — Eine, wie ich finde, ziemlich ungustiöse Kritik, denn Gross geht gar nicht auf die Sache selber ein, sondern verfrachtet Autoren und Ansinnen einfach mal in die böse Ecke des Krypto-Antisemitismus. — Erfrischend dann aber wieder die Erwiderung von Herrn Walthers im Blog von Herrn Bröckers: Versagende Überwachungsinstanzen.
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Um nicht kirre zu werden vor lauter Sachbuch-Fakten entspanne ich mich mit den »Demon Download«-Büchern von Jack Yeovil (= Kim Newman).
Ich habe diese Quatrologie vor ca. 20 Jahren unkomplett gelesen. Neben den »Warhammer Fantasy«-Romanen von Yeovil gehören die »Demon Download«-Bücher nicht nur zum Besten, was jemals für die legendäre Spieleschmiede ›Games Workshop‹ geschrieben wurde, sondern auch zum Höhepunk dessen, was ich (bisher) an knackiger, exzellent geschriebener Genre-Krachbumm-Phantastik kenne.
Allein die Mischung! Der ›Dark Future‹-Weltenbau ist in einer nahen, ziemlich kaputten Zukunft angesiedelt und erinnert an Stoffe wie »Mad Max« und »Die Klapperschlange«. Wir haben also knappe Rohstoffe, chaotische Zustände in gesetzlosen Zonen der U.S.A., eine korrupte Regierung die nach der Peiffe großer Technologie- und Bio-Ware-Unternehmen tanzt, überall auf der Welt gewalttätige Konflikte zwischen Unabhängigkeits-Kämpfern und Hegemonie-Söldnern, während mediale Blödmaschinen die neusten Promi-Skandale und Sexutainment-Spielchen verbreiten. Western-artig ist der Gesetzeshüter- und Banditen-Konflikt, nur wird weniger geritten als mit Autos, Trucks und Motorrädern herumgefahren. Vom Cyperpunk entleiht man sich transhumanistische Gadgets, Hackerei und Datensurfen. Von Lovecraft und den Seinen übernimmt Yeovil das Konzept der Großen Alten, also finsteren Dämonen, die danach trachten, ihr Unwesen auf der Erde zu treiben. Das alles ist angereichert mit deftigen parodistischen und satirischen Dreingaben, ohne dass die äktionreichen Stories darunter leiden.
In eigener Sache 1: Soweit ich weiß das erste Mal, dass ich als Quelle in einem Wikipedia-Artikel erwähnt werde: Liste von Steampunk-Werken. Es freut mich ganz besonders, dass es meine Rezension von Ian R. MacLeods »Aether« angegeben wird, denn leider ist dieser vorzügliche Roman bei uns etwas untergegangen, so dass die ebenso brillante Weiterspinnung dieses magischen Steampunk-Weltenbaus, »House of Storms«, noch nicht auf Deutsch erschienen ist.
In eigener Sache 2: Es ist mir eine Ehre, dass meine Rezension von Max Brooks »Operation Zombie« von Maik Nümann auserkoren wurde, in seinem hervorragenden Blog ›Dystopische Literatur‹ als Gastbeitrag zu erscheinen.
Zuckerl: Popkultur & Kunst
Habe in den vergangenen Tagen nach neuen Schreibtischhintergrund-Schmuckbildern gestöbnert und folgende Gemmen geerntet: Behold the Power; — Lions, Kenya (Photo von Wai Chun Turnbull bei ›National Geographic‹); — Tree, Arches National Park (Photo von Bill Keaton bei ›National Geographic‹).
Unter dem Titel Nahaufnahmen hat ›Der Freitag‹ ein schönes Portfolio der Reportagen-Illustrationen von Güdel zusammengestellt. Ich bin ein leidenschaftlicher Fürsprecher der Tradition, Zeitungstexte mit genuinen Illustrationen zu versehen.
Zweimal dolle Kunst, die im Blog ›This is colossal!‹ vorgestellt wurde: Zum einen die Verpixelten Tiere von Laura Bifano. Eine wahrhaft schräge Idee, in Gemäldeform Tiere so darzustellen, als ob sie aus Pixelblöcken zusammengesetzt wären.
Find ich einfach nur (aufgemerkt, folgendes Wort verwende ich sehr selten) ›geil‹, wie Klaus Lindner, Michael Krämer, Wiebke Priehn für die ›Neue Rheinische Zeitung‹ in ihrer Expertise unabhängiger Juristen die hochinteressante Frage stellen, ob die Bertelsmann Stiftung ›gemeinnützig‹ im Sinne von §§ 52 ff. AO ist. Jeder, der auch nur ein bischen mitbekommen hat, was Bertelsmann so treibt, weiß, dass bei der Prüfung dieser Frage nur ein Ergebnis herauskommen kann: Ist sie nicht.
Gratulation Andrea Diener! Zum zehnten Mal glänzt sie uns bereichernd als gewieft-launige und sachkundige Bachmann-Wettbewerbs-Kommentatorin. Hier geht es zum Bachmann-Wettlesen im ›Reisenotizen aus der Realität‹-Blog Tag eins; Tag zwei; und Tag drei. — Ich freue mich für Andrea auch über die das ausführliche Zitiertwerden ihres diesjährigen Klagenfurt-Bloggens beim Perlentaucher.
Wunderbare Gemme im erstaunlichen Archiv von ›UbuWeb‹. Ein Dokumentaionsfilm aus dem Jahre 1983 vom englischen Cinematographen-Künstler Peter Greenaway: Four American Composers, über John Cage, Robert Ashley, Meredith Monk und Philip Glass.
