Mittwoch, 11. August 2004
Samstag, 7. August 2004
»Ich Roboter, Du Zuschauer«
Eintrag No. 132 – »Das war nicht nur ein Mensch«, so lautet ein scherzhaft-beeindrucktes Gerücht über Isaac Asimov, »hinter dem Namen hat sich ein dutzendköpfiges Autorenkollektiv pseudonym zusammengetan.«
Er war ein Vielschreiber unter den Vielschreibern und betätigte sich als Roman- und Kurzgeschichtenautor ebenso erfolgreich und fruchtbar, wie als Sachbuchautor und Herausgeber von Anthologien. In meiner Bibliothek ist er nur noch in den beiden letztgenannten Funktionen vertreten, denn mit seiner erzählenden Prosa wurde ich nie recht warm. ••• Meine Skepsis gegenüber dem Erzähler Asimov festigte sich, als ich erfuhr, daß der junge SF-Autor bei der Gestaltung seines vielbändigen Foundation/Psychohistoriker-Zyklus sich weitestgehend an Edward Gibbons »Verfall und Untergang des römischen Imperiums« orientierte. •••
Die Verfilmung seiner Pinocchio-Cyborg-Variante »Der zweihundertjahre Mann« war für mich eine nervige Zumutung an Harmoniesüchtigkeit. Meine Hoffnungen ließen mich sehnen, daß »I Robot« nicht genauso ein Lapsus würde.
Mit dem Vorspann (wässrige und luftblasenverbubbelte Alptraumerinnerung des von Will Smith dargestellten Polizisten Spooner an einen »Auto versinkt im Fluß«-Unfall) wird dem mit Asimov nicht vertrauten Publikum das Fundament von dessen Robotergeschichten geliefert, die drei Gesetze der Robitik:
1. Ein Roboter darf mit seinen Handlungen oder Handlungsunterlassung keinen Menschen schädigen;
2. Ein Roboter hat den Anweisungen von Menschen immer Folge zu leisten, wenn nicht Gesetz 1 dabei gebrochen wird;
3. Ein Roboter hat sich um seine eigene Unversehrtheit zu kümmern, wenn dadurch nicht die Gesetzte 1 oder 2 verletzt werden.
»Three law safety« {in etwa: »Dreifache Sicherheit durch Gesetze«} lautet passend der Werbeslogan des Robot-Monopolisten United States Robotics (USR) im Film. Der Roboter-Schöpfer (Artifex und Vater) findet sich – wenige Tage vor der Massenauslieferung einer neuen Roboter-Generation – zu Tode gestürzt mitten in der Lobby des Hauptsitzes von USR. Der Robotern mißtrauende Spooner nimmt die Ermittlung auf, begleitet von einer kühlen Roboter-Psychologin (KI- und Interface-Desingerin). Selbstmord oder Mord durch einen vom Tatort flüchtenden Roboter, die Klärung dieser Frage bedroht den gründlichen Wunsch der Bürger des futuristischen Chicago, den mechanischen Dienern vollkommen vertrauen zu können. Dem Film gelingt es für meinen Geschmack zufriedenstellend, als Mainstreamvehikel unterhaltend die zivilisatorische Abhängigkeit von Technik und unsere Kontrollillusionen sie betreffend zu thematisieren.
Hard SF-Verköstiger und Asimov-Liebhaber muß aber die »Hänsel und Gretel«-simple Gestricktheit der Geschichte und die ziemlich lockere Treue zur Vorlage {ich sag nur: suggested by…} bitter aufstoßen, und man tut deshalb gut daran, »I Robot« als weiteres Lehrstück über Hollywoods Konventionen zu nehmen.
Schwächen:
• konventionelle narrative-ironische Distanz, am deutlichsten anhand Will Smith-Charaktergestaltung zu erkennen. Peinlichkeit wegen pathetisch-katharsischer Überhöhrtheit, wie bei Tom Cruise in »Minority Report«, ist mir persönlich angenehmer, als nerven-beruhigendes Kalauern und Gewitzel;
• dummer Spruch über Schießen mit geschlossen Augen einer mit Waffen unvertrauten Person;
• Spooners nerviger babbelnder junger Kumpel;
• blasse Musik;
Aber Panoramen, große und blick-verführende Wimmel-Bilder und Äktsch'n-Sequenzen funzen durch leicht überdurchschnittliche Könnerschaft, zu der aber die dramatischen und charaktergetragenden Passagen nicht aufschließen, trotz der fast durchwegs guten Nebendarsteller. ••• Roboter-Erfinder, Großmutter, Polizeivorgesetzter, USR-Tycoon, Sicherheitsleute und CGI-Figur Sunny … alle fein. •••
Pluspunkte:
• die verschieden designten und ausgereiften Roboter-Typen, vor allem die neuesten Modelle und ihr einzigartiger Vertreter Sunny;
• die (vor allem beim Showdown überhöht beknackte, somit satirisch archetekturkritische) Gestaltung des USR-Firmensitzes, des Vorplatzes und der ganzen Stadt Chicago, nebst pitoresker Hängebrücken-Ruine;
• Bösewichter mit rot leuchtenden Herzen von der Stange;
• Audi-Vehikel, die sich benehmen wie die guten alten Magnetquirler im Physikunterricht;
• kritische Gags gegen die bedenkliche Praxis des Verbrennungsmotors;
• Flucht aus einem Haus, während es abgerissen wird;
• Kaffee und Katzen als entspannende Szenenbeigaben;
• Medizin aus der Spraydose;
• Ungeholfenheit mit Geräten, die man noch per Knopfdruck und nicht mit der Stimme bedient;
Robotische Fähigkeiten überbieten die menschlichen an Schnelligkeit, Wendigkeit und Robustheit, und so dient die neue cinematographische Grammatik der Bullet-Time {bekannt und Usus geworden durch die Matrix-Filme, aber z.B. für Kenner von Kolibri-Dokumentationen, Brain de Palma- und Eisenstein-Filmen ein alter Hut} als Zuschauer-Service, um angenhem Übersicht wahren zu können, bei den geschwinden Handlungen und Reaktionen bei Verfolgung, Kampf und Geballer. »I Robot« gehört somit zu den Filmen, in denen Gewalt und unmittelbare Gefahr in bewegtbildliche Achterbahngravitation aufgelößt wird und genossen werden können, wie die Replays von gelungen absolvierten PC-Spiel-Situation. Die zur ohnmächtigen Zeugenschaft herausfordernde Authentiziät von Gewalt, wie ich sie zuletzt beeindruckend bei »Master and Commander« empfunden habe, strebt der Film nicht an.
