molochronik

Borniertheit de Luxe, oder Marcel gesteht eine Lücke

Eintrag No. 415; — Bin grad wieder aus einer Ohnmacht erwacht, verursacht durch meine »FAZaS«-Lektüre.

In der heutigen Folge des munteren Kränzchens »Fragen Sie Reich-Ranicki« ist der wohl (lange Zeit) mächtigste Strippenzieher der Nachkriegsliteraturkritik so frei, auf zwei Anfragen die Science Fiction betreffend Auskunft zu geben. Ich paraphraisiere mal.

••• Der eine Fragende will wissen, wie es MRR mit der SF hält und nennt als Beispiele die Autoren Isaac Asimov und Stanislaw Lem (beide tot); der andere Fragende nennt auch Lem und will von MRR wissen, warum die hiesige Literaturkritik wenn, dann zumeist SF nur im Zusammenhang mit Toten (H.G. Wells, Jules Verne) würdigt.

Dem Marcel tut es erstmal leid, denn mit SF habe er sich nie ernsthaft beschäftigt. Ja, in seiner frühen Jugend habe er durchaus Verne und, ach, in den Fünfzigern auch Lem gelesen, aber Shakespeare, Schiller, Tolstoi, Teschechow, Flaubert und Fontane verdrängten diese dann. Zu Lem sei er nicht mehr zurückgekehrt, habe ihn aber in Warschau als höchst gebildeten, intelligenten, liebenswürdigen und sympathischen Menschen kennengelernt. Und noch mehr ausweichendes Erinnerungsgefasel am Gegenstand vorbei über eine Reise zusammen mit Lem durch die DDR im 56er-Jahr, wo die beiden nie über Literatur sprachen und überhaupt fand MRR die Unterhaltungen mit Lem zwar interessant aber auch anstrengend; so habe Lem nicht mitbekommen, dass MRR seine frühen Werke zwar amal gelesen hat, aber seine späteren gar nicht zur Kenntnis nahm. Und (wie überaus relevant für die Frage) der gute Lem habe MRR später ab und an in Hamburg besucht. Aber ganz wichtig: da war Lem schon ein berüüüüühmter Schriftsteller.

Zur Sache mit der gegenüber SF so ignoranten heimischen Literaturkritik weiß MRR korrekt zu konstatieren, dass dieses Genre trotz seiner Erfolge beim Publikum bei der Kritik nur dürftiges Echo zeitigt, und dass dies freilich kein Zufall sei. Woran das liegt (Achtung festhalten, jetzt kommt hochkonzentriertester Stuss): Die Vorzüge der Science Fiction-Prosa hätten nun mal mit Kunst (besser wohl: Kunscht) nichts zu tun! — »Womit denn dann?«, frag ich mich da. Mit Statik oder Statistik? Mit Teegebäck? Mit Feinrippunterwäsche? Oder gar mit diesen klebrigen Fuseln, die man nach einem 3-monatigen Suvival-Trekkingurlaub in Wales (oder Tirol) bisweilen ausm Bauchnabel zu puhlen vermag?

Abschließend bittet MRR nochmal um Verständnis und Nachsicht für diese seine (Bildungs- & Interessens-)Lücke.

Soviel Offenheit treibt meinen Puls zum ›Hau den Lukas‹-Spiel und läßt die Glocke dauerbimmeln.

Molos Empfehlungen für Web-Glotzer

(Eintrag No. 410; Gesellschaft, Medien, Phantastik, Bildung & Unterhaltung) — Obwohl ich schon einige Monate mit einer komfortablen Breitbandleitung durchs Web gurke, habe ich erst in diesem Monat angefangen, mich in entsprechenden Portalen umzuschaun, wie es um lohnende Filmchen bestellt ist. Hier eine mehr oder weniger munter-unsortierte Auswahl lohnender Clips und Streams.