Großartiger Essay bei ›Bibliotheka Phantastika‹: Die Redaktion hat unter dem hinreissenden Stichwort ›Metaflöz‹Acht Argumente für Fantasy & Phantastik zusammengestellt, die flappsig in etwa so gehen:
Beurteile ein Buch nicht nach seinem Umschlag! (Ja schon klar, dass viele Fantasy-Cover einfach nur ›würg‹ sind … das wurmt anspruchsvolle Fantasy-Leser mit Geschmack ganz besonders).
Die großen Fantasy-Erfolge liefern keine gute Orientierung dazu, was Fantasy alles ist (bzw. sein kann). Ein bischen schwächelt dieses Argument finde ich, denn die großen Fantasy-Erfolge der letzten Jahre sind schon ziemlich typische Vertreter ihres Genres. Kommt halt darauf an, wie sehr man sich auf diese ›Ideal-Vertreter‹ kapriziert und von ihnen bei seinen Betrachtungen des Genres (ab)lenken lässt.
Mythen, Romantik und überhaupt die ehrenvolle Ahnen-Traditionslinie des Genres!
Zitier ich den anfänglichen Kernsatz ganz, denn dieses Argument ist m.E. kommt etwas schwach und verglückt rüber:
Fantasy erlaubt, Probleme der realen Welt durchzuspielen, ohne exakt an die Nachzeichnung realer Umstände gebunden zu sein oder irgendjemandem aus ebendieser realen Welt mit Schuldzuweisungen etc. auf die Füße zu treten – sei es, dass es um allgemeingültige Schwierigkeiten geht, die in Mittelerde ebenso auftreten wie in Mitteleuropa, sei es, dass bestimmte Dinge im weitesten Sinne symbolisch zu verstehen sind
Die Sache mit dem ›tritt niemanden auf die Füsse‹ wäre für mich eher eine Schwäche, statt eine Stärke.
Fantasy ist eine ›Was wäre wenn?‹-Experimentierwiese. Hmmm, … ist das nicht jegliche Art von Fiktion?
(Gute) Fantasy bietet den Reiz des ganz anderen, des Unbekannten.
Zur Abwechslung eine geschwollene Umschreibung des Arguments, soweit ich es im Guten zu verstehen glaube: Fantasy gemahnt an die mythische Geworfenheit des Einzelnen in einer für diesen nur zum kleinsten Teil durchschaubaren Welt, die sich einem letztendlichen Verstehen sowie der vollkommenen Kontrolle entzieht. Gerade deshalb also bitte erst fühlen, denken und ethisch-moralische Folgen abwägen, dann drauf los handeln.
Der kalifornische Künstler James Jean ist ein unfassbar guter Zeichner, noch dazu einer, der sich gerne mit schrägerer Phantastik spielt. Bei uns dürfte er vielleicht den ein oder anderen bekannt sein als Coverzeichener für die Comic-Reihe »Fables« (hier z.B. für die Nummer 52 im Blog von James). Der eigentliche, mich umhauende Wahnsinn geht aber in seinen Moleskin- & Skizzenbuch-Arbeiten ab. Hier ein paar Beispiele:
Letzte Woche erst entdeckt, diesen Klassiker der modernen Portrait-Photographie von Phill Toledano: die Gamers. — (Diese Aufnahme eines Daddlers, der kurz davor ist einen unerwarteten ›Epic Win‹ einzustreichen, wurde in einem TED-Vortrag von Jane McGonigal gezeigt, in dem es um weltverbesserung durch Anzapfen des Gamer-Potentials ging.)
Zum Abschluss ein Trailer, den ich zuerst bei Stefan vom ›PhantaNews‹-Blog gesehen habe. Internationaler Zweieinhalbminuten-Trailer zum kommenden »Tim & Struppi«-Film. Ich bin so nervös. Hoffentlich versauen Spielberg und Jackson es nicht. Der Trailer lässt Hoffnung zu.
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Eintrag No. 728 — Veränderung von Molos Kommunikations-Gebahren. Noch ist die Soschial-Nätwörg-Funktion ›Google+‹ in der Beta-Phase, aber ich habe mich zur Gruppe der bereits Teilnehmen gesellt. ›Facebook‹ war nie 'ne Option für mich. Zu umständlich, zu undurchsichtig, zu beschränkt, zu gierig und unterm Strich: nicht sexy, nicht Molo-like genug. Auch wenn Google zweifelsohne ebenfalls ziemlich unheimliche, sinistere Aspekte hat, macht Google+ auf mich vom Fleck weg einen besseren Eindruck. Ist eine Mischung aus Netzwerkerei (bilde Deine Kreise), Twitter- und Kurzbloggerei. Kreise kann man erstellen wie's einem taugt, aber es wird anderen nicht angezeigt, in welche Kreise man die Leuz, denen man folgt, eingeteilt hat (vorstellbar ist z.B. ein Kreis namens ›Volltrottel über deren Stuss ich mich beeumel‹) . Soviel verrate ich, dass mein erster selbst gezirkelter Kreis ›Phantasten‹ heißt.
Ab nun werde ich die Links, welche ich für einen im Werden befindlichen Wochenrückblick sammle, auf die Schnelle via meinem Google+-Konto verbreiten. Dienstags gibts dann wie gewohnt die geballte Ladung dieser Links in der Molochronik. — Neu ist auch der ›+1‹-Knopf oben in der rechten Spalte. Mit dem kann man die Molochronik ›plussen‹, sprich: empfehlen (erhört mein Ranking & wasnichtnochalles).
Schluss mit dem Getüdel. Es gibt viele Links diese Woche. Also los.
Halt. Stopp. Eines noch. Die Links sind diesmal nach etwas anderen Begriffen sortiert. Lasst mich wissen, ob Ihr die alte oder die neue Methode besser findet.