Wertvoll ist der Film sicherlich als für das Durchschnitts-Publikum verständliche Reflektion über die Segnungen und Gefahren von natur-mimetischer Technik. Das für die menschliche Selbstversicherung bedrohliche Motiv der ontologischen Emanzipation von Technik und Dingen klingt an, auch wenn in diesem Fall die luziferische Revolte der Roboter noch einmal abgewendet werden kann. Erstaunt hat mich deshalb das Ausklingen des im Großen und Ganzen netten aber harmlosen Films, denn ich bin nicht sicher, ob die letzte computergenerierte Panorama-Aufnahme eines trockenen Michigan-Sees mit vielen vielen ausgemusterten aber (eigen)motivierten Robotern der Hoffnung oder Furcht Ausdruck verleihen soll.
Donnerstag, 22. Juli 2004
Mittwoch, 21. Juli 2004
Fantasy aus der Kirchengeschichte: Warum dominiert das Kreuz den christlichen Altarraum?
(Gesellschaft) – Im Zuge eines Thread über Tolkien bei SF-Fan habe ich nicht nur versucht, ein wenig die katholischen Elemente im »Herr der Ringe« freizulegen, sondern war bemüßigt, der Frage nachzugehen, warum das Kreuz das dominierende Symbol der Christenheit darstellt. Dazu blätterte ich mich durch meine Kulturgeschichten und biete folgende respektlose-flockige Zusammenfassung.
Hatte Jesus Menschen- oder Gott-Natur, oder beides?
Wie das Pentagramm den Pythagoräern als »Hey Leute, hier befindet sich ein Info-Netz-Forum, wo was man über die Geheimnisse des Goldenen Schnitts klönen kann«-Zeichen an Türen und Hauswänden, und bei sich getragen zur gegenseitigen Idendifizierung diente, so war im Urchristentum der Fisch und das entsprechende griechische Wort ichthys , das sich aus den Anfangsbuchstaben für Jesus Christus Gottes Sohn Erlöser zusammensetzt, viel beliebter als beispielsweise das Kreuz. DAS Kreuz gabs und gibts eh nicht, sondern unzählige Varianten, vom einfachen roten, übers katholische oder orthodoxe, bis zum templerischen, maltekischen ect. pp. ff. (und wer ganz übereifrig paranoid interpretiert, darf sogar die » X-Men« als Mutanten-Apostel deuten.)
Immerhin wurde erst 325 n.Chr. beim ersten Konzil von Nicäa die römische Todesstrafe der Kreuzigung aus Respekt vor Jesus Christus abgeschafft. Man denke an St. Andreas und andere, die als Märtyrerpioniere medial von der Ähnlichkeit ihrer Hinrichtung mit der des Originals profitierten. Man unterschätze die Propagandawucht der narrativen Märtyrerschuldscheine gegen das grausame heidnisch-imperiale Rom nicht, und welch wichtiger Aspekt dies beim Bilderstreit- und Menschennatur-Gekabbels war, mit dem sich das Christentum zwecks Aufstieg zum Weltbildhegemon zu beschäftigten hatte. ••• Nebenbei: Im Islam ist dieser Streit bekanntlich genau andersrum ausgegangen, als beim katholisch-orthodoxem Christentum, allerdings um den Preis linguistischer Exklusivität: »Übersetzungen des Prophetenwortes bleiben immer minderwertiger und des Arabischen nicht Mächtige haben im Islam kein Mandat.« •••
Bis heute mutet die katholische Kirche ja zwei den Verstand beleidigende »Ist echt und wirklich so gewesen«-Frechheiten als Kathechismus zu: die jungfräuliche Geburt und Jesus' Auferstehung von den Toten. Diese zwei Speziealeffektorigien des katholischen Films entfachten freilich ein heftiges Gerzerre um die Gegensätzlichkeit der Mensch- und/oder Gott-Natur von Jesus. Die unterschiedlichen Meinungen und widerstreitenden Phantasien dazu, entluden sich dann 431 n. Chr. beim dritten ökumenischen Konzil von Ephesos, auf dem der Bischof von Alexandria dem Bischof/Patriarchen von Konstantinopel eins auf die Mütze gab, und Maria vollends mit dem Titel »Gottesmutter« ausgezeichnet wurde (statt nur: »Erlösermutter«). Ganz abgefrühstückt war das Thema aber deshalb nicht für alle, Räubersynoden und Much Ado about Nothing folgten, und wenig Ruhe herrschte im Schoß von Mutter Kirche.