Kann sein, daß meine Links nicht lange online, oder die entsprechenden URLs schnell wieder unaktuell sind und wieder verschwinden. Gebt halt ggf. als Kommentar hier bescheid, wenn dem so sein sollte.

Den Anfang macht das einzige Web-TV-Angebot der öffentlich-rechtlichen, das ich regelmäßig verfolge: »Das Philosophische Quartett« mit Peter Sloterdijk und Rüdiger Safranski. Für mich, der ich mir kaum leisten kann abends mal aufn Bier zum Klönen wohinzugehen, sozusagen mein Stamtischersatz. Glaubt bloß nicht, ich nehm alles ernst, was die Damen und Herren des Quartetts so daherphilosophieren. Aber genau das, Daherphilosophieren (und zwar unaufgeregt), ists, was diese Sendung für mich so reizvoll macht. Leider reicht das Archiv nicht allzuweit in die Vergangenheit.

Ein Abend mit Neil Gaiman. Ich habe Gaiman ja im Frühjahr 2007 in Leipzig erlebt und kann sagen: Der Mann weiß, wie man einen vergnüglichen Leseabend gestaltet. Der hier verlinkte Fora.tv-Beitrag dauert fast 2 Stunden. Neil liest aus neustem Kurzgeschichtenband »Fragile Things«, inkl. Frage und Antwortspiel. Nict versäumen sollte man die Story »Secret Brides Of The Faceless Slaves Of The Forbidden House Of The Nameless Night Of The Castle Of Dread Desire«, ein Muss für alle, die eine deftige Parodie auf Gothic Novel-Schwulst abkönnen (zugleich aber auch eine köstliche Verteidigung der Phantastik). — Knackig auch Neil Gaimans Gedanken über Horror- und Weird Fiction Papst H. P. Lovecraft.

Apropos H.P.L.: Hier gibt Howard Philip Lovecraft Auskunft (1933). Fast möcht ich meinen, daß es sich hier um einen geschickten Fake handelt, aber der Clip wurde augenscheinlich von Lovecraft-Experten S.T. Joshi beigesteuert.

J.R.R. Tolkien spricht über die seine Mythologie. Man braucht schlaue Ohren, um das murmelnde Gebabbel vom Papa Hobbit zu verstehen, aber es lohnt sich. Was dieser Clip zeigt: Ian McKellen hat alle zuhandenen Filmaufnehmen des Meisters studiert und gibt als Gandalf eine beeindruckende Hommage auf Tolkien.

Richard Dawkins: Der streitbare Atheist, Autor von »Das egoisische Gen« und dem jetzt vieldiskutierten »The God Delusion« geht in Teil 1 den Wirrnissen des Aberglaubens (Astrologie & Co) nach, in Teil 2 widmet er sich der Scharlatanerie alternativer Heilmethoden (Homöopathie & Co.).

Der Neurologe, Humorist, Theater- und Opernregiesseur Jonathan Miller hat für die BBC versucht eine »Rough History of Atheism« auszubreiten. Kein leichtes Unterfangen, haben doch aus Angst vor gröberer Unbill lange Zeit Atheisten gezögert, sich als solche zu outen. Die Dokumentation hat drei Teile, die jeweils in etwa 10-minütige Clips aufgeteilt wurden. Hier zu den ersten Abschnitten von Sendung eins (»Shadows of Doubt«), zwei (»Noughts and Crosses«) und drei (»The Final Hour«). — Eine der schönsten Gemmen dieser Reihe ist Millers Unwohlsein mit dem Begriff ›Atheist‹. Immerhin: Warum sollte man speziell dem Nichtglauben an GOtt (oder Göttern) einen eigenen Namen geben? Gibt es ein besonderes Wort für Menschen, die nicht an Geister, Kobolde und Einhörner glauben? Eben. — Zusätzlich hat Jonathan Miller mit einer Reiher prominenter Nichtgläuber (und einem Gläubigen) Interviews geführt, die schon in seiner »Rough History« gekürzt verwendet wurden. Unter dem Titel »Atheism Tapes« kann man aber die ganzen Gespräche goutieren. Hier gehts zu den jeweils ersten Clips der Interviews mit Colin McGinn (Wissenschafts-Philosoph), Steven Weinberg (Physiker), Arthur Miller (Dramatiker), Richard Dawkins (Biologe), Denys Turner (Theologe), Danniel C. Dennett (Wissenschafts-Philosoph). — Wer nicht glotzen will, kann die kompletten Transkripte der Gespräche hier lesen.

