molochronik

»Eine andere Welt« (5) – Kap. III: Eine Hand wäscht die andere von Grandville & Plinius dem Jüngsten

Eintrag No. 676Zur Inhaltsübersicht.

Die Illustrationen einer alten französischen Ausgabe habe ich dem flick-Album von blaque jaques entnommen.

III. Eine Hand wäscht die andere.

Gib mir von Deinem, geb' ich Dir von Meinem. Persisches Sprüchwort.

Bericht der Pickelflöte, Zeitung für Geist, Herz und Musik, über das Concert des Dr. Puff im Besonderen und die Dampfmusik im Allgemeinen.

Puff war, wie man sich denken kann, Zeitungsschreiber gewesen. Der Redacteur des Journals, »Die Pickoloflöte«, Zeitschrift für Geist, Herz und Musik, welches damals den Ton in der literarischen und artistischen Welt angab, gehörte zu seinen Freunden. Puff, der eine glänzende Recension über den letzten Roman desselben geliefert hatte, schrieb ihm und bat ihn um die Aufnahme eines Artikels über sein Concert. Eine Hand wäscht die andere, sagen die Deutschen, und beide zusammen das Gesicht, setzten die Italiener hinzu. Der Redacteur erklärte in der Antwort seine Bereitwilligkeit, Alles aufzunehmen, was der Verbreiter der Dampfmusik für passend fände ihm zu senden.

Puff nahm die Feder und schrieb den folgenden Bericht, kraft jenes Axioms, das oft falsch ist wie alle Axiome: »Man wird stets am Besten durch sich selbst bedient.«

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No. 91. Auflage 111,111 Exemplare 99. Jahrgang

Die Pickelflöte. Melodisch-harmonisch-symphonische Zeitschrift für Geist, Herz und Musik.

Verantwortlicher Redacteur: Dr. Schreibefinger.

Illustrationen: Die Herrn Aquatinta und Bleistift, und die Damen Kreide und Tusche.

Verleger: Die Druckalles'sche Buchhandlung in Lindenstadt.

Mitarbeiter: Die berühmtesten Schriftsteller in Europa, Asien und Van-Diemenland.

Die musikalische Teil unter Leitung der Herrn Hofcapellmeister Ikhtmftbdg und Straccinati.

Censor: Geheimrath Bretnagel.

Art des Erscheinens

»Die Pickelflöte« erscheint täglich und stündlich von 7 Uhr Morgens bis Mitternacht wie die Omnibus.

Jede Nummer bringt als Extrabeilagen drei Walzer, fünf Romanzen, acht Etudes und eine Sonate von den berühmtesten Componisten.

Außerdem erhalten die Abonnenten achtzehn Freibillets für die täglichen Concerte der Pickelflöte. Gegenwärtig wird ein neuer Saal gebaut, der groß genug ist, alle Abonnenten zu fassen.

Bedingungen für das Abonnement.

Für 1 Woche, 1 Monat, 1 Tag: Gar Nichts.

Für ein Vierteljahr erhalten die geehrten Abonnenten: Eine noch ungedruckte Symphonie von Ikhtmftbdg.

Für ein halbes Jahr: Eine ganze nich unbekannte Oper von Straccinati.

Für ein Jahr: Ein Flügelpiano und lebenslänglichen freien Eintritt in die musikalische Akademie.

Ferner als Extrazugabe die Portraits von Ikhtmftbdg und Straccinati.

Am 1. April 1850.

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Wir eilen dem verehrten kunstliebenden Publicum Bericht abzustatten von dem ersten humano-mechanischen Concert des eben so ausgezeichneten wie mit Recht berühmten Dr. Puff. Um würdig diese Aufgabe zu lösen, bedürfte es der glänzenden Beredsamkeit eines Mireabeau und der Flammenzunge eines Propheten des alten Testaments; unsere Schilderung — wir sind uns dessen nur zu wohl bewusst — muss weit hinter der Wirklichkeit zurückbleiben und rechnet nur zu sehr auf die Nachsicht des freundlichen Lesers. Dank sei es dieser wunderbaren Erfindung, von nun an werden Schnupfen, Husten, Heiserkeit und dergleichen Gesangshindernisse eine verklungene Sage sein. Die Stimmen der Tenore, Bässe, Baritons, Soprane und Alte sind vor allen Unfällen fortan bewahrt; die durch Dampf in Bewegung gesetzten Instrumente bringen Wirkungen von unglaublicher Genauigkeit hervor und die großen Meister unserer Zeit haben endlich Interpreten gefunden, die auf gleicher Höhe mit ihren unsterblichen Compositionen stehen. In diesem Jahrhundert des Fortschritts ist die Maschine ein vervollkommneter Mensch.

Wir enthalten uns der Schilderung des unbegrenzten Enthusiasmus, welchen jede von den Virtuosen des Dr. Puff executierte Piece hervorbrachte. Sein Orchester kann die Orchester aller Conservatoires der ganzen Welt, sogar unser Lindenstädter, dreist zum Kampfe auffordern und wird siegreich daraus hervorgehen. In dem großen Duett »Eisenbahn und Dampfschiff« gab Fräulein Locomotive das fünfgestrichene hohe C mit einer Fülle von Stimme und Dampf, dass alle Zuhörer vor Entzücken laut aufjauchzten. Eine junge Virtuosin von zweiundzwanzig Monaten, sechs Tagen und einer Nacht, welche aus Bescheidenheit nicht genannt zu sein wünscht, hat auf der Dampf-Harfe die schwierigsten Variationen aufgeführt, ohne auch nur einen Augenblick aus der Schienenbahn der Harmonie herauszugleiten, mit einer Fülle und einer Zartheit des Aufschlags, die ihr fortan einen Ehrenplatz unter den berühmten Künstlern der Jetztzeit sichern werden.

Als Gratisbeilage geben wir unseren verehrlichen Abonnenten heute die wohlgelungenen Portraits einiger Mitwirkenden, nebst Facsimiles ihrer Handschrift, außerdem verschiedene ihrer bis jetzt noch ungedruckten Compositionen.

Ein ungeheures Ereignis hat das Ende dieses Concerts ausgezeichnet. Während des Feuerwerks aus D-dur, im Augenblick als die Fuge smorzando {= verlöschend, ausklingend, leiser werdend} mit einer zarten, träumerischen Melodie sich endigte, platze plötzlich eine zu stark mit Harmonie geladene Ophicleide, in dem sie gleich einer Bombe ganze, halbe, Achtel- und Sechszehntel-Noten, ja ganze Passagen verschoss. Wolken musikalischen Dampfes und tausend Melodieen-Funken durschschwirrten die Atmosphäre. Mehreren Dilettanten wurden die Ohren zerfleischt, andere durch das Umherfliegen des F- und G-Schlüssels verwundet. Zur Verhütung jedes ähnlichen Unfalls sind geeignete Maßregeln getroffen worden.

Dr. Puff, welcher durch seinen doppelten Character die Abstammung des Äskulaps vom Apollo beweist, hat allen Verwundeten mit einer über jedes Lob erhabenen Uneigennützigkeit sogleich ärztlichen Beistand geleistet und sie geheilt entlassen.

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»Zettel’s Traum« von Arno Schmidt. Lektürebericht No. 1

Eintrag No. 672Prolarifari: Entdeckt habe ich Arno Schmidt (= AS) über das ›Magazin für jede Art von Literatur‹, »Der Rabe«.

(Mein erster »Rabe« war die No. 20, »Der Film-Rabe«, aber begeistert von diesem, habe ich damit begonnen, alte Nummern des Magazins nachzukaufen. So fand ich die ersten beiden Schmidt-Texte, an die ich mich erinnern kann, in der nachgekauften Nr. 9, »Der klassische Rabe«, und der Nr. 5, »Der philosophische Rabe«. Ich meine natürlich AS heftige Beschimpfung des Literatur-Nobelpreises »Stigma der Mittelmäßigkeit« und sein zündendes Un-Glaubensbekenntnis »Atheist? : Allerdings!«.)

Bald darauf erstand ich mein erstes Arno Schmidt-Buch: »Deutsches Elend«, eine glänzende Ergänzung, wenn man, wie ich als Teen, gerade dabei ist, sich mittels Scheibenwischer, Sigi Zimmerschied, Gerhard Polt und Großwerden unter FJS, seinen Amigos, sowie dem ewigen Kandesbunzler Helmut dem Kohl, in HeimatEkel zu üben; — Und die erste Prosa, die ich dann von ihm verköstigt habe, waren »Leviathan« und »Gadir«, zwei Texte, die ich seit dem, wie so manches andere von AS, mehrmals gelesen habe.

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Dienstag, 19. Oktober 2010: Gelobt sei mein liebes Weib, dass von dort, wo mein Exemplar der Studienausgabe von »Zettel's Traum« angeliefert wurde, das schwere Ding nach Hause, also mir entgegengewuchtet hat. Hörte die Arme schon treppauf kommend stöhnen unter der Last von »Zettel's Trumm«. Nun also endlich meins. — Habe Jahrzehnte gewartet. Als Teenager viele Wochen lange Nachmittage nach der Schule damit rummgebracht, in der Stadtbücherei die Faksimile-Ausgabe zu durchstöbern. Vom Anfang weg kam ich damals nicht weit. Aber beim Herumblättern blieb ich hängen bei der Passage über die Panoramen-Kunst und ihren Einfluss auf Poe und Verne (in Buch 2: »In Gesellschaft von Bäumen«). War schwer beeindruckt.