451 n. Chr. beim Konzil von Chalkedon kam man also wieder zusammen, diesmal, um die Lehre vom Leiden Christi am Kreuz zu verhandeln. Wie schon in bei der Mission-Impossible »Befruchtung Marias durch den Heiligen Geist«†, wo man sich für die hygienisch-sexlose aber wunderträchtigere Formel »so rein wie Wasser durch ein makelloses Rohr« (und lieber via Ohr in den Uterus, als über die kürzere Pfui-Deifi-Route) entschieden hat, setzte sich wiederum die hierarcho-realo Fraktion der Psyagogie-Praktiker gegen die Bischöfe mit den un-wunderlicheren Ideen durch, die z.B. meinten, daß einer von Jesus Anhängern – möglicherweise Judas Ischariot oder Simon von Kyrene – statt Jesus am Kreuz gestorben sei. Andere klamüserten, daß Jesus die Kreuzigung überlebt hat, weil er nicht wie üblich mehrere Tage am Kreuz hängen musste, sondern bereits nach einigen Stunden abgenommen wurde. ••• Man denke auch an später noch virulentes Gemurmel, wie die Südfrankreich-Merowinger-Connection a la Templergeheimnisse, oder die Barnabas bzw. Thomas war Zwillingsbruder/schwester von Jesus-Theorie und dergleichen. •••
••• † »Befruchtung durch den Heilien Geist« ist ja wieder Ideologie-Sprengstoff auch auf dem Gebiet der Science-Fiction geworden, wenn man Heiliger Geist als genetischen Programmcode und – wie zuerst schon die Kabbalisten – Gott als Onto-Informatiker begreift, und sich somit der geklonte Mensch unter zeugungstechnischen Gesichtspunkten als Jesus-analog entpuppt. •••
Endgültig zementiert wurde dann 787 n. Chr. auf dem siebten Konzil von Nicäa, durch eine Art byzentinischer Angela Merkal, als nämlich die oströmische Kaiserin Irene im Bilderstreit entschied, daß die Bilderverehrung erlaubt (erwünscht) sei. Erst mit dieser Genehmigung des Kreuzes, konnte es sich als zentraler Vereehrungsmagnet in den Kirchenräumen etablieren, und begann dessen Siegeszug als primäres christliches Firmensymbol. Wir leben also in gewisser Weise hier und heute auch im Jahre 1217 des Kreuzes.
Marienverehrung und Kreuzverehrung markieren also die Bereiche des abgedreht Wundersamen, die aber für entsprechend Strenggläubige als harte Fakten zu gelten haben. Damit tritt der kommunitaristische Aspekt der Gleichheit des menschlich-Seienden und des Respekts gegenüber der Schöpfung zurück – und z.B. der entsprechend konnotierte Fisch verschwindet für lange Zeit aus der Hitliste christlicher Symbole. Vollends infiziert von den Machtroutinen zentralistischer Ideologien, entschied man sich für eine grelle Superheldengeschichte mit Coverzeichnungen von »Wundergeburt, Blut, Tränen und Todesnichtung«. Damit kann man mehr Angst beschwören und bringt sich ohnmächtig Wähnende dazu, sich williger benasenringen zu lassen.
Eine zentrale Aussage, die entsprechend von Christenmacht-Ausübern gern verbreitet und bedient wird, ist die Absegnung zur Unmündigkeit und Verführung zur Verantwortungs-Befreiung: »… ihr müßt werden wie die Kinder«, im ursprünglichem Sinne von infantil, bedeutet: »kann (noch nicht) nicht sprechen«; siehe auch Thronfolger-Infanten als »noch nicht Macht sprechende«, und Infanterie als Befehle nur empfangende Einheiten, die selber nix »zu sagen haben«.
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Die Illus zu diesem Beitrag sind Details von der Zeichnung »Der Teufel hatte eine Idee«.
Tolkien schrieb: »Selbstverständlich ist ›Der Herr der Ringe‹ ein durch und durch religiöses und katholisches Werk…«
ERGÄNZ — 24. Juli 2014: Einige Links führten mittlerweile ins Nichts und ich habe sie geändert oder rausgeschmissen.
Unbedingte Leseempfehlung spreche ich für die in der Zeit seit Erstbloggens dieses Eintrags erschienenen Aufsätze von
Peter ›raskolnik‹ Schmidt aus, der in seinem grandiosem Blog
›Skalpell & Katzenklaue‹ einige sehr klar argumentierte, klug belegte Texte über Tolkien und sein Werk veröffentlicht hat. Näheres ganz am Ende bei den
›Woanders‹-Links.
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Eintrag No. 127 – Wie sehr wurde »Der Herr der Ringe« {desweiteren LOTR genannt} und die gesamte Mittelerde-Schöpfung beeinflusst durch den Umstand, daß Tolkien ein tiefgläubiger katholischer Christ war? Für die Anregung zu dieser Frage bin ich den Teilnehmern eines Thread bei SF-Fan zu Dank verpflichtet. Ein Beiträger meinte, daß Tolkiens Gesamtwerk nichts mit Religion zu tun habe, und J.R.R. lediglich einen Mythos bzw. eine Sagenwelt für England erschaffen wollte, weil es dort so etwas wie zum Beispiel die deutschen Heldensagen, die nordischen Sagas usw. nicht gäbe.
Also was nun?
Der Mehrheit des Lese- (& Kino-, DVD-) Publikums ist es sicherlich ziemlich schnurz, ob Tolkien mit LOTR nun eine zutiefst heidnisch/sagenhafte oder eine innig christlich-katholisches Zweitschöpfung gestalten wollte.