Nach so viel ernsten Zeug über Glauben und Nichtglauben, hier noch ein Clip mit den englischen Humoristen, Schauspielern und Autoren Stephen Fry und Hugh Laurie, die in England berühmt sind für ihre Sendung »A Bit of Fry & Laurie«. — Unsterblich genial ist dieser Scetch »On Language«. Jupp: so isses.

Und als Schlußzuckerl schließlich noch zu den beiden haarsträubend grotesken kurzen Filmchen des amerikanischen Animationskünstlers Bill Plympton (einigen Freaks hierzulande bekannt als Schöpfer des gandiosen Films »The Tune«): »How to Kiss« und »25 Ways to Quit Smoking«.

Viel Vergnügen.

Öffentliche Petition zum Religionsunterricht an öffentlichen Schulen

(Eintrag No. 408; Gesellschaft, Großraumphantastik, Bundestags-Petition) — Gerade im deutschen Brights Blog gelesen: endlich tut sich was in Sachen Kritik und Aktion gegen §7 des Grundgesetztes. Dort steht nämlich (noch):

Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach. Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechtes wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt. Kein Lehrer darf gegen seinen Willen verpflichtet werden, Religionsunterricht zu erteilen.

Ich bin ja schon lange der Meinung, daß Kinder und Jugendliche einen neutralen ›Lebenskunde‹-Unterricht erhalten und neutral und vor allem vergleichend über Religion informiert werden sollten. Die Privilegien der etablierten, organisierten Religionen in Sachen Unterricht (aber auch z.B. bezüglich deutscher Militärseelsorge, Konkordatslehrstühlen, Finanzierung der Ausbildung von Geistlichen usw ect pp ff) sind alles andere auf der Höhe des bei uns ja nur widerwillig geduldeten pluralistischen Informationszeitalters.

Wer, wie ich, etwas tun möchte, damit vielleicht in absehbarer Zeit der Mißstand des Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen behoben wird, lese bitte hier den Text der Bundestags-Petition und raffe sein (humanistisches, aufgeklärtes) Herz auf, um diese Einreichung mit seiner ›Unterschrift‹ zu unterstützen. Dazu ist noch Zeit bis zum 27. Oktober 2007.

Bizarrer Hartz-IV-Fragebogen (aber ich will mal nicht so knauserig mit meiner Meinung sein)

(Eintrag No. 401; Gesellschaft, Großer Bruder, Nach Vorne Verteidigung und Reaktion) — Grad les ich bei »SpiegelOnline« von einem Fragebogen, den man für ziemlich unverschämt oder innovativ halten kann. Die Arbeitsagentur in Hamburg (und angeblich bald auch anderer Städte) stellt darin Beziehern von Hartz-IV außerordentlich persönliche Fragen zu Neigungen und Fähigkeiten, angeblich wegen der noblen Ambition, um ›ein umfangreiches Profil der Kunden zu erhalten‹, um ›passgenauere Instrumente für den Förderbedarf‹ zu erlangen.

