molochronik

Alfred Kubin: der neue alte Star der Weird Fiction

Eintrag No. 755 — Derweil ich noch auf meine Paperbackausgabe der umfangreichen, von Jeff und Ann Vandermeer zusammengestellten Anthologie »The Weird« (hier das Inhaltsverzeichnis in Jeffs Blog) warte, freue ich mich wie Schnitzel darüber, daß sich Alfred Kubin schön langsam zu einem heißen Tipp im englischsprachigem Raum mausert.

Nicht nur eröffnet ein längerer Auszug von Kubins »Die andere Seite« die »The Weird«-Anthologie, Jeff Vandermeer widmet auch den ersten Beitrag der Reihe »101 Weird Writers« bei ›Weird Fiction Review‹ Meister Kubin: The Tortured Triumph of "The Other Side". — Ebendort hat diese Woche auch Paul Charles Smith unter dem Titel The Shadow World of Alfred Kubin: The Life and Art of a True Original ein Lobpreis auf Kubins Pionierleistung angestimmt.

Smith hat schon vor einiger Zeit in seinem Blog zwei Beiträge über Kubin verfasst: zum ersten über die Themen in dessen Frühwerk (Themes in the Early Work of Alfred Kubin); zum zweiten insbesondere über »Die andere Seite« (The Other Side).

Nachtrag — Damien Walter hat für ›The Guardian‹ eine herrlich begeistert wirre Jubelei zu der Anthologie geschrieben: Beware The Weird!.

Molos Wochenrückblick No. 45

Eintrag No. 707 — Ohne much ado, hier die Links.

Netzfunde

(Deutschsprachige) Phantastik-Funde

  • Marcus Hammerschmitt schrieb für ›Telepolis‹ einige launische aber (meiner Ansicht nach) treffliche Gedanken zur jüngsten Welle von Alien- und Römer-Filmen: Die Träume des Empires.
  • Und auch diese Woche glänzt das Blog der ›Bibliotheka Phantastika‹ mit neuen, guten Beiträgen! Moyashi schrieb ein Portrait über die Autorin Diana W. Jones (siehe auch meine Rezi zu »Tough Guide to Fantasyland«) und Elora portraitiert den Künstler Charles Vess.
  • Wir dürfen uns freuen, denn es gibt ein neues PDF-Fanzine, das noch dazu den schönen Namen »Der Phantast« trägt. Erstellt wird es von einem Team der Web-Portale ›Fictionfantasy‹ und ›Literatopia‹. Ausgabe 1 ist dem Thema Science Fantasy gewidmet. — Forums-Threads zum Debüt finden sich bei SF-Fan und SF-Netzwerkdort habe ich auch einige Kritik zu dem Leitartikel von Rupert Schwarz angebracht … ziemlich oft, wenn ich hierzulande Fandom-Texte über Genre-›Theorie‹ zur Kenntnis nehme, finde ich was zum mäkeln.

    Das Gute daran: ich habe mir gedacht »Keine Kritik ohne Andeutung einer Hilfe« und die englischsprachigen Wiki-Einträge sind für Einsteiger in geschicktere Genre-Theorie und Handhabung von Genre-Begriffen meistens gar nicht so schlecht. Also habe ich einen mir besonders geistreich dünkenden Absatz aus dem englischen Eintrag zu ›Science Fantasy‹ übersetzt:

    For many users of the term, however, ›science fantasy‹ is either a science fiction story that has drifted far enough from reality to ›feel‹ like a fantasy, or a fantasy story that is attempting to be science fiction. While these are in theory classifiable as different approaches, and thus different genres (fantastic science fiction vs. scientific fantasy), the end products are sometimes indistinguishable.
    Schnellübersetzung Molo: Der Begriff ›science fantasy‹ bezeichnet für viele entweder eine Science Fiction-Geschichte, die stark genug von der Wirklichkeit abweicht um wie Fantasy zu ›erscheinen‹, oder eine Fantasy-Geschichte, die bestrebt ist Science Fiction zu sein. Auch wenn das in der Theorie voneinander unterscheidbare Vorgehensweisen und folglich verschiedene Genres sind (fantasyhafte Science Fiction vs. wissenschaftliche Fantasy), lassen sich die Ergebnisse manchmal nur schwer voneinander abgrenzen.
  • John Coulthart widmet in seinem ›{feuilleton}‹-Blog Alfred Kubins »Die Andere Seite« einen Eintrag; mit sehr feinen Bildern (u.a. von der Ausgabe, die meine erste war, die ich als Reprint von dem Buch erstanden habe) und Links. — Vielleicht täusche ich mich, aber kann es sein, dass im englischsprachigen Internet die Kubin-Renaissance inzwischen stärker ist, als im deutschsprachigen? Wenn ja, ist das eine kuriose Schande.
Zur Erinnerung: Hinweise auf bemerkenswerte deutschsprachige Internet-Beiträge zum Thema Phantastik (in allen ihren U- & E-Spielarten) bitte per eMail an …

molosovsky {ät} yahoo {punkt} de

… schicken. — Willkommen sind vor allem Hinweise zu Texten, die wenig beachtete Phantastikwerke behandeln (z.B. also Einzelwerke statt Seriensachen), oder die über Autoren, Theorie und Traditionsentwicklungen berichten.