(Gedankenspiel, das mich schon lange Zeit belustigt: Was hätte Arno Schmidt wohl angestellt, wenn er länger gelebt und noch einen PC in die Finger bekommen hätte, er also z.B. mit einem frühen Version von QuarkXPress seine Textlandschaften zurecht formatiert hätte.)

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Dienstag, 02. November 2010Wortmeldung im ›Schauerfeld‹-Blog: Bisher fruchtbare Lesehaltung (und ich habe nun Jahre nix längeres von AS gelesen, sozusagen gefastet für ZT): Jeden Tag 2 bis 4 Seiten. — Vieles muss man eben nicht lesen, sondern hören, dann sind auch die ganzen Verrätselungen nicht kryptisch, sondern einfach nur Gewohnheits-, also Einlese- & Tuning-Sache.

Zu den »Was soll das Zettels Trumm?«-Fragen will ich einfach mal auf Stellen hinweisen, die mir autopoetische Schlüssel zu sein scheinen. — Meine Prämisse: AS schreibt über einen DichterPriester (= DP) durchaus so selbstgewahr (selbstgewirr), zu wissen, selbst ein DP zu sein (oder sein zu wollen, bzw. für einen gehalten werden zu können).

{…} DP's. Mein Haupteinwand gegen sie wäre : daß sie, vor lauter mystischer Apartheed, nich mehr imstande sind, den einfachsten Gegenstand {…} als solchen zu schildern

(S. 23) Und was unternimmt AS (nicht erst seit ZT)? Er schildert einfache Gegenstände, wählt kleine Welten und verwandelt sie in viel (komplizierten) Text. Wie Joyce zeigt er, dass ein Tag 1000 Seiten und mehr Stoff hergibt, wenn man verwandelnd und detailver- & besessen vorgeht.

{…} »ss doch scharfsinnig genug! {…} Das sind diese Leute Anderen gegenüber arg gern – und wenn sich's um abgespaltene Selbstportraits handelt. {…} Jetzt auch noch die Auflage: EDGAR POE zu sein. ! Wenn man über 50 noch etwas Mittelgroßes leisten will, muß man sein Leben aufs Spiel setzten.

(S. 26) Na wenn das nicht Selbstironie ist, was dann?

Die Bejahung der Vielsinnigkeit {…} auf Traumbasis zu schreibn also; leistet einer Mehrstimmigkeit im höchsten Maße Vorschub.

(s. 39) Siehe Details. Oder ganz banal: AS, Fan von Genre- & Reise-Abenteuern hat unter anderem seinen Spaß damit, beim Übersetzen mit Pschüchologie-Besteck im Poe zu puhlen. — Siehe auch Explizierung:

»Du reitest auf FREUD rum, geldt?«

(s. 44) — Beiseit: vielleicht ist das ›geldt‹ ein Deut auf die schelmische Spekulation, warum die ZT-auflage die anvisierte Versteh-Leserzahl 400 überstieg, weil man eben darauf baute, dass viele viele Psychoheinies von dunnemal ZT ›ernst‹ nehmen würden. — (Siehe auch: AS, der verkannte Kalauer-Humorist der eine Vielsinn-Douplone nach der anderen münzt… für andere dann halt nur die hinlänglichsten Altherrenwitz-Prallinen der willhelminischen Muff-Welt.)

Kurz: ich versuche AS genau so unernst zu nehmen, wie ich muss, um mich auf ihn als Mensch, bzw. als Schelm, als Besessenen einzulassen. Auch mich überkommen bei AS-lektüren ab und an Phasen, wo mir seine Schreibe, genauer: seine Getriebenheit, sein Wille zum Elitarismus unangenehm werden. Aber die Grundresonanz von AS zu mir rüber, was ich so über die Zeiten zu vernehmen glaube, ist mir sympathisch. Wäre das (Spät)Werk von AS zugänglicher, einfacher und wohlproportionierter geraten, wenn er sich nicht aus der einen Art Beengungen in (s)eine selbstgewählte geschrieben hätte? — Sehr vermutlich. Sicherlich.

Derzeitiger Stand: Seite 63.

Nützliche Links:

Arno Schmidt: »Zettel's Traum« (1970, Faksimilie Erstausgabe); typographisch von Friederich Frossman gesetzte Studien-Ausgabe; 6 Bücher in vier Teilbänden mit insgesamt 1530 Seiten; Arno Schmidt-Stiftung im Suhrkamp-Verlag 2010; ISBN: 978-3-518-80300-4.

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»Eine andere Welt« (4) – Kap. II: Das Dampf-Concert von Grandville & Plinius dem Jüngsten

Eintrag No. 670Zur Inhaltsübersicht.

Die Illustrationen einer alten französischen Ausgabe habe ich dem flick-Album von blaque jaques entnommen.

II. Das Dampf-Concert.

Der Dampf wird der Welt ― und der Musik eine neue Gestaltung geben. Ich bedaure Nichts so sehr, als ihn nicht gekannt zu haben. Napoleon auf St. Helena

In diesem Jahrhundert des Fortschritts ist die Maschine ein vervollkommneter Mensch. »Die Pickelflöte«. Musikalisches Journal.

Von der wunderbaren Entdeckung, welche Dr. Puff machte, mit deren Hilfe er ein Riesenconcert geben und für sechs Silbergroschen zu Mittag essen konnte.

Nach dem er das Inventarium aller Mobilien, Immobilien, Actien, Erfindungen und Partituren, welche ihm seine Mit-Neu-Götter zurückgelassen, aufgenommen hatte, befand sich Dr. Puff auf dem Punkte, der Verzweiflung anheimzufallen, als er plötzlich unter diesem Material ein Dutzend gegossener Musikanten entdeckte.

Er nahm sie aus der Kiste, welche sie barg, und konnte nicht umhin auszurufen:

»Das ist der Mann, den sie verkannt, das Genie, dass sie zehn Jahre lang mit zerrissenen Stiefeln umhergehen ließen! Und doch, Schwadronarius, bist du der Einzige und Erste, der das Mittel gefunden, die Anforderungen des musikliebenden Publikums zu befriedigen, und das Geheimnis ersonnen hat, Sänger mit ehernem Gaumen zu schaffen und ein Orchester durch Dampf in Bewegung zu bringen. Mein sei der Ruhm, deine erhabene Erfindung der Vergessenheit zu entreissen. Heute noch gebe ich ein Concert; denn ich muss mir Geld zum Mittagsessen schaffen.«

Ohne Zeit zu verlieren, ließ er an allen Straßenecken folgenden illustrierten Zettel anheften.

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Mit hoher oberigkeitlicher Bewilligung Mechanisch-Metronomisches Instrumental-, Vocal- und Phänomenal- Concert in zwei Stationen.

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Am Schlusse: Jubelhymnus für 200 Posaunen Herr Doctor Puff dirigiert die Maschinen.

Erste Station:
  1. Ouverture für großes Orchester aus der Oper »Die Schienen-Noten«.
  2. Eisenbahn- und Dampfschiff-Duett, vorgetragen von Fräulein Locomotive und Herrn Schlotfang.
  3. Trinklied von Fräulein X, 22 Monate, 6 Tage und eine Nacht alt.
Zweite Station:
  1. »Das Ich und das Nicht-Ich«; philosophische Symphonie in C-Dur.
  2. »Die umgeschlagenen Waggons«. Polonaise für 400 Ophicleiden.
  3. »Der Dampfkessel«. Symphonie für Hochdruck, mit 300 Pferdekraft.
  4. »Die Explosion«. Jubel-Hymnus für zweihundert Posaunen.

An das hochverehrliche Publikum.

Alle Kinder unter vier Jahren, welche anfangen zu rauchen, zu dichten und zu componieren, bezahlen den halben Eintrittspreis doppelt. ― Das Concert findet mit vollem Gasometer statt in einem tragbaren gegossenen Saal und macht vier Meilen Koloraturen in der Stunde. ― Für die Inexplosibilität der Musikanten wird Bürgschaft geleistet. ― Die Eröffnung beginnt auf dem Bahnhof präcise fünf Uhr Abends. ― Die erste Fahrt ist in C-dur. Die zweite in B-Moll.

Die Coupés, Sitze und Waggons haben mittlere Temperatur. ― Man kann Dampfbäder in vergitterten, besonderen Logen erhalten.

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Höchst wichtige Schlussbemerkung.

Es wird ausdrücklich gebeten, weder Finger noch Nasenspitzen herauszustrecken. Alle Zeichen der Missbilligung, alles Murren oder Pfeifen, die dem Luftstrom eine falsche Richtung geben und Gesundheit und Leben der Zuhörer in Gefahr bringen könnten, sind ausdrücklich untersagt. ― Die Zeichen des Beifalls dagegen, bei denen man solche Folgen nicht zu fürchte hat, sind dem hochverehrlichen Publicum, das sich der Begeisterung ganz hingeben kann, durchaus freigestellt.

Um alles Unglück bei dem Schlusse des Concerts zu vermeiden, werden viele Ventile für den Abzug des Publicums geöffnet werden.

Das Concert findet zum Besten eines antimillionären Künstlers, der in den Mond geflohen ist, statt.

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Artistische Gratiszugabe für die Abonnenten des Journals: »Die Pickelflöte« Fräulein Locomotive und Herr Schlotfang in dem Duett »Eisenbahn und Dampfschiff.«

ha ha ha         ha ha         ha ha         ha ha ha ha ha ha ha ha ha         ha ha ha ah ah ah oh la la la!         oh! ah!         oh! ah!         la! la!