»Blödmaschinen«: Leider hatte ich selbst noch nicht die Zeit & Muse, einen eigenen Beitrag über mein großartiges Leseerlebnis mit diesem Buch von Markus Metz & Georg Seeßlen zu verfassen. Immerhin kann ich auf eine gute Rezension von Jürgen Nielsen-Sikora bei ›Glanz & Elend‹ verlinken: Die Herrschaft der Narren.
— Großer Spaß auch, wie Herr Seeßlen seinem Blog (›Das Schönste an Deutschland sind die Autobahnen‹) in einem zweiten Nachtrag zum Buch auf eine mittlerweile ausgestrahlte Radio-Rezi eingeht, die dem Buch u.a. »undifferenziertes Geraune« (und wie geht ›differenziertes Geraune‹) und »obszönen Exzess an Kritik« vorwirft.
— Nebenbei-Empfehlung: Zur Klärung & Erforschung des Begriffes ›obszön‹ verweise ich auf den enorm gehaltreichen Band »Jahrhundert der Obszönität« von Eckhard Henscheid & Gerhard Henschel. Darin auch das prächtige Herbert Marcuse-Zitat:
Nicht das Bild einer nackten Frau, die ihre Schamhaare entblößt, ist obszön, sondern das eines Generals im vollen Wichs.
Entsprechend: Nicht die analytische Untersuchung und dialektische Kritik der Blödmaschinen ist obszöner Exzess (der Kritik), sondern eben die Totalität der Herrschaft und Stupiditätsfabrikation der Blödmaschinen.
Bescheidgeb: Der Verbrecher Verlag hat die Tagebücher von Erich Mühsam ins Netzel gestellt: Mühsam Tagebuch. Die Aufbereitung ist vorbildlich. Glosar ist integriert (Klick auf’n Begriff öffnet links eine Erläuterung), und Klick auf’s Datum zu Beginn eines Tagebucheintrages öffnet Fenster zu einem Scan der Originalseite. Ganz großes Lob!
Großartige Radiostunde! BR2 »Radiospitzen« widmet eine Sendung den diesjährigen Preisträger des Salzburger Stiers: »Cordoba – Das Rückspiel« von Florian Scheuba und Rupert Henning. Schauspieler Cornelius Obonya brilliert in allen Rollen des Stückes über ostdeutsche Flüchtlinge, einheimische Österreicher, türkische Geschäftsleute, deutsche & russische Touristen ext. — Gönnt Euch die Sendung, solange sie noch im Netz steht.
Auf den Seiten des österreichischen ›Der Standard‹ bespricht Josefson in seiner diesmonatigen SF- & Fantasy-Rundschau Die Dampf-Revolution Bücher von: David Marusek (Golkonda Verlag! Yeah!), Jeff VanderMeer, Stephen Baxter, Antoine Volodine, A. Lee Martinez, Paul di Filippo, Scott Westerfeld (»Behemoth«, Yeah!), Tobias O. Meißner, Jonathan Strahan, Ronald Malfi und Stephen Hunt.
›SF-Fan‹ vermeldet die Empfänger der Kurd-Laßwitz-Preise 2011. Besonders freuen mich freilich die Preise an China Miéville (für »Die Stadt & Die Stadt«) und Juliane Gräbener-Müller & Nikolaus Stingl (für die Übersetzung von Neal Stephensons »Anathem«).
Jubiläum: Am kommenden Samstag, den 09. Juli, kann man den hundersten Geburtstag von Mervyn Peake feiern. Im Vorfeld dazu bot letzte Woche der ›Guardian‹ schon mal A celebration of the writing and art of Mervyn Peake. Michael Moorcock portatiert vor allem den Menschen Peake, seine Wiederentdeckung bei Penguin Modern Classics; — Hilary Spurling preist das zeichnerische Werk von Peake; — China Miéville beschäftigt sich mit den »Gormenghast«-Büchern; — und AL Kennedy schreibt über Peaks Verhältnis zu der Insel Sark.
Zuckerl: Popkultur & Kunst
Neues Dauer-Lesezeichen: Interessantes, simples Projekt verfolgt das ›Blog für Leser‹Fünf Bücher von Melanie Voß und Philippe Wyssen.
Kunst (1): Als wären Asteroiden in der Galerie eingeschlagen, oder als hätten gigantsche, mythisch-monströse Ur-Viecher Eier gelegt, so wirken die andersweltlichen Papierobjekte (im ›This is Colossal‹-Blog) des koreanischen Künstlers Chun Kwang Young.
Kunst (2): Grandios wandelt Kate MacDowell mit ihren (zumeist weißen) Skulpturen auf dem schmalen Grat zwischen Verstörung und Bezauberung. Meine Favoriten in ihrem Portfolio: Hase mit Gasmaske; — sezierter Frosch mit Menschenfötus; — das Wurzelhirn. — Würde ich gerne mal im Original sehen.
Schockschwerenot! Matteo Bittanti und IOCOSE haben mit der Photographin Kenzie Burchell eine erschütternde Bilderserie aufgenommen, die uns die Folgen von maßlosen Daddeln zeigen: Game Arthritis. Gottseidank stelle ich an mir selbst keinerlei erste Anzeichen eines ›Playstation Daumes‹ fest … trotzdem überlege ich, meine PS3 sofort zu entsorgen. — (Entwarnung: Das ganze ist fiese, brillante, ernste Satire, aber eben brutal verstörend dank der Arbeit der Maskenbildnerin Emma Alexandra Watts.)
