molochronik

Jeff Vandermeer: »Shriek«, oder: Geschwisterringen, Krieg und Rätsel im Untergrund

Jeff Vandermeer: »Shriek«, deutsche Ausgabe bei Klett-Cotta.Eintrag No. 554 — Jeff Vandermeer (*1968) hat mich bereits mit seinem Collageroman »Die Stadt der Heiligen & Verrückten« (= »SDH&V«) angenehm überrascht, genussvoll verwirrt, sprich: reichlich beglückt. Was für eine wohltuende Abwechslung, wenn in einer phantastischen Zweitweltschöpfung nicht Krieger, Magier, Diebe, Heiler und die anderen üblichen Berufsabenteuerpappfiguren im Mittelpunkt stehen. Nein, mit »SDH&V« bot Vandermeer Fantasy (er selbst bezeichnet seine Sachen, trotzdem er Nordamerikaner ist, lieber als Magischen Realismus) über Bücherwürmer, Künstler, unglücklich Verliebte und Anstalltsinsassen an, und statt Trollen, Elfen, Orks und Drachen gabs Masken tragende Verschwörer, Irre, Pilzmenschen und Riesentintenfische als Monster und Exoten.

Zweifelsfrei haben Leser die »SDH&V« bereits kennen einen gewissen Vorteil, wenn sie sich nun »Shriek« widmen, denn sie sind dann bereits mit mit vielen (Neben-)Figuren und wichtigsten Eckdaten und Eigenarten des Weltenbaues um die quirrlige, heftig zwischen Pracht & Dekadenz, Macht & Verfall schwankenden Stadt Ambra vertraut. Jedoch bin ich nicht wie manche andere Rezensenten der Ansicht, dass es zwingend notwendig ist, »SDH&V« gelesen zu haben um »Shriek« genießen zu können. Immerhin muss man sich auch bei historischen Stoffen und/oder solchen Geschichten, die in unvertrauten realen Weltgegegenden angesiedelt sind erstmal mit einiger Geduld einlesen, um Hintergründe und Zusammenhänge zu verstehen.

Um den Einstieg für unwissende aber neugierige Leser zu erleichtern, hier das mindeste, was man über Vandermeers Ambra-Fantasywelt wissen sollte, egal zu welchem der beiden man zuerst greift. Wer sich bereits auskennt, kann den nun folgenden in Klammern stehenden Absatz überspringen. {Ursprünglich hieß Ambra Cinsorium und war das blühende Kulturzentrum eines Volkes kleiner Pilzmenschen (die sogenannten Grauhüte), bis der im mächtigen Mündungsdelta des Mott-Flusses gelegene Ort von Piraten-Kaufleuten (den Katten) entdeckt und in gut räuberisch-›merkantil-imperialer‹ Manier erobert wurde. Die Katten metztelten die Grauhüte nieder, die sich daraufhin größtenteils in den Untergrund der Stadt zurückzogen. Einige Jahrhunderte später kam es zu einem monströsen Zwischenfall, der ›Stille‹, bei der über Nacht an die fünfundzwanzigtausend Einwohner von Ambra spurlos verschwanden. Keiner weiß, was da genau geschehen ist, aber man munkelt, dass es sich bei der Stille um einen Racheakt der Grauhüte handelte. Wie harmlos & unzivilisiert oder durchtrieben & mächtig die Grauhüte wirklich sind, ist ein heftig umstrittenes Rätsel für die Bewohner von Ambra. — Ambra selbst ist berühmt berüchtigt für seine Pluralität. Neben den größten monotheistischen Gemeischaften – der quasi-katholischen Truffidischen Kirche und dem rattenverehrenden Maniziismus – tummeln sich in Ambra die Anhänger hunderter verschieder Kulte und Sekten. Lediglich bei den Ausschweifungen des jährlichen Festes des Süßwasserkalmars kommt es immer wieder zu unfeinen Gewaltausbrüchen. Mit schon an religiöse Inbrust gemahnender Heftigkeit verehren die Bewohner von Ambra ihre Künstler und Gelehrten (zum Beispiel den Komponisten Voss Bender oder den Maler Martin See). Die großen politischen und gesellschaftlichen Spannungen werden gespeißt durch die Reibungen zwischen dem Stadtstaat Ambra und seinen Nachbarn (z.B. dem Kalifat des Westreiches, sowie den vielen zersplitterten Überbleibseln des zerbrochenen Saphantenreiches), sowie durch die Konkurrenz der beiden dominantesten Handelshäuser: den Kattenabkömlingen ›Hoegbottem & Söhne‹ und den von der Stadt Morrow operierenden ›Frankwrithe & Lewden‹.}

Keineswegs abwegig ist die These, dass »Shriek«, was seine Struktur betrifft, die leichtere Erstlektüre die Welt von Ambra betreffend ist. Verglichen mit dem aus mehreren Kurzgeschichten, einem wilden Anhang-Mischmasch und einem Glossar bestehenden »SDH&V« ist »Shriek« nämlich eigentlich ein Spaziergang. ›Eigentlich‹, denn auch diesmal ließ sich Edelfeder Vandermeer einiges einfallen, um dem Roman eine spezielle Komplexitätsglasur zu verleihen.

Größte Auffälligkeit und Umstädlichkeit ist, dass der Text des Romanes von zwei Personen — Janice Shriek und ihrem vier Jahre jüngeren Bruder Duncan — verfasst und von dem Herausgeber Sirin redigiert wurde. Die alte Janice hat sich in einem Hinterzimmer der Kneipe ›Spore des Grauhuts‹ breit gemacht und tippt dort auf einer Schreibmaschine (siehe Umschlagsbild) ein Nachwort zu dem letzten Buch ihres Bruders: »Hoegbottoms Führer zur Frühgeschichte der Stadt Ambra«. Wobei ›Nachwort‹ eine Bezeichnung ist, die Janice selbst im Laufe des Textes anzweifelt, denn das, was sie da schreibt, ist weit mehr als das. Ihr Text ist:

  • ein anklagend-verzeihender Nachruf auf ihren vor einiger Zeit verschwundenen Bruder und eine rotzig-sentimentale Autobiographie;
  • eine gallige Abrechnung mit all jenen, die Duncan und sie im Lauf der Jahre zu Außenseitern der Ambra-Gesellschaft gemacht haben;
  • eine wütende Eifersuchtsspuckerei gegen Duncans ehemalige Studentin, einzige Geliebte und spätere Konkurrentin Mary Sabon;
  • ein Zeitzeugenschaftsbericht aus der schrecklichen Zeit des ›Krieges der Häuser‹;
  • eine Selbstbefragung dazu, was Wahrheit ist, ein Versuch sich schreibend Klarheit zu verschaffen, über die nächsten Schritte auf dem eigenen Lebensweg;
  • und ›last but not least‹ eine Liebeserklärung an ihre Heimatstadt Stadt Ambra.

Janice hat ein wildes Leben als umtriebige Gesellschaftsnudel hinter sich. Anfangs wollte sie Malerin werden, doch mangelte es ihr dafür an Disziplin und (ihrer eigenen Ansicht nach) an kreativem Genie. Ihre Karrieren als Kunstgeschichtlerin und Journalistin versandeten ebenso. Aber als Inhaberin der ›Galerie der Verborgenen Faszinationen‹ hatte sie Erfolg, erfuhr Respkt als Programmatikerin und Vermarkterin der Neuen Kunst (einer Mischung der besten Aspekte von Impressionismus und Symbolismus) und war eine Zeitlang berühmt-berüchtigt dafür, die auschweifensten und ungewöhnlichsten Parties von ganz Ambra zu organisieren.

Nun hat der verschwundene Duncan das von Janice im Schreibrausch in kurzer Zeit verfasste Manuskript in die Finger bekommen und konnte sich nicht zurückhalten, seine Schwester zu kommentieren. Durch seine {in geschwungenen Klammern stehenden} Anmerkungen wird aus dem launisch erzählten Text von Janice ein indirekter Dialog zwischen Geschwistern. Duncans meist knappe Kommentare bilden wegen ihres nüchterneren Tons einen Kontrapukt zur ungedändigt subjektiven Schreibe seiner Schwester. Kein Wunder, denn Duncan ist ein Vollbluthistoriker der die Recherche anhand von Originalquellen und vor Ort bevorzugt und dabei keine Kompromisse kennt. Seit er als kleiner Bub bei einer Touristenführung durch den Untergrund von Ambra einem Grauhut begegnete, ist es um ihn geschehen. Von da an setzt er das Lebensprojekt seines Vaters Jonathan (ebenfalls ein Außenseiter-Historiker) fort, nämlich die Wahrheit über die Vergangenheit von Ambra zu ergründen, und welche Rolle die Pilzwesen dabei inne haben. Mit seinem ersten Buch steigt Duncen zum neuem umstrittenden Jungstar der Geschichtspublizistik auf, obwohl, nein gerade weil der oberste Führbitter der Truffidischen Kirche das Werk mit einem Bann belegt. Doch auch Duncans Karriere verläuft unstet und ist von Misserfolgen gezeichnet.

Zu den Höhepunkten des Buches gehört, wie Duncan sich ab seinem zwanzigsten Lebensjahr aufgrund einer mysteriösen Pilzinfektion allmählich verwandelt; wie sein Leben von seiner Besessenheit mit den Geheimnissen der Vergangenheit und seinen langen Forschungswanderungen im Untergrund von Ambra geprägt wird; wie sich seine anfangs wildromantische Liebe zu Mary Sabon in bittertragische Quälerei wandelt.

Mit dem Beginn der zweiten Hälfte des Buches tritt dann der Krieg der Handelshäuser in den Vordergrund der Geschehnisse, und es ist keine Untertreibung festzustellen, das Vandermeer hier mit großem Geschick und Engagement unter anderem die zeitgenössischen Stimmungen seit dem Beginn der US-Interventionen im Irak und des ›War On Terror‹ verarbeitet. (Siehe hierzu auch Vandermeers Essay »Politics in Fantasy« (in »Emerald City« # 125, Januar 2006), Deutsch von Klaas Ilse als »Politik und Fantasy« in »Pandora« # 1, Frühjahr 2007.)

Für Leser, die mit sogenannten ›literarischen‹ Büchern vertraut sind, dürfte der assoziative Stil von Janice (und die unterbrechenden Kommentare Duncans) keine besondere Herausforderung darstellen. Im Großen und Ganzen bemüht sich Janice zwar um eine chronologische Ordnung der Ereignisse, doch Erinnerungen sind nun mal keine gefühlslose Angelegenheit, schon gar nicht bei einer so leidenschaftlichen Person wie Janice Shriek, und so werden wir Leser Zeuge, wie Janice sich von ihren Emotionen zu Vorgriffen und Rückblenden verleiten läßt. Mehrmals hält Janice inne und muss »von vorne beginnen«, muss um Gewissheit ringen und das führt dazu, dass der Leser (in meinem Fall im Guten) verunsichert wird. Für Genreleser, die auf klar erkennbare, von Äktschen und deutlich benannten Quest-Zielen geprägte Spannungsbögen getrimmt sind, mag das mühselig zu lesen sein. Ich selber kann entsprechenden Klagen zur vermeindlichen Spannungslosigkeit nicht zustimmen. »Shriek« war für mich eine aufregende und zugleich sehr berührende Lektüre. Und wie schon bei »Die Stadt der Heiligen & Verrückten« kann ich nur über die Größe, Buntheit und Originalität des Weltenentwurfes von Jeff Vandermmer staunen.

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Jeff Vandermeer: »Shriek« (2006), 489 Seiten, (zwei Teile mit 10 und 7 Kapiteln, 135 Abschnitte); 3 Abbildungen; übersetzt von Hannes Riffel; Klett-Cotta (Broschur) 2008; ISBN: 978-3-608-93778-7.