Mit dem folgenden, lockeren Durcheinander an Belegen für Einflüsse des katholischen Glaubens auf die Gestaltung von Mittelerde, will ich niemandem seinen/ihren heidnischen, atheistischen, oder einfach-so-Spaß an LOTR vergällen, sondern lediglich darauf aufmerksam machen, welche tieferen Schichten sich offenlegen lassen, wenn man sich auf so was wie eine ›Intention Auctoris‹ (= Absicht des Autoren) einzulassen gewillt ist.
Hobby-Exerzitien eines Hobbit-Erfinders
Mir ist schon klar, daß man LOTR und Mitterlerde von zumindest diesen drei Seiten abklopfen muß, wenn man gerecht sein will:
- Als persönlichen Ausdruck einer ausgeprägten katholischen Frömmigkeit;
- Als Neu-Aneignung alt-europäischer (vor allem nordischer) Mythen;
- Als linguistische, geographische und genealogische Laubsägefrickelei (siehe Schlüsseltext »Leaf by Niggle«).
Es ist kein Geheimnis, daß Tolkien ein überaus hingebungsvoller Katholik war, der sich die heilige Kommunion versagte, wenn er nicht zuvor gebeichtet hatte; — der als Apostel seinen Freund und Kollegen C.S. Lewis zu missionieren trachtete (und sehr enttäuscht war, als dieser sich dann für den anglikanischen Glauben entschied); — dessen Frau vom Protestantismus zum Katholizismus konvertieren musste, um den strenggläubigen Tolkien heiraten zu können (ein Thema, daß sich womöglich z.B. in der Beziehung Arwen und Aragorn, und anderen Beziehungen von Sterblich-Unsterblichen wiederspiegelt).
In der Tolkien-Biographie (Klett-Cotta/Ullstein; 1983) von Humphrey Carpenter begann ich meine Spurensuche:
Seite 111: »Mittelerde ist unsere Welt«, schrieb er {Tolkien}, mit dem Zusatz: »Ich habe (natürlich) die Handlung in eine rein imaginäre (wenn auch nicht ganz unmögliche) Periode des Altertums gerückt, in der die Kontinente eine andere Form hatten.«
Kurz darauf resümiert Carpenter {Hervorhebung von mir}:
Seite 111: Es {Tolkiens Mittelerde-Werk} widerspricht nicht dem Christentum, sondern ergänzt es. In den Legenden wird Gott nicht angebetet, und doch ist er da, und im Silmarillion wird er ausdrücklicher genannt als in dem Werk, das daraus erwuchs, dem Herrn der Ringe. Tolkiens Universum wird von Gott »dem Einen«, regiert. Unter Ihm in der Hierarchie stehen die »Valar«, die Hüter der Welt, die keine Götter, sondern engelhafte Mächte sind, ihrerseits heilig und Gott untertan; {…} Tolkien gab seiner Mythologie diese Form, weil er wünschte, daß sie fern und fremd, zugleich aber keine Lüge sei. Er wollte, daß die mythologischen und legendären Erzählungen seine eigene moralische Sicht der Welt aussprechen sollten, und als Christ konnte er sie dann nicht in einem Kosmos ohne Gott stellen, den er verehrte. {…}
Seite 112: Als er das Silmarillion schrieb, glaubte Tolkien in gewissem Sinne, die Wahrheit zu schreiben. Er nahm nicht an, daß genau die Völker, die er beschrieb {…} auf Erden gelebt und getan hätten, was er berichtete. Doch fühlte oder hoffte er, daß seine Geschichten in gewisser Hinsicht eine starke Wahrheit verkörpern.
Und gemeint ist religiöse, genauer: Tolkiens individuelle christlich-katholische Wahrheit, nicht die Art von belegbarer Fakten-Evidenz, die unseren modernen Wahrheitsbegriff prägt.
Weiter bei Carpenter:
Seite 113: Tolkien glaubte fest daran, daß es einmal ein Eden auf Erden gegeben habe und daß die Ursünde des Menschen und seine Verstoßung aus dem Paradies an den Übeln der Welt schuld sei.
••• Nebenbei: Eden weiß ich jetzt nicht genau, aber Paradies kommt aus dem Persischen und bedeutet ungefähr »(künstlicher) Garten mit Zaun drum herrum«. •••
Die entscheidenden Wendepunkte der Mittelerde-Historie werden bestimmt von selbstsüchtiger Eigenwilligkeit oder direktem Widerspruch gegen den Schöpfergott-Willen, beginnend mit Melkors aufsässigem Gesang als (luziferisches) Gegenthema zur Musik der Ainur; — über den Mord von Smeagol an Deagol, der sich wie die verschiedenen Geschwisterkämpfe der Elben als Vor-Echo von Kain und Abel lesen läßt; — bis zu den verschiedenen Gelegenheiten, bei denen menschliche Könige oder kleine Hobbits sich weigern, den Einen Ring zu zerstören.
Bei all diesen Gelegenheiten finden sich starke Anklänge auf die katholischen Melodien von der Vorhersehung Gottes, der gnadenreichen Erlösungsgeschichte, jedoch eingedenk der Notwendigkeit des freien Willens, durch den zwar das Böse in die Welt kam, welches sich aber als notwenige Stimme im (für die Geschöpfe undurchschaubaren) großen Heilsplan Gottes entpuppt.
»Wie das?«, mag der unbedarfte Mittelerde-Tourist berechtigt fragen.