Raumkunst: Der polnische Künstler Marek Tomasik hat aus Holz und Computerschrott eine Rauminstallertion geschaffen, die überwältigend ist. Hier zu einem Bericht bei ›Laughing Squid‹ (engl.) mit Filmchen, Photos und (ohne nervigen Computersound), und hier zur Raumphoto-Seite des Künstlers (mit nervigen Computersound): You sometimes have to be open.
»Der Herr der Ringe« mal anders: Wie sähe LOTR als moderne ›Kumpel auf Rundreise‹-Geschichte aus? Illustratorin Noelle Stevenson hat sich das für uns in ihrem ›A Girl And Her Demons‹-Blog die»The Broship of the Ring«. Laut gelacht habe ich über die Hippster-Hobbits (»Wie, Du weißt nicht was ein zweites Frühstück ist?!«).
Analyse: Nicht wirklich überraschend, dass Michael Bay in seinem neusten »Transformers«-Streifen Schnipsel aus seinem Film »The Island« recyled hat, aber dennoch erstaunlich, wie der Vergleich aussieht: »Transformers 3« scene from »The Island« von Jermain Odremán.
Superhelden-Humor: Die vier intelligenten Spinner der ›After Hours‹ von ›Cracked‹ streiten sich, Ob Batman schlecht für Gotham ist (engl.). Achtet auf den Asperger-Test mit den Zuckertütchen!
Zum Schluss ein Filmchen: Die Idee an sich ist nicht so prickelnd, ist aber gut umgesetzt. Auf zum wilden Springen durch verschiedene Populär-Genres mit der Plot Device (von ›Red Giant‹). Mein Favorit: Natürlich der S/W-Krimi mit kommentiernder Gedankenstimme aus dem Off.
Eintrag No. 725 — Derweil nur die Links. Leider sehe ich mich nicht vor Freitag dazu kommen, auch etwas über die Lektüren und Filmsichtungen der vergangenen 14 Tage zu schreiben.
Nur soviel auf die Schnelle: »Blödmaschinen« von Georg Seeßlen und Marcus Metz war für mich die ganzen vielen 780 Seiten spannend und ertragreich. Absolute leseempfehlung meinerseits.
Und das neue Opus von Terrence Malick, »Tree of Life«, gefällt mir zwar nicht ganz so gut wie »Thin Red Line« und »The New World«, führt aber dennoch exzellent vor, wie toll, tief und kunstvoll Kino sein kann.
Hier die Rückblick-Links, teilweise auf Hau-Ruck-Art.
Nehmt das, ihr beschränkten Acolyten jeglichen Rassenreinheitswahns. Unsere Vorfahren haben nicht nur mit Neanderthalern geschnackselt (also sich vermischt wie Pferde mit Eseln), sondern das hat uns auch immunologisch fitt gemacht für die Ausbreitung über die Erde … berichtet dieser (engl.) Artikel von Michael Marshall auf der Website von ›New Scientist‹Breeding with Neanderthals helped humans go global. — Dabei entdeckt, dass die ›Royal Society‹ einen feinen Netzauftritt pflegt, mit Artikeln, Blog, Filmen und Pi Pa Po. Warum gibt es sowas nicht auf Deutsch von unseren edlen, altehrwürdigen Forschungs-Gesellschaften? (Oder hab ich’s bloß noch nicht entdeckt?).
Die ›TAZ‹ liefert, wozu öffentlich-rechtliche Medien wohl zu blöd oder zu behäbig sind: eine wunderschöne graphische Übersicht zu den (bekannten) Finanzspritzen für die Politik: Parteispenden Watch 2009 – AB 10.000 Euro.
Noch eine aufregende Flash-Aufbereitung von Zwölf Entwicklungen die alles verändern werden (engl.) hat ›Scientific American‹ zusammengestellt. Sehr schön gemacht und ein toller Rundgang zu Dingen wie Polkappen- & Gletscherschmelze, Kontakt mit Außerirdischen, Klonen von Menschen, nukleare Bedrohung, Asteroiden, Pandemien, Schaffung von Leben, Künstlicher Intelligenz, Supraleitern bei Zimmertemperatur, Höheren Dimensionen und Fusionsenergie.
(Deutschrachige) Phantastik-Links
Jubiläum: 25 Jahre ist es (echt schon…?; : !) her, dass Alan Moores & Dave Gibbons Meisterwerk »Watchmen« erschienen ist. Guter Grund für ein Sachbuch (»Under the Hood – Die Verweis-Struktur der Watchmen« von Hans-Joachim Backe) zu diesen lecker-schmecker semiotischen Spaghetti unter den Graphic Novels und eine Besprechung desselben für den ›Tagesspiegel‹ durch Lars von Tröne: Pop-Exegese: Forschungen in der Parallelwelt.
Für ›Omnivoracious‹ unterhält der eine Meister der zeitgenössischen Phantastik, der Amerikaner Jeff Vandermeer, sich mit dem anderen, dem Engländer China Miéville, über den neuesten Roman von letzteren: »Embassytown«.
Was dein Lieblings-»Alien«-Film über Dich verrät (engl.) — Meredith Woerner hat für ›io9‹ diesen Persönlichkeits-Bespiegelung ausbaldowert. Mich spricht demnach die kalte, dunkle Welt des Unbekannten an, denn mein Favorit ist immer noch der erste »Alien« von Ridley Scott (allein schon wegen der Pionierleistung).
Zuckerl
Verrückte Skulptur-Kunst von Tim Hawkinson stellt ›Indianpolis Museum of Modern Art‹ vor: irre Mischung aus Modellbau und Mathematik, dieses Möbiusband-Schiff.