Das ist ja schön und gut, aber die Unverschämtheit liegt klar offen, wenn ich (Hartz-IV-Empfägner) darauf verweise, daß z.B. unsere Abgeordneten sich mit Händen und Füßen gewehrt haben, ihre Nebeneinkünfte von nichtparalemtarischen Tätigkeiten offen zu legen (und so richtig transparant ist die derzeitige Praxis dazu immer noch nicht). Zudem wäre es wohl im Interesse der öffentlichen, politischen Meinungsbildung und Orientierung, wenn die genannten Fragen von allen Inhabern öffentlicher Ämter beantwortet würden. Auch um einschätzen zu können, wie gut die Arge-Mirtarbeiter geeignet sind, sich mit meiner Lage zu befassen, wäre es sicherlich nur fair, wenn die Mitarbeiter der Arbeitsagentur selbst diesen Fragebogen ausfüllen und deutlich sichtbar in ihrem Büro aufhängen würden.

Hier die bei SpOn genannten Beispiele und meine mal der Unverschämtheit der Fragen angemessenen Antworten. Ich gebe die Fragen paraphraisiert wieder, da mir der Fragebogen selbst noch nicht vorliegt:

  1. »Peppen Sie ihren Speiseplan mit exotischen Gerichten (z. B. aus Indien, Japan und Mexiko) auf?«Molos Antwort: Ich beziehe meine Nahrungsmittel von ortsansässigen Händlern. Gerade als Hartz-IV-Empfänger muß ich auch was Ernährung betrifft sparen, und kann mir exotische Nahrung aus fernen Weltgeilden in der Regel nicht leisten. Zudem bin ich trotz meines Interesses für die Herkunft von Nahrung oftmals nicht in der Lage en detail nachzuvollziehen, woher Nahrung stammt, welchen Weg sie vom Ursprung bis zu meinem Herd zurückgelegt hat. Was Rezepte betrifft kann ich aber antworten, daß ich neugierig und für alles offen bin. Ich würde mir z.B. gerne mal afrikanische Ameisen- und Termitengerichte leisten können und wäre auch nicht abgeneigt, das Amazonasindianer-Rezept ›in Pflanzenblatt eingewickelte und im Feuer gegarte Tarantel‹ auszuprobieren. Allgemein habe ich eine Schwäche für alle eintopfartigen Gerichte.

  2. »War das Leben in der DDR Ihrer Meinung nach gar nicht so schlecht?«Molos Antwort: Ich bin in der BRD aufgewachsen, und habe darüberhinaus in Wien, Marburg gelebt und wohne derzeit in Frankfurt am Main. Über das Leben in der DDR kann ich keine direkten Erfahrungsurteile abgeben. Dem Vernehmen nach, soll aber das Leben in der DDR weder vollends eitel Sonnenschein noch Pfui-Deibel gewesen sein. Die Dinge waren wohl, wie z.B. der Niederrheinländer Hans Dieter Hüsch zu sagen pflegte, ›gemischter‹.

  3. »Schauen Sie gern Filme, in denen viel Gewalt vorkommt?«Molos Antwort: Kommt auf den Film an. Nennen Sie Beispiele, und ich kann Ihnen mit meiner ästhetischen Meinung dienen. Im Großen und Ganzen weiß ich eine narrative, filmische Darstellung und Verarbeitung von bederückenderen und ungeheuerlichen Aspekten des Lebens zu schätzen.

  4. »Fänden Sie es schön, wenn eine Liebe ein ganzes Leben hält?«Molos Antwort: Wer fände das nicht schön? Zudem ist mir nicht klar, welche Art von Liebe gemeint ist? Die Liebe zum Leben? Die Liebe zur Wahrheit? Die Liebe zu einem Menschen? Liebe zum Geld? Tierliebe? Bücherliebe? Selbstverliebtheit? Präzisieren Sie bitte die Frage.

  5. »Können Ihnen Dinge wie Tarot, Kristalle oder Mandalas helfen, in schwierigen Lebenssituationen die richtige Entscheidung zu treffen?«Molos Antwort: Bezogen auf schwierige Lebenssituationen nehme ich Abstand von derartigen Hilfsinstrumenten. Aber im Alltag greife ich gerne mal zum Münzwurf, wenn es bei unentschiedenen Situationen z.B. darum geht, ob ich mit meiner Partnerin den Zoo oder den Botanischen Garten besuche.

