molochronik

Molos Wochenrückblick No. 42

Eintrag No. 702 — Diesmal mit weniger Links, dafür um so mehr Kultur-Meldungen aus dem Haushalt.

Zitat: Gefunden am letzten Dienstag als Tagesspruch des diesjährigen »Raben«-Kalenders. Wunderschönes auf den Punkt bringen der tatsächlichen Entwicklung einer erfolgreichen Wirtschaftsform.

Der Kapitalismus basiert auf der merkwürdigen Überzeugung, dass widerwärtige Menschen aus widerwärtigen Motiven irgendwie für das allgemeine Wohl sorgen werden!
Capitalism is the astounding belief that the most wickedest of men will do the most wickedest of things for the greatest good of everyone.
— John Maynard Keynes (zitiert von Michael Alpert in »Moving Forward: Programme for a Participatory Economy« {2000}, wahrscheinlich eine Paraphrase eines Satzes von Sir George Schuster in »Christianity and human relations in industry« {1951})

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Lektüre: Vergangene Woche habe ich drei ›kleinere‹ Werke geschafft.

Lewis Carroll (Text) & Mahendra Singh (Illustrationen): »The Hunting of the Snark«Nummero Eka: Schon in Wochenrückblick No. 17 empfohlen, mittlerweile ist’s erschienen, wurde endlich von mir bestellt und verköstigt: die von Mahendra Singh illustrierte Ausgabe von Lewis Carrolls unsterblicher Ballade »The Hunting of the Snark«. Das klassische Non-Sense-Poem von Carroll aus dem Jahre 1876 gehört zu meinen Allzeit-Lieblingstexten. Wem die Originalfassung zu schwer ist, dem sei die Übersetzung von Klaus Reichert ans Herz gelegt (die Insel Taschenbuch-Ausgabe ist zweisprachig und enthält auch die klassischen Illustrationen von Henry Holiday).

Was Mahendra Singh geschaffen hat, ist nichts weniger eine fruchtbare Comic-Neudeutung dieses Klassikers als proto-surrealistisches Meisterwerk. Immerhin schafft Carrolls Non-Sense eine den Ambitionen vieler Surrealisten ähnliche Stimmung, nämlich eine ungewöhnliche, vielleicht sogar befreiende traumdurchwirkte Sicht auf die Wirklichkeit anzuregen, und so tummeln sich in Singhs fein, fast schon fragil gezeichneter Fassung Anspielungen auf Klassiker wie Salvador Dali, Alberto Savinio, Giogio de Chirico und (meinem speziellen Liebling) René Magritte, aber auch solcher Kunstschaffenden, die sich später von Carroll und den Surrealisten inspirieren ließen, wie den Beatles, Douglas Adams und George ›Krazy Cat‹ Herriman.

Lewis Trondheim: »Nichtigkeiten 1 – Der Fluch des Regenschirms«, Reprodukt 2011.Nummero Deux: Seit ich den ersten Comic von ihm gelesen habe (das war 1998 »Die Fliege«), wurde der bemerkenswert produktive Lewis Trondheim zu einem regelmäßigen Aufheiterer meines Lebens. »Nichtigkeiten 1 – Der Fluch des Regenschirms« ist 128 dick und liefert tagebuchartige Einseiter-Gägs, unter anderem übers die Anschaffung von Katzen; die Verleihung des großen Comic-Preises; Reisen nach Edinburg und die Insel Réunion; Herumfuchteln mit ‘nem Spielzeug-Laserschwert und mannigfaches Grübeln über Zufall, Schicksal und die eigene berechtigte oder doch nur außer Rand und Band geratene Paranoia.

Am meisten mit-›gelitten‹ habe ich, als Trondheims seine Ernüchterung schildert, nachdem er mit seinem Sohn »Alien« geguckt hat. Der elfjährige Filius hängt gelangweilt auf’m Sofa, der Film geht an ihm vorbei und so stellt er ununterbrochen Fragen wie »Sind sie gelandet?«, »Wer ist der Boss?«, »Spielt der Film jetzt nur noch im Raumschiff?«, »Wieso hat der Robotor so ‘ne weiße Flüssigkeit?« und »Wieso ist es denn so dunkel?«. — Trondheim daraufhin: »Hätte ich mit 11 ›Alien‹ gesehen, ich wäre bis ans Ende meiner Tage traumatisiert gewesen.« — Und der Sohn rennt befreit davon auf der Jagd nach was zu naschen.

Charles Portis: »True Grit«, Rowohlt Taschenbuch 2011.Nummero Three: Es war zuvörderst eine Laune des Augenblicks und weil ich vergessen hatte, mir etwas zum Lesen mitzunehmen, weshalb ich letzten Mittwoch im Bahnhofs-Buchladen zur deutschen Ausgabe von Charles Portis’ »True Grit« gegriffen habe; dann natürlich, weil in den kommenden Tagen die (Neu-)Verfilmung durch die von mir geschätzten Coen-Brüder anläuft und ich ab und zu gerne checke, welche Entscheidungen beim Umsetzten von einem Medium ins andere getroffen wurden; und schließlich, weil ich eine Schwäche für Western-Geschichten habe.

Ich verkünde folgendes nicht leichtfertig, denn es ist ein Urteil, das nur wert hat, wenn man es selten ausspricht, aber dieser schmale Roman ist makellos … ma-kel-los. Keine Zeile zuviel die stört, ablenkt, sinnlos rumhängt oder auf unnötige Abwege führt; keine Zeile zu wenig (also es fehlt nix wesentliches, keine wichtigen Fragen bleiben offen). Einfach perfekt, wenn die Erzählerinnen-Stimme der vierzigjährigen alten Jungfer Matti sich an ihre Jugendzeit erinnert, als sie vierzehn-jährig loszog, um die Heimführung der Leiche ihres Vaters zu organisieren, der von seinem angetrunkenen Farmhelfer im Suff und SpielverliererZorn erschossen wurde. Und da sie schon unterwegs ist, heuert Matti den herum- (und ein wenig herunter-)gekommenen Marshall Rooster an, um den ins Indianerterretorium geflohenen Mörder zu fassen.

Etwas verärgert, aber überwiegend amüsiert haben mich folgende Zeilen zum Buch aus der ›Literatopia‹-Rezension von Angelika:

Dennoch aber muss der geneigte Leser leidlich feststellen, dass Mattie so gar nichts kindliches mehr an sich hat. Im Gegenteil. Charles Portis präsentiert seine junge Heldin sehr kalt und bestimmt und lässt sich damit die Gelegenheit entgehen, einen zerbrechlicheren Charakter vorzuzeigen, der vielleicht berührbarer gewesen wäre. So jedoch ist es bedauernswert, dass diese sonst sehr bestechende und furios wirkende Handlung niemals wirklich emotional werden will und damit ebenso ein bisschen oberflächlich wie kurzweilig bleibt.
Das verrät viel über die Leserin und wenig über die Güte des Buches. Man ›kann‹ einem Buch vorwerfen, das es nicht liefert, was man gerne hätte oder erwartet. Man sollte sich aber vielleicht vor dem Urteils-Äußern fragen, ob man nicht am Buch vorbeigelesen, z.B. in diesem Falle übersehen hat, aus welcher Lebenswelt Matti kommt und wie sie von dieser geprägt wurde; warum sie von ihren Mitmenschen als ungewöhnlich angesehen wird (frühreif, stur, unsentimental, helles Köpfchen, zäh, religiös streng, belesen); dass Matti durchaus ein paar wenige Male weint. Man achte allein auf Mattis inniges Lobpreisen eines wesentlichen Helden des Buches, dem Cowboy-Ponny Little Blackie! — Wie dem auch sei, hier noch mein liebster Matti-Spruch (Seite 167):
{I}ch {…} hatte keine Lust, mich auf ein Wortgefecht mit einem Betrunkenen einzulassen. Was hast du schon erreicht, wenn du einen Narren besiegst?

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Film: Einmal geliehene DVD, einmal Kino mit Andrea.