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LINK-SERVICE:

  • Hier geht es zur englischsprachigen Buch-Website mit Ausszügen, Links zum »Shriek«-Kurzfilm und zur Sonderausgabe mit CD der australischen Gruppe »The Church«.
  • Zu Thomas Klingenmaiers Kurz-Rezi für die »Stuttgarter Zeitung«.
  • Hier eine Kostprobe für den Prosawahn, den Vandermeer zu verstalten vermag. Duncan Shriek wird wegen seines jüngsten Manuskriptes ins Büro des Verlagsleiters von Frankwrithe & Lewden, Herrn L. Gaudy gerufen, der ihm dann die »Größte Ablehnung« vor den Latz knallt. Da dieser Monolog auf Englisch frei verfügbar ist, denke ich, dass es nur fair ist, diese Passage hiermit auch Deutschen Lesern, der Länge halber als ersten Kommentar zu dieser Rezension, als Schmankerl anzubieten (Deutsche Ausgabe Seite 61f).

Coverpanorama von Moorcocks »Pyat-Quartett«

Eintrag No. 550Wie cool ist das denn? Wie hie und da schon gemeldet, habe ich mir für den Mai eine größere Bestellung bei Book Depository in London gegönnt. Neben dem neuen Miéville »The City & The City« habe ich nun auch (endlich) das komplette »Pyat-Quartett« von Michael Moorcock bekommen. Beim Auspacken und zusammenlegen entdecke ich, dass die vier Umschlagsbilder der Vintage-Taschenbuchausgaben von »Byzantinum Endures« (»Byzanz ist überall«), »The Laughter of Carthage«, »Jerusalem Commands« & »The Vengeance of Rome« ein feines Panorama ergeben. —— Nebenbei: es ist eine Schande, dass die Pyat-Bücher (immer noch) nicht komplett auf Deutsch vorliegen, sondern nur der erste Band (antiquarisch zu haben) mal als Bastei Paperback erschienen ist (durchaus fein übersetzt übrigens).

Ist vielleicht (wie irgendwo in den Programmentscheiderkammern gemutmaßt wird) zu heftig (oder zu wenig erfolgsversprechend) für den armen deutschsprachigen Buchmarkt, wenn Moorcock mit seinem ukrainischen Hallodri eine wilde Reise durch die Jahre zwischen den beiden Weltkriegen veranstaltet. Der am 1. Januar 1900 geborene Pyat ist ein jüdischer Antisemit, Drogenjunkie, Bisexueller, Ingenieur, Spion, Saboteur, Agitator und und und.

{EDIT-Ergänz: Zur Erholung heute morgen hier eine kleine Übersicht der Vintage Taschenbuchausgabe des »Pyat-Quartetts«, die vier Bücher werden auch »Between the Wars« (»Zwischen den Kriegen«) genannt. Dazu übersetzte ich flappsig mal die Waschzettel (= Texte des Rückumschlages), damit Neugierige einen Einblick erhaschen können, um was es denn geht.

»Byzantinum Endures« (1981; Deutsch 1984 erschienen als Bastei Paperpack: »Byzanz ist überall«, übersetzt von Michael Kubiak): Europakarte; Intro von Moorcock; 18 Kapitel & 2 kurze Anhänge, 404 Seiten. Im ersten Band des Pyat-Quartetts stellt Michael Moorcock eine seiner großartigsten Schöpfungen vor: Maxim Arturovich Pyatnitski. Geboren in Kiew zu Beginn des 20. Jahrhunderts entdeckt er als Jugendlicher die Freuden von Sex und Kokain und erhascht einen Blick auf eine fortschrittliche & gebildete Welt jenseits seines Horizontes, bevor das Wüten der Russischen Revolution anhebt.

»The Laughter of Carthage« (1984; etwa »Das Lachen Karthagos«): Intro, 22 Kapitel, 602 Seiten. Nachdem er dem Grauen des russischen Bürgerkrieges entkommen ist, entdeckt Maxim Arturovich Pyatnitski, daß die Gefahren in Europa wie Nichts erscheinen verglichen mit dem, was ihn in Amerika erwartet. Fast sofort wird er in weitere Skandale verwickelt, bereist das Land als Sprecher für den Ku Klux Klan. Nur das Wiederauftauchen von Pyats ewiger Liebe, der Femme Fatale Mrs. Cornelius, bietet ihm eine Aussicht auf Rettung.

»Jerusalem Commands« (1992; etwa: »Die Befehle Jerusalems«): Intro, 29 Kapitel, kurzer Anhang, 577 Seiten. Maxim Arturovich Pyatnitski wurschtelt sich durch von New York nach Hollywod, von Cairo nach Marrakesch, von Film-Kulterfolgen bis zu den äußersten Grenzen sexueller Erniedrigung, und hinterläßt dabei eine Spur mechanischer und menschlicher Zerstörung während er auf ein Stelldichein mit der schrecklichsten Katasthrophe des 20. Jahrhunderts entgegensteuert (auf dem Cover ist die Titanic zu sehen).

»The Vengeance of Rome« (2006; etwa: »Die Rache Roms«): Intro, 60 Kapitel, 618 Seiten. Maxim Arturovich Pyatnitski begeistert sich für den Faschismus. Er himmelt Mussolini als Helden an, findet Einlass zum inneren Kreis um den Diktator und erfreut sich der innigen Freundschaft mit seiner Frau. Der Duce schickt ihn in geheimer Mission nach München, wo Pyat ein Intimfreund des homosexuellen Sturmtruppenführers Ernst Röhm wird. Seine entscheidene Rolle beim Streben der Nazipartei zur Macht bringt ihn dazu, sich auf perverse Sexspielchen mit ›Alf‹ einzulassen. — Pyats außergwöhnliches Glück läßt ihn als Zeugen nach Hitlers Massakrierung von Röhm und der SA zurück. Schließlich verschlingt das Konzentrationslager Lager Pyat. Dreissig Jahre später, nachdem er den Spanischen Bürgerkrieg überlebt hat, lebt Pyat in der Portabello Road in London, wo er seine Lebensgeschichte dem Schriftsteller Michael Moorcock erzählt.}

Und weil ich grad publikationswunschfreudig bin: Auch zwei andere späte Romane des ›anderen‹ Michael Moorcock sollten mal bei uns erscheinen: »Mother London« und »King of the City« (werden wohl nächsten Monat den Weg in mein Heim finden).

Flucht- und Fliehmomente, oder: Wieder Mal Fantasy und die Medien

(Eintrag No. 549; Alltag, Woanders, Literatur, Phantastik) — Erstmal einige Links zum Blog von Thomas Plischke (ja, dem Mann, dessen »Die Zwerge von Amboss« mich so (wenn auch nicht ganz vergnügungslos) ›verstört‹ hat). Seit einiger Zeit führt Plischke die quixot’sche Lanze der (ab und zu arg spöttisch-flappsigen) Erwiderung gegen Flachdenk-Artikel der großen Medien & des Feuilleton in Sachen Fantasy und Phantastik.

Ich bin (als mehr oder minder unfreiwiller Phantastik-Elitarist) zwar mit Plischkes Polemiken gegen dumme phantastik- und fantasyskeptische-Artikel nicht immer ganz glücklich, da Plischke darin Autor(innen) wie Stephenie Meyer verteidigt (die hat eh (zu)viel Erfolg, liefert aber Bücher von – für mich – äußerst zweifelhafter Qualität). Dennoch hier eine kleine Übersicht der Dummschwätzartikel und der Erwiderungen von Thomas:

  • »Susanne Weinhart, die Fantasy und wir« (16. März ‘09): Der dümmste Spruch aus dem Weinhart-Artikels in der »Süddeutschen Zeitung« lautet:
    Die Gegenaufklärung hält sich: Fantasy-Literatur und Computerspiele erfreuen sich ungebrochener Beliebtheit.
  • »Es geht schon wieder los« (26. März ‘09): Erwiderung auf einen Artikel von Armgard Seegers im »Hamburger Abendblatt«.
  • »Titus Arnu, die Fantasy und wir (diesmal mit einer Extraportion Vampir)« (3. April ‘09): In diesem Kontra zu einem abermaligen Text der »Süddeutschen Zeitung« steigert sich Plischke am Ende in eine ›Apologie‹ und Lobpreisung der Fantasy rein, die ich für als Fürsprache für dieses Genre für unzuträglich erachte. Was also machen mit dem Eskapismusvorwurf, der so oft gegen die Fantasy und Phantastik erhoben wird? Plischke bietet da folgendes:
    Der Eskapismusvorwurf an die Fantasy ist schlichtweg unfair, denn etwas umformuliert lautet er ungefähr: Warum lasst ihr euch durch das Bunte, das Exotische – und ja, auch durch das Rückwärtsgewandte und Vereinfachende – so leicht verführen?
    Meine Antwort sähe unter Umständen so aus: Weil gute Fantasy ein Versprechen abgibt, das sie erfüllt.
    Sie verspricht den Tumult eines Basars statt der Ordnung einer Aldi-Filiale.
    Das Spaßbad mit zwölf verschiedenen Rutschen statt des einfachen Freischwimmerbeckens.
    Den Vollrausch anstelle eines Angeschickertseins.
    Die Achterbahn mit vier Loopings, nicht das Kettenkarussell.
    Gut möglich, dass man kotzen muss, falls man es übertreibt – und manche Menschen haben einen empfindlicheren Magen als andere oder leiden unter diversen Unverträglichkeiten –, aber das ist ein Risiko, das jeder mit sich selbst auszumachen hat. Mit dem Bluttrinken ist das übrigens ähnlich…

    Für mich wird hier ›das Vergnügen‹ oder ›die Leselust‹ welche Phantastik- und Fantasyliteraturen zu bereiten vermögen zu knallig-einseitig auf ›Spaß, Gute Laune, Halligalli‹ verkürzt. Es ist ja mitnichten so, dass Fantasy und Phantastik nur von Anhängern einer ›unreflektierten‹ Spaßfraktion mit Genuß goutiert werden kann.

  • »Der Spiegel und die Fantasy« (4. Mai ‘09): Hier bietet Thomas einen zurückhaltender tönenden und solide durchdachten Leserbrief zu einem Artikel von Urs Jenny (dessen Text über den Fantasy-Boom zwar auch durch einige der üblichen Recherche- und Denkschwächen gezeichnet ist – z.B. dass der Amerikaner Ire C. S. Lewis wieder Mal zum Engländer mutierte –, der aber schon mal um einige Tacken besser ist, als die oben verlinkten Artikel von Weinhart, Seegers und Arnu.

Der Höhepunkt aber, der sich in dieser ganzen Angelegenheit in Thomas Plischkes Blog ereignet, findet sich in dem Linksammlungs-Eintrag »Es regt sich Widerstand«. Vor allem beim Wortwechsel zwischen dem von mir geschätzten Literatursachverständigen Ralf Reiter (vom »Inklusorium«-Blog) und dem Journalisten Thomas Klingenmaier (Autor des »Hauptfilm, Trailer, Extras«-Blogs für die »Stuttgarter Zeitung« und als tkl auch kommentierender Molochronik-Leser) wird sehr klug und erhellend das ganze seltsame Phänomen besprochen, warum es die Phantastik und ihre Genre (vor allem eben die Fantasy) immer noch so schwer haben in der Medien- und im Feuilltonlandschaft. Vor allem die analytische Zusammenschau von Klingenmaier ist es wert, zur Kenntnis genommen zu werden, wenn er diese sechs Punkte zusammenfasst: (1) die Konkurrenz der Themen; (2) die Konkurrenz der Autoren; (3) die Zugewinnrechnung; (4) die Themen-Redundanz; (5) das Schreckbild vom unreifen Leser; (6) die Wertungsungewissheit.