TGWTG No 1: Stimme den Entscheidungen des ›Nostalgia Critic‹ in allen Punkten zu, wenn er bei seiner neusten Ausgabe von ›Alt vs. Neu‹ der Coen-Brüder-Fassung von »True Gritt« gegenüber der John Wayne-Fassung den Sieg einräumt: Old vs New: »True Grit«.
TGWTG Nr. 2: Wer Popkorn- und Genre-Knall-Bumm mag und dennoch einen (Anstands-)Rest Geschmack und Hirn nicht missen möchte, kann sich Bestätigungswonnen verschaffen bei Mathew ›Film Brains‹ Buck genüsslicher Zerlegung von Michael Bays »Transformer 2 – The Revenge of the Fallen« (zweites Video von oben ist der fast einstündige komplette Megacut).
Laaange und sehr kluge Besprechung mit reichlich Zeitgeschichts- und Kultur-Erklärung zu Thomas Pynchons »Inherent Vice« hat John Carvill für ›Bright Lights‹ geschrieben: The ›Bong‹ Goodbye (engl.).
Filmpalaver: was kommt raus, wenn sich zwei Regiesseure, deren Werk ich sehr schätze, ungezwungen unterhalten? Gebt Euch den Wahn mit Lars van Trier und Paul Thomas Anderson (engl.) auf ›Cigarettes & Red Vines‹.
Kurz vor Schluss ließ mir Andrea einen Link-Tipp zukommen. Vorsicht: Über-Putzigkeit voraus! Hier kommt der kleine Eichhörnchen-Nachwuchs im ›flickr‹-Blog.
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Eintrag No. 724 — Seit einigen Wochen (oder Monaten?) merke ich, dass ich immer weniger Zeit habe (u. a. deshalb diese Woche kein Rückblick … dafür gibts übermorgen eine Doppelnummer).
Einer der Gründe meiner knackigen Auslastung war, dass ich, wann immer ich die Konzentration dafür zusammenkratzen konnte, an meinem ersten Übersetzungsprojekt für einen richtigen, ja sogar sehr feinen Verlag gebosselt habe: »Die Hölle ist die Abwesenheit Gottes« von Ted Chiang. Ein wunderbarer Band mit fünf beeindruckend guten SF-Geschichten (›SF‹ eher im Sinne von ›Speculative Fiction‹).
Näheres zum im Herbst 2011 erscheinenden Buch wird nachgepflegt, sobald weitere Infos auf der Golkonda-Website geboten werden. Hier schon mal das Autoren-Portrait für die hintere Broschur-Klappe:
Eintrag No. 718 — Welche Gemeinsamkeit haben »Thor«, »Hanna«, »Scream 4«? Sind alles Filme, die ich gerne auf Englisch im Kino sehen würde, aber seit es kein Turm-Kino mehr gibt, ist das frankfurter Angebot englischsprachiger OV-Filme erschreckend zurückgegangen. Ich erlaube mir etwas zu grummeln.
Lektüre: Seit ich als Jugendlicher über den Haffmans-Verlag das Schaffen von Gisbert Haefs kennen- & schätzen gelernt habe, gehört er zu den Autoren, deren Bücher mich seit vielen Jahren begleiten. Haefs hat als Krimi- (›Balthasar Matzbach‹-Romane) & HistoAbenteuer-Fabulant (»Hannibal«, »Alexander«), als Übersetzer & Werksausgaben-Herausgeber (Sherlock Holmes, Ambrose Bierce, Rudyard Kipling, Jorge Luis Borges) und als Selbsteinsprecher eines Hörbuches (»Roma. Der erste Tod des Marc Aurel« ist eines meiner Allzeit-Lieblingshörbücher) bewiesen, dass er einer der ganz wenigen hiesigen Gegenwartsautoren ist, die es druffhaben, die Tradition klassischer Unterhaltungs-Genre gekonnt fortzuführen. — Entsprechend habe ich mir die Taschenbuchausgabe der neuesten Unternehmung von Haefs besorgt, »Die Rache des Kaisers«. Der Roman erzählt die Geschichte von Jakob Spengler, der 15 Jahre alt ist, als er Anno 1519 vom Waldrand aus beobachtet, wie eine Schaar Söldner sein Heimatdorf niedermetzelt. Die Gesichter der vier Anführer prägen sich Jakob ein. Einige Jahre begleitet er als ›gefundener Sohn‹ einen orientalischen Diplomaten und dessen beiden Krieger-Diener, dann macht sich Jakob auf, die Schlächter seiner Familie zu suchen. Bisher habe ich das halbe Buch durch und finde es angenehm kurzweilig. Das Chaos und die Grausamkeiten der Bauern- & Söldner-Aufstände & Reformations-Unruhen sind passende Gelegenheiten, um kritische Gedankengänge über Religion, Gott, Abkehr vom Glauben, soziale Ungerechtigkeit und dergleichen einzustreuen. Wie immer versteht es Haefs, knapp und ohne langes Gefasel ein lebendiges Ensemble zu schaffen, Orte zu beschwören, komplexe Zusammenhänge zu erklären. Geschickt werden die ernsteren und abenteuerlichen Passagen abgewechselt durch beispielsweise romantische, zünftige oder alberne Stellen. Wenige Unterhaltungsautoren beherrschen diesen Kniff. — Ich liebe es, wenn plötzlich in einer eigentlich ziemlich harten Rachegeschichte wie hier, solche Sachen abgehen: Jakob und Freund / Waffengefährte Avram verbringen schwermütige Tage in Venedig und verfallen beim Wein in folgenden Dialog (Seite 204). Avram fragt, mit welchem Spitznamen Jakob Venedig bedacht hat:
»Kanalrattenstadt«, knurrte ich, »mit Wänden voller Kanalrattenschatten.«
{…} »Schlafen Ratten auf Matten? Werfen dabei Kanalrattenmattenschatten?«
Er {= Avram} rülpse leise: »Das will erwogen sein. Wenn sich zwischen platten Schatten satte Ratten matt begatten…«
Meine Freude am neuen Roman von Gisbert Haefs ist eine passende Gelegenheit, einige Erzähl-Tugenden zu benennen, welche »Die Rache des Kaisers« beispielhaft auszeichnen, und die ich allen Genre-Autoren zur inniglichen Beherzigung nahelegen möchte:
— 1) Überkandidelte Sprache braucht kein Mensch. Aber es steht auch vornehmlich auf Unterhaltung abziehlenden Reissern gut an, die Prosa (natürlich passend zum jeweiligen Stoff) hie und da mit kleinen Sprachkapriolen zu würzen.