»Zum Beispiel beim LOTR-Showdown«, ist ein Gedanke den ich anbieten mag.
ACHTUNG SPOILER! Frodo und Gollum sind bei ihrem finalem Ringen um den Ring beide dem Bösen verfallen, doch aus dem Kampf von zweien in diesem Moment bösen Figuren, fügt sich eine völlig unvorhersehbare (stolpernde) Zufallsbefreiung von einem großem Übel. Gollums Purzler in die Lava lässt sich mit den selben Worten begründen, mit denen Gandalf erklärt, warum Bilbo damals unter den Nebelbergen im Dunkeln kriechend den Einen Ring fand, welcher seinerseits Sauron-willig den deformierten Fischmampfer verlassen hatte:
Seite 74: »Dahinter war noch etwas anderes am Werk, unabhängig von allen Plänen des Ringschmieds. Ich kann es nur so ausdrücken, daß es Bilbo beschieden war, den Ring zu finden – und zwar nicht von dem Schmied.« ••• Einbändige Klett-Cotta Ausgabe; Übers.: Wolfgang Krege.
Seite 69: »Behind that there was something else at work, beyond any design of the Ring-maker. I can put it no plainer than by saying that Bilbo was meant to find the Ring, and not by its maker.« ••• Unwin/Unicorn one volume edition
SPOILER ENDE!
Desweiteren lassen sich die Frauenfiguren bei Tolkien — allen voran Lichtlady und Wasserkraft-Ringhüterin Galadriel — als frühes Erklingen eines Marienmotivs deuten. Maria selbst wird, vor allem im Mittelmeerraum und bei zur See fahrenden Völkern, in einen starken Bezug zum Abendstern gesetzt. Das ließt sich dann in einem altem englischen Lied so:
Hail, Queen of Heaven, the ocean star,
Guide of the wand’rer here below:
Thrown on life’s surge, we claim thy care —
Save us from peril and from woe.
Mother of Christ, star of the sea,
Pray for the wanderer, pray for me.
Bei Tolkien kann daraus folgendes werden:
Snow-white! Snow-white! O Lady clear!
O Queen beyond the Western seas!
O light to us that wander here
Amid the world of woven trees!…
O Elbereth! Gilthoniel!
We still remember, we who dwell
In this far land beneath the trees,
Thy starlight on the Western seas.
Eucharistische Obertöne lässt das wundersame und Lebensmut spendende Lembas-Brot vermuten. Gut, es ist nicht eins zu eins vergleichbar mit dem Fleisch und Blut des Erlösers, welches sich zu Brot und Wein verwandelte. Wie sehen aber solche Übertragbarkeiten aus?
Da sind die Namen für die heilige Speise. In Quenya ›coimas‹ (= life-bread, Lebensbrot) und in Sindarin ›Lemmas‹ oder ›lenn-mbass‹ (= journey-bread, Pilgerzehrung).
Dann auch: Lembas wird behütet von Yavanna, die Königin, die höchste und herrlichste aller Elbenfrauen oder überhaupt Personen, ob groß oder klein. Entsprechend übersetzten sich ihre Beinamen ›massànie‹ oder ›besann‹ als die ›Herrin‹ oder ›Brotgeberin‹. Frucht Deines Leibes … ick hör dir trapsen.
Diese Brotzeit-Informationen sind der »History of Middle-Erath XII: The Peoples of Middle-Earth« entnommen, Seite 403ff. Auch klingt in der Beschreibung des Anbaus des Lembas-Korns das Samen-Motiv aus der Bergpredigt des Neuen Testaments an. ••• Schade, daß die Bände III bis XIII nicht mehr ins Deutsche übersetzt werden. Zumindest die wohl auch für eine größere Mittelerdeleserschaft interessantesten Texte sollten in ein oder zwei Auswahlbänden übersetzt zugänglich gemacht werden, wie zum Beipiel ein früh aufgegebener Ansatz eines Verschwörungsthrillers im jungen Vierten Zeitalter (kurz nach Aragorns Tod, ca. 115 Jahre nach den Ereignissen im LOTR.) •••
Deutlich Anspielung auf die Bibel (Genesis) liefert auch die Wortkunde zu ›Sauron‹. Das mag im fiktiven Quenya ›der Grausame‹ heißen, doch Tolkien plünderte alle möglichen realen Sprachen und so überrascht es wenig, daß der Name dem griechischen ›sauros‹ (= Echse, Schlange) abgeguckt wurde. Dino›saurier‹ leitet sich auch aus dieser Wurzel ab. ••• Munition für die fragwürdigeren, zumindest heikel-unangenehmen Theorien zu ›Tolkien als Nordherrenmensch-Idealisierer und Russenverachter‹, lässt sich aus mannigfachen Entlehnungen osteuropäischen Wortguts für Begriffe der bösen Mordor- und Orksprache schmieden. •••
Frodo, Gandalf und Aragorn erleben alle drei ihren Tod und darauffolgende Auferstehung. Gandalf in Moria (als ganzes ein Friedhof und Totenreich); — Aragorn auf dem Pfad der Toten (Fegefeuer-Thema; die Sünde des Verrats der Dagorlandschlacht-Kneifer erweißt sich als heilbar); — und Frodo am getreusten nach den Evangelien. Am dritten Tage nach Kankras Lauer findet Sam ihn wieder. Zwischendurch lag Frodo wegen der Spinne Stich in totengleicher Starre.