Zuckerl

  • Das ›Superpunch‹-Blog zeigt uns einige Gemmen der Gallery 1988 Inle Show. Thema: Hasen. Aber was für welche! Ich mag den mit Zylinder und Wumme von Chet Zar am liebsten.
  • In Pupping hat ein kleiner Tornado die Planen eines Erdbeerfeldes abgedeckt und mit ihnen herumgespielt. etschi123 hat dieses anmutige und ehrfuchtsgebietende Natur-Wind-Spiel ins Netz gestellt.
  • Das Kunst-Blog ›Colossal‹ stellt die Arbeiten des Japaners Sagaki Keita vor. Was für ein Gefizzel. Mir wird ganz schwummerig. Hier geht es zur Website von Sagaki Keita.
  • Für ›Tumblr‹ wurde eine Auswahl der Werke von Zdzislaw Beksinski zusammengestellt. Kaum zu glauben, dass dieser polnische Künstler bisher an mir komplett vorbeiging. Trau mich jetzt schon sagen, dass dieser 2005 ermorderte Maler einen merklichen Einfluss auf die finstereren und wirrereren Bereiche der Phantastik hatte. Muss dem mal nachgehen.
  • Ward Shelly hat eine große Mind Map zur Geschichte der Science Fiction gemalt, die auch schon in deutschen Internet-Kreisen entdekct wurde. Hier geht es weiter zur Website von Ward Shelly, wo es weitere (Un)Ordnungswahnsinnsfrüchte zu sehen gibt, u. a. zur Frage, wer die Avantgarde erfunden hat (riesige Bild-Datei!!!), Rollenvorbildern in den Medien (riesige Bild-Datei!!!) und und und gibt.

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Molos Wochenrückblick No. 34

Eintrag No. 686 — Ganz vergessen Euch folgendes Winter-Erlebnis zu erzählen. Letztens, ich früh morgens auf dem Weg zu Arbeit. Alles voller Schnee, alles voller Eis. Noch keine 100 Meter von meiner Wohnung entfernt, sehe ich eine Person, die ausrutscht und auf den Hintern knallt. Brav erschrecke ich ein bischen über das Missgeschickt eines Mitmenschen und guck, ob auch nichts Schlimmes geschehen ist. Nur’n blauer Fleck. Alles gut. Also weiter. — Keine 200 Meter um die Ecke dann der nächste Kammerad, den’s bei einem Hoppala auf der Eisglätte niederstreckt. Ich erschrecke nicht mehr, prüfe aber kurz, ob alles in Ordnung ist und stapfe weiter. — Weitere 300 Meter später, kurz vor meiner Bank dann die dritte Person, die sich lang legt. Spontan gucke ich mich um, frage mich, ob ich träume, ob es mich in eine Cartoon-Welt verschlagen hat.

Und gestern dann auf dem Weg zur Arbeit, so gegen 5:50 die allerhübschesten Katzen- und Eichhörnchen-Spuren auf dem jungfräulichen Schnee. Gehört zu den schönsten banalen Dingen, die ich kenne.

Lektüre: Habe mir »Chez Max« von Jakob Arjourni (den ersten SF-Roman dieses Autors) und »Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt« von Haruki Murakami gekauft. — Fertiggelesen wird aber erst mal »Die Monkey Wrench Gang« von Edward Abbey. Wunderbarer Roman bei diesem kalten Wetter