Zum anderen möchte ich darauf verweisen, dass es nun in der Bücherrundschau bei »Perlentaucher« auch eine Kategorie für Fantasy- und Science Fiction gibt. Ich habe vor einiger Zeit eine Leser-eMail an die Perlentaucherredaktion geschrieben, ob sie sich prinzipiell vorstellen könnten, neben ihrer Krimikolumne »Mord und Ratschlag« auch eine Phantastik-Kolumne anzubieten. Die Antwort lautete, dass man durchaus gerne machen würde, aber leider nicht genug Kapazitäten dafür hat. Naja. Vielleicht ändert sich das ja mal.

Zum Abschluss zitiere ich (wieder Mal) aus Umberto Ecos »Der Name der Rose«, wo gezeigt wird, dass Eskapismus und nerdiges Geektum keineswegs allein eine Sache von jugendlichen (oder nicht erwachsen gewordenen) Fantasy-Fans ist. — Bei einer der nächtlichen Exkursionen in der geheimnisvollen Bibliothek meint William von Baskerville zu seinem Schüler Adson (S. 399):

»{…} es waren finstere Zeiten, in denen sich die Grammatiker mit abstrusen Fragen vergnügten, um eine schlechte Welt zu vergessen. Einmal, so heißt es, diskutierten die beiden Gelehrten Gabundus und Terentius vierzehn Tage und vierzehn Nächte lang über den Vokativ von ego. Am Ende griffen sie zu den Waffen …«

Thomas Plischke: »Die Zwerge von Amboss«, oder: Oh Schreck, Band eins von sieben!

Eintrag No. 548

EDIT-ERGÄNZUNG: Im dem Roman gewidmeten Thread bei »Bibliotheka Phantastika« wies ich auf meinen Blogeintrag hin und kurz darauf hat Ole Johan Christiansen (= ›Buecherwyrm‹) meine ›Rezension‹ als mangelhaft bekrittelt. Im Zuge des Austauschs mit Ole im Forum eröffnete er mir einige interessante Einblicke zu den Intentionen der geplanten »Die Zerrissenen Reiche«-Reihe. — Ole mockierte sich nicht ganz unberechtigt über die Erstfassung dieser Rezi, auch wenn ich keineswegs mein Daumen runter zum Buch ›nur‹ an dem in meinen Augen mißlungenen sprachlich-metaphorischen Stil aufhänge. Zwecks Feinjustierung wurde diese Rezension um einige persönliche Schlenkerer ergänzt (die aber Molochronik-Stammlesern bekannt sein dürften).

Der Roman »Die Zwerge von Amboss« wird viel gelobt. Viele finden ihn deshalb doll, weil (angeblich) die üblichen rassischen Fantasy-Klischees ›konsequent‹ weiterentwickelt wurden. Mein Wohlwollen erntet das Entwicklerteam von »Die Zerrissenen Reiche« – Thomas Plischke und Ole Johan Christiansen – für ihre Ambition, Fantasy gegen den Strich zu bürsten und durchaus erkennbar (aktuelle) politische Probleme zu bespiegeln. Da ich vor Jahren selbst ein paar Fantasy-Pulpstories in der Amateurliga geschrieben habe, weiß ich wie schwer es ist, Fantasymaterial zu entwickeln das die Ketten der Fantasy-Hardcoretraditionalisten abschütteln will, beziehungsweise (allgemein nicht nur Fantasy betreffend) wie knifflig und anstrengend es ist, überhaupt zu wissen, was und worüber man schreiben will, welcher Art von Charakteren man Leben einhauchen möchte, welche Fragen, Probleme, Spannungen man auswählt, um daraus eine Handlung zu entwickeln. Auch wenn ich selber derzeit keinerlei Absichten hege, einen Fantasystoff zu schaffen, habe ich Respekt für alle Autoren, die den Fleiß und die Entschlusskraft inne haben, ihren Fantasyweltenbau durchzuziehen und ein Manuskript zu vollenden. Trotzdem lese ich dann die Früchte solcher Anstrengungen mit so etwas wie einen Blick durch die Konkurrenzbrille, da ich eben einige Jahre reichlich sowohl allein als in Gruppenarbeit an Fantasyweltenbauten gebosselt habe.

In »Die Zwerge von Amboss« steht die typische Bergbau- und Schmiederasse im Mittelpunkt der Handlung und an der Spitze des Wettstreits der Völker, weil der Zwergenbund über entscheidende Vorsprünge bei Rohstoffzugang und wissenschaftlichen Innovationen verfügt. Die meisten Zwerge haben sich der (atheistischen) Vernunft verschrieben und allem Aberglauben (z.B. die Geister der Ahnen betreffend) abgeschworen. Allerdings ist das ›Brudervolk‹ der Zwerge, die Halblinge, für alle entscheidenden ministerial-sekretärischen Aufgaben (einschließlich der inneren Sicherheit) zuständig. Begründet wird diese reichlich machtvolle Sonderstellung der Halblinge in diesem ersten Band nicht, und entsprechend schwachsinnig erscheint mir dieses Konzept, aber hey: das ist immerhin ›Fantasy‹, das lustige Genre, in dem man alles mögliche nach Rassen sortiert. Also: Zwerge machen den Staat, Halblinge den Strippenzieherstaat im Staate.

Viele Zwerge sind zwar mächtig, wohlhabend, leben in prächtigen Häusern und feiern aufwändige Jahresriten in den großen Städten (was in meiner Lesart ne matte Satire z.B. auf die DDR und andere sozialistische Systeme abgibt), aber das Volk wird immer unzufriedener. Zu den Hauptthesen des Romanes gehört, dass die wissenschaftlichen und produktionstechnischen Fortschritte in den Manufakturen zwar für mehr Wohlstand und Ertragssteigerung sorgten, aber auch dazu führten, dass weniger Arbeitskräfte gebraucht werden, weshalb viele Zwerge ohne Job und Einkommen, zumindest ohne wirkliche gesellschaftliche Aufstiegsmöglichkeiten zurückbleiben. Menschenflüchtlinge vom südlichen Kontinent der Zerrissenen Reiche, wo seit langem religiös motivierte Konflikte wüten, übernehmen die Rolle der unwillkommenen Einwanderer, Asylanten und Emigranten. — Leider setzt der Text des Romanes diese Ideen (für mich) vor allem mittels einer Anhäufung simpler Stammtischparolen, affiger Poserattitüden und (vor allem) schlechter Schreibe um.

In der Tat bin ich am heftigsten dadurch verstört, wie schlecht der Roman geschrieben ist. Oder haben sich gewisse Manierismen in einigen Rollenspiel- und Fantasy-Kreisen mittlerweile derart eingeschliffen, dass sie gar als Tugenden guten Erzählens gelten können? Da das Buch von vielen so gelobt wird, muss wohl zweiteres der Fall sein.

Dem für mein Empfinden rand- und bandlosen Metaphern-SalatMatsch widme ich mich noch ausführlicher in den Kommentaren zu diesem Haupteintrag, hier aber ein erstes Beispiel aus dem Prolog des Romanes, wenn wir den Zwergenherrscher Gorid Seher bei seiner Morgentoilette begleiten: Zahnschmerzen werden da beschrieben als ›dumpfer, pochender Schmerz, als habe sich eine Made in seine {Gorid Sehers} Wange eingenistet und fräße sich dort nun langsam dick und satt‹. Diese Prolog-Zahnschmerzen gemahnen zudem den Zwergenherrscher daran ›was er sich und seinen Volk bald an Opfern abverlangen würde‹.

Vielleicht rührt der gar so schlechte Eindruck, den dieser Roman bei mir macht, daher, dass ich zugleich einen großen Meister der gut geschriebenen (trashigen) Genre-Phantastik genieße: nämlich Kim Newman und sein »Die Vampire« (= Sammelband mit den drei Romanen »Anno Dracula«, »Der Rote Baron« und »Dracula Cha-Cha-Cha«). — Außerdem habe ich dieser Tage wieder mal ausführlicher in Michael Moorcocks ›Studie über epische Fantasy‹»Wizardry & Wild Romance« – geschmökert, und darin kommentiert Moorcock kritisch, wie die derivativen, glättenden und schematisierenden Praktiken der ›Spin off‹- und Rollenspiel-Kulturindustrie mit dem Ideenmaterial der ›Fantasy-Gründungsväter‹ (z.B. Tolkien, Howard, Leiber, Anderson) umgehen.

Wie gesagt folgt später noch entnervend viel mehr zu meinem Mißfallen aufgrund des sprachlich-stilistischen ›Sounds‹ von »Die Zwerge von Amboss«.

Jetzt erstmal Anmerkungen zum Inhalt.

Erste Hauptfigur ist der schon etwas ältere Ermittlerzwerg (›Sucher‹ genannt) Garep Schmied, der in der Stadt Amboss (Zentrum der Waffenindustrie) den Mord an einem Komponisten (und später anderen Opfern einer vermeindlich menschlichen Terroruntergrundtruppe) aufklären soll. Garep ist für mich ein wandelndes Abziehbild: ein grimmiger Ermittler, verbittert, weil seine Lebenspartnerin vor vielen Jahren starb und Garep mit der allseits aus anderen Fantasystoffen vertrauten Zwergendunkelsicht dem Erkalten ihrer Leiche zusehen musste (was ihn nebenbei bereits – schwuppdiwuppdi – zum großen Meister dieser Zweitsicht gemacht hat). Gareb betäubt seinen Welt-/Herzschmerz mit Drogen (Blauflechten), gilt aber trotzdem (wiederum ziemlich unbegründet) als einer der besten Sucher überhaupt (trotzdem hat er erstaunlicherweise noch nie etwas von durch von Menschen und Zwergen betriebenen Schmugglerringen gehört, welche die strengen zwergischen Ausfuhrverbote für Zwergenwaffen unterlaufen). Wenigstens läßt ihn sympathisch erscheinen, dass Garep anders als sein übereifriger Assistent Bugeg nicht viel auf das Hetzgerede der Massenmedien (›Rufer‹ genannt) über die ach so lästigen, faulen und parasitären Menschenflüchtlinge gibt. — Immerhin ein guter Ansatz der ersten Garep-Kapitel ist, dass hier Fantasy in Form eines städtischen Krimi geboten wird. Schade nur, dass weder die Stadt Amboss noch die Krimiathmo wirklich gut rüberkommt. Der Großteil der ersten Krimikapitel besteht aus ungelenken, überfrachteten Dialogen zwischen dem skeptisch-kaputten Garep, und seinem überambitionierten Assistenten Bugeg. — Garep gibt den an seinen eigenen Entscheidungen zweifelnden, tragischen Helden ab, komplett mit Junkie-Einlagen und gelegentlichen wehmütigen Momenten, wenn er seine selbstgewählte Einsamkeit in Frage stellt und sich nach Liebe sehnt.