»snatch – Schweine und Diamenten«»snatch – Schweine und Diamanten« Der erste Film von Guy Richie, den ich gesehen habe, war seine Neuauflage der Abenteuer von Sherlock Holmes, mit der ich durchaus zufrieden war. Sein zweiter Film, »snatch – Schweine und Diamanten«, wurde mir im Laufe der Jahre von vielen Bekannten empfohlen. Ganz ehrlich: ich habe den Eindruck, dass der Film wenig mehr tut, als auf einer Welle zu reiten, die von Tarantinos »Reservoir Dogs« und »Pulp Fiction« losgetreten wurde … auch wenn »snatch« das besser macht, als so manch anderer Flick, der uns die raubeinige Welt von Gangstern als chaotische, brutale und groteske Abenteuerwelt unterjubeln will. Die Inszenierung ist flott, die Handlung um den Diebstahl eines fetten Diamanten hinreichend verknäult um zu unterhalten, und das Spiel des Ensembles so lustvoll und deftig, dass ich über die Belanglosigkeit des Ganzen gerne hinwegsehe. Erstaunlich, wie solide Jason Statham agiert. Die größte Wonne bereitete mir Alan Ford als schmieriger Gangsterboss Bricktop.

Fazit: Netter Film für Zwischendurch, gut für eine Handvoll Schmunzler, auch wenn er mir zu berechnend cool daherkommt. — 6 von 10 Punkten (= Unterhaltsam mittelprächtig; Akzeptabel).

»The King’s Speech«»The King’s Speech« Wieder einmal bringt sich eine Geschichte als Oscar-Kandidat in Stellung, die uns davon erzählt, wie ein gehandicapter Mensch mit seinem Defekt zurande kommen muss. In diesem Falle ist es der Stotterer Bertie, der wider Willen und unerwartet Thronfolger wird, und zum Beginn des zweiten Weltkrieges gefälligst meistern muss, via Radioansprachen seinen Untertanen Inspiration und Mut zu spenden, im Kampf gegen Hitler und Stalin. — Der Film schwelgt deutlich zu verliebt im Ambiente des ›good old England‹, was ich aber verzeihen kann. Immerhin erzählt »The King’s Speech« ganz effektiv davon, wie sehr Menschen mit der ihnen aufgebürdeten Stellung, der Rolle die sie einnehmen müssen und den daraus resultierenden gesellschaftlichen Zwängen zu hadern haben. Als jemand, der als Kind und Teen unter Stress gestottert und gelispelt hat, fand der Film, trotz seiner offensichtlichen Kalkuliertheit, mit mir ein wohlgesonnenes ›Opfer‹. — Das alles hätte schwer daneben gehen können, wenn nicht die beiden Hauptdarsteller (Colin Firth als sprachgestörter Prinz, und Geoffrey Rush als unkonventionell-fortschrittlicher Sprachtherapeut), und die sie unterstützende NebendarstellerInnen, hier nicht wahrlich meisterlich auftrumpfen würden.

Fazit: Berührende Studie einer Milieu-Zwänge überwindenden Männerfreundschaft; zudem auch anschauliche Darstellung, wie sehr das Selbstwertgefühl und Ansehen eines Menschen von seiner Sprache abhängen.— 8 von 10 Punkten (= Bemerkenswert mit leichten Schwächen; Anregend).

Netzfunde

  • Zu den Artikeln der diesmonatigen Ausgabe von ›Le Monde Diplomatique‹, die jetzt schon im Netz nachzulesen sind, gehört Die Bahnhofslektion — Das Beispiel Stuttgart 21 und die Grundlagen der Demokratie von Lutz Wingert. Wunderbar, wie darin mittels einer längeren Analogie phantastisch geschildert wird, in welcher Art von Schein-Demokratie wir leben:
    {…} Restaurant-Demokratie {…}: Vorzugsweise am Wahltag äußern die Bürger ihre Wünsche. Der Kellner in Form einer Partei nimmt sie entgegen und trägt sie in die gut abgeschirmte Küche. Dort halten die ministeriellen Köche gerne Rücksprache mit den meist privatwirtschaftlichen Experten über Grundlage und Zutaten des Menüs, je nachdem, ob es sich um ein Menü in Sachen Gesundheit, Finanzmarktregulation oder Stadtentwicklung handelt. Nach der Vorspeise werden Umfragen im Gästeraum des Bürgerpublikums gemacht und an die Kellner gemeldet. Wem die dann servierten Entscheidungen nicht schmecken, der kann beim nächsten Mal andere Wünsche anmelden oder sich an andere Kellner wenden.
  • Eine feine Zusammenfassung der weltpolitischen Entwicklungen bietet dieser Vortrag von Noam Chomsky, dem großen alten Herren der US-eigenen Landes-Kritik, gehalten am 25. Januar an der Universität von Tennessee.
  • ›Telepolis‹ beglückt uns mit einem langen Artikel von Tom Appelton, der mit Im (sic!) Anfang war das Bild das Werk von Robert Crumb erläutert, insbesondere dessen Bibel-Umsetzung »Genesis«.

(Deutschsprachige) Phantastik-Funde

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Zuckerl

  • Eine wunderbare Spielerei, eine Art interaktives Blödsinn-Comicfilmchen, liefert Motiza von ›baboon‹. Alles beginnt stets von Neuem mit einem Samenkorn. Doch was machen damit? Es in einen Blumentopf pflanzen oder von einem Vögelchen fressen lassen? Viel Spaß mit dem Erkunden der Möglichkeiten (freut Euch über das Hasi!)
  • Passend zu meinem letzten ›Fetzenschädel‹-Eintrag kann man bei antville-Kollegen pheake darüber abstimmen, wie ›Copy-Karl‹ zu Guttenberg am besten zurücktreten sollte.

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Molos Wochenrückblick No. 41

Eintrag No. 700 — Es freut mich, dass mein für den Golkonda Verlag erstelltes Portrait der Brüder Strugatzki Verwendung findet auf der Website ›Life in the 22. Century‹ von Andreas Reber.

Lektüre / Film: Habe »Unendlicher Spass« zur Seite gelegt, aber nicht abgebrochen. Mir ist was dazwischen gekommen, nämlich die Krimi-Serie »Castle«.

Ich teste immer wieder mal TV-Serien an, und finde da auch so einiges, was ganz amüsant ist, aber es ist schon eine Weile her, dass mich eine Serie so schnell so begeistert hat wie diese ziemlich klassische Krimi-Kiste mit einer Priese Screwball Komödie. — Man nehme ein Pärchen und kehre die Geschlechter-Rollenklischees um: also hier einen selbstverliebten & plapperhaften Thriller-Autor, Rick Castle, dort eine herbe & abgebrühte Kommissarin, Kate Beckett, beide erfolgreich auf ihrem Gebiet, verbandle die beiden in einem Geflecht aus gegenseitiger Faszination und vorsichtiger Distanz und schicke sie los im Gewimmel von New York um Mordfälle zu klären.

Was mich nun unter anderem arg angefixt hat, ist das Metafiktion-Spiel, das die Sendung veranstaltet: Castle begleitet Beckett vor allem deshalb, weil sie seine Inspiration für seine neue Romanfigur, Nikki Heat, ist. Und den ersten Nikki Heat-Roman, »Heat Wave«, gibt es schon in Echt als Taschenbuch, und den habe ich letzte Woche unterwegs schwupps verschnabbuliert. Keine hohe Prosa, sondern ebenso wie Brunetti, Jury und Co schlicht gute kurzweilige Krimi-Unterhaltung. — Die Serie und das Buch zeichnen sich durch flotte Dialoge und geschickt konstruierte Fälle aus. Ein großes Vergnügen.

Netzfunde

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Rüge

  • Der Science Fiction-Podcast Schriftsonar nervt mich ungemein mit seiner platten viel zu langen Elektropampenmusik. Und in der jüngsten, der 40. Ausgabe, fröhnen die Macher einem simpel gestrickten Anti-Intellektualismus, dass die Schwarte kracht, anlässlich des Romans »Anathem« von Neal Stephenson (ca. ab Minute 24:00):
    Michael Schneiberg: Ich fand Umberto Eco immer furchtbar. Für mich ist das ein eingebildeter Bildungsbürger. Kann ich nichts mit anfangen. Und Neal Stephenson, so leid es mir tut, ich liebe ihn für seine frühen Bücher (auch wenn das wieder ein Klischee ist), der entwickelt sich echt zum verdammten Besserwisser.
    F. C. Stoffel: Es hat sich bei mir über die vielen Jahrzehnte, wo ich wirklich schon viel gelesen habe, eine sehr provokante These verfestigt, die ich auch an sehr vielen Science Fiction-Autoren bestätigt sehe, nämlich: richtig gute Schriftsteller dürfen nicht zu intellektuell sein. {…} Autoren dürfen nicht zu intellektuell werden, weil dann werden sie selbstverliebt.