— 2) Zeiträume können ruhig übersprungen, die Schilderung von Ereignissen gerafft werden. Haefs führt das glänzend vor. Abenteuerliche Romane werden nicht unbedingt besser, wenn sie aufgebläht werden, weil sie immer eng am Zeitstrahl entlangkriechen. Die Darstellung von Lebensabenteuern werden nicht zwangsweise ergiebiger, wenn man alles was vorfällt ausbreitet.
— 3) Ruhig ab und zu einige Originaltöne einflechten. So bringt Haefs seinen Lesern die schreckliche Plünderung Roms durch spanische und deutsche Söldnertruppen durch Ausszüge aus der Chronik eines gewissen Gregorius oder Georgius nahe; zitiert die Nachwehen des Grauens durch die Schriften des Landsknechthauptmanns Sebastian Schertlin von Burtenbach. Früher im Roman listet der Icherzähler Jakob die Forderungen der aufständischen Bauern in deutschen Landen auf. So lassen sich geschickt die Kleinigkeiten von historischen Panoramen auffächern.
— 4) Wiegesagt: Keine Angst vor Albernheiten oder ›Sentimentalitäten‹ oder blumigen Sprachbildern. Hier eine für meinen Geschmack besonders gelungene Stelle, wenn Jakob, inzwischen gute 20 Jahre alt, eine letzte Nacht bei seiner Geliebten Laura in der Nähe von Venedig verbringt, bevor er sich wieder auf den Weg macht, sich an den vier Mordbrennern zu rächen:
Für Laura und mich wurde es eine lange weiße Nacht. Zwischendurch gab es etwas, das ich nicht Liebe nennen mag, eher einen verzweifelten gegenseitigen Angriff; der Rest war Reden, Fragen, Nachfragen, Vorwürfe. Und Laura war nie schöner als in jener Morgendämmerung, da sie neben mir lag, auf den rechten Ellenbogen gestüzt, die Honigkaskaden des Haars über Schulter und Brust. Schön wie ein geschliffenes Schwert. Als es mir das Herz schlitzte, als ihre Augen Leid sprühten und dabei trocken blieben, hätte ich gern geweint.
Reiseberichte sind immer eine gute Lektüre. Ich durfte zuhause in den letzten Tagen schon Andreas Begeisterung für die »Russische Reise« von John Steinbeck & Robert Capa aus dem Jahre 1948 erleben. Ein Hoch auf die Büchergilde Gutenberg und die von Illja Trojanow herausgegebene Reihe ›Weltlese‹. Hier eine ausführliche Empfehlung von Thomas Hummitzsch für das Portal ›Glanz & Elend‹: Menschen wie du und ich.
Hatte noch keine Zeit für gründliche Lektüre des Eintrages Imagination im Online-Philosophie-Lexikon der Universität Standford. Wird aber noch erledigt.
Es ist mir immmer ein Vergnügen, wenn respektable Literaturkritik sich Sachen vornimmt und zudem lobt, die von feuilletonistischen oder akademischen Kreisen leider allzuoft links liegen gelassen werden. Hier bei ›Literaturkritik.de‹ bricht Ole Petras eine Lanze für DEN Meister der erotisch angereicherten ›langbeinige Grazien‹-Comics: Sex in Zeiten der Anarchie: Zur Milo-Manara-Werkausgabe, am Beispiel des Comics »El Gaucho«.
Folgendes ist so irre und doch passend, als ob Metallica Beethoven-Symphonien interpretieren würden. Für die ›Financial Times‹ hat Stephen Fry ein Interview mit Lady Gaga geführt. Atemlos las ich Frys Bericht und lauschte dem Treffen dieser außergewöhmlichen Künstler im kompletten Interview, wenn Fry und Gaga locker mit Oscar Wilde, Bert Brecht und Thomas Mann um sich werfen. — Hier als Zugabe ein Link zum ersten Teil vom HBO Special: Lady Gagas Monster Ball. Und jetzt dürft Ihr Euch aufhören zu wundern, dass ich was mit Lady Gaga anfangen kann. »The Fame Monster« und »Born This Way« sind gloriose Meisterwerke der überproduzierten Popmusik und wie Fry auch, habe ich mir bei den ersten Musik-Videas von ihr gleich »Aha, Verfremdungseffekt! Kabarett!« gedacht und den Wahnsinn für gut beheissen.
(Deutschrachige) Phantastik-Links
Ich selber werde wahrscheinlich kaum dazu kommen, an der SF-Challange des Schweizer Anlegestelle für Bibliophile ›raVenport‹ teilzunehmen. Aber die Aktion findet meine Sympathie und ich bin gespannt auf die Beiträge.