Der 25. März ist nach christlicher Tradition nicht nur der Tag der Kreuzigung von Jesus, sondern auch der Tag der Verkündigung (also Maria-Befruchtung). An genau diesem Tag des Auenlandkalenders wird der Ring zerstört. Wenn man bedenkt, daß Tolkien seine Welt ja frei erfunden hat (und die Monate und Zeitläufte-Unterteilung auch ganz anders hätte gestalten können), kann man dies wirklich nicht als Leichtfertigkeits-Zufall deuten. Das ist glaubensschwere Absicht.
Spuren verwischen
Tolkiens Glaube ging einher mit einer großen Bescheidenheit. Deshalb lag es ihm fern, deutliche, ins Auge springende Hinweise auf seinen katholischen Glauben zu liefern. Deswegen verachtete er auch ›Allegorie‹ so sehr, denn diese ist eine Zeichen- und Bedeutungsgrammatik, die kein Deuteln zulässt. Eine Frau mit Augenbinde, Schwert und Waagschalen ist immer »Die Gerechtigkeit« und abweichende Sinnbelegungen nur bei Regelverstoß möglich. Theologisch gesehen vollzieht Tolkien also einen Umgang mit Symbolen und Bedeutungen, der konträr zu dem von Bilderstürmen der Reformation oder den byzantinischen Iconoklasten ist. Statt Bilddarstellungen von Gott und Jesus usw. abzulehnen, hat er, beflügelt durch seine Begeisterung für (heidinisch-nordeuropäische) Mytholgien, den Bilderschatz seines Glaubens zu erweitern verstanden.
Als Prosa- und Romanautor finde ich ihn größtenteils lächerlich (Ausnahme: »Silmarillion« Kinderbücher & Kurzgeschichten), als Lyriker schrecklich altbacken lieblich, aber ich verneige mich vor ihm als großen Brückenbauer zwischen katholisch-christlicher und heidnisch-vorchristlicher Religion. Er mag bekehrend auf seine Umwelt eingewirkt und dabei zuweilen ein schwieriger Mensch gewesen sein, aber im Mythenverschmelzen zeigt er sich bewundernswert tolerant … auch wenn er sonst gegenüber Dingen wie der Moderne und der Demokratie ziemlich engstirnig ablehnend sein konnte.
Zu der zweifelnden Gegenfrage, warum einem denn die katholischen Bezüge bei einer LOTR-Lektüre nicht mit den Füßen voran ins Gesicht springen, bin ich im Netz bei »Lord of the Imagination« (in etwa: »Herr/Meister der Vorstellungskraft/Phantasie«) fündig geworden. Dort zitiert ›The Irish Family‹ nach Humphrey Carpenter: »Letters of J.R.R. Tolkien«:
Tolkien selbst schreibt in Brief No. 142 an Robert Murray, S.J.: »The Lord of the Rings is of course a fundamentally religious and Catholic work, unconsciously so at first, but consciously in the revision. That is why I have not put in, or have cut out, practically all references to anything like "religion", to cults or practices, in the Imaginary world. For the religious element is absorbed into the story and the symbolism.«
»Selbstverständlich ist »Der Herr der Ringe« ein durch und durch {grundsätzlich} religiöses und katholisches Werk, unbewußt zu Beginn, doch bewußt bei der Überarbeitung. Alle Verweise {Bezüge} zu Dingen wie »Religion«, auf Kulte und {religiöse} Praktiken in der vorgestellten {ausgedachten} Welt habe ich deshalb weggelassen oder entfernt. Denn das religiöse Element {man beachte den Singular} ist in die Geschichte {Handlung} und die Symbolbedeutungen eingegangen.«
Insofern ist LOTR in Bezug auf katholischen Glauben grob vergleichbar mit L. Ron Hubbards »Battlefield Earth« und Scientology. Und mich jetzt bitte nicht den haun, ich weiß, daß dieser Vergleich hinkt und unfair ist. Aber Molosovsky findet’s lustig.
Der musizierende Gott
Religion braucht erst in zweiter Linie Gläubige. Zuerst sind Propheten, Priester und Apostel, die eine Religion ersinnen, leiten und verbreiten nötig. Tolkien ist kein Neu-Schöpfer einer Religion, sondern im innigsten Sinne des Wortes ein Mystiker und um-zwei-Ecken-Verkünder einer, sprich: seiner katholischen Frömmigkeit. Man muß sich halt ein wenig mit frühchristlichen Theologien auskennen, um das so erkennen zu können.
Tolkiens Selbstaussagen mögen wohl denen unangenehm dünken, die sich LOTR zu einem Klangraum z.B. für ihre neu-heidnischen Sehnsuchtsseufzer zurechtdeuten wollen. Dabei darf man nicht übersehen, daß Tolkien sehr schockiert und angewidert von seinen Fans in den Sechzigerjahren als »langhaarige Irre« gesprochen hat. Du liebe Güte, ich wollte hiermit niemanden als irre oder langhaarig zeihen, nur darauf hinweisen, daß man vielleicht hie und da den Wirrnissen der Flower-Power-Leserschaft aufsitzt. Ich sag nur: Pfeiffenkraut entspricht nicht Marihuana.
Interessant ist, daß Tolkien — so eigen seine Schreibe ist — immer wieder Überraschendes bietet. So nimmt er heutige christliche Strömungen, wie die von formulierte Matthew Fox vorweg, die den Gedanken der Bewahrung der Vielfalt Schöpfung wieder in den Mittelpunkt des christlichen Glaubens rücken. Innovativ erscheint mir Tolkiens Motiv, die Schöpfung als Klangzauber zu verstehen, und überreich sind demgemäß auch in LOTR Stellen zu finden, an denen akustische Signale tiefere Wahrheiten und höhere Bedeutungen markieren.