  6. »Spielen christliche Wertvorstellungen keine Rolle für Sie?«Molos Antwort: Natürlich nicht. Allein schon, weil christliche Wertvorstellungen (nebenbei: Welche?) schon vor meiner Existenz vorhanden waren und ich mich als mit ihnen Konfrontierter auseinandersetzten muß (was aber auch für z.B. heidnische, technoikratische, neokonservative, libertinäre, humanistische, bellezistische, idealistische usw. ect. pp. ff. Wertvorstellungen gilt). Ich gebe freimütig zu mich persönlich als einen ›Bright‹ zu bezeichnen, genauer: als einen ›Brückenbauer-Bright‹, der daran ›glaubt‹, daß alle Weltbilder ihre guten und schlechten Seiten haben. Das absolute Verdammen oder Lobhudeln von Wertvorstellungskonglomeraten liegt mir allerdings fern. Zudem mühe ich mich zu unterscheiden zwischen Werten die sich auf die (möglichst) objektive Erkenntnis der Welt beziehen, und solchen, die sich mit ethischer Orientierung auseinandersetzen. Als ›Bright‹ pflege ich da freilich meine Präferenzen, was den großphantastischen, gesellschaftlichen Gestaltungsdiskurs betrifft.

EDITergänz vom 28. August 2007
Eine neue Frage tauchte in einem mittlerweile erschienenen Bericht des »Hamburger Abenblattes« auf.
  1. »Die Werbung im Fernsehen finde ich meist ganz unterhaltsam.«Molos Antwort: Ich habe seit ca. 15 Jahren keinen Tv-Anschluß und die wenigen Male, bei denen ich bei Bekannten Fernseh guck, ist mir jegliche Werbung ein Greul.

Danke Frau Prof. Dr. Monika!

Eintrag No. 399 — Als ob es ein Gutzi für das heutige 2000-Tage-Jubiläum wär, stolpere ich über die frischest hochgeladenen Skripte von Frau Dr. Prof. Monika Schmitz-Emans, die im Sommer dieses Jahr eine elfteilige Vorlesungsreihe über Phantastische Literatur an der Uni Bochum gehalten hat. Soweit ich sagen kann, lohnt es sich die PDFs dort runterzuladen und zu verköstigen, obwohl Monika erstmal — wie so viele — auf Todorovs mir sehr unsympathischer »Einführung…« aufbaut. Aber wie ich in letzter Zeit desöfteren erleben durfte, kann man den guten T. auch vorzüglich als Bocksprungunterlage nutzen.

Für mich ja schon obszön…

… und zwar gemäß der Stoßrichtung des Satzes von Herbert Marcuse (»Versuch über die Befreiung«) aus dem Jahr 1969:

Nicht das Bild einer nackten Frau, die ihre Schamhaare entblößt, ist obszön, sondern das eines Generals im vollen Wichs.

(Eintrag No. 390, Woanders, Mode) — Wagt also nur mit stählernen Nerven Andreas aufreibend-komischen Bericht »Der Hügel des Schlechten Geschmacks« über den Auflauf der Unmoralischen wie er sich diesertage in Bayreuth ereignet zu lesen.

Zittert über den Angriff der großen Killerpflaume! Schreckt Euch vor dem gebrauchen Teebeutel! Der explodierende Hirntumor ist nichts für schwache Gemüter! Doch Linderung naht: Dumbledore steht uns bei!

Unbekannte Gefilde

EDIT vom 14. Okt. 2007: Schöneres Cover-Img eingepflegt.