    Allerdings wird in dieser Ausgabe dann auch »Die gelöschte Welt« von Nick Harkaway begeistert gelobt, was mich wieder ein wenig versöhnt mit der Sendung.

Zuckerl

  • Das Blog ›Lost & Taken‹ präsentiert: 19 Alte Bücher-Strukturen.
  • Wieder mal Johann Sebastian Bach, diesmal in Form einer Interpretation mittels Floppy-Laufwerk-Orgel, die in den letzten Tagen im Netz herumempfohlen wurde, unter anderem von Cory Doctorow bei ›Boing Boing‹: Floppy drive organ plays toccata.
  • Will zeigt uns in seinem ›A Journey Round My Skull‹-Blog einige wunderschöne pop-ige japanische Apokalypsen aus den frühen Siebzigern von Takabata Sei: The Collapse of a World Condemned.
  • Wahnsinnsmeldung bei ›Dark Horizons‹: Möglicherweise verfilmt Paul Thomas Anderson als nächstes Thomas Pynchon!
  • Zum Schluss ein Filmchen, eine wüste wilde nicht-sequentielle Aneinanderreihung aberwitziger Szenen, des Künstlers David OReilly. Warnung: nichts für schwache Gemüter oder Menschen, die eng gezogenere Geschmacks-Grenzen haben. Teilweise verstörender und/oder ekliger Inhalt. Dennoch wollte ich diese Gemme nicht unempfohlen lassen.

The External World from David OReilly on Vimeo.

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Molos Wochenrückblick No. 40

Eintrag No. 698 — Gibt wenige Berufsfelder, die ich so innig ver- und missachte wie die Werbewirtschaft. Wurde wieder mal daran erinnert, warum. Bin gestern von einem Trupp, die einen Werbespott für eine Fernost-Automarke drehen, übern Tisch und am Nasenring herumgezogen worden. Kommen zwei nette Menschen an, und fragen ganz lieb, ganz sanft, ganz harmlos, ob sie »ein paar Aufnahmen aus der und der Richtung da und da hin machen können, geht auch ganz schnell«. Geworden ist daraus das Aufbauen von Dollywagenschienen für eine Kran-Kamera, in Beschlag nehmen eines Innenhofes von 20 Metern Durchmesser mittels mehrerer großer Scheinwerfer und Lichtschirme, und gedreht wurden ganze Szenen mit mehreren Darstellern. — Moral: Traue niemals Leuten, die mit Geld wie Heu um sich werfen, und die sich eigenes Catering bestellen, wohin sie auch gehen.

David Foster Wallace: »Unendlicher Spass«, Taschenbuchausgabe.Lektüre: Habe immer noch meine Freude mit David Foster Wallace und seinem Roman »Unendlicher Spass«. So etwas wie eine Handlung ist zwar noch nicht in Sicht, höchstens zu ahnen. Von den ersten 20 Kapiteln stehen die meisten als kleine Vignetten für sich, einige andere bilden einen ersten Komplex um die Familie Incandenza. Es geht um Schüler einer elitären Tennis-Schule; um einen Kiffer, die nun aber wirklich zum allerletzten mal Tage durch-knartzen will; um eine Kifferin, die im Selbstmordtrackt einer Psychatrischen mit ihrem Arzt spricht; um einen Gesundheitsattache, der sich entspannen will beim Dauerglotzen eines ominösen Filmes namens »Unendlicher Spass«, und der dabei verhungert.

Netzfunde

(Deutschsprachige) Phantastik-Funde

  • Es ist wieder soweit! Auf den Websiten der Wiener Tageszeitung ›Der Standard‹ gibt es die neueste Science Fiction- & Fantasy-Rundschau: Der Lichtschein am Ende des Wurmlochs von Josefson. — Diesmal mit Rezensionen zu Büchern von James Tiptree Jr. (übersetzt von Frank Böhmert), L. E. Modesitt, Jr, George R. R. Martin, Daryl Gregory, Gavin Smith, Jetse de Vries, David Moody, Michael McBride, Walter Jon Williams, Christoph Lode, Rob Grant, Paolo Bacigalupi, sowie einer begrüßenswerten Polemik gegen Bequemlichkeit und Einerlei des Fantasy-Marktes, und einer Empfehlung von Scott Westerfelds & Keith Thompsons »Leviathan«
  • Holger M. Pohl zieht für ›Fantasyguide‹ in seiner neuesten Kolumne, Glashaus, über Kritiker her, die sich über Schlampigkeiten und Fehler von Büchern mokkieren, aber selbst mit Fehlern nicht sparen. Ich fühle mich ertappt, denn genau das mache ich ja auch zuweilen. Dazu zwei Hinweise: eine Fehlermeldung als solche büßt ihre Kraft ja nicht ein, wenn die Person, die den Fehler meldet, selbst zu Fehlern neigt; und vergessen wir nicht das ›Salieri-Syndrom‹, wenn man selbst nicht gerade mit überragendem Genie gesegnet ist, aber zumindest über soviel ›Können‹ verfügt, um hohe Güte, oder eben Makel zu erkennen. (Anmerk: Wem der Begriff ›Salieri-Syndrom‹ so gar nix sagt, möge sich den Film »Amadeus« von Milos Foreman ansehen.)
  • Nochmal Georg Seeßlen, der die meiner Meinung nach bisher lesenswerteste Rezension zu »Tron Legacy« geschrieben hat: Das elektronische Reenactment. Zwar begegnet er dem Film mit einer ziemlichen Milde, aber der leichte Spott gefällt mir.
  • Gefunden über das ›Lake Hermanstadt‹-Blog von Anubis: Daniel Zalewski hat für den ›New Yorker‹ ein ausführliches Portrait des mexikanischen Filmemachers und Erz-Phantasten Guillermo del Toro verfasst: Show the Monster.
  • Dank (!!!) an Stephan Johach, der mir mitteilte, dass ›Locus Online‹ auf diesen langen und guten Text des ›Guardian‹ hinwies: When Hari Kunzru met Michael Moorcock.
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Zuckerl

  • Diesen Link widmte ich dem Empfindungspiraten, denn ich musste bei diesem betrunkenem Oktopus von ›Boing Boing‹ an seine »ich kann nicht, wenn einer guckt«-Reihe denken.
  • Ein kurzweiliges Handels-Spiel für Zwischendurch bei ›Newgrounds‹: Wer wollte nicht immer schon mal Opium billig in Bengalien kaufen, teuer in China verscherbeln, dafür billig Tee in China kaufen und damit die Engländer der viktorianischen Epoche glücklich machen? Bitteschön, dann versucht es mit High Tea, einem wunderschönen kleinen Handels-Spiel von ›Preloaded London‹.
  • Da ich heute schon meine Verachtung für Werbung im Allgemeinen zum Ausdruck bracht, hier zum Ausgleich ein mir wirklich sehr gut gefallener Werbeclip, im Grunde die Verfilmung eines bekanntes Witzes. Weiß nicht mehr, wie ich auf diesen Werbeclip mit schönem Bücherei-Humor gestoßen bin: Schönheit ohne Hirn.
  • Hier drei Links, zu Bildern meines derzeit im Wachsen befindlichen Ordners mit Naturmotiven für den Bildschirm: Manarola, Italy, Eyjafjallajökull Volcano, Iceland, Autumn Leaves, Japan, alle drei bei ›National Geographic‹. Dummerweise finde ich die Links zu drei anderen schönen Photos (Erdmännchen, Kolibri und Ende) nicht mehr.
  • Bei ›Clockworker‹ über Warum Menschen Dinge erschaffen gestolpert, einem Zeichentrick-Kurzfilm von Saul Bass aus dem Jahre 1969.
  • Endlich! Kirby Ferguson setzt seine Dokumentation fort: Everything is a Remix Part 2, glänzende Erläuterung des ständigen Kopierens & Neukombinierens & Verfremdens von Bekannten anhand von »Star Wars«. Wer’s noch nicht wusste: George Lucas ist ein wilder Sample-Künstler.

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Molos Wochenrückblick No. 39

Eintrag No. 696 — Ich lieg darnieder. Kaum zu Hause von der Arbeit mit drei freien Tagen vor mir, geht das mit der Triefnase und dem Dauerniesen los und ich emigiriere erst in die heiße Dusche, dann ins Bett. — Deshalb nur eine magere Krankenbettausgabe.

Film: Dass ich vergangene Woche im Kino war, habe ich ja berichtet.