Zweite Hauptfigur ist ein Mensch namens Siris, der in Gebirgsausläufern auf dem südlich des Zwergenbundes gelegenden Kontinents der Zerrissenen Reiche ein Leben als Monsterjäger führt. Hier sollen offensichtlich die nach Fantasy-Äktschn dürstenden Lesererwartungen gestillt werden. Dafür scheint ein einsam umherziehender, eine (in diesem Fall statt eines magischen Schwertes) zwergische Bratzschusswaffe tragender (Leone-Western-cooler) Ledermanteltyp perfekt geeignet. Die ersten Kapitel mit Siras, wenn er auf der Jagd auf ein Greifen-Pärchen ist, sind aber für meinen Geschmack einfach nur auffällig undurchdacht. Da schreibt dieser Siras zum Beispiel ein Jagdtagebuch, in welchem er (angeblich) nützliche Infos für spätere Aufträge bewahren will (über verschiedenes Monster-Großwild, dessen Verhalten und wie man es am besten erlegt). Aber was bekommen wir als Auszüge zu lesen? Oberflächliche Vermutungen und sehr skizzenhafte Notizen zu den Monstern, dafür aber massig persönliche Befindlichkeiten, schwurbelig formulierte Erinnerungen zu Siris Kindheit, viel vages Emo-Zeug. Später, auf Seite 226 wird mal erwähnt, dass Siris seit gut 10 Jahren dieses Tagebuch führt. Selbst wenn das Buch A-4 bis A-3 groß wäre und 500 Seiten hätte, könnte der Siris seine wortreichen Aufzeichnungen gar nicht sooo klein schreiben, dass bei seiner Logorhoe EIN Tagebuch reichte. — Dann, beim Kampf Mann gegen Greif gerät einiges vollends aus den Fugen. Da finden sich in einer Bergsiedlung einer von Unbekannten hingemetzelten Frömmlergemeinschaft ›eiserne Pflanzenstangen‹ (Rohstoffknappheit an Eisen kennen die wenigsten Klischeefantasywelten und so scheint selbst eine kleine Siedlung über derart viel Eisen zu verfügen, dass man Pflanzenstangen daraus macht) und ordentliche Vorgartenbeete. Das von Siras mit zwei Schüssen verwundete und flugunfähig gemachte Monster attakiert zuerst seinen Bedränger, nur um dann plötzlich und reichlich grundlos wieder von ihm abzulassen.

Siris hielt den Stil des Spatens umklammert und hoffte auf ein Wunder. {…} Nach bangen Minuten, die Siris wie eine halbe Ewigkeit vorkamen, entschärfte sich die Lage für ihn. Der Greif schickte ein letztes drohendes Fauchen in seine Richtung, um sich dann mit vorsichtigen Schritten rückwärts in Bewegung zu setzten. {…} Offenbar war man vor den Nachstellungen eines Greifen, der Beute geschlagen hatte, verhältnismäßig sicher, sofern man nur einen gewissen Abstand zu dem Räuber einhielt und ihn nicht reizte.

Zweimal mit einer Zwergenwumme auf einen Greifen ballern und ihm eins mit nem Spaten übern Schnabel dreschen gilt hier wohl nicht als reizen. — Im weiteren Verlauf des Romanes dient Siris vor allem als starker Muskel, wenn es gilt, Hindernisse zu überwinden indem jemanden aufs Maul gehauen wird, oder wenn hungrige Unterwegsmonster stressen. Zudem ist er der allen Aberglauben und Glaubensschmu abgeneigeste Charakter, ganz kampf- und überlebenserprobter Pragmatiker, und darf (ein paar Mal durchaus gelungen!) zur Erheiterung in ungeschicktem Zwergisch radebrechen.

Die dritte wichtige Hauptfigur der ersten Häfte ist der junge Zwerg Himek, ein so genannter ›Leiböffner‹ (ab und zu auch Heiler genannt, also ein in chirugischen Praktiken geübter Arzt), der zum Helfer des Zwergenwissenschaftlers Kolbner befördert wird. In einer geheimen Forschungseinrichtung assistiert Himek Kolbner bei dessen Experimenten zur Schaffung von superheldenmäßig aufgemotzen Halblingen (so ähnlich wie die militärischen Superkriegerlabore von William Stryker in der »X-Men«-Welt). Als Charakter fungiert Himek als Gegenpol zum vorurteilsverblendeten Bugeg. Himek hält die Ideale der zwergischen Aufklärungsvernunft hoch, will seinem ärztlichen Berurfsethos treu bleiben (sprich: seinen Patienten helfen statt sie für Experimente zu missbrauchen), und gerät dadurch immer mehr in Konflikt mit seinem Vorgesetzten Kolbner . — Kurz: Himek ist die positivste Identifikationsfigur, steht für normale (›menschliche‹) Durchschnittlichkeit vor allem dann, wenn er ab der zweiten Hälfte als Gefährte mit Siris unterwegs ist.

Ich kann mir vorstellen, dass aus »Die Zwerge von Amboss« ein durchaus lesenswertes Vergnügen hätten werden können, wenn es irgend jemanden gelungen wäre, die Autoren und den Verlag davon zu überzeugen, das Manuskript stilistisch zu polieren und vor allem zu straffen. Dann lägen mir statt 500 verlaberten Seiten voller ungeschickter Sprachwindungen und unplausibler Handlungswendungen nun ca. 320 Seiten mit knackig-süffiger epischer Fantasy vor.

{EDIT-ERGÄNZUNG: Beim Eingangs erwähnten Wortwechsel zwischen »Zerrissene Reiche«-Mitentwickler Ole Johan Christiansen und mir im Forum von »Bibliotheka Phantastika« kam es zu für mich überraschenden Einblicken, was die Intention und die Vermarktung des Buches angeht. — Ole wandte gegen meine Kritik des Metaphernmatsches ein, ich hätte ›den literarischen Stil‹ nicht erkannt, an den sich der Roman anlehnt, und er ist so freundlich, auf meine Frage nach der Natur dieses Stils zu antworten (von mir der Lesbarkeit wegen leicht formatiert hier wiedergegeben):

»Die Zwerge von Amboss«, ebenso wie die ganze Reihe, ist sprachlich deutlich an die englische Literatur des 19. Jahrhunderts mit ihren überbordenden Metaphern (insbesondere im Bereich der Tierwelt) und Sprache angelegt (denn in einem Fantasy-Äquivalent zur selbigen Zeit spielt die Reihe ja), wobei dies dann durch die derben Einschläge in Verbindung mit den tatsächlichen damaligen Lebensumständen gesetzt wird. Es ist also nicht so klinisch rein wie ein Dickens, vielmehr ist es eher (wie bei »Southpark« gesehen): »Dort lernt er alles, was ein Gentleman können muss: Tanzen, Säbelfechten und Fotzenlecken.«

Ich hab das dann zusammengedampft auf ›»Die Zwerge von Amboss« als »South Park«-derbe Fantasy-Parodie, geschmückt mit den antiquieten Sprach- und Metapherngirlanden des 19. Jhds?!?!‹

Das rückt den Roman freilich in ein ganz anderes Licht, und tatsächlich würde ich ihn anders beurteilen, wenn er mir (vom Verlag und besprechenden Fantasykreisen) entsprechend angepriesen worden wäre. Da nutzt auch Oles Erinnerung an die Weisheit ›Trust the tale, not the teller‹ nix. Aufmachung, Ankündigungen und Empfehlungen weisen den Eröffnungsband der »Die Zerrissenen Reiche«-Reihe aus als episches Fantasy-Abenteuer mit Krimi- und Politverschwörungselementen. — Derart irregeleitet, führte ich die (mich am stärksten mit Missfallen erfüllende) erzählerisch unökonomische Metaphernschwemme zurück auf (a) entweder Ungeschicklichkeit, oder (b) Unbekümmertheit der Autoren, oder (c) den Zuschnitt auf Lesererwartungen einer Fantasy-Zielgruppe, für welche die von mir bemäkelten Formeln und Klischees keineswegs Indizien für ›schlechten Geschmack‹ sind, sondern lesevergnügliche Qualitätsmerkmale. — Da in den positiven Rezis nirgendwo unterstrichen wird, dass »Die Zwerge von Amboss« vor allem als derb-satirisches Werk zu verstehen sind, sondern der Tenor dieser wohlwollenden Rezis eben meint, es würden Klischees fruchtbar ins Originelle und Spannende gewendet, zudem sogar angereichert mit kritischer politisch-gesellschaftlicher Relevanz, muss ich Vermutung (c) den Vorzug geben.}

Immerhin kann ich das Titelbild von Henrik Bolle loben. Richtig guter »Warhammer«-artiger Genre-Zwerg.

Hier geht es zum zweiten und dritten Teil meines Leseprotokolls mit den Beispielen für gewunden-lachhaften Metaphernbrei: »Sprachdurchfall & andere Grausamkeiten« / »Der Rest vom 500-Seiten Groschenheft«.

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Thomas Plischke (und Ole Johan Christiansen): »Die Zerrissenen Reiche 1: Die Zwerge von Amboss«; 35 Kapitel in zwei Abschnitten, eine Karte; 492 Seiten; Piper Taschenbuch; ISBN: 978-3-492-26663-5.

Thomas Pynchon: »Die Versteigerung von No. 49«, oder: Die Queste der Oedipa Maas

Eintrag No. 538 — Wie aufmerksame Molochronik-Leser wissen, bin ich zur Jahreswende 2007/2008 vom Pynchon-Fieber erfasst worden, weiland ich damals die englische Ausgabe von »Against the Day« (2006, Deutsch 2008 als »Gegen den Tag«) verschlang. Mittlerweile habe ich mir alle sechs Romane dieses erstaunlichen Schriftstellers zugelegt, sowohl auf Deutsch, als auch auf Englisch.

»Gegen den Tag« (= GDT) ist aufgrund seines Umfangs von über 1000 Seiten, der verwirrenden Figurenvielzahl und der thematischen Breite sicherlich nicht unbedingt der die beste Eintrittskarte zu Pynchon Prosawelten (auf den ersten Blick zumindest, denn bei mir hat das dicke Ding ja voll gezündet). Allerdings kann ich sagen, dass verglichen mit Pynchons bekanntesten, von mir erst etwa zu einem Drittel bewältigtem Werk »Gravity’s Rainbow« (1973, Deutsch 1981 als »Die Enden der Parabel«), GDT ein zwar langer, aber bequem zu absolvierender Spaziergang ist.

Nun aber zu meiner zweiten abgeschlossenen Pynchon-Lektüre, »The Crying of Lot 49« (1966, Deutsch 1973 als »Die Versteigerung von No. 49«). Der oftmals ausgesprochenen Empfehlung, dass dieser (zweite) Roman von Thomas Pynchon (1937) den bekömmlichsten Einstieg in sein Werk bietet, kann ich von meiner bisherigen Warte aus voll und ganz zustimmen. Hier lernt man auf kurzer Strecke in sechs Kapiteln bereits die wichtigsten Themen, atmosphärischen Facetten und erzählerischen Kniffe dieses Autors kennen.

Bei »The Crying of Lot 49« handelt es sich grob gesagt um eine Konspirations-Räuberpistole. Oedipa Maas, die Heldin des Mitte der 1960ger-Jahre angesiedelten Romans, erfährt nach dem Tod ihres Ex-Geliebten, dass sie von diesem steinreichen Immobilien- und Industrie-Mogul Pierce Inverarity zur Testamentsvollstreckerin bestimmt wurde. Um dieser angesichts des riesigen Vermögens ungeheuren Aufgabe gerecht zu werden, beginnt Oedipa eine Recherche-Rundreise durch Kalifornien und stößt dabei im Zusammengang mit einer Briefmarkensammlung aus dem Nachlass des Verstorbenen, auf die undurchschaubare Verschwörung eines Post-Untergrundnetzwerkes, des Tristero-Systems. Ihren Anfang nahm diese geheimnisumrankte Organisation irgendwann in den Wirren der europäischen Geschichte, als sich die Tristero-Intriganten dem Thurn & Taxis-Monopol der Briefzustellung entgegenstellten. Die Fährte dieses Ringens zwischen staatstragenden Kommunikations-Monopolisten und anarchistischen Tristero-Rebellen zieht sich durch die Jahrhunderte bis hin in Oedipas Lebenswelt. Einmal darauf aufmerksam geworden, entdeckt sie überall die geheimen Tristero-Zeichen, z.B. das Akronym W.A.S.T.E. auf als Mülleimern getarnten Tristero-Briefkästen, komische Schreibfehler auf Pots- Poststempeln, oder ein Symbol, das ein durch einen Dämpfer unnütz gemachtes Posthorn zeigt. — (Es besteht für mich kein Zweifel, dass Pynchons Charadenspiel-Thematik inspirativ auf nachfolgende Fiktionen wie die »Illuminatus!«-Trio (1975, Deutsch 1977) von R. A. Wilson & Robert Shea, oder Umberto Ecos »Das Fouccaultsche Pendel« (1988, Deutsch 1989) eingewirkt hat.)