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»Eine andere Welt« (3) – Kap. I: Die Teilung der Erde von Grandville & Plinius dem Jüngsten

Eintrag No. 663Zur Inhaltsübersicht.

Die Illustrationen einer alten französischen Ausgabe habe ich dem flick-Album von blaque jaques entnommen.

I. Die Teilung der Erde.

Weder Wappen noch Kopf.

Woraus man, neben anderen Offenbarung über die Neugötter, erfährt wie sie aus Mangel an einem Viergroschenstück genötigt wurden, sich freundschaftlich in die Erde zu teilen.

Krack gab sich für einen pensionierten Rittmeister aus und Schwadronarius für einen Kapellmeister. Rittmeister Krack von Krackenheim, Krackmandel’scher Linie auf Krackendorf, gehörte zu den Leuten, deren Alter zwischen der Zahl von fünfunddreißig Jahren und der Ewigkeit auf und ab schwankt. Er trug einen Lerchenspieß voll Orden aller Farben, die er Gott weiß in welchem Befreiungskriegen sich erkämpft. Da übrigens jedes Individuum einer gesellschaftlichen Stellung bedarf, so führte er, obwohl einarmig, Karten, auf denen zu lesen war:

Krack von Krackenheim

Rittmeister à la Suite in Fürstlich Unterdemmond’schen Diensten, Professor der Reit-, Fecht-, Schwimm-, Turn- und Tanzkunst.

Schwadronarius, ehemaliger Capellmeister, hatte früher versucht, die Tonleiter zu revolutionieren und dem alten Klavierschlüssel seine philosophische Bedeutung wieder zu geben, aber seine Anstrengungen waren erfolglos geblieben. Keine Bühne wollte seine Oper »Der Geist und die Materie«, kein philharmonischer Verein seine große Symphonie »Das Ich und das Nicht-Ich« in C-dur aufführen. Nacheinander Maler, Musiker, Optiker und Mathematiker, hatte er sich eben auf die Mechanik der Himmelskörper geworfen, als ihm Puff eine Stelle als Gott anbot, die er ganz so wie es Krack getan, und ohne große Umstände zu machen, annahm.

Puff hätte sich wirklich seine Collegen nicht besser aussuchen können. Sie befanden sich Beide in Verhältnissen, welche das Bedürfnis einer totalen Umwandlung höchst fühlbar machten. Hut, Wäsche, Kleider, Stiefel, Alles riet ihnen, sich von Kopf zu Füßen in Götter umzugestalten. Als Ober-Neu-Gott berief Puff seine Mit-Neu-Götter zur Götterversammlung in dem gewöhnlichen Lokal und richtete hier, mit derselben großartigen Beredsamkeit, als ob er zu einer Versammlung von Eisenbahnactionairs oder ordentlichen Casinomitgliedern spräche, folgende Worte an sie:

»Verehrte Mit-Neu-Götter!
»Wertgeschätzte Neu-Mit-Götter!

»Ich habe Sie eingeladen, um mit mir die Vorteile der höchsten Macht zu genießen, aber ich würde zum Verräter an meiner Pflicht werden, wenn ich Ihnen die Schwierigkeiten unserer Stellung verheimlichte. Als ich allein war, fürchtete ich zu verhungern; wie soll es jetzt werden, da wir unserer Drei sind? Denn wir dürfen nicht vergessen, dass wir, obwohl constitutionelle Götter, keine Civilliste haben. Daher geht mein unzielsetzlicher Vorschlag dahin:

»Wir teilen uns in die Welt und das Los entscheide, wem von uns der Himmel, wem das Meer, wem die Erde zufallen. ― Dann vereinen wir die Documente, die Jeder von uns gesammelt hat, und verkaufen sie an einen speculierenden Verleger. Wäre ich nicht ein Gott, so würde ich sagen: ›Behagt Euch mein Plänchen?‹«

Krack und Schwadronarius verbeugten sich schweigend und gaben dadurch ihre Zustimmung zu erkennen.

»Lassen wir das Los entscheiden, wer den Himmel bekommt. Kopf oder Wappen?«

»Wie sollen wir das möglich machen?«, fiel ihm Krack in die Rede, »denn keiner von uns Dreien ist Herr auch nur eines lumpigen Viergroschenstücks.«

»Ach, das ist leider nur zu wahr!«, seufzte Puff. »Aber wir besitzen doch einen Hut. Wir werfen drei Lose in diese Filz-Urne und ziehen dann.«

»Der Boden unseres einzigen Hutes hat sich abgelöst«, bemerkte Schwadronarius, »das Geschick würde durchfallen.«

»Gut denn, so sei es ein freundschaftliches Übereinkommen«, sagte Puff feierlich. »Dir, Krack, das Meer, das tiefe geheimnisvolle Meer! Dir, Schwadronarius, den Himmel! Die Kometen wedeln Dir mit dem Schweife schon ungeduldig zu, und Luna, geborene Selene, streckt Dir die Arme entgegen. Ich, ich bleibe auf der Erde; diese Partie passt sich am besten für mich. ― Ist Euch das recht?«

»Ja, ja!«, riefen die beiden Mit-Neu-Götter.

»Nun denn«, fuhr Puff fort, »reist ohne Verweilen ab und schreibt mir bald. Ich erwarte Krack’s Observationen, Schwadronarius’ Inspirationen mit Ungeduld. ― Kommt noch einmal in meine Arme und lebt wohl. Lasst die Schnupftücher stecken; Ihr könnt sie ein anderes Mal anwenden, wenn wir mehr Zeit haben.«

Krack hing die Flasche um den Hals, in welcher er seine Entdeckungen dem Ober-Neu-Gott wollte zukommen lassen, ließ seine Pfeife ausgehen und sprang kopfüber in das Weltmeer.

Schwadronaius, mit seinem Album und Bleifedern versehen, öffnete einen Taschenluftballon, blies ihn auf und schwang sich im Raume empor. Bald schwebte er hoch über den Feueressen und den Rücksichten der Menschen; ehe er jedoch ganz den Blicken der Sterblichen entschwand, richtete er noch folgende Abschiedsworte an sie:

»Ich verlasse Euch ohne Reue, o Menschen, die ich in den Tagen der Torheit meine Freunde nannte; Ihr gleicht jenen Springern, die ich in diesem Augenblicke ihre Künste auf dem Markte machen sehe. Lebe wohl, verwünschte Erde und du, Stadt des Dampfes und Kotes, Heimat der Tagediebe, der Gaukler und Gauner; treibe dein Wesen nur fort, was kümmert es mich; mich trägt mein Flug zu besseren Gestirnen!«

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»Eine andere Welt« (2) – Apotheose des Doctor Puff von Grandville & Plinius dem Jüngsten

Eintrag No. 659Zur Inhaltsübersicht.

Die Illustrationen einer alten französischen Ausgabe habe ich dem flick-Album von blaque jaques entnommen.

Eine andere Welt

Apotheose des Doctor Puff.

Die Götter kehren wider.

Puff erzählt seine Geschichte und beweist, daß die Welt einen neuen Glauben brache.

Ich heiße PUFF: der Name sagt genug. Meine Ahnen sind Engländer, aber ihre Nachkommen haben sich über die ganze civilisierte Erde verbreitet. Ich bin der Stammhalter der künftigen deutschen Linie.

Ihr habt mich jung, schön, glänzend, alle Herzen erobernd gesehen; Schmeichler umgaben mich; man spannte die Pferde aus vor meinem Wagen und sich dafür ein. ― »Sel’ge Zeit, wie schnell bist Du entschwunden!«

Aber reden wir nicht in poetischen Floskeln, reden wir verständlicher. ― Poesie gilt nichts mehr, wenn sie nicht politisch ist, und ich bin zu politisch, um politische Poesie zu machen. Das überlasse ich jungen Leuten, die noch nichts sind, aber gern etwas sein möchten, und zwar so wohlfeil wie möglich.

Mein Schmerz ist ein Weltschmerz ― denn ich habe keinen ganzen Rock mehr; mein Ellbogen sieht durch den Ärmel in das kalte Leben; ich bin europamüde, denn das undankbare Europa bittet mich nicht zu Tische, sondern lässt mich hungern.

O hätte ich nicht meine Reichtümer so mit vollen Händen verstreut; jetzt könnte ich von meinen Einkünften auf dem Lande oder in der Provinz leben, Vereine stiften, Kleinkinderbewahrungsanstalten errichten, Bürgerversammlungen leiten und Collecten für wohltätige Zwecke machen, bei patriotischen Mahlzeiten den ersten Toast auf den gnädigsten Landesherrn ausbringen und zur rechten Zeit mein Schäfchen scheren, um in der Wolle zu sitzen.

Jetzt haben mir alle Leute mein Geheimnis abgesehen, besonders die Zeitungsschreiber und die Buchhändler. Jeder herumgastrollende Schauspieler weiß, was es kostet und wo er zugleich gut und wohlfeil bedient wird. Alles hat einen festen Cours und an Ruhm-Maklern fehlt es nirgends.

Es geht mit mir zu Ende; ich merke es an den Sohlen meiner Schuhe; wie sie abgelaufen sind, ist es auch meine Existenz.

Aber Puff stirbt nicht; er verwandelt sich nur. Wohlauf denn, wie metempsychometamorphisiere {Metempsychose = Seelenwanderung; griechisch für ›Reinkarnation‹} ich mich? Soll ich Mystiker werden, Homöo-Hydropath oder Tenor? Diese drei Gewerbe tragen jetzt am meisten ein.