Von Arwens Gesang der Aragron bezaubert; — über Boromiers Aufbruchs-Tuten in Bruchtal, als Ausdruck der aufrichtigen Absichten des Ringentsorgungs-Squats; — bis zum — durch das Plappern von Merry und Pippin — milde gestimmten Baumbart, der, hätte er die beiden Hobbits zuerst gesehen statt gehört, sie für kleine Orks gehalten und zertrampelt hätte … um nur drei subtilere Beispiele anzuführen, von Sarumans Stimmenzauber ganz zu schweigen. Tolkien bezieht damit eine nicht zu unterschätzende Gegenposition zur Substanz-, Optik-, Imago-, und Objekt-Fixierung heutiger Psychologie-Mythen. Tolkien nimmt damit neuere Seelentheorien vorweg, die sich Gedanken machen, wo man sich sphärologisch eigentlich befindet, wenn man Musik hört; und daß, bevor man von visuellen Spiegel-Erfahrungen und visuellen Aneignung der Welt sprechen kann, erstmal akustische Sirenen-Erfahrung und -Verführungen stattfinden. ••• Siehe Peter Sloterdijk »Weltfremdheit« und »Sphären I - Blasen (Mikrosphärologie)«. •••
Freilich hat das Christentum schon lange vor Tolkien wie ein Schwamm Vorchristliches aufgesogen. Weniger aber aus theologischer Redlichkeit, denn aus macht-imperialer Notwendigkeit. ••• So leitet sich das Weihnachts-Datum von der Einweihung des Sol-invictus-Tempels unter Kaiser Aurelian (270 - 275 n.Ch.) am 25. Dez. 274 ab. ••• Tolkien war wählerisch mit seinen Anregungsquellen, nicht nur Heidnischem gegenüber. Hat er doch die nicht gerade unchristliche Arthur-Sage deshalb kaum aufgegriffen, weil sie sich für seine Zwecke als Fundus für einen heimischen Neo-Mythos nicht eignete, da ihm sein geliebtes England zur Arthus-Zeit zu sehr von romanisch-französischen Einflüssen versaut war. Und der Gute war ausgesprochen frankophob.
Eine neue Religion wollte Tolkien nicht schaffen, sondern der seinen neuen Ausdruck verleihen. LOTR kann man getrost zwischen die Bibel und den Katholischen Katechismus ins Regal stellen, und gemäß der Autoren-Intention fühlt sich das große rote Buch der Westmark dort sauwohl … wohler als zwischen (ich sag mal) den Fantasy-Romanen von Michael Moorcock und Dave & Leigh Eddings.
Warum beschäftige ich mich als ausgesprochener Tolkien-Skeptiker trotzdem seit über 15 Jahren mit dem Mittelerde-Schmalz? Weil Tolkien trotz all meiner Abneigung und Bedenken der große Papa der sogenannten »Fantasy« ist, eine Genrebezeichnung, mit der ich nicht recht glücklich werde, die mir aber trotzdem als Orientierung im Belletristikangebot dient.
Ich kann nicht anders, als im Sinne einer Relativierung der Leser-Umdeutungen der Werke Tolkiens immer wieder den Versuch zu starten, den (am Autor vorbeigehenden) Interpretationen durch heutige Leser entgegenwirken zu wollen. Wenn ich mir solche tröstlichen Verstandeinlullungen wie die Papierverschwendungen eines Tad Williams (»Der Drachenbeinthron«) und Robert Jordan (»Das Rad der Zeit«) anschaue, erscheint mir das notwendig.
Zuckerl: Grond
Als Linderung und Wiedergutmachungsangebot nach all dem dekonstruierenden Kopffüßlerblabla, will ich zeigen, welche Stellen auch mich fürwahr abheben lassen, wenn ich den guten Prof. Tolkien lese. Auf zur Belagerung von Minas Tirith in LOTR, Buch III:
Seite 873: Die Trommeln wirbelten lauter. Große Maschinen krochen übers Feld heran; und in ihrer Mitte kam ein riesiger Rammbock, dick wie ein Baum und hundert Fuß lang, aufgehängt an mächtigen Ketten. Lange war er in Mordors dunklen Waffenschmieden zurechtgeschliffen worden, und sein hässlicher Kopf, aus schwarzem Stahl gegossen, hatte die Form einer Wolfsschnauze und war mit mauerbrechenden Worten beschriftet. Grond nannten sie ihn, in Erinnerung an den Unterwelthammer der alten Zeiten. Große Tiere zogen ihn, Orks deckten ihn an den Seiten, und hinterdrein kamen Bergtrolle, um ihn ans Ziel zu wuchten.
Und den englischen Text von LOTR habe ich größtenteils laut und theatralisch deklamiert … oft während längerer WC-Sitzungen.
Original, Seite 860: The drums rolled louder. Fires leaped up. Great engines crawled across the field; and in the midst was a huge ram, great as a forest-tree an hundered feet in lenght, swinging on mighty chains. Long had it been forging in the dark smithies of Mordor, and its hideous head, founded of black steel, was shaped in the likeness of a ravening wolf; on it spells of ruin lay. Grond they named it, in memory of the Hammer of the Underworld of old. Great beasts drew it, orcs surrounded it, and behind walked mountain-trolls to wield it.