Netzfunde

  • Sehr interessant fand ich, wie der SF-Autor Bruce Sterling die ganze Wikileaks-Kiste sieht: The Blast Shack.
  • Apropos undichte Stellen: Bayernleaks gewährt Einblick in das Studiengebühren-Chaos, wie Fritz Effenberger in Studiengebühren, ein Wintermärchen für ›Telepolis‹ berichtete. Warum geben die bayerischen Unis das ganze Studiengebühren-Geld nicht für das aus, wozu es angeblich kassiert wird, z.B. bessere Studienbedingungen, Lehrmittel, neue Dozenten und Proffs?
  • Schließlich war Andrea Diener im Fussball-Stadion, wovon sie in schwarz-weiß im schnee berichtet.
  • ›Spinoff Comicbookresources‹ berichtet mit Extremist Group Urges Boycott Of »Thor« Over Casting Of Idris Elba darüber, dass eine flotte WASP-Truppe sich maßlos empört über den Umstand, dass die Rolle des Gottes Heimdall im kommenden »Thor«-Film von einem Neger, noch dazu einem schwarzen Neger, gespielt wird. Sorgen haben die Leut.
  • Eine der besten Journalistinnen unserer Zeit, Gabriele Goettle, hat für die ›TAZ‹ eine ihrer ergreifenden Sozialreportagen über eine Renterinn geschrieben, die Arbeiten muss, weil es hinten und vorne nicht reicht, so wie unsere wundervolle Wohlstandsgesellschaft funktioniert: Rente ab siebzig – Vom Arbeitsleben der Anderen

(Deutschsprachige) Phantastik-Funde

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Zuckerl

  • Im letzten Wochenrückblick habe die ersten beiden Episoden von »Robot Chicken: Star Wars« verlilnkt. Gestern wurde die niegel-nagel neue Episode III bei ›adultswim‹ ins Netz gestellt. Viel Spaß.
  • Erstaunlich, dass ich da nicht früher drüber gestolpert bin. Aber Ende letzter Woche habe ich mich einen kalten harschen freien Tag lang damit entspannt, alle vier Staffeln von The Guild zu gucken. Nimm das, herkömmliches gebührenpflichtiges oder werbeverseuchtes Fernsehen!
  • Ungewöhnliche Kunst bietet Lori Nix, die zuerst Dioramen bastelt, und diese dann photographiert.
  • Und nun etwas Natur- & Wissenschaftskunde mit den erstaunlichen HTwins, die eine verständliche Veranschaulichung der Größenverhältnisse vom Kleinsten bis zum Größten erstellt haben: The Scale of the Universe.

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Anlässlich der Neuausgabe von Alfred Kubin: »Die Andere Seite« (mit Link-Service)

Eintrag No 555 — Wenn ich nach Gipfeln der deutschen Phantastik gefragt werde, nenne ich immer zwei Namen: Wolf von Niebelschütz (1913-1960) und Alfred Kubin (1877-1959). Ich finde es finster, wie wenig man sich (sowohl in den ernstliterarischen wie den Genre-Kreisen) mit diesen beiden Phantasten auseinandersetzt, wobei die Lage bei Kubin phasenweise immer wieder mal aufhellt.

Da bot zum Beispiel die »Neue Galerie« in New York von Ende September 2008 bis Ende Januar 2009 eine große Alfred Kubin-Ausstellung, zum Frühwerk des großen Monsterzeichners, anläßlich derer wieder einmal ein neuer Werkauswahlband zusammengestellt wurde (»Alfred Kubin Drawings 1897-1909«, gemeinerweise ist die deutsche Ausgabe einfach so 20 Euro teurer). — Und auch in der Frankfurter Schirn Kunsthalle gab es eine kleine feine Auswahl Kubinradierungen in der Ausstellung »Darwin – Kunst und die Suche nach den Ursprüngen« zu sehen.

Der von mir hoch geschätzte Jeff Vandermeer hat sich die Ausstellung New York gegönnt. Er bietet einige Aufnahmen aus dem Katalog und findet es interessant, wie Kubin beispielsweise Mervyn Peake und H. P. Lovecraft vorweggenommen hat.

Ebenfalls durchaus erfreulich ist, dass endlich mal wieder mittels einer schönen Neuausgabe der einzige Roman von Kubin, »Die Andere Seite« (1909) verbreitet wird. Zwar kann man noch billig gebrauchte Exemplare einer der vielen Taschenbuchausgaben erstehen, die es im Laufe der Jahrzehnte von dem Roman gab, aber die meisten dieser TB-Ausgaben sind schrecklich und derweil auch hie & da schrecklich (über)teuer(ert). Wirklich empfehlen kann ich nur die gebundene Ausgabe von Edition Spangenberg (ein Reprint der Erstausgabe) und eben jetzt die schöne Neuausgabe als Band 1444 der Bibliothek Suhrkamp.