Halt! Ich werde Mystiker und gründe einen neuen Glauben. Ich stelle ein neues theopsychophilosophisches System auf. Ich werde ein Neugott. ― Die alten Götter hat die Welt längst zu Grabe getragen. Atheismus ist eine Sünde, Neotheismus eine Tugend, eine Wohltat für das Menschengeschlecht, denn was ist der Mensch, wenn er keine Götter hat?

Ich werde ein absoluter, unpersönlicher Gott. Eine Theogonie ist ja Kinderspiel in unserer Zeit; die meinige wird ein Meisterwerk sein; sie soll die heiteren Fictionen des hellenischen mit den unbegreiflichen des indischen Mythos vermählen. Zeus und Wischnu durchdringen sich. Von Letzterem leihe ich die Inkarnation.

Gedulden Sie sich einen Augenblick, meine Herren und Damen; ich verschwinde durch diese Versenkung, ziehe mich um, incarniere mich und komme gleich wieder. Berlicki! Berlocki! Der Neo-Paganismus ist fertig. Seine segensreichen Folgen wird die Folge zeigen.«

Und der Neu-Gott Puff schuf die beiden anderen Neu-Götter nach seinem Bilde. Er verbot ihnen weder die Pfeife noch den Sackpaletot {= Ärmelloses Übergewand für Männer}, ließ ihnen Orden und Bart und auch ihre alten Namen Schwadronarius und Krack, unter denen sie den Kellnern, Marqueurs, Bierwirten und anderen gelehrten Gesellschaften wohlbekannt waren.

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»Eine andere Welt« (1) – Ein Märchen von Grandville & Plinius dem Jüngsten

Eintrag No. 656Zur Inhaltsübersicht.

Die Illustrationen einer alten französischen Ausgabe habe ich dem flick-Album von blaque jaques entnommen.

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Ein Märchen.

Zur Erklärung des Titelbildes.

Es war einmal ein Maler, ein fröhliches Blut, aber ein armer Schelm und zwar ein doppelter, den er hatte zugleich den Schelm im Nacken; darum fehlte es ihm auch an Gönnern und Beschützern; die reichen Leute wollten sich nicht von ihm malen lassen, weil sie ihm nicht trauten und die armen Leute, nun, die lassen sich von Natur nicht malen; die sind jetzt schon sehr froh, wenn ihnen nur Nichts weiß gemacht wird und man sie nicht bei ihren Vorgesetzten oder Brotherren anschwärzt; von bunten Farben ist also bei ihnen nicht die Rede, denn das Leben macht es ihnen oft bunt genug. Besagter Maler aber war sehr übel daran; er gehörte zu gar keiner Schule, weder zu der Münchener, noch zu der Düsseldorfer, weder zu der Dresdener, noch zu der Berliner, ja nicht einmal zur Filial in Leipzig noch zu der großen Porzellanmalergilde aus dem Thüringer Walde oder zur Dosendeckel-Akademie in Schmölle oder Braunschweig. Daher bekam er auch von nirgends her Aufträge und hatte weder Fresken für eine Dorfkirche noch Mimilis für einen zukünftigen Fabrikanten auf Papier-Masche zu liefern; er malte nur für sich und war sein eigener Gönner, sein eigener Kunstverein und sein eigenes Publikum. Reich wurde er dabei just nicht, auch nicht immer satt; die Farben gingen ihm zuletzt aus; er behielt nur etwas Weiß auf seiner Nase und Schwarz in seinem Geldbeutel, denn Schwarz entsteht bekanntlich aus Mangel an allen anderen Farben und ferner aus Mangel an Licht, und wo kein Geld ist, da kann es nicht leuchten, wo es aber nicht leuchten kann, wird es nie eine Finsternis vertreiben.

Kein Prediger auf der Welt predigt so nachdrücklich und so eindringlich als der Überfluss an Geldmangel; diese Predigten aber bekam unser Maler so oft zu hören, dass er doch endlich auf den Gedanken fiel, er müsse einen neuen Adam anziehen. Der alte Adam, der im Paradiese nämlich, faulenzte, der neue aber, der außerhalb des Paradieses, musste im Schweiße seines Angesichts sein Brot essen. Diesen neuen Adam nun zog unser Künstler an und beschloss für Geld zu arbeiten und zwar weder Fresken noch Ölbilder, weder Stillleben noch Portraits, sondern Karikaturen zu liefern. Er hatte nämlich gehört, dass Karikaturen, wenn sie recht zeitgemäß sind, abgehen wie warme Semmeln, und da ihm die warmen Semmeln lange abgegangen waren, so dachte er, es sei doch besser, seine Karikaturen gingen ab und die warmen Semmeln kämen zu ihm. Es war damals gerade eine bewegte Zeit, das heißt, es war ein langer Friede und die Leute hatten eigentlich Nichts zu tun, sondern machten sich nun allerlei zu tun und zwar meist allerlei Unnützes, und dadurch entstand Hader und Streit, wodurch die ganze Welt wirklich zu tun bekam, freilich auch Unnützes. Die Polizei musste spionieren, das Militär füsilieren, der Gerichtshof inquirieren, die Ärzte trepanieren {= operatives Verfahren zum Öffnen von fest, z.B. durch Knochen, umschlossenen Körperräumen; Beispiel: Kopf aufbohren}, die Censur damnieren {= jmd. Verurteilen, verdammen, verwerfen}, die Zeitungen referieren, kurz das -Iren spielte durch alle Variationen des Grundthema’s und unser Maler glaubte, nun sei die beste Zeit, die Zeit selbst zu karikieren. Dabei ließ er sich aber vom Teufel verführen, seine Zeichnungen mit Worten zu illustrieren, und nun ging es ihm schlecht, denn nun ging es an ein Confiscieren, Inquirieren und Inhibiren {= hemmen, lindern}, Nichts half sein Protestieren, man drohte ihn zu exilieren, denn er war kein Eingeborener und am Ende fand er, es sei das Geratenste sich zu skisiren {= ›sich entschuldigen‹ im Sinne von ›aus dem Staub machen‹}. Glücklicher Weise ließ sich das leicht bewerkstelligen; er hing seinen Stubenschlüssel an den Schlagbaum dicht vor seinem Hause, schlug einen Purzelbaum und war im Nu über die Grenze in eines anderen Herren Land.

Aber was jetzt beginnen? ― Hungrig war der arme Schelm immer noch, satt wollte er werden, und ein anderes Mittel sich zu sättigen als seine Kunst hatte er nicht. Die Kunst musste nach Brot gehen, und bei diesem Gehen ging es ihr, wie es ihr eben so oft geht, sie fand keins und wurde vor der Zeit so müde, so müde, dass sie am Ende vergaß, dass die Kunst nur um ihrer selbst willen auf der Welt sei, und meinte, sie sei eigentlich nur geschaffen, um sich von anderen Leuten misshandeln zu lassen oder zu hungern.

Solche und ähnliche Gedanken gingen unsere Maler durch den Kopf, und verstimmten ihn immer mehr, je mehr er fühlte, dass je voller er den Kopf habe, desto leerer sei sein Magen.

»O! diese Welt, diese Welt!«, rief er erbittert aus und wollte noch Allerlei hinzusetzen, als plötzlich eine fremde Stimme vernahm, die zu ihm sagte: »Thor! Wenn Dir diese Welt nicht behagt, warum machst Du Dir nicht eine andere? Du hast ja die Mittel dazu von der Natur empfangen.«

Erstaunt blickte er auf und sah eine junge schlanke Dame vor sich stehen, die zwar nicht nach der neuesten Mode gekleidet, deren Tracht aber stets neumodisch war, denn sie war hübsch und ihr ganzer Anzug erhöhte ebenso ihre Reize, wie ihre Reize ihren Anzug.

»Gehorsamer Diener!«, sagte der kleine Maler, »mit wem habe ich die Ehre?«

»Du kennst mich nicht?«, erwiderte sie erstaunt. »Du kennst mich nicht! Nein, das geht ja über mich selbst hinaus!«

»Ja«, entgegnete er, »das mag wohl sein, aber damit weiß ich immer noch nicht wer Sie sind und was Sie von mir wollen? Sind Sie die Dame Censur? Von der habe ich immer gehört, sie ginge in Sammet und in Seide und schnitte sich selber die Gewänder zu, dass ja Alles recht genau auf ihren Leib passe.«

»Nicht doch.«

»Aber die Dame Pressefreiheit können Sie nicht sein, denn sie ist eben keine Freundin von verhüllenden Gewändern.«

»Nein, auch nicht, doch sind wir Geschwisterkind und soll ich mich frei bewegen, darf sie nicht fern sein. ― Ich bin die Phantasie.«

»Oh!«, sagte der kleine Maler und schlug wieder einen Purzelbaum, »das ist ja scharmant. Du willst mir gewiss den abscheulichen prosaischen Hunger stillen, der mich schon so lange plagt, denn sonst wärst Du ja keine Göttin und am Wenigsten meine Göttin.«

»Stillen! So weit geht meine Macht nicht, aber Dir helfen ihn zu vergessen.«

»Ach Gott! Der Hunger hat ein gar zähes Gedächtnis; er ist wie ein Kettenhund der im Hofe meines Magens liegt und wenigstens knurrt, wenn er nicht beißen kann.«