Eintrag No. 378Frank Weinreich hat mich schon beeindruckt, mit seinen umsichtigen Artikeln zu Tolkien. Klar, für mich als Tolkien-Skeptiker schreibt Frank zwar immer noch zu nachsichtig über JRR, aber dennoch gehört Frank zu den klügeren deutschen Tolkien-Exegeten und Fantasy-Erklärern.

Da freut es mich, daß im neuesten (Juno-)Magazinteil der Phantastik-Couch eine zusammenfassende Vorschau auf sein neustes Buch geboten wird, in dem es um nichts weniger gehen wird, als eine »Einführung in die Fantasyliteratur«.

Oftmals fühle ich mich wie ein querulantischer Kobold, wenn ich meine literaturgeschichliche Maximalsicht auf »Fantasy« (ich rede halt lieber von »Phantastik«) verbreite und auf dieser meiner Sicht beharre;— und es taugt mir deshalb enorm, daß Frank eine ganz ähnlich unverschämte Weitwinkelobjektivsicht auf das Genre pflegt, wenn er z.B. schreibt (Hervorhebung von Molo):

Vielleicht wäre es am treffendsten, die Fantasy als nicht geglaubte Mythen zu bezeichnen. Das zeigt dann auch, dass die Geschichte der Fantasy nicht erst mit muskelbepackten Schwertschwingern wie Conan beginnt, sondern schon mit muskelbepackten Schwertschwingern wie Achilles. Nur dass Homers Geschichten über den Letzteren allgemein als Fanal für den intellektuellen Aufschwung des Abendlandes gehalten und als erster glänzender Höhepunkt der Literatur im speziellen und der Kreativität im allgemeinen interpretiert werden, während man Conan auch ganz gerne als Symbol für kulturellen Trash empört in die Höhe hält. Und auf hohem homerischen Niveau geht es ja weiter, wenn man schaut, welche namhaften Menschen Fantasy schrieben, auch wenn man es zu ihrer Zeit natürlich nicht so nannte: Dante, Chaucer, Shakespeare, Goethe und und und. Der Autor hält sich jedoch nur kurz bei der Geschichte der Vorläufer der eigentlichen Fantasy auf und legt den Schwerpunkt der Darstellung auf die moderne Fantasy, die im 19. Jahrhundert mit den Werken George MacDonalds und William Morris´ beginnt.

Schade nur, daß in der Vorschau das Trösten und Sinnmachen für meinen Geschmack zu einseitig betont. Nix gegen den Sinnmach-Aspekt der Phantastik, aber neben dem Trösten gibts halt noch viel anderes, was »Fantasy« kann. Nicht umsonst fransen die drei Hauptgenre der Phantastik — Fantasy, Horror, SF — an den Rändern aus und werden von entsprechenden Kreativen miteinander munter verflochten.

Fantasy/Phantastik übertreibt und fuhrwerkt mit Zauberdingen, Wunderorten, Monstern, Halbmenschen und vielerlei anderen Extotismen. Sie bedient also zuallererst unsere Neugier bzw. unseren Sinn für das Wundersame (Sense of Wonder), unser menschliches Verlangen danach, das Gesichtsfeld zu erweitern, Neues zu entdecken (und dieses Neue kontrolliert zu erschließen, zu beherrschen).

Die echte Welt ist zuallermeist eben banal, eintönig und langweilig, und die Gravitationskräfe des Daseins ziehen uns alle in Richtung Vergänglichkeit und Auflösung. Die Phantastik bietet nun mit ihrem als Eskapismus übel beschimpften Moment einer raumerschließenden Horizontserweiterung eine Milderung zu dieser alles niederziehenden Schwerkraft des Daseins an. Und ohne einem entsprechenden Talent zum Selberstiften solcher Fluchtbewegungen ist keine Kultur denkbar (siehe das Nietzsche-Zitat am Ende).