Lektüre: Mit »The Windup Girld« bin ich fertig. Hat mir ganz gut gefallen, auch wenn ich mich ein wenig frage, warum der Roman sooo viel Lob auf sich häuft. Aber sei es drumm. Ich fand ihn ja auch ganz fein.

Dafür bin ich jetzt in den sehr dicken Roman »Unendlicher Spass« von David Foster Wallace reingestolpert. Eigentlich wollte ich am Sonntag nur mal reinlesen, in die frisch gekaufte Taschenbuchausgabe, aber nun bin ich schon auf Seite 100-etwas und finde das Buch ganz vorzüglich.

Netzfunde

Zuckerl

Molos Wochenrückblick No. 38

Eintrag No. 694 — Hier nun, leider mit einem Tag Verzögerung, die Meldungen. — Bei den letzten Abstimmungnen der »Wer ist dir lieber«-Website habe ich gewählt: Beinbrech oder Roter Glitterling?, (Weder noch). — Wurst oder Käse?, (Wurst) — Freddie Frinton oder May Warden?, (Freddie Frinton). — Elwood oder Jake Blues?, (Elwood).

Zwei Petitionen auf den Seiten des Deutschen Bundestages habe ich unterzeichnet:

Lektüre: Bin im letzten Drittel von Paolo Bacigalupis »The Windup Girl« von (Anfang Februar als »Biokrieg« bei Heyne) und weiterhin sehr zufrieden mit dem Buch. Am meisten erstaunt mich, dass der Roman sich hauptsächlich auf die Charakter-Entwicklungen und die Schilderung des Sozialgefüges konzentriert. Obwohl es mittlerweile einen großen Zwischenfall gab, wird Äktschn unterschnitten inszeniert (es gibt allerdings ein paar Szenen, in denen eine künstliche Frau zum groben Vergnügen des Publikums eines Nacht-Club malträtiert wird).

»Codex Seraphinus« bei Rizzoli, 2006.Großartige Neuigkeiten. Es ist endlich so weit! Nach 20-jähriger Suche gibt es nun einen »Codex Seraphinianus« (Auflage August 2010 der Rizzoli-Ausgabe von 2006) in meinem Haushalt. Als Andrea ihn ausgepackt hat, merkte ich, wie sich ein kosmisches Ungleichgewicht auflöste. Im Netz schreiben zwar die Kenner, dass der Druck dieser Auflage etwas dunkler (sprich: Detail-abträglicher) ist, als der von vorherigen Auflagen, aber immerhin habe ich meinen »Codex« und ich dafür nicht mehrere hundert Euronen hinlegen müssen.

Seit seinem Erscheinen 1981 gilt »Codex Seraphinianus« als eines der seltsamsten, phantasiereichsten, undurchschaubarsten und erstaunlichsten Bücher aller Zeiten (in seiner Exzentrizität nur noch vergleichbar z.B. mit Werken wie den BildCollage-Romanen von Max Ernst {»Une semaine de bonté« und »La femme 100 têtes«}, dem Voynich-Manuskript, oder Carrolls Nonsense-Versepos »The Hunting of the Snark«). Soviel kann man erkennen: Der »Codex« ist wie eine Enzyklopädie organisiert, und in verschiedene Sachgebiete eingeteilt. Einige dieser Sachgebiete kann man ziemlich sicher erkennen, wie Flora, Fauna, Schrift oder Spiele, andere bleiben auch nach x-maligen Lesen ziemlich rätselhaft, z.B. die Abteilung über zweibeinige Lebensformen (wobei man bedenken muss, dass in der seraphinianus’schen Welt auch Regenschirme und Wollknäul dazugehören). Es gibt viel Text, Tabellen, Gleichungen, doch ist das alles in einer Sprache und Schrift geschrieben, die bis heute nicht entziffert werden konnte, und die aller Wahrscheinlichkeit nach auch nicht entzifferbar ist … oder vielleicht doch? — Hier ein kleiner Ausschnitt aus dem »Codex«: die Illustrationen aus der Abteilung über Städtebau oder Stadtbau-Utopien, begleitet von dem wundervollen Stück »Music For A Found Harmonium« des einzigartigen Penguin Cafe Orchestra.

Weitere lohnende Einblicke und Texte über den »Codex Seraphinianus« bieten:

Netzfunde

(Deutschsprachige) Phantastik-Funde

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Rüge

  • Hochgradigen Schwachsinn hat Wolfram Eilenberger für ›Cicero‹ zusammengeschwurbelt, wenn er in seinem Text Kehlmann, Sarrazin und die Vermessung der deutschen Leserschaft nur aufgrund der in etwa gleichen Verkaufszahlen von »Die Vermessung der Welt« und »Deutschland schafft sich ab« mutmaßt, dass diese beiden Bücher Ausdruck des gleichen Volksempfindes sind.

Zuckerl

  • In Zeiten ansteigender Überwachung wächst auch die Notwendigkeit, sich in städischen Gefilden zu tarnen. Wie das geht, zeigt die Website Urban Camouflage.
  • Ganz vorzüglich finde ich die ›deviant art‹-Galerie von Uminga. Meine Lieblinge sind Death & Sandman, die Portraits von »Batman«-Charakteren wie dem Pinguin, der immer entzückenden Harley Quinn und freilich dem Joker, und grenz-cool ist diese Illu der Ermittler aus dem Fincher-Film Se7en.
  • Das Blog ›Who killed Bambi‹ zeigt, was die Photographin und Diogramenkünstlerin Mariel Clayton fetziges mit Puppen anstellt: Killer Barbies.
  • Online-Comic: Ein Superheld ohne Superkräfte, aber dem Willen, allen Ratten und anderen Tieren im Kampf gegen wahnsinnige Wissenschaftsprojekte beizustehen liefert Doug TenNapel mit Ratfist.

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Molos Wochenrückblick No. 37

Eintrag No. 692 — Diesmal gibt’s ne fette Nummer. Also los.

Lektüre: Haruki Murakamis »Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt« habe ich erstmal wieder zur Seite gelegt. Ist einfach zu wenig los in dem Buch, und banaler Kram wird zu breit ausgewalzt

Paolo Bacigalupi: »The Windup Girl«. Taschenbuch-Ausgabe von Orbit.Richtig gut gefällt mir bisher »The Windup Girl« von Paolo Bacigalupi. Am Rande hab ich mitbekommen, dass wieder mal ein neues Subgenre ausgerufen wurde, nämlich ›Biopunk‹. Und wenn man sich auf das Schubladenspiel einlässt, dann kann man »The Windup Girl« als leuchtendes Beispiel für ›Biopunk‹ nehmen. Immerhin wurde der Weltenbau gewebt aus solchen Themen-Fäden wie Ökologie, Rohstoff- & Energiekriese, gentechnisch entworfene (& patentierte) Nahrungsmittel, Fanatismus & Genozid, Vertreibung & Immigration. Nix Weltraum oder Aliens.

Paolo Bacigalupi: »Biokrieg«. Taschenbuch-Ausgabe von Heyne.»The Windup Girl« wird Anfang Februar als »Biokrieg« bei Heyne erscheinen und es gibt auch eine großzügige (vierzig Seiten-)Leseprobe im Netzl. Leider ist das deutsche Titelbild ehr doof, hat nur im übertragenen Sinne Bezug zum Inhalt und erinnert merklich an ein Motiv zur ersten Staffel von »True Blood«.

Sympathisch finde ich, dass der Roman in Bangkok angesiedelt ist (wann genau, wurde bisher nicht gesagt, aber ich schätze mal in ca. 100 bis 200 Jahren), und dass die Protagonisten der vier Handlungsstränge gut ausgewählt sind: a) Anderson Lake, der Fremdländer aus den USA, Leiter einer Fabrik für Antriebsfedern, aber eigentlich Spion für einen großen Genfood-Agrar-Konzern, immer auf der Suche nach neuen Lebensmittel-Züchtungen, bzw. Genehack-Verstößen; b) Hock Seng, ehemals wohlhabender Händler in China, vor islamischen Fanatikern nach Thailand geflohen, schmeißt nun für Andersons Fabrik die Orga & Buchhaltung; c) Jaidee Rojjanasukchai, Hauptmann beim Umweltministerium und scharfer, unbestechlicher Grenz-Kontrolleur, Held des Volkes und dem sich stets auf krumme Import-Deale einlassenden Handelsministeriums ein Dorn im Auge; und d) das Titelmädchen, Emiko, eine künstliche Person, gebaut in Japan als Sekretärin, Übersetzerin und Gefährtin eines wohlhabenden Geschäftsmanns, wurde aber vom Besitzer in Bangkok zurückgelassen, wo Emiko nun als Sex-Spielzeug in einem Nachtclub darbt.