›Fictionfantasy‹ und ›Literatopia‹ präsentieren Der Phantast No 2: Dunkle Zeiten, 82 satte Seiten, diesmal mit deutlich verbessertem Layout, feinen Illustrationen von Frank Melech, und lesenswerten Artikeln und Rezensionen. Besonders freuen mich die Besprechungen zu Karl Capeks »Der Krieg mit den Molchen«, zu Paolo Bacigalupis »Biokrieg« und der begonnenen Gesamtausgabe von »Valerian & Vernonique« von Jean-Claude Mézières & Pierre Christin.
›peacay‹ bietet in seinem erstaunlichen Blog ›BibliOdyssey‹ wieder mal eine Gemme der Illustrationskunst: Peter Pan in Kensington Gardens, mit Arbeiten des unvergleichlichen Arthur Rackham zu James M. Barries Meisterwerk.
Der geniale John Coulthart hat für ›Tor:Com‹ eine Übersicht zusammengestellt: H.P. Lovecraft’s Favorite Artists, die solch illustre Meister der graphischen Seltsamkeiten und Extra-Devi-Vaganz wie Heinrich Füssli, Francesco Goya, John Martin, Gustave Doré, Sidney Syme, Nicholaus Roerich, Anthony Angarola und Virgil Finlay, versammelt
Sehr appart finde ich gelungene Mischungen aus Horror und Niedlichkeit, wie z.B. das ›2photo‹-Portfolio von Tony Sandoval zeigt. Besonders grauslig-niedlich finde ich diese nackte Schönheit mit Monster-Eingeweiden; — diese im Wasser sich spiegelnde Geistererscheinung; — und diese umschlungenen Skelette, die mich an eines der besten Roman-Enden aller Zeiten erinnern (»Der Glöckner von Notre-Dame« von Victor Hugo).
Nostalgie-Anfall! Beim Stöbern in iTunes habe ich entdeckt, dass Nik Kershaw immer noch vor sich hin bosselt. Als Teen war ich ein großer Fan seiner Alben »Human Racing« und »The Riddle«. Inzwischen hat er seine alberne Haarpracht abgelegt und sieht er aus wie ein richtig handfestes englisches Mannsbild. Und ich bin entzückt, über die Akustik-Version seines Hits »Wouldn’t It Be Good«, zu finden auf dem Album »No Frills«.
Zum Schluss ein wenig derbe Bildungshuberei. Zu meinen liebsten Musik-Schätzen gehört die »Madrigal History Tour« der King’s Singers (begleitet vom ›Consourt of Musicke‹ unter der Leitung von Anthony Rooley). Unter den aus Deutschland stammenden Liedern der Sammlung befindet sich »Vitrum Nostrum Gloriosum«, und so klingt das schöne lateinische Sauflied in der Aufnahme der King’s Singers selbst (hier in der Fassung der TV-Serie zur geschichtlichen Madrigal-Europareise). Der Text geht so:
Vitrum nostrum gloriosum,
Deo gratissimum.
O, vitrum! Levate!
Fac, fac, bibe totum extra,
ut nihil maneat intra,
Depone!
Hoc est in visceribus meis.
Prosequamur laude!
Und wenn ich die englische Übersetzung des Beiheftes der CD ins Deutsche übersetzte ergibt sich folgender Inhalt:
Unser herrlicher Kelch,
zum höchsten Gefallen Gottes.
Oh Kelch! Hebt ihn hoch!
Kommt, trinkt ihn aus
bis auf den letzten Tropfen.
Hinunter damit!
Ich fühle wie es {das Getränk} mich innerlich wärmt.
Lasst unser Lob sich ihm anschließen.
Und es gibt noch Winkel in der Welt (kann jemand das Schild das ab und zu rechts oben im Bild zu sehen ist entziffern?), wo nicht gelehrte Sänger sondern das gewöhnliche Volk rustikal dieses Lied anstimmen: Vitrum nostrum gloriosum.
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Eintrag No. 713 — {Entschuldigt die Verspätung. Habe diesen Beitrag am Dienstag, kurz vor Mitternacht abgeschickt, jedoch versehentlich nicht ›sichtbar‹ und ›öffentlich‹, sondern nur ›geschlossen‹ und ›versteckt‹.}
Aus dem Urlaub zurück, und werde auf der Arbeit gleich frühest morgens empfangen von einem aufgelösten jungen Mädel, das wohl die Nacht durchgemacht hat, und der von gemeinen Kerln die Handtasche geklaut wurde, und die nun ohne Kohle, ohne Ausweis, ohne MobTel, kurz: ohne alles verzweifelt jemanden braucht, der sie mal telephonieren lässt, damit ihr Beau oder Bruder oder Pappa oder Onkel sie abholen kommt. Tja, das ist die Stunde für einen hilfsbereiten Sicherheitsmensch.
Nach diesem Stress habe ich mir eine Streicheleinheit für die Seele verdient, also her mit der Schmalzgranate »Dolphins Make Me Cry« von Martyn Joseph. (»Ducks Make Me Laugh« oder »Hyenas Make Me Nervous« würd ich ja verstehen.).