Thomas PynchonOedipa versucht sich gegen Ende des Buches einen Überblick zu ihrem Dilemma zu verschaffen, und kommt auf folgende vier Möglichkeiten (S. 189 f; Zitatangaben nach der Deutschen Taschenbuchausgabe):

  1. … dass sie wirklich einen ›geheimen Schatz‹, ein…
    … Nachrichtennetz, über dessen Drähte eine ganz schöne Menge von Amerikanern aufrichtig miteinander kommuniziert, während sie ihre Lügen, ihr routinemäßiges Geschwätz {…} dem offiziellen Verteilersystem der Regierung anvertrauen …

    … entdeckt hat;

  2. … dass sie sich das nur einbildet;
  3. … dass sie auf einen elaborierten Komplott-Ulk ihres verstorbenen Liebhabers Pierce Inverarity hereingefallen ist, der Dank seiner weitreichenden Mittel in der Lage war, Spuren zu fälschen und Darsteller anzuweisen Oedipa etwas von der Tristero-Verschwörung vorzugaukeln;
  4. dass sich Oedipa diesen Komplott-Ulk nur einbildet

Die Auflösung werde ich hier natürlich nicht verraten und ich warne davor, im Netz danach zu suchen, denn das Vergnügen, welches die letzten Zeilen des Romanes bieten, ist zu köstlich, um es sich ver-spoilern zu lassen.

Lebhaft und abwechslungsreich gestaltet sich die Lektüre des Romans durch die Kombination von episodischen und verschachtelten Erzählens. Episodisch, weil wir Oedipa bei ihrer Queste begleiten (und das Buch bietet vergnügliche Auftritte von Durchgeknallten, Außenseitern und Exzentrikern); verschachtelt, weil immer wieder kürzere und längere Abzweigungen vom Hauptstrang genommen werden, z.B. wenn Abenteuerspielfilme des Kinderfernsehens, blutige jakobinische Theaterstücke parodiert, oder historische Ausflüge zur Tristero-Verschwörung dargeboten werden.

Sprachlich trumpft das Buch auf, indem es sowohl satirische Übertreibungskunst und slapstickhaftes Blöden meistert (z.B. wenn Oedipa sich mit dem Anwalt von Pierce Inverarity in einer zum Seitensprung ausartenden Motel-Nacht auf eine Partie Strip Botticelli einläßt und eine außer Kontrolle geratene Haarspraydose für totales Chaos sorgt), es auch vermag, die fragileren Tonlagen des Grübelns, Zweifelns und Sinn-Strebens der Heldin anzustimmen.

Gerade als Phantastik-Liebhaber bin ich hingerissen vom großen Geschick Pynchons für umfassende Metaphern, die sowohl blickerweiternd als auch desorientierend wirken, die offen und anknüpffreudig genug bleiben um mir als Leser Raum für eigene Deutungen zu gewähren, ohne dabei zu gängeln oder in die Beliebigkeit abzugleiten. Was kann und darf man sich mehr von einem kurzweilig zu lesenden Stück Literaur erwarten, wenn zugleich ernsthaft über die Herausforderungen des Lebens in der modernen Welt (oder des Mensch-Seins) erzählt werden soll?

Markant appeliert das Buch zu dieser Problematik dann an seine Leser, wenn eine Figur, der Bühnenkünstler Randolph Driblette, sagt (S. 85/86) …

{…} wer kümmert sich schon um Worte? Das sind nichts als Eselsbrücken {…} Die Wirklichkeit ist drin in diesem Kopf. In meinem. Ich bin der Projektor im Planetarium {…}

Groß war mein Vergnügen, als Kuppel für die Projektionen von Meister Pynchon zu dienen, dabei von ihm eingeladen und ermuntert zu werden, mein eigenes Licht leuchten zu lassen: innerhalb der kleinen sicheren Romanwelt von »Die Versteigerung von No. 49«, aber auch in der großen Welt der tatsächlich stattfindenden Kultur und Natur-Ereignisse.

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Thomas Pynchon: »The Crying of Lot 49« (1966), 127 Seiten in 6 Kapiteln, Taschenbuchedition mit exzellenter Umschlag-Zier von Yuko Kondo/Packo bei Vintage Books; ISBN: 978-0-099-53261-3.
Thomas Pynchon: »Die Versteigerung von No. 49« (dt.: 1973), Deutsch von Wulf Teichmann, 203 Seiten, Rowohlt Taschenbuch; ISBN: 978-3-499-13550-7.

Otto Kallscheuer: »Die Wissenschaft vom Lieben Gott«

Eintrag No. 353 — Was die für mich bisher und ansonsten vorzügliche Reihe »Die Andere Bibliothek« angeht, so dachte ich bis jüngst, dass es da weder Mittelmäßiges noch gar Schlechtes gäbe. Nun aber bin ich eines besseren belehrt worden, denn zur Jahreswende habe ich mir »Die Wissenschaft vom Lieben Gott« von Otto Kallscheuer (wenn auch nur als Taschenbuch) gegönnt.

Vergnügt hat mich das Buch schon, auch und gerade indem es mich uffgeregt und genervt hat. Kallscheuer babbelt die meiste Zeit derart flappsig und kalauernd daher, dass ich mich frug, ob ich es hier mit einem (Möchtegern-)Komiker zu tun hab. Den glaubensverteidigenden Humorleistungen eines G. K. Chesterton kann Kallschauer jedoch nicht das Wasser reichen und so wirkt die Witzischkeit von »Die Wissenschaft von Lieben Gott« desöfteren mehr wie aufgesetztes Ornament, nicht wie tragende Struktur. Die besteht leider aus jenem (für mich Ungläubigen mal zutiefst unheimlich, mal putzig anmutendem) kirrem, sturem und treuherzigem Postulieren von Absolutismen, also ›Überdrübergehtnixmehr‹-ismen, welche unter dem exotisch und ehrwürdig klingenden Namen Theologie angeredet werden dürfen.

Theologie geht ja so: verleibe Dir möglichst viel von der Konkurrenz ein (antiker Philosophie, Heidentum, Volksaberglaube), steigere all das dann zum Besten, Größen, Herrlichsten, Mächtigsten usw. und wenn jemand dann auf die Fehler, Widersprüchlichkeiten und Unklarheiten aufmerksam macht, redet man sich raus mit dem Hinweis, dass über GOtt zu reden oder ihm gar mit Vernunftargumenten beikommen zu wollen eh eine Knieschußaktion ist, weil unsere menschliche Sprache zu unvollkommen, unser menschlicher Verstand zu begrenzt, unsere menschliche Existenz zu beschränkt seien, um sprechend, denkend oder seiend IHM, DER DA IST wirklichend gerecht werden zu können. Nur wer wahrhaft glaubt, kann der Gande zuteil werden, irgendwie und ungefähr GOtt zu erfahren und SEINE HERRLICHKEIT ein izzi-bizzi-wenig aber mystisch zu schauen.

Wer sich ordentlich über die Geschichte theologischen Denkens informieren will, kann sich das Buch sparen, denn es bietet weder eine historische noch eine thematisch sinnvolle Aufbereitung des monotheistisch-theologischen Denkens und Glaubens. Vor allem aus den ersten zwei Dritteln kann man aber durchaus erfahren, aus welchen Legosteinchen der Glaube an einen absoluten persönlichen Eingott zusammengesteckt wurde.

Die Verstiegenheit des Buches fasst sich im letzten Absatz selbst ganz prächtig zusammen, wenn es heißt, dass die Globalisierung, also die ethisch-politische Vereinigung zu einem Königreich, ein Projekt Gottes sei, inklusive der wissenschaftlich-technischen Erforschung und Durchdringung der Welt. — Das ist richtig gruselig, denn durch das Buch zieht sich als ein roter Faden (oder als Achse des Westlich Guten™???) die Lobpreisung eines gewissen Bildes vom geistig-philosophischen Westen (für Kallscheuer eben die Essenz der drei Monotheismen Judentum, Christentum und Islam). Hiermit ist eine Denkart gemeint, bei der es noch EINE höhere Zielgerichtetheit, EINE teleologische Schöpferabsicht in der Welt und für uns Individuen, eben EINE Wahrheit gibt. Entsprechend hat das Buch nur Spott und Schimpf für antike und moderne Phantasmen-Vielfältigkeiten übrig (ganz nach dem Gebot: »Du sollst kein Trugbild haben neben mir«), grämt sich über die Popularität von fernöstlichem, weichgewaschen-christlichen und pokulturll-beliebigen Glauben. Diskurse die wahrhaft kritisch zu werden drohen sind Kallscheuer abhold.

Zudem: Ulkige Fehler lassen sich finden. Kallscheuer zitiert zwar alle möglichen obskuren Katholen mit Inbrunst, aber aus dem ägyptischen, einen Falkenkopf tragenden Gott Horus macht er einen ›Stiergott‹ (S. 161), und aus Hergé, dem Schöpfer von Tim & Struppi, wird ›Hervé‹ (S. 386).

Das Buch bietet auch Lobenswertes: da ist als erstes der dialogische Aufbau des Textes zu nennen, welcher im Großen und Ganzen für eine lockere Lesbarkeit sorgt (ein paar Kapitel gehen trotzdem wegen ihrer eintönigen »GOtt ist groß«-Formelhaftigkeit schwer runter); dann ist der Spott und die Schimpfe, die Kallscheuer den ganz engsternigen (Un-)Glaubensgenossen angedeien läßt, erfrischend zu lesen, und so genoß ich die verbalen Kopfnüsse und Brennesseln gegenüber Kreationisten, Wohlfühl-Esotrikern und Bequemlichkeits-Atheisten; und drittens amüsiert das Buch streckenweise mit seinen begeisterten Science Fiction- und Fantasy-Einlagen, wenn zum Beispiel quantentheoretische Multiversum-Spekulationen, oder freakige Jesutien-SF über den Omegapunkt der Evolution referiert werden.

Am meisten auf den Wecker gegangen ist mir allerdings die Art, wie Kallscheuer sich selbst in seinem Dialog immer wieder das Wort verbietet, ja geradezu anherrscht, nur bis hier und nicht weiter zu spekulieren, zu fragen, und also das Maul zu halten:

»Lassen wir das! Das wäre schon wieder eine andere Debatte {…} Ihre Frage ist ja sinnvoll, aber hier muß ich die Notbremse ziehen {…} Darum lassen wir hier die Finger davon, mon cher {…} Halt! Zu diesem Punkt entziehe ich Ihnen (und mir) das Wort {…}«

Nene, von einem guten Sachbuch erwarte ich anderes.