Desweiteren neu im Haushalt: Zwei Kunst-Bücher.

Einmal für zwischendurch der kurzweilige Band »Die großen Künstler und ihre Geheimnisse« von Elizabeth Lunday mit wunderbaren Illustrationen von Mario Zucca.

Zum anderen der Photobildband »Kleine Leute in der großen Stadt« des Londoner Streetartist Slinkachu. Irre Idee, kleine Eisenbahn-Figürchen irgendwo in der Stadt zu platzieren, stehen zu lassen als zu entdeckende Überraschung für Passanten und die abstrusen kleinen Szenen mit Photos zu dokumentieren.

Netzfunde

  • Klaus Jarchow liefert in seinem immer lesenswerten Blog ›Stilstand‹ eine knappe und exakte Analyse der Unverschämtheit von Sarah Palin im Zusammenhang mit den Amoklauf von Arizona: Vom Täter zum Opfer.
  • Unglaublich aber wahr: Im ›Focus‹ gibt es einen beherzigenswerten Text von Miriam Meckel zum Thema Wandel des Jouralismus in Zeiten des Internets und der sozialen Medien: Journalisten an der Crowdsourcing-Front. Sachliche und doch feurige »Bewegt Euren Hintern!«-Rede.
  • Eine ergiebige Seite zum Stöbern bei Langeweile ist das Kuriositätenkabinett der Wikipedia.
  • Ergreifend berichtet Stefan Weber für ›Telepolis‹ in Ein Online-Zahlsystem will wissen: Ist mein Geld sauber? von seinem Leid mit PayPal (ich selbst kann — noch — nicht klagen).
  • Die bisher erste (& zur Schande der deutschsprachigen Feuilleton-Landschaft) und einzige Rezension zu dem großartigen Buch »The German Genius« von Peter Watson bietet die ›Frankfurter Rundschau‹, wenn Arno Widmann loben darf …
    So anregend hat lange niemand mehr einen Panoramablick auf die deutsche Geistesgeschichte der vergangenen zweihundertfünfzig Jahre geworfen. {…} Zur Moderne gehört die Kritik an ihr. Nirgends ist das, wie Watson zeigt, deutlicher zu sehen als in Deutschland. Genau darum aber empfiehlt er, die deutsche Erfahrung genau zu studieren: »Was die Modernität betrifft, so ist Deutschland nicht nur eine ›verspätete Nation‹, es ist auch eine zögerliche Nation. Aber vielleicht birgt dieses Zögern eine Lehre. Wenn Wissenschaft und Kapitalismus … die Zerstörung unserer Umwelt, ja unserer Erde, nicht verhindern können, wenn sie sogar der primäre Auslöser für diese Zerstörung sind, dann wird nur eine Veränderung von uns selbst, ein Wandel unseres Willens etwas bewirken können. Die Deutschen erklären uns, dass der Weg aus unserem Dilemma weder ein technischer noch ein wissenschaftlicher, sondern ein philosophischer ist: eine Frage unserer Lebenseinstellung.«

(Deutschsprachige) Phantastik-Funde

  • Endlich hole ich mal nach, auf den neuesten Kurzgeschichten-Wettbewerb von ›Fantasyguide‹ aufmerksam zu machen: SCIENCE FICTION — Die nächste Generation.
    Einsendeschluss ist der 31. März. Mitmachen dürfen alle, die höchstens 18 Jahre alt sind.
    (Zur Jury gehört auch so ein Spinner namens Molosovsky.)
  • Jubel ist angesagt, denn endlich endlich endlich geht es weiter auf der Hauptseite der Bibliotheka Phantastika. Vor allem die wunderschöne neue Gestaltug von moyashi gefällt mir. Es gibt neue Sächelchen, z.B. ein Blog, ein überarbeitetes Genre-Schubladensystem (mit ›Weird Fiction‹!), und eine Fibel mit Essays. Und 1000 Dank, dass der Molochronik auf der Link-Seite so weit oben ein Plätzchen eingeräumt wurde!!
  • Große Diskussion über die Lage der Fantasy in unseren Landen. Stein des Anstoßes war eine Erregung von Petra Hartmann im Fandom Observer 259 über die Schwemme an seichtem Fantasy-Lulu, dass die Buchhandlungen verstopft. Der Herr Breitsameter von SF-Fan hat daraufhin einige Leuts um Stellungnahmen gebeten (auch mich, aber meine Antwort fiel aus Zeitmangel zu kurz aus) und so gibt es die Antworten von … … Markus ›Pogopuschel‹ Mäurer (Redakteur von ›Fantasyguide‹ und ›Phase X‹) :
    Was mir persönlich ein wenig auf dem Buchmarkt fehlt sind einzelne, abgeschlossene Fantasy-Romane. Die unzähligen Reihen mit ihren Trilo-, Quadro-, Deka- und Kein-Ende-In-Sich-logien hängen mir inzwischen zum Hals raus. Hier wünsche ich mir etwas mehr Mut bei den Autoren und den Verlagen, aber auch bei den Lesern. Denn die Masse der Fantasyleser scheint ja leider das Bekannte (in Form von Endlosreihen) zu bevorzugen
    Adrian Maleska (Redakteur von ›Fantasybuch‹): Seine Meinung ist mir etwas zu vorsichtig und versöhnlich. Wertvoll finde ich seinen Tipp, sich als Leser doch mal zu bewegen und bei Verdruss nach neuen Weidegründen umzusehen. … und Michael Scheuch (einem meiner beiden Redakteur-Cheffes von »Magira – Jahrbuch zu Fantasy«). Er hat die Cochones, auf einen der fatalsten Zustände hinzuweisen:
    Im Buchhandel haben Thalia und Co. großen Einfluss auf die Gestaltung der Verlagsprogramme, und der rein optische Eindruck des Einerlei kommt auch von den Büchertischen und der Stapelware in den großen Läden.
    (Fett-Hervorhebung von Molo.)
  • In zwei Teilen referiert Stefan Höltgen für ›Telepolis‹ ausführlich über den Computer als göttliche Maschine: Teil 1: God Modes, und Teil 2: Der göttliche User.
  • Auf den Comic-Seiten des ›Tagesspiegels‹ empfiehlt unter dem Titel Schnüffler mit Schnauze Lars von Törne die Tierfabel-Noir Krimis »Blacksad« von Juan Díaz Canales und Juanjo Guarnido.
  • Für die ›TAZ‹ hat Zoé Sona unter dem Titel Der Horror und das Mädchen der Essay-Sammlung »Horror als Alltag. Texte zu ›Buffy the Vampire Slayer‹« des Verbrecher Verlages eine wohlwollende und verständige Rezi angedeihen lassen. Der Band enthält auch Beiträge des von mir geschätzten Dietmar Dath, sowie der Schlotzen & Kloben-Mitglieder Jakob Schmidt & Jasper Nicolaisen.
  • Ein Hoch auf Rupert Schwarz, der für ›Fictionfantasy‹ eine Rezension zu Tim Burtons Meisterwerk Mars Attacks liefert … auf Marsianisch!
Zur Erinnerung: Hinweise auf bemerkenswerte deutschsprachige Internet-Beiträge zum Thema Phantastik (in allen ihren U- & E-Spielarten) bitte per eMail an …

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… schicken. — Willkommen sind vor allem Hinweise zu Texten, die wenig beachtete Phantastikwerke behandeln (z.B. also Einzelwerke statt Seriensachen), oder die über Autoren, Theorie und Traditionsentwicklungen berichten.