Die gebundene Suhrkamp-Ausgabe ist nicht ganz billig (25 Euro), hat aber ein schönes Format (140 x 212 mm) und einen angenehmen Satz und ist auf feinem Papier gedruckt, enthält die 51 Illustrationen und einen Stadtplan der (Alp)Traumstadt Perle. Aber so gar nicht zufrieden, ja sogar enttäuscht und verärgert bin ich über das Nachwort des Büchnerpreisträgers Josef Winkler. 549 Zeilen ca. 19 Seiten lag ist es, und unverschämt eitle 104 Zeilen widmet Winkler Anekdoten zu seinen katholischen Kindheits- & Jugendprägungen. Nur halbwegs befriedigend ist die Bespiegelung Kubins durch von Winkler vorgestellte Zitate Julien Greens von dessen Besuch einer Kubinaustellung 1977. Der Rest bietet zwar eine gut geschriebene, aber flüchtig wirkende biographische Skizze zum Leben und Schaffen Kubins. Setzten: Fünf Minus! — Eine geraffte Fassung dieses Nachwortes (immer noch mit viel Winkler-Bauchnabelschau) kann man bei »Die Welt« lesen: »Tausend gottlose Wunderräusche«

Ergiebiger und informativer sind da folgende im Netz zu findende Texte über Kubin und »Die Andere Seite« (kleine Auswahl der lesenswertenden Beiträge aus der Masse der Googlefunde):

  • Eine knappe Beschreibung aber ausführliche Lektüreempfehlungen hat man bei »Sandammeer« zusammengestellt.
  • Eine (fast schon zu ausführliche) Inhaltsbeschreibung liefert »Wie man mit Buchstaben einen Alptraum malt« von Florian Kuhrt. Besonders schön formuliert ist sein Resümee:
    Kubin haut uns in dieser monströsen Parabel Existenzphilosophie, Solipsismustheorien, Erkenntnisfragen und moralische Bärenfallen um die Ohren; selbst als die Menschen sich in reinste Trieb- und Bedürfnisanstalten verwandeln, sämtliche Sitten, Gedanken und Vernunft verfault sind, bleibt eines gewiß: die Leidenschaften des Menschen relativieren Begriffe wie Gut und Böse. Und auch wenn man jeden hermeneutischen Ansatz außer Acht läßt, bleibt eine großartige phantastische Erzählung.
  • Tolle Beispiele für Kubins Zeichenwucht findet sich auf den Seiten des Kubinkabinetts, hier als Ankostbeispiel zur Reihe »Die Sieben Todsünden«.
  • Hier zur Seite von Dedalusbooks, bei denen die englischsprachige Ausgabe »The Other Side« erschienen ist. Der Link für zur Leseprobe der Übersetzung von Mike Mitchell.
  • Das englischsprachige Blog »David X – Extraodinari Books« eine begeisterte Besprechung dieser englischen Ausgabe und zeigt einige Zeichnungen von Kubin. Sein Fazit lautet:
    This book is a definite must read. It should be required reading in the hope that the warning signs of violent psychosis shown by an entire society may someday be heeded preventing future bloodbaths and perhaps accomplishing homosapiens next great evolutionary step into a truly self aware being, no longer controlled by ancient demons and evil forces.
    {Molos Schnellübersetzung:} Dieses Buch muss man lesen. Man sollte es in der Hoffnung lesen, dass die warnenden Vorzeichen gewaltsamer Psychosen einer Gesellschaft eines Tags als beachtenswerter Rat dienen können, um zukünftige Blutbäder zu vermeiden und somit möglicherweise Homo Sapiens dabei unterstützen, den nächsten großen evolutionären Schritt zu tun hin zu einem wahrlich selbstbewußten Lebewesen das nicht länger den Dämonen und bösen Mächten der Vergangenheit unterworfen ist.
  • In »Welcome To My Nightmare« bietet 1800blogger eine hymnische Besprechug der oben erwähnten »Neue Galerie«-Ausstellung nebst deren Katalog, inklusive weiterer Bildbeispiele zu Kubins Kunst.

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Alfred Kubin: »Die Andere Seite« Ein phantastischer Roman. Mit 51 Zeichnungen und einem Plan des Autors. (Erstausgabe 1909); Nachwort von Josef Winkler; Gebunden mit Schutzumschlag und Lesebändchen; 309 Seiten; Bibliothek Suhrkamp 2009; ISBN: 978-518-22444-1.

Der schönste Schlußsatz eines Buches

Eintrag No. 34 — Über Kumpel David wurde ich aufmerksam auf den Fragebogen ex Langeweile von Kollege DonDahlmann. Alle meine Antworten gibt es bald, aber hier ein Vorgeschmack, meine längste Antwort auf die Frage nach dem schönsten Schlußsatz eines Buches.

Nu denn...