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Otto Kallscheuer: »Die Wissenschaft vom Lieben Gott. Eine Theologie für Recht- und Andersgläubige, Agnostiker und Atheisten« 486 Seiten, XVIII Kapitel; Die Andere Bibliothek, 2005 (gebunden), ISBN: 978-3-821-84561-6; — Piper, 2008 (Taschenbuch) ISBN: 978-3-492-25221-8

Tom Shippey: »J. R. R. Tolkien – Autor des Jahrhunderts«

Eintrag, No. 529

{Diese Rezension erschien ursprünglich in »Magira 2007 — Jahrbuch zur Fantasy«, Hrsg. von Michael Scheuch und Hermann Ritter. Hier nun korrigiert und exklusiv um einige weiterführende Links erweitert.
••• Hier gehts zum Trailer der Sammelrezi mit Introdubilo und Warentrenn-Überleitungen.}

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Der vorherrschende literarische Modus des zwanzigsten Jahrhunderts war der des Phantastischen.

Mit diesem prächtigen Satz eröffnet Tom Shippey (*1943) seine große Führung durch das Schaffen und die Gedankenwelt des Mittelerdemeisters. Zugestanden: meine Begeisterung für Tolkiens Werk hält sich in Grenzen, aber das mindert nicht meine Faszination für diesen schrullig-konservativen Kreativ-Revolutionär der Phantastik. Trotz der Bedenken die mich zu vielen Aspekten von Tolkiens Fantasy umtreiben, teile ich die empörte Verdutzung der Phantastophilen über die ignorante Ablehnung und das zickige Unverständnis, mit der sich das ›literarische Establishment‹ größtenteils dem Papa Hobbit nähert[01].

Andererseits finde ich es genauso beunruhigend, wie Teile des Mikromilieus der Genre-Phantastikfans Tolkien unbekümmert nach jeweiliger Lust und Laune zurechtbiegen. Zugestanden: sich mit eigener Interpretation und Aneignung für ein Werk zu begeistern, oder simpel gesagt: für sich zu entdecken, schafft neue Perspektiven auf dieses Werk (auch für andere Leser, wenn man sich austauscht), aber dennoch bleibt es eine wichtige Orientierungsmarke, wenn man Schwammigkeitsriffe und Wischiwaschistrudel zu meiden trachtet, was denn ein Autor mit seinem Werk beabsichtig hat. Auf meinen Warnschildern an der Tolkien-Interprationsgrenze zum Unsinn stünde z.B. »Pfeiffenkraut ist kein Mittelerde-Marihuana!« und »Tolkien ist kein Pionier neuheidnischer Popular-Spiritualität!«.

Nun bietet Tom Shippey als einer der angesehensten, lebenden Tolkien-Experten mit seinem Buch angenehm verständliche Erläuterungen zum Mittelerdewerk[02]. Ein besonderer Glücksfall, denn nicht nur wandelt Shippey als Gelehrter für angelsächsische Literatur auf den gleichen Pfaden wie sein Vorgänger Tolkien, darüber hinaus ist Shippey selbst Herausgeber von Phantastik und (unter dem Pseudonym John Holm) auch ein Fabulierer. Er blickt also sowohl aus der Vogelperspektive akademischer Gelehrsamkeit, als auch aus der Froschperspektive schriftstellerischen Erzählens auf die Thematik. Skeptisch-bockige Verächter und überbegeisterte Zurechtdeuter können die Bröselig- oder Festigkeit ihrer Vorurteile anhand dieses Sachbuchs prüfen.

Der Hauptteil des Buches gliedert sich (weitestgehend chronologisch) in sechs Kapitel. Alles beginnt mit der eintönigen Korrigiererei von Studentenarbeiten, einer leeren Blattrückseite und einem gelangweilten John Reul Roland der gedankenlos einen Satz hinkritzelt, und ich meine natürlich: Alles beginnt mit dem »Loch in der Erde in dem einst ein Hobbit lebte«. Woher kommt das Wort »Hobbit«, und was soll man von anachronistischen Vokabeln wie »komfortabel«, »Tabaksdose«, »Postzustelldienst« und »Pfiff einer Lokomotive« in »Der Kleine Hobbit« halten? Hier ein Beispiel für Shippeys willkommenes Orientierungsgeschick:

Ein Autor, der eine Erzählung vor dem Hintergrund einer fernen Zeit darstellt, wird oft finden, dass die Kluft zwischen dieser Zeit und dem Bewusstsein des modernen Lebens allzu groß ist, um sich leicht überbrücken zu lassen; und folglich wird dann in den historischen Rahmen eine Gestalt von wesentlich modernerer Haltung und Empfindungsweise eingeschleust, die den Leser in seinen Reaktionen anleitet und ihm hilft, sich vorzustellen, ›wie es wäre‹, dabei zu sein.«[03]

Bilbo, dieser bequeme Mittelschichtbürger der viktorianisch-edwardischen Epoche, dient als »Spiegelteleskop in eine fremde Welt«[04], und fühlt sich entsprechend Fehl am Platze in dem archaisch-heroischen Reich von Mittelerde. Wortklaubereien behagen nicht jedem, aber wer eben von Tolkien diesbezüglich infiziert wurde, wird bereits in diesem ersten Kapitel reichhaltig verköstigt, mit Interessantem zu Begriffen wie Baggins (altes Nordenglisch für Brotzeit), oder »burglar« und »bourgeois« (der eine bricht in Burgen ein, der andere wohnt darin). Aufregend fand ich zum Beispiel auch, wie Shippey zeigt, dass die Schlacht der Fünf Heere im Grunde viele Wendungen des Ersten Weltkrieges in eine Pfeil und Bogen-Szenerie versetzt. Da organisiert Bard wie ein Infanterie-Offizier die kollektive Abwehr, da wird bis zum letzten Pfeil gekämpft (statt bis zur letzten Kugel) und werden Stellung gehalten, und Shippey resümiert diese Schlacht entsprechend:

Zwar ist der Sieg am Ende einem einzelnen und seiner von den Ahnen ererbten Waffe zu verdanken, doch liegt der Nachdruck der Schilderungen auf dem kollektiven Handeln, auf Planung und Organisation – mit einem Wort, auf Disziplin.[05]

Mit Spekulationen über den Zusammenhang von alten Wörtern für Höhlenbewohner (Holbytla), Hasen und Hobbits schließt Shippey das erste Kapitel ab, und verdeutlicht dabei, dass Tolkien daran gelegen war, eine Brücke zwischen Moderne und Vergangenheit zu bauen, und wie gut ihm das mit den Hobbits geglückt ist.

Als Herzstück des Buches folgen nun drei Kapitel über »Der Herr der Ringe« (desweiteren der Knappheit wegen HDR abgekürzt). Da (verständlicherweise) wohl kein deutscher Verlag auf absehbare Zeit (wenn überhaupt jemals) das Risiko und die ungeheuere Anstrengung wagen wird, die komplette dreizehnbändige »HISTORY OF MIDDLE-EARTH« zu übersetzen, sind diese Kapitel für alle, die sich hierzulande tiefer mit dem wichtigsten (wenn auch bei Weitem nicht einzigsten) Keimtext der heutigen Fantasy auseinandersetzen wollen, ein wunderbare Speisung, ein ausführlicher Ersatz für den editierten Nachlass. Zuerst widmet sich Shippey Tolkiens Tastversuchen um Struktur und Handlungsplan von HDR. Es ist eine verwickelte Queste für sich, wie sich Tolkien von Dezember 1937 an, Welle um Welle, lange Zeit planlos, mehrmals immer wieder von Vorne beginnend, langsam bis zur 1954/55 veröffentlichten Endfassung durchwurschtelte. Mit seiner Autopsie des Rats von Elrond (dieser unübersichtlichen Vorstandssitzung) verdeutlicht Shippey, dass dieses Kapitel in zweifacher Hinsicht einen bedeutenden Wendepunkt bezeichnet: erstens für Tolkien selbst, der bei seiner Arbeit an diesem Abschnitt endlich klare Sicht auf die großen tragenden Handlungssäulen seiner Wortkathetrale erlangte; zweitens als Wegscheide der Handlung, die mit der Mission der Ringzerstörung nun ein klares Ziel bekommen hat. Selbst für mich als Tolkienskeptiker ist es ein unterhaltsamer Unterricht, wie Shippey die ungeheuerlich unkonventionelle Komplexität von Tolkiens Schöpfung am Beispiel dieses Kapitels erläutert. In den beiden nächsten Kapiteln über die ideologischen und dann die mythologischen Dimensionen von HDR, legt Shippey die großen Themen aus, die Tolkien umtrieben. So zum Beispiel die quälende Menschheitsfrage nach dem Ursprung des Bösen, und warum es so viel Leid und Schmerz in der Welt gibt. Wie kann Gott das gewollt haben? Shippey zeigt, dass Tolkien sich dieser erzphilosophischen Probleme und Prüfungen des Glaubens annimmt, indem er zwei christliche Vorstellungen des Bösen, die ihn beschäftigt haben, gegenüberstellt: Erstens die orthodoxe Auffassung z.B. eines frühchristlichen Denkers wie Boethius, derzufolge das Böse keine eigenständige Wesenheit besitzt, nicht wirklich selbst etwas schaffen kann und nur durch die Abwesenheit des Guten Gestalt annimmt; zweitens das Gebäude des manichäischen Dualismus, demzufolge das Böse durchaus eine eigenständige dunkle Macht, und das Erdenrund ein Schlachtfeld des ewigen Kampfes zwischen Licht und Finsternis ist. Im Detail findet sich dieser Gegensatz z.B. in der Widersprüchlichkeit des Meisterringes wieder. Ist Saurons Über-Gadget ein psychischer Verstärker für unbewusste Ängste und egoistische Regungen? Oder ist der Ring selbst ein Charakter mit eigenem Willen? Auch als Nichtchrist kann einem dieses Beispiel Respekt für den Künstler Tolkien einflößen, wie er mittels dieses unentschiedenen Gegensatzes die zweifache Bitte um Schutz vor inneren und äußeren Versuchungen des Vater Unser-Gebets verarbeitet[06]. Beim Aufdröseln der mythologischen Dimension von HDR kommt Shippey schließlich auf zwei Vermittlungsambitonen Tolkiens zu sprechen. Einerseits war Tolkiens Anliegen, Verständnisbrücken zu errichten, zwischen christlichem Glauben und vorchristlicher heroischer Literatur (der sich J. R. R. und seine Inkling-Freunde, wie wir heute sagen würden, als Fans gewidmet haben), und andererseits zwischen christlichem Glauben und der nachchristlichen Gegenwartswelt (als welche der von den Schrecknissen der Moderne Traumatisierte seine Zeit empfand). Sozusagen locker nebenher liest sich das alles aber auch wie eine kleine (englische) Literatur- und Ideengeschichte, wenn Beziehungen zwischen Tolkiens Werk und solchen Klassikern wie Milton, Shakespeare und natürlich immer wieder »Beowulf« und die nordischen Sagas geknüpft werden.

Mit den beiden letzten Kapiteln leistet Shippey entsprechende Klärung zum »Silmarillion« und den kleineren Schriften Tolkiens. Da ich hoffentlich bereits genug Beispiele der klugen Beschäftigung Shippeys mit den Eingeweiden von Tolkiens Weltenbau angeführt habe, möchte ich das Augenmerk der geneigten Leser nun lieber auf die Einleitung und den Epilog von Shippeys Schatzkiste von einem Buch lenken. Diese beiden Teile sind nicht nur für Leser von Interesse, die ihre Sicht auf Tolkien schärfen möchten, sondern schildern anregend den merkwürdigen literaturkritischen Diskurs zu Tolkien und Phantastik. Shippey geht den Argumenten der Kritiker Tolkiens und dem überraschenden Erfolg vor allem von HDR auf den Grund, mit (wie ich finde) einer erfrischenden Portion streitbarer Plausibilität. Die Begeisterung des Publikums für Mittelerde wird drastisch kontrastiert durch die Ausgrenzung der Mehrheit der Gärtner der so genannten ernsthaften Literaturzirkel. Ein Exempel für die gespaltene Zunge der Kritik liefert Shippey z.B. mit Philip Toynbee, der 1961 in einem Artikel für die »Times« schrieb, dass die Kriterien, die ein guter Schriftsteller zu erfüllen habe, sein sollen:

  1. ein Privatmann zu sein, der sich nicht ums Publikum schert;
  2. er solle über alles schreiben und damit relevant machen können;
  3. er solle ein Artefakt schaffen, dass zuvörderst ihn selbst zufriedenstellt;
  4. und schließlich soll dieses Werk dann bei seinem Erscheinen schockierend, verblüffend und etwas für das Bewusstsein der Öffentlichkeit Unerwartetes sein.