Zuckerl

  • Web-Comic: Hochgradig durchgeknalltes Projekt, wenn bei Axe Cop der 29-jährige Zeichner Ethan Nicolle die Stories seines 5-jährigen Bruders Malachai Nicolle umsetzt. Richtig wilder Stoff in bisher knapp 60 Folgen.
  • Beeindruckende Photoserie von Francois Robert: Stop the Violoence. Aus den Knochen menschlicher Skelette zusamengesetzt Symbole, Worte und Waffen, sehr schön und zugleich spooky. Die Motive wurden aufgegriffen für eine Kampagne der ›Gesellschaft für bedrohte Völker‹.
  • Viel zu wenige Künstler liefern bratzige Brutalo-Hasen. Abhilfe schaffen aber die mutierten Roughneck Rabbits von Kai Spannuth.
  • Sehr elegenate Ansichten von Catwoman von Bengal, gefunden im ›Trixie Treats‹-Blog. Jummie!
  • Nase voll von den immer gleichen Kravatten-Knoten? Mit 5 New Creative Ways to Wear a Tie zeigt Caldwell Tanner von ›College Humor‹, wie Mann sein Repertoir aufbrezeln kann. Für Cthulhu-Acolyten natürlich besonders toll: ›The Lovecraft‹.
  • Bezaubende Phantastik-Gemälde von Julie Heffernan zeigt ›Escape to Life‹.
  • Zur Hebung der Laune präsentiert das ›Clockworker‹-Portal den kleinen Musikfilm Herr Ober, zwei Mocca mit Henry de Winter, begleitet von den Bratislava Hot Serenaders.
  • Zuletzt ein Schmankerl des von mir verehrten ›Distressed Watchers‹, der eine gloriose Top Ten der Antihelden erstellt hat. Ich bin sehr einverstanden damit, dass der »Unforgiven«-›Held‹ von Clint Eastwood Platz 1 belegt.

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Molos Wochenrückblick No. 36

Eintrag No. 689Lektüre: Während hier noch gewartet werden muss, bis ich selbst mit einer Rezension zu meinem letzten Buch von 2010 rüberwachse, verlinke ich mal diese Begeisterungs-Offenbarung zu Edward Abbeys »Die Monkey Wrench Gang«, die Jan Scheper für die ›TAZ‹ verfasst hat.

Fertiggelesen in 36 Stunden habe ich Jakob Arjournis »Chez Max«. Auch hier hoffe ich, bald eine Rezi liefern zu können. Würde mich freuen, wenn sich dieses Buch in SF-Kreisen noch weiter herumsprechen würde. Ist nämlich feine Sozial-SF, und richtig gut geschrieben, mit einem feinem Twist!

Weiterhin unterbeeindruckt bleibe ich von Haruki Murakamis »Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt«. Schön langsam frage ich mich, wie dieses Buch zum Kult werden konnte. Kann aber auch sein, dass ich derzeit einfach nicht den Geist für was Ruhiges habe, wo es schon mal über eine Seite dauern kann, bis ein (immer noch namenloser) Protag aus dem Bett kommt und sich was zum Frühstück macht. Passiert viel nix.

Deshalb habe ich beim englischen Buchladen zugeschlagen und mir den vielseits empfohlenen Roman »The Windup Girl« von Paolo Bacigalupi besorgt (der nächsten Monat bei Heyne als »Biokrieg« erscheinen wird, übersetzt von Hannes Riffel & Dorothea Kallfass). Die ersten vier Kapitel gefallen mir sehr gut. Gut durchdachte viele Infos geschickt dargeboten. In jedem Kapitel steht bisher eine andere Figur im Zentrum. Wenn es so weiter-flockt, bin ich bald durch.

Netzfunde

  • Für ›wissenrockt‹ hat Arik Platzek einen längeren Text darüber verfasst, wie dreist der Sepp (andere mögen ihn Papst Bendickt Ix Vau Ih nennen, aber ich komm aus Bayern und nenn ihn halt Sepp) die Wissenschaft in seinen Katholozismus eingemeinden will: Master of the Universe: Papst verteidigt Führungsrolle.

Wortmeldungen

  • Diesen Punkt könnte ich auch unter ›Rüge‹ ablegen, denn es geht um die schrääcklichen deutschen Umschlagsbilder und Buchtitel, die der Blanvalet-Verlag sich für die hiesigen Ausgaben von Gail Carrigers »Sonnenschirn-Protektorat«-Bücher einfallen ließ, wozu ich im entsprechenden Eintrag des geschätzten ›Clockworker‹-Blogs meinen Senfs beisteuerte. — Nebenbei: Ausgeliehen von Ju Honisch, die mir Carrigers Bücher empfohlen hat, kann ich sagen, dass mir Band 1 »Soulless« ganz gut gefallen hat. Okey, ist keine hohe Literatur, aber ich lese ab und zu auch gerne mal was Leichtes für Zwischendurch, wenn es Charme und Esprit hat und gut gemacht ist.

Zuckerl

  • Die Designer Jeffrey Thomas und Celeste Green präsentieren in ihrem Blog ›Jeff & Celeste‹ Entwürfe für eine Zeichentrick-Serie, die (bisher) nicht umgesetzt wurde: Gotham High. Ja genau, die Helden und Bösen aus der Batman-Welt als ältere Teens auf der Schule. Haben die gut hinbekommen. Die Serie würde mich interessieren.
»Gotham High« von Jeffrey Thomas & Celeste Green. — Klick auf das Bild führ zu einer größeren Ansicht.
  • Benjamin Arthur zeichnet feine Sachen, unter anderen Animationsfilme der etwas anderen Art. Meine Favoriten sind die beiden neusten: A Mystery: Why Can’t We Walk Straight? und The Billion Bug Highway. Zudem lernt man in beiden Filmchen was.
  • Andrea hat in ihrem Photoblog ›color.antville‹ einen Jahresrückblick ihrer 12 gelungensten Bilder zusammengestellt: 2010 in 12 photographs. Mein liebstes Bild dieser Gruppe ist vielleicht Andreas Beitrag ›mr. invisible‹ für das ›Street Fotograohy Now Project‹, genauer, deren Aufgabenstellung No. 4: »Dokumentieren sie menschlichen Einfallsreichtum, der sonst übersehen würde. Menschen dürfen auf dem Bild nicht zu sehen sein.«
  • Schon so krass auf »$tar Wars« fixiert, dass Eure Libido nur noch durch Erotikbildchen von General Ackbar und Co in lasziven Posen erlöst werden kann? Da gibt es nun Abhilfe im ›technabob‹-Blog in Form dieser $tar Wars Pinups von Yayzus Graphics.
  • Wieder ein Webcomic. Hans Rickheit (vielleicht den Kennern der US-Alternativ-Comic-Szene bekannt, durch sein bei Fantagraphics errschienenes »The Squirrel Machine«) hat sich mit Ectopiary vorgenommen, pro Woche eine Seite eines auf ca. 600 Seiten angelegten unheimlichen Horror-Comics zu liefern. Beginnt sachte und ein wenig an »Pan’s Labyrinth« erinnernd.
  • Wer ›Red Letter Media‹ noch nicht kennt, dem soll als Molochronik-Leser nun bescheid gegegen sein, dass es dort die mitunter einleuchtensten und zugleich makabersten Film-Besprechungen gibt, die ich kenne. Stöbert mal, welche Plinkett Reviews Euch reizen. Soviel ist gewiss: Die Filmrezis dieses angeblich über 100-Jährigen alkoholischen Perversen, der seine Gattin umgebracht hat, ab & zu junge Frauen entführt und im Keller quält, ansonsten in einem Casino von Atlanta City wohnt und von seiner Katze beschissen wurde, sind etwas ganz Besonderes. Ich empfehle den Zweiteiler zum neuesten »Star Trek«, oder dein Einteiler zu »Avatar« als Einstieg. — Pizzaröllchen für alle!

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Wochenrückblick No. 35

Eintrag No. 688 — Das neue Jahr beginnt damit, dass ich den Schnupfen habe. Ich sag ›den Schnupfen‹, denn ich habe immer den selben, also triefende Nase und trockenen Hustenhals.