»Du wirst ihn vergessen, wenn Du Dir eine neue Welt schaffst.«

»Wie soll ich das anfangen?«

»Wirf Dich mir in die Arme!«

»O, mit dem größten Vergnügen!«

Gesagt, getan! Der kleine Maler schlug keck den Arm um sie und fasste sie »mit feurig schlauen Blicken wohl um die schlanke Hüfte frei« und sie schwang ihren Zauberstab. Sie war größer als er und er daher, um ihr gleich zu sein, auf einen kleinen Erdhaufen gestiegen, der unter seinen Füßen zerbröckelte. Als er nun näher hinschaute sah er, dass das kein kleiner Erdhaufen, sondern die ganze alte Erde sei, der er einen tüchtigen Knacks gegeben. Den Nordpol hatte er eingedrückt, das Eismeer war übergelaufen und das Eis natürlich von der Friction {= Reibung} geschmolzen; den schlimmsten Riss hatte Europa bekommen. Das Menschengeschlecht war dabei untergegangen und nur einige vorsündtflutliche Sparbüchsen und Runkelrüben hatten sich gerettet und wussten nicht, wohin. Ein dicker Blasebalg sah sich die Sache von Weitem grämlich an und seine Frau die Feuerzange stand hinter ihm und schlug vor Verwunderung die Beine zusammen; sie waren Beide wie Philemon und Baucis, denen die Hütte abgebrannt ist. Neben der Phantasie gestaltete sich aber unmittelbar unter ihrem Zauberstabe eine neue Welt und aus dem Wasser kamen schon allerlei Geschöpfe, noch ehe sie halb fertig war, um sie zu bevölkern. Ein himmellanger Tambourmajor hatte bereits von ihr Besitz genommen, aber ein Bär mit einem Menschenkopfe kam und demonstrierte ihm, dass sein Reich nicht von dieser Welt sei. Hinter der alten Erde standen allerlei Mammuthe und Leviathans die durch den Eindrückungsprocess wieder lebendig geworden und gern auf die neue Welt wollten, damit die künftigen Naturforscherversammlungen Futter hätten für ihre Forschungen. Oben am Himmel ging es auch seltsam zu; Sonne, Mond und Wassermann, Zodiacallicht und einige halbgebildete Planeten guckten neugierig und teilnehmend zu; nur ein Komet zog hoch oben stolz seine Bahn und der abgesetzte Schütz des Tierkreises spielte Fangball mit den Sternen des großen Bären und einigen anderen Himmelskörpern, ohne sich um die neue Erde zu kümmern, auf der er doch auch hätte einen Wirkungskreis finden können, der seinen Kräften und Fähigkeiten angemessen war.

Der kleine Maler war außer sich vor Vergnügen und wollte sich gleich an das Werk machen; allein da er weder Farben noch Pinsel bei der Hand hatte, sondern nur Feder und Kreidestifte, so musste er sich mit bloßem Skizzieren begnügen, was seiner Freundin, der Phantasie, auch ganz recht war, die ihm versprach ihm nachher zu Hause bei der Ausführung mit Farben zu helfen. ― Aber was geschah nun: Feder und Kreidestifte wurden lebendig, erhoben sich aus dem Futteral in dem sie friedlich neben einem soliden Federmesser geschlummert, wuchsen zu menschlicher Größe an, erhielten halb menschliche Gestalt und fingen an sich ganz menschlich um den Vorrang zu streiten. ―

»Erst komme ich«, sagte die Feder, »ich schildere, und was ich geschildert habe, magst Du dann versinnlichen.«

»Warum nicht gar«, fragte der Kreidestift, der in einem messingenen Rocke mit langen Schößen steckte, Porte-Crayon genannt, »umgekehrt wird ein Schuh daraus. Erst zeichne ich, dann magst Du beschreiben. Ich

―― will nicht länger Diener sein,
Will nun selbst den Herren machen;

ich habe Deine Tyrannei satt; Deine Inspirationen genügen mir nicht mehr; ich war zu bescheiden; ich will mich emancipiren, will meiner eigenen Nase nachgehen, mein eigener Führer sein! Verstanden?«

»O Himmel!«, rief die Feder aus, »so ein Kreidestiftchen will Redner sein, so ein Stiel mit seinem Styl prunken! – Unverständiger Jüngling, weißt Du, was Du beginnst? Wer war Deine Bonne? {Bonne = Dienstmädchen, Hausfrau} Wer hat Deine ersten Schritte in die Welt geleitet, wer Dir gezeigt, wie man Schatten und Licht gehörig zu verteilen habe? Wer führte Dich in das Heiligtum der Geister ein, sicherte Dich vor der Geißel der Kritik? Ich war es, ich tat es, ich ganz allein, und so dankst Du es mir! Zieh hin, Undankbarer, und mögen Dir Gummi elasticum und alles Weißbrot gnädig sein.«

Als die Feder diese Rede geendet hatte, schluchzte sie wie eine junge erste Liebhaberin in einem Trauerspiel. Der Kreidestift war aber ein zugespitzter Jüngling und die Jugend ist heutzutage aus Egoismus und Eitelkeit zusammengesetzt; er achtete daher der Klagen seiner früheren Gattin gar nicht – bisher hatten nämlich bei allen illustrierten Werken Feder und Kreidestift als ein treu verbundenes Ehepaar gemeinschaftlich gewirkt und die Feder als weibliche Hälfte, wie ganz natürlich, das Regiment geführt – und rief ihr zu: »Ich will nicht länger Dein Ehemann sein, ich will mich emancipieren, darum halte Deinen Schnabel!«

Über die abscheulichen Wortspiele, die er unmöglich von ihr, der Feingeschnittenen, gelernt haben konnte, sondern aus früherer unerlaubter Bekanntschaft mit gewissen, leichtsinnigen Federn sich bewahrt haben musste, geriet die arme Feder außer sich und weinte so laut, dass das Federmesser davon erwachte.

Das Federmesser, von Amts- und Rechtswegen Beider Vormund, reckte und dehnte sich, klappte sich auseinander, richtete sich auf, stellte sich auf seinen Spalter und sah die Beiden verwundert und zürnend an. Das Federmesser war ein solider Mann, hatte einen glänzenden Jabot und ein spitzes Toupe und trug einen Paletot von Schildplatt mit langer Taile und großen Knöpfen. Man sah ihm an, dass es sich seines Ranges, seines Wertes und seines Einflusses wohl bewusst war. Freilich hatte es im Dienste seines Monarchen, des Malers, nicht bloß die Feder, sondern zu Zeiten auch den Kreidestift corrigieren müssen und durch dessen Hartnäckigkeit am unteren Teile seiner Klinge einigen Schaden gelitten, aber es war doch noch immer ein rüstiger Beamter, eine wackere Stütze der Bureaukratie und eine einflussreiche Person. Im Gefühl seiner Würde fragte es daher streng: »Was gibt es hier? Warum weinst Du, liebe Penna?«

»Er will mich böslich verlassen!«, schluchzte die Feder, »will ohne mich eine Reise von Gott weiß wie vielen Lieferungen antreten; als ob es ihm ohne mich gelingen würde!«

Das Federmesser runzelte die sonst so glatte Stirn; der Kreidestift ließ sich aber dadurch nicht einschüchtern und erwiderte: »Ich brauche Dich nicht, doch bin ich gar nicht gesinnt, Dich, wie Du sagst, böslich zu verlassen; Du kannst mich in Apollo’s Namen begleiten, jedoch unter gewissen Bedingungen.«

»Und die wären?«, fragte die Feder bereits etwas beruhigt.

»Du gewährst mir volle Freiheit, zu verweilen oder fortzusetzen, wo, wie und wann ich es für gut finde. – Ich habe eine neue Erde zu entdecken und darzustellen; ein zweiter Columbus werde ich von einem unbekanntem Festlande Besitz nehmen. Ich will zuerst meine Fahne dort aufpflanzen und Niemand soll mir diesen Ruhm rauben. Du kannst meinen Geheimschreiber abgeben und meine ruhmreichen Züge schildern, jedes Mal wenn ich von ihnen zurückgekehrt bin.«

»Das darf ich doch auf meine Weise tun?«

»Behüte der Himmel. Ich werde Dir den Inhalt angeben und Du redigierst ihn ganz einfach, ohne fremde Gelehrsamkeit, ohne Citate, ohne überschwängliche Redensarten in gutem, ehrlichem und reinlichem Deutsch.«

»Nun wohl, ich bin es zufrieden; ich will ja Nichts als Deine treueste Freundin und Ratgeberin sein. Arm in Arm mit Dir, so fordere ich mein Jahrhundert in die Schranken!«

»Lieber Engel, nur keine Citate, selbst nicht aus Schiller. Eine Feder wie Du muss sich nicht mit fremden Federn schmücken wollen.«

»Verzeih«, sagte die Feder, »es ist eine alte pedantische Gewohnheit, ich will mich bemühen sie abzulegen.«

»Recht so, meine Kinder!«, sprach nun das Federmesser. »Als Eure Ehe beschlossen ward, als unsere Fürstin, die schöne Literatur, Euch ihren Segen gab, da rief sie mit Schiller, den sie vor Allem das Recht hat zu citieren: ›Seid einig! einig! Einig!‹ – Ihr seid es jetzt. Umarmt Euch! Ich wünsche Euch glückliche Reise; ich werde in der Stille Eure glorreiche Rückkehr erwarten; vielleicht bedürft Ihr dann Meiner. Also nochmals glückliche Reise und gute Nacht.«

Und es geschah wie das Federmesser gesagt hatte. Unter dem Geräusch der zärtlichen Umarmung des liebenden Paares schlummerte es ein.