Und dann tadelt dieser Toynbee im selben Jahr Tolkien, und war sich sicher, dass dessen Bewunderer ihre Mittelerde-Aktien bald wieder loswerden wollen, weil der ganze »Irrsinn« bereits der Gnade des Vergessens anheimfällt[07]. Shippey findet es kümmerlich, dass es Autoren wie James Joyce oder T.S. Eliot nicht angekreidet wurde und wird, dass sie ihre klar erkennbar modernen Werke mit Motiven alter Mythen und Sagen angereichert haben, genau dies aber gern gegen Tolkien angeführt wird. Und am ärgerlichsten: diese Ressentiments werden kaum jemals ordentlich begründet, und so vermutet Shippey, dass die damaligen Vorurteile der zumeist linksorientierten, protestantischen Literatur-Cliquen aus besserem Hause, gegenüber dem aus einfacheren Verhältnissen stammenden Katholen Tolkien für diese Betriebsblindheit verantwortlich waren, und sich diese Rhetorik gut eingeschliffen bis heute erhalten hat.

Wenn die Phantastik als Ganzes angegriffen wird, stelle auch ich Tolkien-Skeptiker mich beherzt auf die Seite des verständigen, aber alles andere als oberflächlichen Fürsprechers des Mittelerde-Meisters Shippey. Immerhin kann auch einer, der Tolkiens Werk für doof hält, die eigenen Argumente an so einem klugen Kenner wie Shippey schärfen. Nur zu gern habe ich mich von der Shippey-Lektüre zu »Hausaufgaben« anstiften lassen: z.B. mal mit Boetheus-Lektüre anzufangen und die Kurzgeschichten von Tolkien auf Englisch anzuschaffen und neuzulesen. — Abschließend möchte ich noch ganz unaufgeregt einem Wunsch Ausdruck verleihen: Eine günstige Taschenbuchausgabe von »J. R. R. Tolkien – Autor des Jahrhunderts« wäre sehr fein (und wenn’s noch’n büschen dauert bis dahin), denn immerhin kostet die gebundene Ausgabe 25,- € und es wäre schön, wenn ein verführerischer Taschenbuchpreis von ca. 12,– € weitere Leserkreise verführte, sich einmal »ernsthaft« mit dieser prominenten Zweitwelteschöpfung auseinanderzusetzen. Aber selbst wenn so eine Taschenbuchausgabe nicht zustande kommen sollte, ist es schön zu wissen, dass Klett-Cotta auch Shippeys »Der Weg nach Mittelerde« im Herbst 2007 auf Deutsch zugänglich machen wird. Ich freue mich schon darauf.

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»J. R. R. Tolikien – Autor des Jahrhunderts« (dt. »J. R. R. Tolkien – Author of the Century«, engl. 2000), übersetzt von Wolfgang Krege; Seiten: 396 Seiten; ISBN (gebunden): 978-3-608-93432-8.

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ANMERKUNGEN:

[01] Hier zum Sich-gruseln die ersten Zeilen des exemplarisch zickigen und unverständigen Eintrags in Frank Schäfers »Kultbücher« (Schwarzkopf & Schwarzkopf, 2000, S. 81ff):
Ein riesiger, stofflich ausufernder, immerhin dreibändiger Schmarrn der erst 1969 ins Deutsche übersetzt wurde, was einigermaßen erstaunlich ist, denn der notorische Nachkriegs-Eskapismus wäre mit diesem atavistischen {gemeint ist vulgo: »rückständigen«, womöglich sogar »zurückgebliebenen« – Molo} Pseudo-Mathos doch eigentlich auch recht gut bedient gewesen. So erlößte jene Romantrilogie die meisten deutschen Traumtänzer und Schwarmgeister erst in den 70er und 80er Jahren (im Gefolge des Fantasy-Booms) aus ihrer Realitätsstarre und schickte sie auf eine weite Reise nach »Mittel-Erde«.

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[02] Shippey ist mir schon bei den Dokumentationen der Jackson’schen »Special Extended Edition« von »Der Herr der Ringe« angenehm aufgefallen. – Ich gestehe freimütig: Tom macht als leidenschaftlicher Experte bei diesen Dokus auf mich einen herzerfrischend sympathischen Eindruck. Vom Team des ganzen Verfilmungszirkus traue ich nur den beiden Künstlern John Howe und Alan Lee, sowie Christopher Lee zu, eine mit Shippey vergleichbare sinnfällige Schau auf Tolkiens Schaffen zu haben. ••• Zurück
[03] S. 46. ••• Zurück
[04] S. 47. ••• Zurück
[05] S. 82. ••• Zurück
[06] »Führe uns nicht in Versuchung / und erlöse uns von dem Bösen.« ••• Zurück
[07] Knuffig auch Hermann Hesses Urteil 1922 über E. A. Poe:
Die ganze ihm nachfolgende Literatur des Grauens und der Phantastik wird rasch wieder untergehen.

»Schriften zur Literatur« ••• Zurück

Max Brooks: »Weltkrieg Z. Eine mündliche Geschichte des Zombiekrieges«

Eintrag No. 528

Für die Sammelrezi »Wonniglich verirrt im Labyrinth der Phantastik« in »Magira 2009« überarbeitet und erweitert worden.

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Manche Medienwerke sind bewundernswert, weil sie sehr gut gemacht sind. Ein Gemälde kann inhaltlich fad sein, und doch bereiten Komposition und Farbhandhabung Genuss. Ein Film kann mau dahin dümpeln, aber die Kameraarbeit, oder die Musik oder die Darstellungskunst eines Schauspielers vermögen zu beeindrucken. Ein Buch mag nur eine belanglose, flache Geschichte erzählen, jedoch versteht es die Sprache uns zu fesseln.

Umgekehrt gibt es Werke, die zuallererst durch eine brillante, umfassende, neue Perspektiven eröffnende Idee auffallen. Der Amerikaner Max Brooks (1972) hat es mit seinem »World War Z – An Oral History of the Zombie War« vollbracht, mich dementsprechend umzuhauen, meinen respektvollen Neid und somit meine Begeisterung zu entfachen, indem er die in den letzten Jahren schier unübersichtlich angewachsene Epidemie von Zombiestoffen um ein grenzgeniales Meisterstück bereicherte.

Wermutstropfen und Grund zu Uffregung über hiesige Lektorat- und/oder Vermarktungsentscheidungen: Der deutsche Titel, »Wer länger lebt, ist später tot – Operation Zombie«, mit dem der Goldmann-Verlag das Buch bei uns in die Läden schickt, legt irrigerweise nahe, dass man es zuvörderst mit einem locker-schwarzhumorigen Schmunzel-Witzebuch zu tun hat. Auch wenn Humor in Max Brooks Zombie-Buch durchaus hie und da durchschimmert (kein Wunder, ist er doch der Sohn von Mel Brooks und Anne Banecroft), handelt es sich dabei doch mehr um bitter-galligen Humor.

Zombies: diese herzig-schaurigen Mob-Monster haben sich etwa mit dem Beginn des neuen Milleniums wunderbar zu einer Großmetapher für Spannungen und Probleme der so genannten Globalisierung gemausert. Wir erinnern uns: die ›klassischen‹ Zombies ab den Fünfzigern/Sechzigern waren ziemlich träge und ließen sich prima als phantastische Horror-Illustration für willenlose Konsumenten- und Konformationsträgheit deuten.

Die moderne Zombies seit der Jahrtausendwende aber rennen geschwind den lebenden Hirnträgern nach (wie im Remake von »Dawn of the Dead«, in »28 Days Later«), und entwickeln sogar Ansätze von Kooperation und Deduktion (wie in »Land of the Dead«). Verschiedentlich wurden diese flinkeren, wütenden Zombies durchaus einleuchtend als Metapher für ebenso zornige Globalisierungskritiker gedeutet. Jedoch, finde ich, liegt darin eine interessante Doppel- wenn nicht Vieldeutigkeit, denn Zombies können eben für alles mögliche stehen: willenlose Hinterherläufer (»Keiner will denken, aber alle wollen Menschenfleisch fressen. Ich auch.«), wütende Rebellen (»Wir sind die ehemaligen Konsummondkälber die wegen schlechter Arthaltung jetzt mit Tollwutgeifer zurückbeißen«), entmenschlichte Egoisten (»Schießt ruhig. Hauptsache, ich krieg Menschenfleisch«) und und und.

Zwar bleiben die Zombies bei Max Brooks dem klassischen Zombiebild treu, aber seine dolle Idee, mit der er dem Genre enorm viel Neues abgewinnt, wiegt das locker auf (wobei ich zweifele, dass es bei Brooks’ Buch überhaupt einen gröberen Makel gibt, den es wett zu machen gilt). Normalerweise spielt die große, nation-, kontinent- oder weltweite Untoten-Pandemie eine dekorative Rolle im Hintergrund von Zombiegeschichten. Üblicherweise begleitet eine solche Geschichte über einen kurzen Zeitraum eine Handvoll Menschen, wie die sich eher schlecht als recht in einer Welt durchschlagen, -ballern, und -schnetzeln, in der plötzlich die Toten mit großem Hunger herumwackeln.

Max BrooksBrooks erklärt im Vorwort von »World War Z«, dass er nach dem großen Zombiekrieg von den Vereinten Nationen beauftragt wurde, einen Bericht über selbigen zu schreiben. Allerdings haben seine Vorgesetzten gemosert, sein Manuskript enthielte zu viel »menschelnde Anteile«, man wolle nur die harten, kalten Fakten, die Zahlen. Mitnichten wolle man es aber Brooks verbieten, das Material seiner Interviews in einem eigenen Buch zu verarbeiten. Dieses Buch halten wir Leser nun in Händen. Brooks nimmt sich selbst zurück und präsentiert uns in 58 Studs Terkel-artigen Interviewtranskripten[01] eine ungewöhnlich facettenreiche Geschichte des weltweiten Zombiekrieges.

Auch ohne Zombies böte Brooks Buch genug Grusel, denn es scheut sich nicht, konkrete Mißstände zu beschreiben, die auf enthemmtem Nutzen des globalen Handels- und Kommunikationsnetzwerkes gründen. So hat die Zombieseuche markanterweise ihren Ursprung irgendwo im Herzen Chinas. (Regelmäßig trachten Apokalyptiker danach, uns Erstweltbürgern heiligen Schrecken vor einem gedankenlosen »Weiter so!« unseres Zivilisationsstandarts einzuflößen, wenn wir uns der schrecklichen Konsequenzen gewahr werden sollen, dass die lebenstragenden Qualitäten von Mutter Erde schnell gänzlich erschöpft würden, sollten die Menschenmassen Chinas fortfahren mit ihrem Anliegen, unseren Konsum- und Verschwendungslebensstil nachzuahmen.) Die ersten Untoten steigen aus den Wassern eines Stauseegebietes, einem jener künstlichen Fortschrittsgewässer, die den wachsenden Energiebedarf Chinas sichern sollen. Die Chinesen halten die Zombies, wie die gegen sie gerichteten Säuberungsaktionen, natürlich erstmal fatalerweise streng geheim. Auch im weiteren Verlauf des Romanes ist Kritik an bisherigen Praktiken der materiellen und informellen Ressourcehandhabung ein Dauerthema. Die Schattenseiten einer entgrenzten und unzureichend überwachten Logistik schildert ein bald folgendes Interview, in dem ein Assistenz-Arzt erzählt, wie auf der anderen Seite der Welt, in Rio, ein tiefgefrorenes, chinesisches Zombievirus-tragendes Spenderherz (für einen riechen Österreicher über eine Schwarzmarkt-Connection aufgestöbert), für den ersten Zombie in Brasilien sorgt.