Was ich aber gerne betone ist, daß so wie die Fantasy Sinn zu stiften vermag, so kann sie auch alle sicher geglaubten Sinngerüste zum Wanken bringen; und so wie sie zu trösten vermag, kann Phantastik eben auch beunruhigen. Mit Namen wie George McDonals, William Morris und JRR Tolkien wird eine bestimmte Spielart der modernen Phantastik betontz, die ihre Stimme überwiegend als kritisch-romantische Gegenstimme zur ach so bösen Moderne erhob. Bin schon neugierig, ob (und wenn wie) Frank hier einer gegen die Übel der Moderne anwetternden Fantasy das Wort redet, oder nicht. — Aber so im Großen und Ganzen macht die Vorschau auf Frank Weinreichs Buch einen guten Eindruck bei mir.

So zum Beispiel, wenn er sich auf das Übernatürliche als Definitionsfundament beruft. Gespannt bin ich auf das kommende Buch, denn schon bei der Aufdröselung des für die Fantasy grundlegenden Übernatürlichen bekomme ich ein wenig Schwindelgefühle, wenn es heißt (Hervorhebung von Molo):

Meist wird das Übernatürliche in Form von drei charakteristischen, ebenfalls auf der inhaltlichen Ebene zu findenden Motiven in Szene gesetzt: durch das für die Geschichte bestimmend wirkende Vorhandensein von Heldinnen und Helden (die können auch mal negativ gezeichnet sein), durch eine imaginäre Welt als Haupthandlungsort (dies kann auch ein irrealer Teil der realen Welt sein, wie die Zauberschule Hogwarts) und durch die Ausübung von Magie (im Sinne von Praktiken, die den Verlauf von Ereignissen auf übernatürliche Weise beeinflussen) als für die Erzählung selbstverständliches Faktum.

Magengrummeln bereiten mir die Helden, bzw. daß pauschal alle Protags der Fantasy gleich als Held bezeichnet werden. (Andereseits kann man freilich alle Protagonisten aller Genre-Felder als Helden bezeichnen. Hat sich halt so eingeschliffen.) Aber wahrscheinlich bin ich da voreingenommen, weil ich nun mal den Begriff Held mit großer Vorsicht und Skepsis nehme. Helden sind die Figuren der großen Taten, sind die Burschen und Mädels, die der Welt ihre Meinung/Haltung aufprägen müssen. Helden sind zwielichtige/zweischneidige Figuren, was deutlich wird wenn man beobachtet, daß die eigenen Krieger, Beschützer, Eroberer und Trickser gefeiert & verehrt, die Helden der anderen aber als Monster, Unholde und Kriegsverbrecher gefürchtet & verachtet werden.

Weiter: gern les ich, daß Weinreich sich in seinem kommenden neuen Buch mit den literaturwissenschaftlichen Arbeiten von Helmut Pesch und Northrop Frye auseinandersetzten wird. Ersterer (Pesch) hat die bis heute ergiebigste deutschsprachige Arbeit zu Geschichte und Wesen der Fantasy (1982/2001, »Fantasy—Theorie und Geschichte«) geschrieben; zweiterer ist ein englischer Literaturwissenschaftler, der für die Güte seines Buches »Analyse der Literaturkritik« (1957, »Anatomy of Criticism«) hierzulande sträflich-beschämend unbekannt ist (Meine Meinung lautet ja, daß die Germanisten den Anglisten und Amerikanisten was Literaturbeschäftigung betrifft ca. 20 Jahre hinterherhinken. Allein wie die bereichernden Entwicklungen der Genre Studies und Cultural Studies hierzulande nicht in die Puschen kommen {¿dürfen?}, läßt mich wähnen, in einem kirchturmfixierten Dorf zwischen Runkelrüben und Kühen zu weilen). — Aber ich gräme mich, daß auch Weinreich den unsäglichen, zu nichts außer zur Abschreckung zu gebrauchenden Tzvetan Todorov aus der Mottenkiste verschwurbelter Siebzigerjahredenke vervorzerrt (1970, »Einführung in die fantastische Literatur«), in der Todorov einem die entweder/oder-Pistole auf die Brust setzt, und für die Phantastik nur einen ziemlich kleinen Raum übrig läßt, der von kläglich wenigen Genre-Texten eingenommen werden kann. Klassisches Beispiel einer Theorie, die am Gegenstand vorbeitüdelt und damit vielleicht als Denkschwulst beeindruckt, aber als Leitfaden und Werkzeug völlig versagt.