Lektüre:
Noch während meines Berlin-Urlaubs gekauft (im Otherland-Buchladen) und dann ziemlich flott gelesen: »Horror als Alltag. Texte zu ›Buffy the Vampire Slayer‹«, herausgegeben von Annika Beckmann, Ruth Hatlapa, Oliver Jelinski und Birgit Ziener mit insgesamt 9 Texten (nicht nur zu »Buffy«, sondern auch zu dem Ableger »Angel«), die ich alle für lesenswert und kurzweilig halte. — Besondere Freude hat mir (wieder mal) Dietmar Dath bereitet, der sich in seinem Beitrag »Versuch, ›Restless‹ zu verstehen« einer besonders außergewöhnlichen Folge von »Buffy« annimmt. Gegen Ende seines Textes bringt er etwas schön auf den Punkt, was auch eine Prämisse meiner ›Hyper-Mega-Maxi-Phantastik‹-Theorie ist (S. 122):
Die Wirklichkeit ist ein Dreieck: Du, ich, die Sachverhalte. Niemand erlebt Tatsachen. (Das heißt nicht, wie unverständige Leute lehren, dass es keine Tatsachen gibt.) Was man aber erleben kann, sind Tatsachen in ihrer Beziehung zu den Vorstellungen, die wir uns von ihnen machen. (Das heißt nicht, wie unverständige Leute lehren, dass es nur Vorstellungen gibt. Die Vorstellungen sind ja Vorstellungen von etwas, also muss es etwas geben, daß für die Vorstellung ihr Anderes ist, auf das sie sich beziehen lassen.) Weil sich all das so verhält, ist jede realistische Kunst, das heißt: jede Kunst, die sich dafür interessiert, wie die Welt der Menschen wirklich ist, zwingend zugleich fantastische Kunst – sie stellt ihre Beobachtungen in den Zusammenhang der kollektiven Fantasien, die bei Menschen jede Beobachtung begleiten, vorbereiten, verarbeiten, auslegen helfen.
Letzte Woche konnte ich schon Neues von Master Neal Stephenson melden, und es geht diese Woche munter weiter.
Über die Website von Stephenson habe ich entdeckt, dass er einen Text zum neuesten von Bill Bryson herausgegebenen Buch »Seeing Further – The Story of Science, Discovery, and the Genius of the Royal Society« beigetragen hat. Stephenson beleuchtet in seinem Text »Atoms of Cognition: Metaphysics in the Royal Society, 1715-2010« ein Thema, das auch in seinem gloriosen »Barock-Zyklus« eine bedeutende Rolle spielt: die Konkurrenz zwischen Isaac Newton und Gottfired Wilhelm Leibnitz. Die zweite Hälfte des Beitrages bietet eine gelungene und verständliche Zusammenfassung der Monaden-Theorie von Leibniz, also der Idee, dass kleinste ›denkenden‹ Einheiten die Grundbausteine des Universums sind, und wie diese Idee im Lauf der Zeit aufgegriffen und weiterentwickelt wurde. — Zu den 21 Autoren und Autorinnen des reichlich bebilderten Buches gehören unter anderem Margaret Atwood, Richard Dawkins, Paul Davis und Ian Steward.
Netzfunde
Eine beängstigende Veranschaulichung zu dem im Golf von Mexico ausgelaufenen Öl hat Chris Harmon gestaltet: Oil’d.
Rüdiger Suchsland, bespricht wie (fast) immer amüsant einen Genre-Knaller. Diesmal den nordgöttischen FußballSuperheldenfilm von Kenneth Brannah, »Thor«: Kampfstern Galactica mit Hörnern am Helm. Leider werde ich diesen Flick wohl erst auf DVD sehen können, denn in Frankfurt läuft er nur zu für mich blöden Zeiten auf Englisch.
Für ›Der Standard‹ hat Josefson wieder eine seiner wunderbaren SF- und Fantasy-Sammelrezensionen geschrieben: Weiterwursteln nach dem Weltuntergang? — Diesmal mit Rezensionen zu Büchern von Will McIntosh, Alastair Reynolds, Larry Niven & Edward M. Lerner, Daryl Gregory, George R. R. Martin (ja ja, ich sollte, könnte eigentlich etwas zu den ersten drei Folgen der TV-Umsetzungen von »A Game of Thrones« sagen, aber ich bin bisher noch so unterwältigt, dass ich mich lieber zurückhalte; prinzipiell halt offenbar nicht meine Tasse Tee), Peter Clines, Paul Melko, K. J. Parker, Lorna Freeman, Michael Marcus Thurner sowie einer Übersicht zu Büchern über Retrofuturismus.
Matthew Cheney hat sich dem Wahnsinnsunternehmen gewidmet, Neil Gaimans »The Sandman« komplett zu lesen und Heft/Kapitel für Heft/Kapitel seine Eindrücke zu beschreiben: Sandman Meditations. Besonders interessant ist dieses Projekt deshalb, weil Cheney freimütig zugibt, nicht viel Ahnung von Comics/Graphic Novels zu haben.
Ich freue mich, eine neue SF- & Fantasy-Podcast-Show entdeckt zu haben, die mir gefällt und die ich allen Phantastik-Interessierten mit gutem Gewissen empfehlen kann: Geeks Guide to the Galaxy. Ich habe mir gleich mal die Folgen mit Charles Yu, Paolo Bacigalupi und Cherie Preist geholt.
Jeff Vandermeer hat in seinem Blog ›Ecstatic Days‹ eine kurzweilige Zusammenfassung seiner Erfahrungen und Erkenntnisse bezüglich SF- und Fantasy-Cons veröffentlicht: Convention Truths.
Zuckerl
Supertoll!!! Quentin Tarantinos nächster Film steht fest: Django Unchained. Als Dasteller dieses Westerns stehen (gerüchteweise) bereits Christoph Walz und Franco Nero in den Startlöchern.
Ich bin immer noch auf dem Kubrik-Tripp, und finde dementsprechend diese von Martin Woutisseth gestaltete, animierte Rückschau auf die Werke des Meisters einfach schön: Stanley Kubrick – A Filmography.
›Ufunk‹ präsentiert zwei schöne Alphabete von Fabian Gonzalez. Die Superheldenbuchstaben finde ich nicht so prickelnd, aber gelungen finde ich das Simpson Alphabet.
Steve Thomas hat nützliche und beherzigenswerte Propaganda-Poster für Büros entworfen: Office Propaganda Poster.