Prinzipiell weiß ich lange Schlußformeln zu schätzen, doch das Der Demiurg ist ein Zwitter als Ende von »Die Andere Seite« bei Alfred Kubin drängelt sich immer wieder aufs höchste Treppchen meiner persönlichen Schlußsatzpokalverleihung. Aber es gäbe soviele Preise zu verleihen, ich will keine Zeit verliehren...

• Im Namen der Hessischen Drogenwohlfahrt spreche ich (posthum) Arthur Conan Doyle die Auszeichnung für sein bedröhntes Ausklingenlassen in »Das Zeichen der Vier« zu: »Mir«, erwiderte Sherlock »bleibt immer noch die Kokainflasche«, und er streckte seine lange, weiße Hand nach ihr aus.

• Die Spiralmusterplakette der Katholischen Psychonauten geht an Keith Gilbert Chesterton für »Der Mann der Donnerstag war«: Und in der Schwärze, die auf sein Bewußtsein herniedersank, vernahm er nur noch eine ferne Stimme, die einen abgedroschenen, schon irgendeinmal gehörten Satz vor sich hinsagte: »Können Sie aus der Tasse trinken, aus der ich trinke?«

• Für den Schlußsatz: Das ist ein Anfang. aus »Erledigt in Paris und London« von George Orwell, erwartet die Gesellschaft für Humanitäre Paradoxie eine Überweisung des Preisgeldes vom Konto der Orwell-Rechteinhaber auf das Konto der GHP in Höhe von nicht weniger als 10 Euro.

• Der Preis des Klassikerlesezirkels der Deutschen Pathologen für ›Leiche mit Pathos am Buchende‹, geht an Victor Hugo für »Der Glöckner von Notre-Dame«: Als man sein Gerippe von demjenigen trennen wollte, das er umschlang, zerfiel es in Staub.

• Für »Thank goodness!« said Bilbo laughing, and handed him the tobacco-jar. bekommt »The Hobbit« von J. R. R. Tolkien die Auszeichnung Besonders Wertvoll des Pädagogischen Verbandes Europäischer Tabakwarenhersteller.

• Neil Gaiman erhält die Goldene Nadel der Arkadischen Guerilla (Zelle Frankfurt) für: And they walked away, together through the hole in the wall, back into the darkness, leaving nothing behind them; not even the doorway. aus »Neverwhere«.

• Die Stiftung der Erbengemeinschaft Molosovsky vergibt den Amœnokratische-Zukunft-Preis an François Marie Arout aka. Voltaire für: »Wohl gesprochen«, erwiderte Candide, »nun aber müssen wir unseren Garten bestellen.« aus »Candide oder Der Glaube an die Beste aller Welten«.

• Den dritten Platz für ein feines weitschweifiges Ende ergatterte Baltasar Gracian für seinen Schlußsatz aus »Das Kritikon«: Was sie dort zu Gesichte bekamen, welche Genüsse sie dort erwarteten, wer das wissen und erfahren möchte, der gehe selbst Richtung Tugend und Vortrefflichkeit, Richtung Tapferkeit und Heldentum, und er wird am Ende zum Schauplatz der FAMA gelangen, zum Thron der Hochschätzung und mitten hinein ins immer währende Leben.

• Auf dem zweiten Platz für ein geiles weitschweifiges Ende gelangte Arno Ethymhansel Schmidt mit seinem »Gadir oder Erkenne dich selbst«: So schreibt Abdichiba, der Knecht der Knechte vor den großen Suffeten, ich schlage die Stufen Deines Stuhles mit meiner niedrigen Stirn, mein Rücken sei Dein Schemel; gebiete über mich und mein Haus, meine Weiber, meine Töchter und Sklavinnen, meine Söhne, meine Knechte, mein Vieh, mein Vermögen, gebiete über alles, o Liebling des Moloch, o Wonne der Gerechten, Du mein Herr! -

• Hans Pleschinski erhält für das Ende von »Pest und Moor« den ersten Preis. Da klammerte sich in Felljacken und Pelzen Alt und Jung, Groß und Klein, da rieb es sich gaßauf, gaßab, daß der weiße Atem aus den Mündern quoll, ungestüm waren die Bäckersfrauen an den Rücken der Waschweiber zugange, scheuerten die Winterjoppen der Stellmacher über die bunten Joppen der Färber, die Pelzbäuche der Augustiner über die Ärsche der Stadtwache, da blitzen die Funkengarben so wild durch die Luft, daß der Tod geblendet davon die Augen schloß und es durch seinen Schädel tönen hörte: »Los, alles enger zusammen, ja, reib dich feste! Feste!«

••••• {EDIT: Neu formatiert und dabei einige Schlampereien gemerzt.}

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