»Nun mein Freund«, sagte die Phantasie zu dem Maler, »bist Du bereit?«

»Ja«, erwiderte dieser, »aber weder ich, noch das Volk da, das sich schon auf die Beine gemacht hat«, – der Schlingel von Kreidestift läuft mit einer brennenden Cigarre im Munde wie toll voran und seine arme Feder kann kaum nach –, »wir drei dürfen unmöglich die Helden dieser allerneusten Odyssee sein; wirklichen Personen schenkt die Welt nur mit Widerstreben Glauben. Hast Du keine besseren Helden?«

Die Phantasie schwang von Neuem ihren Stab und es erschien ein Kleeblatt von Heroen, wie nur sie allein zu begeistern vermag.

»Das sind sie, das sind die rechten!«, jubelte der Maler. »Das sind die Könige der Welt; alle Zeitungen huldigen ihnen; alle Leute schenken ihnen Glauben, Bauer und Bürger lassen sich zu Zeiten für sie totschlagen oder schlagen sich um ihretwillen die Köpfe blutig. Diese drei, sie sollen der Columbus, der Cortez, der Pizarro meiner neuen Welt und zusammen der Atlas derselben sein.

»Frisch an das Werk! Eilen wir, meine getreuen Diener einzuholen.«

Und siehe, am Arm der Phantasie, von ihr geleitet, vergaß der kleine Maler Hunger und Durst und durchschritt, ein neuer Mensch, die neugeschaffene Erde.

Hier endet das wahrhafteste aller Märchen und die Wirklichkeit beginnt.

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»Eine andere Welt« – Inhaltsverzeichnis von Grandville & Plinius dem Jüngsten

Eintrag No. 655 — Wie ich in meiner Empfehlung dieses Klassikers der Phantastik in »Stromern auf ungetrampelten Pfaden« (zu finden in »Magira – Jahrbuch für Fantasy 2010«) versprochen habe, werde ich in den kommenden Monaten Kapitel für Kapitel den Text von »Eine andere Welt« hier in der Molochronik zugänglich machen. Der Test von Plinius dem Jüngerem mit den Illustrationen von Grandville erschien 1844 in Frankreich, der 1847 eine deutsche Übersetzung durch die Hand von Goethes Sekretär Oskar Ludwig Wolff folgte. Diese Fassung habe ich mir erlaubt um erläuternde Links und Begriffserklärungen zu ergänzen, sowie die Rechtschreibung stellenweise für heutige Leser zugänglicher zu gestalten, ohne jedoch gänzlich den Charme der alten Schreibweisen zu tilgen.

Die kompletten Illustrationen einer alten französischen Ausgabe habe ich dem flick-Album von blaque jaques entnommen.

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Eine andere Welt

INHALT

Ein Märchen. Zur Erklärung des Titelbildes.

Apotheose des Doctor Puff. Puff erzählt seine Geschichte und beweist, daß die Welt einen neuen Glauben brauche.

I. Die Teilung der Erde. Woraus man, neben anderen Offenbarung über die Neugötter, erfährt wie sie aus Mangel an einem Viergroschenstück genötigt wurden, sich freundschaftlich in die Erde zu teilen.

II. Das Dampf-Concert. Von der wunderbaren Entdeckung, welche Dr. Puff machte, mit deren Hilfe er ein Riesenconcert geben und für sechs Silbergroschen zu Mittag essen konnte.

III. Eine Hand wäscht die andere. Bericht der Pickelflöte, Zeitung für Geist, Herz und Musik, über das Concert des Dr. Puff im Besonderen und die Dampfmusik im Allgemeinen.

IV. Die Erde in der Vogelperspektive. Schwadronarius, Neugott und Aerostograph, beurteilt die Menschen aus der Vogelperspective und empfindet tiefes Herzeleid 6000 Fuß hoch über dem Niveau des Straßenpflasters.

V. Der Fasching in der Flasche. Man wird die Notwendigkeit dieses Kapitels erst später einsehen, jedoch den Keim der Philosophie der Verkleidung, welche die Fortsetzung der Philosophie der Geschichte bildet, jetzt schon darin entdecken.

VI. Krack’s von Krackenheim Manuscript. Erstes Kapitel. Sitten. ― Bevölkerung. ― Gesetze. ― Allgemeine Betrachtungen.

VII. Verkleidete Charactere, oder Verkleidungen von Characteren. Verkleidung eines deutschen Perfectum in das Griechische; Doctor Puff erfindet die Philosophie der Verkleidung als Fortsetzung der Philosophie der Geschichte. ― Entwicklung dieser von Gas erhellten Theorie.

VIII. Physiologische Verkleidungen.

IX. Das Reich der Marionetten. Die Erklärung dieses Kapitels wird sich finden.

X. Die Revolution im Reiche der Pflanzen. In diesem Kapitel werden die Pflanzen aus dem revolutionären und gemüsigen Gesichtspunkte betrachtet.

XI. Eine Reise in den April. Wie Puff sich gezwungen sah, der Erfindung von künstlichen Gemüsen zu entsagen, und eine sehr lange Reise auf dem Papiere machte.

XII. Wie im Tiergarten! Sandsteinbildsäulen, Bäume, die im Sande nicht recht gedeihen, Kot, Staub.

XIII. Das Reich der Marionetten. Dieser Abschnitt muss unbedingt gelesen werden, denn man erfährt durch denselben Nichts über das Gliedermännchen und ebenso wenig über das Land, in welchem das Feuer kein Feuer ist.

XIV. Die Kunstausstellung der Marionetten. Weiter Nichts als die Fortsetzung des Vorhergehenden.

XV. Eine eheliche Eklipse. Hier erfährt man die wirklichen Ursachen der Eklipse, welche 2000 Jahre vor der Erschaffung einer anderen Welt stattfand.

XVI. Liebesgeschichte des Gliedermännchen. Geheime Denkwürdigkeiten aus der mythologischen Zeit. Eines Zeyphir’s Autobiographie. ― Die Rache der Venus. ― Ein Gliedermännchen, das seine Flügel wieder erhält.

XVII. Ein Nachmittag im zoologischen Garten (1). Krack’s Manuscript, zweites Kapitel. ― Eindrücke und Documente für die Aprilreise erwartend, setzt Puff die Lectüre von Krack’s Manuscript fort.

XVIII. Ein Nachmittag im zoologischen Garten (2). Fortsetzung und Schluss des Vorigen.

XIX. Der Tod einer Immortelle. Nachdem er sein Kaoutschuk-Beefsteak und das zweite Kapitel von Krack’s Manuscript, beide gleich schwer verdaulich, zu sich genommen, geht Puff in einen Garten, um den Duft der Blumen zu atmen, und wird Zeuge eines Selbstmordes.

XX. Aerostatische Locomotionen. Doctor Puff, Neugott, führt nacheinander auf verschiedene Weise mehrere Luftfahrten aus, kehrt mit ungewöhnlicher Schnelle auf die Erde zurück und findet hier einen ganz unerhofften Empfang.

XXI. Die Geheimnisse des Unendlichen. Schwadronarius’ Wanderungen durch den Raum. Der Reisende entdeckt den Ursprung aller Dinge und noch einiger anderen.

XXII. Die Jahreszeiten. Schwadronarius sammelt in diesem Kapitel Stoff zu einem Gedichte auf die vier Jahreszeiten, von wegen Sonnenschein und Regen.

XXIII. Die Langen und die Kurzen. Puff entdeckt auf einer Inselgruppe den Urgrund aller gesellschaftlichen Unterschiede, aber es fällt ihm nicht ein, dies Motiv auf die Bühne zu bringen.

XXIV. Das junge China. Puff sieht die Morgenröte einer neuen Civilisation dämmern.

XXV. Ein Tag in Regulanum. Krack entdeckt das Altertum, das nicht verloren gegangen ist, knüpft frühere Bekanntschaften mit Patriciern, Tribunen, Rittern, Prätoren und Questoren von Neuem an, und findet Gymnasien, Athenäen, Lyceen, Koliseen, Odeen, Akademien und andere Anstalten und Monumente wieder.

XXVI. Himmlisches Geschmisch-Geschmach. Götter, Engel, Teufel. Hier erfährt man, was aus der Göttin des Ruhmes geworden ist, sowie eine Menge anderer Dinge, namentlich wie es die Teufel anfangen, die Engel zu quälen. ― Schadronarius wird durch die Liebe aufgetaut.

XXVII. Eheliches Wettrennen. Doctor Puff verläßt China. Reise zur Entdeckung eines Herzens und einer Aussteuer. Nach reiflicher Überlegung beschließt der Doctor, sein Glück noch zu vertagen.

XXVIII. Elysium und seine Freuden. Krack, der in den Schlummer der Tradition versunken ist, träumt, dass er nach Elysium hinabsteige, einem göttlichen ländlichen Vergnügungsorte, in welchem sich die Weisen wie Narren amüsieren.

XXIX. Krack’s Hölle. Ein Seitenstück zu Dante’s Hölle. Nur eine notwendige Ergänzung des Vorhergehenden. Krack, gleich allen Helden eines Epos, steigt in die Hölle hinab, gleichfalls vom Führer des Dante begleitet.

XXX. Die Hochzeit des Dr. Puff mit der Dame Censur. Doctor Puff, als Preis oben auf einer Kletterstange, erstrebt von mehr als elftausend Jungfrauen. ― Die Heirat durch das Wochenblatt.

XXXI. Die Metamorphosen des Schlafes. Ist nur eine lange Extase, durch die man jedoch erfährt, was aus Schwadronarius geworden, als ihn Armor augetaut.