Gespannt bin ich auf Weinreichs Behandlung des innigen Zusammenhangs von Phantastik und Mythos. Immerhin kannten die alten Griechen schon zwei Begriffe für Wort: einerseits nannten sie die vernünftige Rede, das Be-sprechen Logos, das ›unnüchternde‹ Reden in Sagen- und Legendenformat aber nannten sie Mythos. Man sieht also: so neu ist das Alternativkultur-Thema des ›Wilden Denkens‹ (und Fabulierens) gar nicht. Und es ist, wie Nietzsche so trefflich sagte, ein ›umhüllender Wahn‹ der Kulturgemeinschaften bindet. Phantastik ist nicht zuletzt wegen seiner Auseinandersetzung mit diesen Wahn ein so wertvolles und wohl auch heikles Genre.

•••

Zuckerl:

Nietzsches Wort vom ›umhüllenden Wahn‹ findet sich in seinen »Unzeitgemäßen Betrachtungen«, 1974):

Aber selbst jedes Volk, ja jeder Mensch, der reif werden will, braucht einen solchen umhüllenden Wahn, eine solche schützende und umschleiernde Wolke; jetzt aber hasst man das Reifwerden überhaupt, weil man die Historie mehr als das Leben ehrt. Ja man triumphirt darüber, dass jetzt »die Wissenschaft anfange über das Leben zu herrschen«: möglich, dass man das erreicht; aber gewiss ist ein derartig beherrschtes Leben nicht viel werth, weil es viel weniger Leben ist und viel weniger Leben für die Zukunft verbürgt, als das ehemals nicht durch das Wissen, sondern durch Instincte und kräftige Wahnbilder beherrschte Leben.

Molos Auftakt bei den »Meisterwerken der Kritzelei«

(Eintrag No. 351; Skribbelgalerie, Gruppen-Blog) — Gestern hatte ich endlich den Mut, meinen Einstand in diesem wunderschönen Blog zu geben, wenn auch ›nur‹ mit bereits Bekanntem: die 12 Art Pen-Impros vom Dezember 2004, einer Nacht der Dämonenaustreibung (hier zum ersten Bild »Kastlkopf« im Molochronik-Topic »Improvisation«). In anderer Reihenfolge, sieht diese Serie einfach toll aus in der sehr fein gestalteten Aufmachung des MDK-Blogs (hier zum ersten Bild »Antechambre des Kudedelmuddels«bei MDK).

NACHTRAG: Wer alle 12 Skribbels nebeneinander gucken will, klickt in die MDK-Tagesansicht vom 13. März.

Was überlegt sich die Riesenmaschine zur Molochronik?

(Eintrag No. 343; Woanders) — Ab und zu finde ich in meiner Referrer-Liste einen Link von »Riesenmaschine«, allerdings aus deren internem Bereich, der mit »Was tun?« benamst ist. Sieht dann etwa so aus:

riesenmaschine.de

Ich frag mich dann immer leicht paranoid: »Was hab ich denn verbockt, was hab ich falsch gemacht, bin ich jemanden von Riesenmaschine auf den Fuß getreten … ???« — Wobei die Antwort wahrscheinlich schlicht einfacher, und sogar erfreulicher sein dürfte. Vielleicht wars ein Tippfehler, von denen ich ja nicht wenige verbreite, der bei Riesenmaschine jemanden zum lachen brachte, oder ähnliches.

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