Gestern in der Arbeit an einer Kommunikationsschulung teilgenommen. Wie immer finde ich solche Lehreinheiten unterhaltsam, wenn es um solche Dinge wie das Eisberg- und das Vier-Ohren-Modell geht. Beim Rollenspiel fällt mir wie immer auf, dass man da seltsamerweise nervöser ist, als in tatsächlichen Situationen. Als Sicherheitsmitarbeiter in einer großen renommierten Kunsthalle haben meine Kollegen und ich natürlich viel Kontakt, noch dazu mit einer großen Vielfalt verschiedenster Milieus: Kunst-Besucher aller Art (Alte & Junge, Familien & Hedonisten, konservative Kulturbürger & mitgeschleppte ›Prolls‹, Einheimische, Durchreisende auf Suche nach Abwechslung und Touristen aus aller Herren Länder); Studenten-, Schul- & Kinertagesstätten-Gruppen; hinzu kommt der Mikrokosmos aus dem Haus selbst, also studierte Kunstgeschichtler, Presse-, Marketing- Technik-, Organisations- & Verwaltungsleute; plus das verschiedenste externe Boten-, Handwerker-, Auf- & Abbau-, Dienstleister- & Reinigungs-Personal, sowie alle möglichen ›Exoten‹, die bei uns durch müssen um ihr Ding zu erledigen (z.B. Leute vom Umwelt- oder Vermessungsamt, die zu ihren bei uns zugänglichen Kontroll-Geräten & -Punkten müssen); und zuletzt natürlich die Wild Cards, also Kiffer, Alkies, Obdachlose die sich im und um’s Haus rumtreiben & ›Spinner‹, die ihre paranoide Propaganda unter die Leute bringen wollen. Und was am Telefon abgeht, will ich hier gar nicht en Detail aufzählen (immer eine spaßige Herausvorderung z.B. mit Anrufern aus der Ferne, die kaum Englisch können, zu sprechen). — Wiegesagt seltsam, dass es mich keineswegs nervös macht, mit all diesen Menschen professionell, sachlich und verständnisvoll umzugehen, wenn die mal Hilfe brauchen oder Schwierigkeiten machen, aber wenn ich dann im Rollenspiel einen Galeriebesucher darstellen soll, der in der Ausstellung telefoniert und sich wirsch verhält als er gebeten wird, mit seinem MobTel die Ausstellung zu verlassen, überwältigt mich peinliche Nervösität und Aufgeregtheit.

Lektüre: Habe zwei Bücher angefangen. Zum einen den ersten SF-Roman von Jakob Arjourni »Chez Max«, der im Paris des Jahres 2064 spielt und weiterspinnt, wie sich der seit IX.XI entfachte Anti-Terror-Überwachungswahn vielleicht entwickeln könnte. Arjourni verehre ich ja für seine in Frankfurt angesiedelten Kayankaya-Krimis und ich staune, wie makellos und scheinbar einfach seine Prosa ist. — Das andere angelesene Buch ist mein erster Roman von Haruki Murakami: »Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt«. Obwohl ich 5 von 40 Kapiteln hinter mir habe, bin ich noch etwas ratlos, wenn auch nicht uninteressiert. Zwei verschiedene namenlose Ich-Erzähler in zwei verschiedenen Welten interagieren mit namenlosen Figuren. Viel Gedankentext, wenig Handlung. Mal schauen, ob ich mich dem vielfachen Lob für Murakami anschließen kann. Bisher bin ich etwas unterbeindruckt.

Netzfunde

  • In Sachen Medien hat sich einiges getan. Zum Beispiel hat Mario Sixtus für ›Carta‹ einen zurecht zornigen offenen Brief an die Leistungsschutz-Anstreber geschrieben: Verlegerforderung Leistungsschutzrecht: Ja, habt ihr denn überhaupt keinen Stolz? Ein wunderbarer Vergleich illustriert knapp den Irrsinn:
    Google spült euch {= Internet-Auftritten der Zeitungen} die Hälfte eurer Besucher auf die Seiten und jetzt sollen sie dafür bezahlen? Das ist in etwa so, als würde ein Restaurantbesitzer Geld von den Taxifahrern verlangen, die ihnen Gäste bringen.
  • Richtiggehend monströs und unheimlich ist die rückwärtsgewandte Beton-Mentalität, welche die neue ARD-Vorsitze Monika Piel in einem Interview mit dem ›Tagesspiegel‹ offenbart: »Die ARD steht für eine Allianz gegen Google bereit«. Unter anderem lässt sie folgenden entsetzlichen Satz vom Stapel:
    Den Geburtsfehler des Internets - kostenlose Inhalte - zu beseitigen ist aber schwierig und langwierig.
    Ich kann ja verstehen, dass der Strukturwandel, den das Internet mit sich bringt, eine Herausforderungen für jene Anstalten ist, die ihre Formatierung vor diesem Wandel erfahren haben und dass Menschen wie Frau Piel viel Verantworung und Probleme zu jounglieren haben. Aber einfach mal so lapidar alle Personen, die Inhalte (womöglich sogar qualitativ gute Inhalte) einfach umsonst ins Netz stellen als Teil eines Geburtsfehlers zu bezeichnen, ist mehr als nur ein starkes Stück Polemik. — Entsprechend notwendige Replik hat Marcel Weiss für ›Neunetz‹ geschrieben (und umsonst ins Netz gestellt!): Wirre Aussagen zum Medienwandel von der neuen ARD-Vorsitzenden.

(Deutschsprachige) Phantastik-Funde

  • Folgendes ist eigentlich keine Phantastik, aber da Thomas Plischke ein Phantast ist, bringe ich die Meldung in dieser Rubrik: Thomas hat das »Vater Unser« auf das Internet umgedichtet. Ich bin zwar mit dem ›Amen‹ nicht ganz glücklich, aber der Rest ist so superb, dass ich ihn zur Gänze zitiere:
    Netz unser, das du bist im Äther, gepriesen werde dein Name.

    Lass durch dich Unseren Willen geschehen, online wie offline.

    Unsre täglich Info gib uns heute, und vergib uns unsere Flames, wie auch wir vergeben unseren Flamern.

    Und führe uns nicht nur zu Pornos, sondern erlöse uns aus unserer Ohnmacht.

    Assange.

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Molos Wochenrückblick No. 34

Eintrag No. 686 — Ganz vergessen Euch folgendes Winter-Erlebnis zu erzählen. Letztens, ich früh morgens auf dem Weg zu Arbeit. Alles voller Schnee, alles voller Eis. Noch keine 100 Meter von meiner Wohnung entfernt, sehe ich eine Person, die ausrutscht und auf den Hintern knallt. Brav erschrecke ich ein bischen über das Missgeschickt eines Mitmenschen und guck, ob auch nichts Schlimmes geschehen ist. Nur’n blauer Fleck. Alles gut. Also weiter. — Keine 200 Meter um die Ecke dann der nächste Kammerad, den’s bei einem Hoppala auf der Eisglätte niederstreckt. Ich erschrecke nicht mehr, prüfe aber kurz, ob alles in Ordnung ist und stapfe weiter. — Weitere 300 Meter später, kurz vor meiner Bank dann die dritte Person, die sich lang legt. Spontan gucke ich mich um, frage mich, ob ich träume, ob es mich in eine Cartoon-Welt verschlagen hat.

Und gestern dann auf dem Weg zur Arbeit, so gegen 5:50 die allerhübschesten Katzen- und Eichhörnchen-Spuren auf dem jungfräulichen Schnee. Gehört zu den schönsten banalen Dingen, die ich kenne.

Lektüre: Habe mir »Chez Max« von Jakob Arjourni (den ersten SF-Roman dieses Autors) und »Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt« von Haruki Murakami gekauft. — Fertiggelesen wird aber erst mal »Die Monkey Wrench Gang« von Edward Abbey. Wunderbarer Roman bei diesem kalten Wetter

Netzfunde

  • Sehr interessant fand ich, wie der SF-Autor Bruce Sterling die ganze Wikileaks-Kiste sieht: The Blast Shack.
  • Apropos undichte Stellen: Bayernleaks gewährt Einblick in das Studiengebühren-Chaos, wie Fritz Effenberger in Studiengebühren, ein Wintermärchen für ›Telepolis‹ berichtete. Warum geben die bayerischen Unis das ganze Studiengebühren-Geld nicht für das aus, wozu es angeblich kassiert wird, z.B. bessere Studienbedingungen, Lehrmittel, neue Dozenten und Proffs?
  • Schließlich war Andrea Diener im Fussball-Stadion, wovon sie in schwarz-weiß im schnee berichtet.
  • ›Spinoff Comicbookresources‹ berichtet mit Extremist Group Urges Boycott Of »Thor« Over Casting Of Idris Elba darüber, dass eine flotte WASP-Truppe sich maßlos empört über den Umstand, dass die Rolle des Gottes Heimdall im kommenden »Thor«-Film von einem Neger, noch dazu einem schwarzen Neger, gespielt wird. Sorgen haben die Leut.
  • Eine der besten Journalistinnen unserer Zeit, Gabriele Goettle, hat für die ›TAZ‹ eine ihrer ergreifenden Sozialreportagen über eine Renterinn geschrieben, die Arbeiten muss, weil es hinten und vorne nicht reicht, so wie unsere wundervolle Wohlstandsgesellschaft funktioniert: Rente ab siebzig – Vom Arbeitsleben der Anderen

(Deutschsprachige) Phantastik-Funde

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Zuckerl

  • Im letzten Wochenrückblick habe die ersten beiden Episoden von »Robot Chicken: Star Wars« verlilnkt. Gestern wurde die niegel-nagel neue Episode III bei ›adultswim‹ ins Netz gestellt. Viel Spaß.
  • Erstaunlich, dass ich da nicht früher drüber gestolpert bin. Aber Ende letzter Woche habe ich mich einen kalten harschen freien Tag lang damit entspannt, alle vier Staffeln von The Guild zu gucken. Nimm das, herkömmliches gebührenpflichtiges oder werbeverseuchtes Fernsehen!
  • Ungewöhnliche Kunst bietet Lori Nix, die zuerst Dioramen bastelt, und diese dann photographiert.
  • Und nun etwas Natur- & Wissenschaftskunde mit den erstaunlichen HTwins, die eine verständliche Veranschaulichung der Größenverhältnisse vom Kleinsten bis zum Größten erstellt haben: The Scale of the Universe.