XXXII. Die beste Regierungsform. Wieder auf die Oberfläche des Wassers zurückgekehrt, unterwirft Krack sämmtliche Regierungsformen einer staatswissenschaftlichen Prüfung, und erfindet ein unfehlbares Mittel, alle Menschen glücklich zu machen.

XXXIII. Das Ende der einen, wie der anderen Welt. So inhaltsreich, das eine Inhaltsangabe zu den Unmöglichkeiten gehört.

Epilog.

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Flix: »Faust. Der Tragödie erster Teil« als Comic, oder: Ramazotti! Denn GOtt hat Kreislauf.

Eintrag No. 612 — Goethes »Faust« ist für alle leidenschaftlichen Exklusivfreunde klassischer, ernster Geschichten — die jedoch mit misstrauischem und gramvollem Blick die phantastischen Fabulationen beäugen — ein mitunter peinliches Prunkstück, denn die moralische, allegorische, romantische, tragische und zuweilen tollkühn burleske Mär über die Wette zwischen GOtt und Mephisopheles um eine treue aber zweifelnde Seele ist und bleibt trotz all ihrer wahren, guten und schönen Eigenschaften ein Glanzstück deutscher Phantastik.

Mit großer Freude habe ich letztes Jahr auf den Webseiten der F.A.Z. die in täglichen Fortsetzungen erstveröffentliche modernisierte Fassung dieser Geschichte durch Meisterfeder Flix genossen. Flix hat mich schwer beeindruckt mit seinem autobiographisch angehauchten Band »held«, indem unter anderem Monster und Ängste auf wunderbare Art mit den veranschaulichenden Kniffen, die dem Erzählen in Comicform zuhanden sind, auftreten.

»Faust« von Flix holt den hehren, für heutige Gemüter stellenweise schwer verdaubaren Stoff des Olympiers herab von den Säulen marmorner und äääääärrrrrnster Schwere und macht daraus ein Slapstick-Bravourstück, löblicherweise ohne die nachdenklichen Nuancen vollends einzubüßen. Die Götter werkeln in einem Bürokomplex, GOtt-Vater ist wegen seines mauen Kreislaufs ein Ramazotti-Dauerschlürfer; Gutelaune-Profi Mephistopheles ein Denglisch radebrechender Lifestyle-Coach; Softie Faust ein gutmütiger Taxifahrer in Nöten; Wagner ist ein nerviger Rollstuhl-Neger und das Gretchen eine von ihrer konservativen türkischen Familie drangsalierte Biokost-Verkäuferin. — Hilfreichere Orientierung als ich bieten könnte liefert die Inokulierung von Andreas Platthaus anlässlich der F.A.Z.-Fassung: »Quadratnase für Faust«.

Diese schnelle Empfehlung will ich auf den Punk bringen, indem ich meine absolute Lieblingsszene nachzuerzählen versuche:

(Seite 35): {Zusammenhang, in den weiteren Klammern folgt die Kästchen-Nummerierung} Mephisopheles, kurz: Meph, hat Faust betüdelt einen Vertrag mit ›Happy Life‹ zu unterschreiben. Leistung soll sein: Faust glücklich zu machen, was Goethe mit »Augenblick verweile doch, Du bist so schön« umschrieb. Gegenleistung: ›Happy Life‹ soll die exklusiven Nutzungsrechte an Fausts Seele nach dessen Abbleben erhalten. Nun soll es ans Unterschreiben gehen.

{Zwölfer-Gitter mit 3 Kästchen pro Zeile: 1} Fausts Hand führt einen Stift zur Linie für die Unterschrift. {2} Faust und Meph (mit Kaffee) erschrecken, denn der Papierblock des Pakt-Vertragswerks steht plötzlich in Flammen. {3} Meph zückt ein zweites Pakt-Werk. »Das passiert manchmal«, meint er fidel, »Zum Glück habe ich noch ein feuerfestes Exemplar dabei.«

{4} Himmel: GOtt, so ein blonder Pferdeschwanz- und Schnauzbarttyp in hellgrauem Anzug mit Krawatte, überm Kopf schwebt das ›Auge im Dreieck›-Symbol, steht am Himmelsgeländer ›snippt‹ mit den Fingern. Hinter ihm fliegt sein kleiner Sekretärs-Engel, feister Baseballkappen-Typ mit Zigarette und Headphone. {5} Bei Faust und Meph flattern nun auf einmal die Seiten des Paktes herum. {6} Himmel: Headphone des Sekretärs klingelt. »Käpt’n! Ein interner Anruf.«

{7} Chaos aus durcheinander fliegendem Papier bei Faust und Meph. Zweiterer versucht hektisch die herumschwirrenden Blätter einzufangen. »Ups! Da ist wohl … irgendwo … ein … Fenster … auf.« {8} Himmel: GOtt snippt und fragt: »Wer ist dran?«. Der Sekretäts-Engel hält immer, wenn jemand anruft, eine Stellvertreterhandpuppe des Anrufers hoch, diesmal einen kleinen Papst. »Kollege Benedikt. Wann Sie Zeit hätten, mit ihm vor seinen Vortrag für die Präsentation am Sonntag durchzugehen.« — »Morgen. Morgen früh«, antwortet GOtt. {9} Faust beim Versuch zu unterschreiben meint nun: »Hm. Schreibt nicht«, und Meph hält schon einen Füller hoch: »Der vielleicht.«

{10} Himmel: GOtt, hochkonzentriert, snippt und snippt. {11} Faust unterschreibt mit dem Füller, hat dabei einen Indianerkopfschmuck auf und Meph trägt einen Cowboyhut. {12} Himmel: GOtt sagt bedröppelt: »Mist« und sein Sekretät kommentiert trocken: »Versnippt.« — Voila!

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Flix: »Faust. Der Tragödie erster Teil« (2009 als Serie in F.A.Z.; 2010 in Buchform); Mit einem Vorwort von Andreas Platthaus; S/W und Grau, 96 Seiten; Gebunden, Carlen Verlag; ISBN: 978-3-551-78977-8.

Inhaltsübersicht: »Lone Wolf and Cub«

Eintrag No. 590 — Schreibblockade. Kein Spaß. — Aber habe ich zwei große Comic-Romane, die mir bei diesem blöden Zustand Trost spenden. Den Vertico-Krimititel »100 Bullets« sowie (endlich komplett) die große Saga vom Rachefeldzug des betrogenen Samurai Itto Ogami und seines kleinen Sohnes Daigoro: »Lone Wolf and Cub« (Deutsch etwa: ›Einsamer Wolf mit Welpen‹). Mehr zu diesem ausgewöhlichem Werk in Bälde (hoffentlich).

Alter Listenschreiber der ich bin, biete ich nun eine Inhaltsübersicht der 28 Sammelbände (ja ca. 300 Seiten, also in etwa 8400 Seiten und damit sicherlich neben »Cerebus« das bisher umfangreichste Comic, das ich bisher gelesen habe).

Original in Japan erschienen September 1970 bis April 1976. — Unvollständige deutsche Veröffentlichungen: 1989 (in »Macao«); 1996 bis 1997 (Carlsen Verlag). — Vollständige deutsche Ausgabe der 28 Bände: Planet Manga/Paini 2003 bis 2009.

Autor: Kazuo Koike Zeichner: Gôseki Kojima

Die deutschen Sammelbände haben keinen Titel. Ich habe mir erlaubt, die Titel der US-Ausgabe zu übersetzten und orientierungshalber anzuführen. In Klammern sind die Cover-Gestalter genannt.

BAND EINS: Der Weg des Assassinen (Frank Miller & Lynn Valery) (001) Kind zu vermieten, Schwert zu vermieten (002) Vater und Sohn (003) Von Nord nach Süd, von West nach Ost (004) Der Kinderwagen auf dem Totenfluß (005) Das Zambatô der Suiô-Schule (006) Warten auf den Herbstregen (007) Die Acht Tore der Täuschung (008) Vögel mit Flügeln, Bestien mit Fängen (009) Der Weg des Assassinen • Japan unter der Herrschaft der Tokugawa • Karte

BAND ZWEI: Die torlose Grenze (Frank Miller & Lynn Valery) (010) Die Rote Katze (011) Das Kommen der Kälte (012) O-Sue, die Magd (013) Die torlose Grenze (014) Tsuwa-no-hana

BAND DREI: Die Flöte des gefallenen Tigers (Frank Miller & Lynn Valery) (015) Das Heulen des Windes (016) Halbe Matte, ganze Matte, zweieinhalb Gô (017) Der weiße Pfad (018) Annya und Anema (019) Shiseki-no-chi • Blutrache im alten Japan

BAND VIER: Der Glockenmeister (Frank Miller & Lynn Valery) (020) Der Glockenmeister (021) Die Orisuke (022) Der letzte Frost (023) O-Yuki, die Gômune • Edo – Die vormoderne Metropole Japans

BAND FÜNF: Schwarzer Wind (Frank Miller & Lynn Valery) (024) Wegzeichen (025) Vertraute Hügel (026) Schwarzer Wind (027) Asaemon der Köpfer (028) Die Musketen von Sakai • Karte

BAND SECHS: Laternen für die Toten (Frank Miller & Lynn Valery) (029) Seelenrichter (030) Hirschtreiber (031) Stadt der Hungernden (032) Kanjô satujin (033) Ikkoku-bashi