Zurück durch die Jahrtausende ins Erste Zeitalter und zur (vierten) Schlacht »des Jähen Feuers« und dem Kampf Morgoth vs. Fingolfin:
Seite 172: Dann schwang {der turmhohe} Morgoth Grond hoch in die Luft, den Unterwelthammer, und schmetterte ihn nieder wie einen Donnerschlag. Doch Fingolfin sprang beiseite, und Grond schlug eine mächtige Grube in die Erde, aus der Rauch und Feuer hervorsprühten. Viele Male versuchte Morgoth, ihn zu zerschmettern, und jedesmal wich Fingolfin aus, wie der Blitz unter einer dunklen Wolke hervorspringt; {…} Doch die Erde um ihn war nun voller Löcher und Gruben, und er strauchelte und fiel rücklings Morgoth vor die Füße; und Morgoth setzte den linken Fuß auf seinen Hals, schwer wie ein stürzender Berg. Doch mit einem letzten und verzweifelten Streich hieb Fingolfin ihn Ringil in den Fuß, und das Blut sprudelte schwarz und dampfend hervor und füllte die Gruben, die Grond gehauen hatte. ••• »Silmarillion«, Klett-Cotta, 1986; Übers. Wolfgang Krege.
Original, Seite 185: Then Morgoth hurled aloft Grond, the Hammer of the Underworld, and swung it down like a bolt of thunder. But Fingolfin sprang aside, and Grond rent a mighty pit in the earth, whence smoke and fire darted. Many times Morgoth essayed to smite him, and each time Fingolfin leaped away, as a lighting shoots from under a dark cloud; {…} But the earth was all rent and pitted about him and he stumbeld nd fell backward before the feet of Morgoth; and Morgoth set his foot upon his neck, and the weight ot it was like a fallen hill. Yet with his last and desperate stroke Fingolfin hewed the foot with Ringil, and the blood gushed forth black and smoking and filled the pits of Grond. ••• Unwin/Unicorn, 1987
Da bleibt mir meckerlos die Spucke weg, und nein, ich bin nicht so tollkühn, Grond als Phallus zu interpretieren und die blutigen Gruben zu deuten als, … na ihr wißt schon. Noch halte ich mich nicht für eine Reinkarnation von Arno Schmidt … vom schniefenden Siggi Freud gar nicht zu reden.
Ein ähnlich überwältigendes Bild fürs Vorstellungsauge bietet die (zweite) Schlacht »unter Sternen«, in der eine ganze Balrog-Armee auftritt. Man stelle sich vor, ein angreifendes Gewimmel von den Biestern, von denen eines in den Tiefen Morias den guten Gandalf alt aussehen läßt. Übrigens: durch die im Film beim Duell Gandalf vs. Balrog zu sehenden unteririschen Kavernen, wurde im Scheibenwelt-Zeitalter Mittelerdes die Sonne nachts zur Aufgangsposition zurückgerollt. Kann ich nur als eigenwilligen Ausdruck des Humors von Tolkien deuten und mich daran vergnügen.
Ausklang
Abschließend kann ich jedem begeisterten Leser empfehlen, sich einmal unerschrocken zu fragen, was genau für ihn die Faszination von LOTR und Mittelerde ausmacht. Ist es der Trost, die Epik, die Exotik, das Heldenhafte, die Naturromantik, die Sprache oder oder oder?
Eine großartige (katholisch-jesuitische) Vergleichslektüre zu LOTR, ist ein Ur-Fantasy-Buch aus dem spanischen Barock (1651):
Balthasar Gracian: »Das Kritikon« (und hier geht es zu meiner Besprechung) , als Fischer-TB für 20 Euro zu haben. Hier findet sich das sehr christliche Motiv des Lebens als Pilgerreise zum Seelenheil, der Mensch als Fremdling in einer trügerischen Welt (versaut durch demiurgische Pfuscherei, sprich abtrünnige Engel).
Know Thy Enemy.
Dig deep.
•••
WOANDERS: Wer weiter stöbern mag, dem sei neben den bereits genannten Quellen die umfangreiche Linksammlung The Catholic Imagination of J.R.R. Tolkien empfohlen. (man beachte die URL und verzweifle). Interessante Essays von katholisch-christlichen Autoren sind meines Erachtens:
Alles was dort zu lesen ist, stellt weitaus diskretere Deutungen zu Mittelerde dar, als zum Beispiel voreilige Interpretationen die feststellen, daß LOTR rassistisch sei; oder Frodo und Sam, bzw. Gandalf und Frodo homosexuelle Sublimationen wären und ähnlicher galoppierender Quatsch.
NEU: 24. Juli 2014 — Hier die (mir bekannten) brillanten Texte von Peter ›raskolnik‹ Schmidt zu Tolkien und seinem Werk (in chronologischer Reihenfolge). Raskolnik schafft es viel besser als ich, gut belegt kritisch zu hinterleuchten. Er arbeitet und bereitet einfach bedachter und ordentlicher als ich. (Wer auf mehr Radau aus ist, darf natürlich meine ›Phantastikforschungs‹-Entäußerungen weiterhin gut finden.)
Ich glaube behaupten zu dürfen, dass Raskolnik — ebenso wie ich — nicht einfach nur darauf aus ist, Tolkien unangespitzt in den Boden zu rammen, sondern dass er ihn vielmehr ernst nehmen und Probleme & Einsichten freilegen will, die im Spiel der Zeiten & Moden verdeckt wurden. Ich denke zudem, dass man bei Raskolnik merken kann, dass er durchaus — wiederum wie ich — auch seine Freude & den gebotenen Respekt für den Phantastik-Pionier Tolkien aufbringt.
Dienstag, 20. Juli 2004
Sonntag, 18. Juli 2004
Samstag, 17. Juli 2004