Freilich wäre es überspannte Verlobudelung zu behaupten, dass jedes der 58 Interviews eine Gemme für sich ist. Aber richtige Nieten gibt es keine, ja nicht mal seichtes Mittelmaß. Zu den Höhepunkten zählt aber sicherlich die eine kleine Reihe an Gespräche mit dem US-Army-Veteran Todd Wainio, der verschiedene Phasen des vieljährigen Überlebenskampfes gegen die Zombies mit seinen Berichten anschaulich schildert: vom desaströsen Versagen der noch unerfahrenen Streitkräfte beim ersten Kontakt mit einem womöglich millionenköpfigen Zombieschwarm, der sich von New York aus ins amerikanische Landesinnere bewegt, über seine Beurteilung der einige Jahre später erheblich verbesserten Taktik der Antizombiekampfverbände, bis hin zum zähen Wiedererschließen beim langsamen Säubern der aufgegebenen Städte. — Atemlos habe ich die Erlebnisse des als Jungen von der Hiroshimabombe geblendeten Japaners Sensei Tomonaga Ijiro gelesen. Alleine schafft er es trotz seiner Blindheit mittels Bewahrung eines kühlen Kopfes und Vertrauens in die Naturgötter eines Naturschutzgebietes zu überleben. Wahrhaft un-glaub-lich.

Sicher ist, dass Brooks für alle Horror- und Zombiefans exquisite Schock- und Gruselpassagen bietet. Erstaunlich jedoch, dass die typischen Gruseleien eigentlich recht rar (wenn auch geschickt) gesetzt sind. Im Laufe des Buches tritt deutlicher eine andere Art von Grauen in den Vordergrund, die Konfrontation mit den von Brooks vorgeführten menschlichen Abgründen, sowohl individueller wie institutioneller Art. Zum Beispiel, wenn in seinem Arktis-Exil ein gerissener Geschäftemacher zu Worte kommt, der die Furcht vor den Zombies ausnutzte um mit wirkungslosen Impfstoffen noch schnell Geld zu scheffeln bevor alles zusammenbrach; oder wenn die Sträflingssoldaten russischer Zombiesäuberungstrupps die unmenschlichen Disziplinierungstyrannei in ihren Lagern schildern. — »World War Z« gelingt es, dass sich im Hintergrund ein Grauen zusammenballt, wenn so manche dunkle Ahnung und Stimmung beschworen wird, wie es zuginge, (oder in absehbarer Zeit zugehen wird), wenn die zivilisatorischen Polster und Zügel verschwinden, und unzählige Menschenmassen sich wegen virulent ausbreitender Fanatismen, knapper werdenden Rohstoffen und rapide schrumpfenden Überlebensräumen, panisch gegenseitig an die Gurgel gehen.

Kurzum: Ein vielseitig unterhaltsamer Zombietitel, der wegen seiner Sensibilität für gesellschaftliche Probleme und gerade durch sein Augenmerk ›menschlichen Faktor‹ auch für Nicht-Zombiefreunde empfehlenswert ist. Ein wundervolles Beispiel dafür, wie man mit phantastischen Großmetaphern spielerisch und zugleich engagiert über die tatsächliche Welt sprechen kann.

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ANMERKUNGEN:

[01] Studs Terkel (1912-2008) erwarb sich als Gesprächspartner in unzähligen Interviews den Ruf (ab 1952 fürs Radio, dann auch in Buchform), der Mann zu sein der Amerika interviewte. Als Pionier der »Oral History« veröffentlichte er Gespräche, überwiegend mit »einfachen Menschen« zu Themen wie Jazzmusik, den Zweiten Weltkrieg, alltäglichen Rassismus, die »Great Depression«, Grenzerfahrungen, Ängste, Wünsche und Hoffnungen. ••• Zurück

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Max Brooks: »World War Z – An Oral History of the Zombie War« (2006), 342 Seiten; 52 Interviews in 8 Abschnitten mit einer Einleitung und einer Illustration von John Petersen. Paperback Edition, Three Rivers Press; ISBN: 978-0-307-34661-2.
Max Brooks: »Wer länger lebt, ist später tot – Operation Zombie« (2007), übersetzt von Joachim Körber, 448 Seiten. Goldmann Taschenbuch; ISBN: 978-3-442-46539-2.

Dietmar Dath: »Die Abschaffung der Arten« und eine schöne Unterscheidung

Eintrag No. 525 — Auf der Website zu seinem neuem Buch »Die Abschaffung der Arten« bekommt man ein ausführliches Interview mit dem Autoren Dietmar Dath geboten. Unter anderem führt er dort eine, wie ich finde, sehr verführerische Unterscheidung der drei großen Schubladen des Phantastischen, SF, Fantasy, Horror vor.

{W}as ist das denn eigentlich, Fantasy, im Gegensatz zu den beiden anderen Untergattungen der heutigen Phantastik, Horror und Science Fiction? Fantasy ist diejenige Literatur, die sich mit den Gesetzen, Konsequenzen und Implikationen des magischen Denkens beschäftigt. Das magische Denken — Analogien, Totem, Tabu, Fetisch, Übernatürliches etc.

Im Gegensatz zu den Literaturen, die sich mit dem magischen Denken beschäftigen, steht…

…das wissenschaftliche — Induktion, Deduktion, Hypothesenbildung, Occams Rasierklinge etc. pp.

Dem entsprechend erläuert Dath desweiteren:

Fantasy beschäftigt sich mit Offenbarungen; Science Fiction damit, etwas auf anstrengendere Art herausfinden und anwenden zu müssen. Also nicht: Fantasy ist das Unmögliche, Science Fiction das Mögliche. Sondern: Fantasy will Erkenntnis-Effekte als Überwältigung durch das Nichtverstehbare, Science Fiction will dieselben Effekte als Beeindrucktsein von (durchaus manchmal gewaltigen) Arbeitsergebnissen. Gemeinsam haben die beiden Gattungen allerdings miteinander (und mit dem Horror, in dem es um das auf viszerale [= lat. ›Eingeweide‹ — A.v.Molo] Wirkungen berechnete Erschüttern und manchmal Wiedererrichten von stabilen sozialen, sexuellen und sonstigen Ordnungen geht, weswegen Horrorelemente sowohl in SF wie in Fantasy Platz haben, da sich dieses Problem sowohl magisch wie wissenschaftlich betrachten läßt), daß sie versuchen, vollständige Welten zu suggerieren (nicht »zu erschaffen«, das geht ja nicht, das sagt man nur manchmal als größenwahnsinniges Kürzel so daher).

Auch zum immer noch unermüdlich vorgebrachten Eskapismusvorwurf, mit der man die Phantastik gerne ins Abseits zu stellen trachtet, hat Dietmar Dath eine vorzügliche Replik parat:

Ich fand sehr nett, wie sich der große Wahnsinnige John C. Wright in der Widmung zu seiner soeben erschienenen Fortsetzung von A.E. Van Vogts Null-A-Geschichten bei Van Vogt bedankt hat: Dessen Welten, so Wright, seien in Wrights Kindheit diejenigen gewesen, die ihn, den lesenden Jungen, gern empfangen hätten, wenn er sich wieder mal von der andern, der empirischen sozialen Welt verstoßen gefühlt habe. Das ist, entgegen der beliebten Eskapismusschimpfe von Sozialpädagogen und anderen Wirklichkeitsdressurreitern, eine völlig legitime, im Gelingensfall sogar hoch ehrenwerte Leistung phantastischer Literatur oder Kunst. Ich meine, im Ernst, Kinder: Das könnte denen so passen, daß man ihre Scheißwirklichkeit nicht nur nicht verändern können soll, sondern noch nicht einmal das Recht zugestanden kriegt, sich mal eine Weile mit was ganz anderem zu befassen, um nicht komplett abzustumpfen.

NACHTRAG vom Samstag, den 28. Okt. ‘08:

Nun habe ich den Dietmar Dath endlich mal gesehen, bzw. gehört. Ist ja immer so eine Sache, die einem bei Zweifelsfällen weiterhilft, wenn man (also ich) nicht immer durchblickt, wie ein Autor (eben Dath) etwas meint. Ich tue mir ja zugegebenerweise oftmals schwer damit zu unterscheiden, wann jemand die Wahrheit sagt, und wann er es ernst meint.

Nun also weiß ich, das Dath so ein ganz schnell Sprechender ist. Leider leider hat er sich die meines Erachtens schwächste Stelle aus »Die Abschaffung der Arten« augesucht, um dem Buchpreispublikum im Literaturhaus zu Frankfurts Schöner Aussicht eine Kostprobe zu bieten.

Bei dem Buch wird ja viel durcheinandergemischt (und der Collageästhetetik nähere ich mich ja erstmal mit einem wohlwollendem Vorurteil, zumal das Buch ja gleich zu Beginn mit einem Motto von Lord Julius aus »Cerebus« aufwartet.). Das liest sich über weite Strecken wie ein Konversationsroman mit Tieren. Ziemlich lustig, wenn z.B. Kunstgalerie-Wichtigtuerei-Gesülze veräppelt wird, oder auch, wenn Dath mittels dem Jounglieren aller möglichen dollen SF-Ideen (oder sollte ich ›Spinnereien‹ sagen?) über die Doofheit der Gegenwart lästert. Immerhin wird als der rote Faden Buches die brenzlige Frage angeboten ›warum den Menschen passiert ist, was ihnen passiert ist‹.

Langweilig und arg verstelzt geriet Daths Roman — tragischerweise ausgerechnet — wenn er anfängt über Liebe und Sex zu schreiben. Da gelingt ihm leider nur alle paar Absätze mal ein mitreissender, nichtpeinlicher Satz (Romeo & Julia wird bemüht, um den selbstgenügsamen Dual-Narzismus eines ehemals männlichen, nun weiblichen Schwanenwesens zu schildern, dass sich in zwei Leiber aufteilen kann, bei Mondlicht! im Bombenkraterteich der Ruine der Uni Princton!).

Es zeichnet sich für mich als Tendenz ab: Als Thesenschleuder und anregender Ideenbäcker ist Dath, wie immer eigentlich, echt ein Genuß. Aber leider krankt seine Erzählerei an Nervigkeit. — Extremst daneben finde ich Daths begeisterte Hillfslosigkeit, wenn seine tierischen Zukunftsbewohner sich die Namen von SF-Autoren aufsagen, und welche dollen Dinge die in ihren Büchern diagnostiziert, vorhergesehen haben.

Ach ja: in Richtung (Schutz)Umschlaggestalter des Suhrkampverlages. Das Cover ist total in Hose gegangen! Hat höchstens Chancen auf den Preis des langweiligsten Covers des Quartals.

Ich gebe bescheid wenn ich mit dem Buch fertig bin (ich bin derzeit auf Seite 319 von 552).

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Dietmar Dath: »Die Abschaffung der Arten«; 552 Seiten (122 Kapitel gebündelt in XVIII Abschnitten unterteilt in Vier Sätze), mit Tiervirgnetten von Daniela Burger; Suhrkamp 2008 (gebunden); ISBN: 978-3-518-42021-8
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