BAND SIEBEN: Wolke und Drache, Wind und Tiger (Frank Miller & Lynn Valery) (034) Treibjagd (035) Der Zeuge (036) Wolke und Drache, Wind und Tiger (037) Das Gasthaus der Chrysanthemen (038) Strafrecht, Artikel 79 • Bushido – Der Weg der Samurai

BAND ACHT: Die Ketten des Todes (Frank Miller & Lynn Valery) (039) Die Botsvchaft der Wildgans (040) Der frierende Kranich (041) Die Ketten der Kurokawa (042) Das endlose Meer (043) Das Tränengarn (044) Das Elend des Beku-no-Ji

BAND NEUN: Das Echo des Assassinen (Frank Miller & Lynn Valery) (045) O-Chiyo, die Fährfrau (046) Fussvolk (047) Das yamabiko der Shinkage-Schule (048) Nackte Würmer (049) Der Yagû-Brief (Prolog)

BAND ZEHN: Geiselkind (Frank Miller & Lynn Valery) (050) Der Yagû-Brief (051) Diagorôs Wehklage (052) Die Liebe der Reusenfischerin (053) Fließende Schatten (054) Der Helfershelfer

BAND ELF: Der Talisman des Totenreiches (Frank Miller & Lynn Valery) (055) Der Talisman des Totenreiches (056) Ein siecher Stern (057) Dreizehn Saiten (058) Ein Sterbeort wie ein Gedicht

BAND ZWÖLF: Zerbrochene Steine (Frank Miller & Lynn Valery) (059) Nicht Ehre, nicht Leben, nicht Geld (060) Leibesvisitation (061) Heisse Steine (062) Das Kartoffelversprechen (063) Der Lauf der Zeit

BAND DREIZEHN: Der Mond im Osten, die Sonne im Westen (Bill Sienkiewicz) (064) Der Mond im Osten, die Sonne im Westen (065) Marohoshi Mameshô (066) Schlaf, Diagorô, schlaf (067) Die H1ôjiro Yagû (068) Die Vogelfängerin

BAND VIERZEHN: Der Tag der Teufel (Bill Sienkiewicz) (069) An einem Regentag (070) Der Siebenmeilen-Mann (071) Die Straßen von Tsukushi (072) Die Vertreibung der Teufel

BAND FÜNFZEHN: Die Brüder des Grases (Bill Sienkiewicz) (073) Die Frauenburg (074) Die Frauen von Sodeshi (075) Kusa-Brüder (076) Die Fünf Räder der Yagu (077) Lebendig Bestattet

BAND SECHSZEHN: Aufbruch in den Winter (Bill Sienkiewicz) (078) Amme und Sonnenschirm (079) Sayaka (080) Seidenwolken (081) Fangemann (082) Aufbruch in den Winter

BAND SIEBZEHN: Das Testament des Wolfes (Bill Sienkiewicz) (083) Ohne Morgen (084) Eine Horde Kopfgeldjäger (085) Unbeirrbar (086) Wenn der Wolf kommt (087) Leben im Tod

BAND ACHTZEHN: Das Zwielicht der Kurokuwa (Bill Sienkiewicz) (088) Die Rauchwächter vom Schwarzen Tor (089) Unsterbliche Wächter (090) Glückstaler (091) Die Spur des Lebens (092) Die Rückkehr der Kurokuwa

BAND NEUNZEHN: Der Mond im Herzen (Matt Wagner) (093) Zeit zum Sterben (094) Übermut und Untreue (095) Die Handkrone der Buei-Schule (096) Der Geschmack einer Mutter (097) Der Mond im Herzen

BAND ZWANZIG: Eine Kostprobe des Giftes (Matt Wagner) (098) Gute Omen, schlechte Omen (099) Das Haus der Dirnen (100) Gesunde Blätter, Kranke Blätter (101) Abe, das Monstrum (102) Sklaven des Gifts

BAND EINUNDZWANZIG: Der Duft des Todes (Matt Wagner) (103) Giftfluss (104) Lauffeuer (105) Feuer, Wasser, Gift (106) Duftgewand (107) Das Wiegenlied des Kaii

BAND ZWEIUNDZWANZIG: Himmel und Erde (Matt Wagner) (108) Der fehlende Schlussstein (109) Die Wurfminen (110) Himmel und Erde (111) Ein Fluss von Blut

BAND DREIUNDZWANZIG: Eistränen (Matt Wagner) (112) Frost über Edo (113) Eistränen (114) Der Tag des Wiedersehens (115) Todeskampf im Mondlicht (116) Auf Wind folgt Schnee

BAND VIERUNDZWANZIG: Kleine Hände (Matt Wagner) (117) Der Knabe im Ödland (118) Kleine Hände (119) Der Triumph des Monsters (120) Letzte Blüten (121) Die Mauern der Macht

BAND FÜNFUNDZWANZIG: Vielleicht im Tod (Matt Wagner) (122) Ankunft im Tod (123) Kusa-Geschichten (1): Oyamada Shuma (124) Kusa-Geschichten (2): Nagodera Bushô (125) Kusa-Geschichten (3): Mikage Shinhachirô (126) Abe tischt auf (127) Mit deinen Händen

BAND SECHSUNDZWANZIG: Kampf in der Dunkelheit (Matt Wagner) (128) Totes Gras, lebendiges Gras (129) Ruhmloser Kampf (130) Gesang der Seele (131) Die große Wende (132) Sommer, Herbst und Winter • Karte

BAND SIEBENUNDZWANZIG: Vorabend des Kampfes (Guy Davis & Vince Locke) (133) Der Beschützer (134) Für wen verdorren? (135) Der Weg des Samurai (136) Vorabend (137) Gras, das nicht blühen darf • Karte

BAND ACHTUNDZWANZIG: Der Lotusthron (Guy Davis & Vince Locke) (138) Mukuroji (139) Welle und Flöte (140) Der Platz im Jenseits (141) Steigbügel (142) Arme

Kurznotiz zu Gustave Flaubert: »Die Versuchung des heiligen Antonius«

Eintrag No. 577 — Habe ich diese Woche als Diogenes-Taschenbuch aus dem Ramsch gefischt. 1874 erschien die endgültige Fassung dieses vision- und trugbildgesättigten Drama-Romans, an dem Flaubert etwa 40 Jahre gebosselt hat, und den er selbst als Höhepunkt seines Schaffens betrachtete. — Wegen seines (wie Thomas Mann meint) »polyhistorischen Nihilismus« erregte das Buch einiges Aufsehen und den Groll der bürgerlichen Kritik, denn (wiederum Mann) er ist »nicht nur ein phantastischer Katalog aller menschlichen Dummehiten {…} auch der Irrsinn der religiösen Welt wird lückenlos vorgeführt«.

Die klassische Legende über den Heiligen Antonius führt drei große Bedrängungen des um Tugendhaftigkeit ringenden Asketen vor: (i) die Versuchung durch schöne Frauen, am deutlichsten durch die Erscheinung der Köigin von Saba; (ii) die angsteinflössende Heimsuchung durch furchterregende Monster; sowie (iii) die Verführung durch das Angebot von Macht und Reichtum.

Als Anhang liefert die Diogenes-Ausgabe einen Fan-Brief von Ernest Renan an Flaubert vom September 1874, sowie einen Text von Paul Valéry aus dem Jahre 1942.

Der Brief von Renan spendet einige geradezu glühende Verteidigung der phantastischen Hervorbringenen künstlerisch gestalteter Einbildungskraft:

Die große Trösterin des Lebens, die Einbildungskraft, hat ein besonderes Vorrecht, das aus ihr, alles wohl erwogen, das kostbarste aller Geschenke macht; das liegt daran, daß ihre Leiden Wollüste sind. Mit ihr ist alles Gewinn. Sie ist die Grundlage für die Gesundheit der Seele, die wesentliche Voraussetzung für die Fröhlichkeit. Sie macht, daß wir den Wahnsinn der Wahnsinnigen und die Weisheit der Weisen genießen.

Denn, so meine Folgerung, ohne die bereichernde Hilfe der Einbildungskraft bliebe der Wahnsinn etwas beispielsweise unangenehm Schreckliches, und die Weisheit, von mir aus, etwas zeigefingerwedelnd Langweiliges.

Wunderbar, wie Renan schließlich die kleinkrämerische Kritik gegenüber phantastischen Schöpfungen kommentiert, wenn er schreibt:

Daß der Zug der Träume der Menschheit für Augenblicke einem Maskenzug ähnelt, ist kein Grund dafür, sich ihre Darstellung zu verbieten. Arme Menschheit! {…} jedermann durchlebt seine Stunden des Zwiefels; in solchen Stunden tröste nur Farbe und Bild. Und das ist keine eitle Schwärmerei. Die Einbildungskraft hat ihre Philosophie. {…} In Sachen Kunst stellt einzig die bürgerliche Plattheit etwas Unmoralisches dar. Welcher Irrtum, die kraftvolle Ausübung unserer natürlichen Fähigkeit {der Einbildungskraft} als Krankheit zu bezeichnen! {…} Die Arbeit der Einbildungskaft ist gesund, so wie es für ein Land gesund ist, gute Militärs, gute Maler, gute Philosophen, gute Arbeiter auf jedem Gebiet zu haben.

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Gustave Flaubert: »Die Versuchung des heiligen Antonius« (fr. 1874), Übersetzung von Felix Paul Greve (1907-1909) revidiert von Franz Cavigelli (1979); Drama-Roman in sieben Akten; Anhang mit Texten von Ernest Renan & Paul Valéry & einem Glossar; 215 Seiten; Diogenes Taschebuch 1979; ISBN: 3-257-20719-0
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