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Molos Wochenrückblick No. 33

Eintrag No. 683 — Diese Woche wieder nur wenig Links, weil: Viel Dienst. Viel Schnee. Entsprechend erschöpfter Molo, der zu wenig gekommen ist.

Immerhin bin ich aber dazu gekommen, zu bemerken, dass ich schon lange nicht mehr bei ›Wer ist Dir lieber?‹ abgestimmt habe. Hier meine Entscheidungen zu den Alternativen der letzten Wochen. — Picasso oder Dali?: Ich bin ein Salvador-Män. — Scarlett oder Rhett?: Ich mag 'se beide nedd. — Äpfel oder Birnen?: Hmmm, ähhh, also, tja, ich nehm Äpfel. — Beatles oder Stones?: Das ist leicht. Die Beatles. — Tatort oder Notruf 110?: Hab keinen Fernseher. Kenne beide Serien nicht gut genug um eine kompetente Entscheidung treffen zu können. — Nikolausi oder Osterhasi?: Aberglauben ist mir Worscht. Also: Weder noch.

Lektüre: In den letzten zwei Wochen haben drei Bücher den Fortgang meiner langfristigen Lektüren — Arno Schmidts »Zettel’s Traum« und Mervyn Peakes »Der Junge Titus« — unterbrochen.

»Raumanzüge & Räuberpistolen« der Lesebühne Schlotzen & Kloben.Erstmal bedanke ich mich für das Rezensions-Exemplar von »Raumanzüge & Räuberpistolen« der Berliner Lesebühne Schlotzen & Kloben (die da sind: Jasper Nicolaisen, Jakob Schmidt & Simon Weinert). In diesem schönen Bändchen des Shayol-Verlages sind neun Kurzgeschichten versammelt von denen ich bisher sechs verköstigt habe. Ich muss gestehen, dass ich Bücher meiner unmittelbaren ›Konkurrenten‹ (also Autoren meiner Generation & Sprache, die sich im gleichen Genre-Feld wie ich tummeln) immer besonders kritisch lese: Im Falle von Schlotzen & Kloben kommt dazu, dass ich meine instinktive Abneigung gegen Berlin-Schick überwinden musste (wenn mich z.B. flockig eingeflochtene Lokalbezüge nervten). — Um so mehr freut mich, dass ich mit dem bisher Gelesenen etwas anfangen kann. Vor allem »Mr. Swift« von Jakob Schmidt gefällt mir, eine feine Hommage auf klassische Seefahrer-SF, in der es einen Naturforscher auf einen von Öko-Piraten navigierten Walkalmar verschlägt. — Auch den abstrus rotzig-poetischen Text »stachel« von Simon Weinert fand ich mehr als interessant, wenn der verliebte und schnupfengeplagte Tod in einem Zug in die Ewigkeit unterwegs ist. — Ich hoffe, ich kann noch eine eigene Besprechung anbieten. Hier aber schon mal die ausführliche Empfehlung von Ralf Steinberg für ›Fantasyguide‹.

»Die Monkey Wrench Gang« von Edward Abbey illustriert von Robert Crumb.Dann habe ich seit dem Wochenende flott die ersten 150 von ca. 500 Seiten des Sabotage-Klassikers »Die Monkey Wrench Gang« von Edward Abbey verschlungen (erstmals 1975 erschienen und seitdem Anregung für viele Öko-Aktivisten). Allein schon, was für ein wunderschöner Band das geworden ist, den der junge Schweizer Verlag Walde & Graf da vorlegt ist eine Wonne, präsentiert sich der Band doch mit solider Bindung und den Illustrationen von Robert Crumb, die dieser für die US-Jubiläumsausgabe 1985 gestaltet hat. — Die Story ist im Grenzland von Utah und Arizona am nördlichen Grand Canyon angesiedelt. Drei ausgewachsene Individualisten, und eine Individualistin verschreiben sich der guten Sache, und machen sich auf, der Maschinenmacht der die Natur umkrempelten Technokraten eins auszuwischen. Wie es sich für einen guten Sabotage-Abenteuer-Garn gehört, beginnt das Buch damit, dass die große Brücke beim Glen Canyon Staudamm in die Luft fliegt.

»Player One« von Douglas Coupland.Schließlich habe ich in eineinhalb Tagen den neuen Roman von Douglas Coupland »Player One – What Is to Become of Us« weggeschlürft. Der Roman erzählt von fünf Stunden, die vier Menschen und eine mysteriöse Stimme in einer Flughafen-Lobby miteinander verbringen, während gerade die Zivilisation wie wir sie kennen zusammenbricht, als der Ölpreis rasent schnell ins Unermessliche steigt. Während draussen das Chaos herrscht, alles mögliche explodiert, und Irre anfangen herum zu ballern, vertreiben sich Karen (war unterwegs um ein Internet-Date zu treffen), Rick (glückloser Barkeep der Flughafen-Lounge), Luke (Pastor, der mit der Kasse seiner Gemeinde durchgebrannt ist) und Rachel (ein autistisches Mädel, dass sich Fortpflanzen möchte um ihren mürrischem Vater zu beweisen, dass sie kein Alien sondern doch ein Mensch ist) die Zeit miteinander. — Leicht negativ aufgefallen ist mir, dass Coupland einige Ideen & Aphorismen seiner bisherigen Bücher recycled, aber sooo schlimm ist das nicht, denn es handelt sich um durchaus verbreitungs- und wiederholungswürdige Gedankenblitze. Abgeschlossen wird der Band durch ein Glossar seltsamer Einsichten zum Leben in der heutigen Welt. Wie immer ein großer Lesespaß für mich.

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Zuckerl

  • Ich eröffne die Zuckerl mit ekliger Natzurkunde. Ich bossle ja immer noch an meinem Eintrag zu allen vier »Alien«-Filmen und freue mich also, Euch etwas Realweltliches anbieten zu können, was dem Alien-Reproduktionszyklus gleichkommt. — In folgendem Filmchen berichtet Insektenforscher Mark ›Doctor Bugs‹ Moffett davon, wie er eine Dasselfliegenlarve in seiner Hand ausgebrütet hat.
  • »Robot Chicken: $tar Wars« Episode I und Episode II. — Mein Favorit ist der Anwalt Sam Goldstein aus Episode II; er verhilft Jedi-Opfern zu satten Schadensersatz-Zahlungen.
  • Hübsch grauselig ist Die Kunst von R. S. Connett, der eine interessante Mischung aus abstoßenden Groteskerien und naiven Putzigkeiten bietet, z.B. mit seinen Gemälden The Harvester of Dreams; — Night Trawler; — The Bone-yard Walk.
  • Molos bestes Ergebnis.Ich komme nicht umhin, mal etwas vom ollen SpOn zu empfehlen. Ist aber auch zu doll, dass die nun ein Trivial Pursuit anbieten. 6000 Fragen, und zum Teil biedern die sich ganz schön dem Zeitgeist an. Ich bin allein über drei Fragen zu Tolkien und LOTR gestolpert, und über vier zum Thema Dracula und Vampire. — Hier ein Bildschirm-Photo meines besten Durchganges (hatte ich aber großes Würfelglück, um in 16 Zügen alle sechs Eckchen zu sammeln und das Masterfragenfeld zu treffen).
  • Zum Abschluss möchte ich die bezaubernden Animationen von PES vorstellen. Hier geht es zu seinem Youtube-Kanal (leider hat’s dort blöde Werbung). Die drei Filmchen, die Ihr Euch auf jeden Fall gönnen solltest, sind KaBoom!, Game Over und mein Favorit: Western Spaghetti.

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