Eintrag No. 736 — Ganz schnell nur vermeldet: habe seit Montag ein iPad. Noch etwas G’schiss wegen Einrichtung des mobilen Netzels. Immerhin aber schon einige brauchbare Apps gefunden: erstmal iBooks, das hatte ich aber auch schon auf dem kleinen iPod-Touch; dann eine Packung deutsche Gesezte; das unbeschreiblich geniale Spiel »Osmos«; und zuletzt ArtRage, ein feines Mal- und Zeichenprogramm. Mit dem man sich z.B. doof selbst konterfeien kann:
Find ich einfach nur (aufgemerkt, folgendes Wort verwende ich sehr selten) ›geil‹, wie Klaus Lindner, Michael Krämer, Wiebke Priehn für die ›Neue Rheinische Zeitung‹ in ihrer Expertise unabhängiger Juristen die hochinteressante Frage stellen, ob die Bertelsmann Stiftung ›gemeinnützig‹ im Sinne von §§ 52 ff. AO ist. Jeder, der auch nur ein bischen mitbekommen hat, was Bertelsmann so treibt, weiß, dass bei der Prüfung dieser Frage nur ein Ergebnis herauskommen kann: Ist sie nicht.
Gratulation Andrea Diener! Zum zehnten Mal glänzt sie uns bereichernd als gewieft-launige und sachkundige Bachmann-Wettbewerbs-Kommentatorin. Hier geht es zum Bachmann-Wettlesen im ›Reisenotizen aus der Realität‹-Blog Tag eins; Tag zwei; und Tag drei. — Ich freue mich für Andrea auch über die das ausführliche Zitiertwerden ihres diesjährigen Klagenfurt-Bloggens beim Perlentaucher.
Wunderbare Gemme im erstaunlichen Archiv von ›UbuWeb‹. Ein Dokumentaionsfilm aus dem Jahre 1983 vom englischen Cinematographen-Künstler Peter Greenaway: Four American Composers, über John Cage, Robert Ashley, Meredith Monk und Philip Glass.
Großartiger Essay bei ›Bibliotheka Phantastika‹: Die Redaktion hat unter dem hinreissenden Stichwort ›Metaflöz‹Acht Argumente für Fantasy & Phantastik zusammengestellt, die flappsig in etwa so gehen:
Beurteile ein Buch nicht nach seinem Umschlag! (Ja schon klar, dass viele Fantasy-Cover einfach nur ›würg‹ sind … das wurmt anspruchsvolle Fantasy-Leser mit Geschmack ganz besonders).
Die großen Fantasy-Erfolge liefern keine gute Orientierung dazu, was Fantasy alles ist (bzw. sein kann). Ein bischen schwächelt dieses Argument finde ich, denn die großen Fantasy-Erfolge der letzten Jahre sind schon ziemlich typische Vertreter ihres Genres. Kommt halt darauf an, wie sehr man sich auf diese ›Ideal-Vertreter‹ kapriziert und von ihnen bei seinen Betrachtungen des Genres (ab)lenken lässt.
Mythen, Romantik und überhaupt die ehrenvolle Ahnen-Traditionslinie des Genres!
Zitier ich den anfänglichen Kernsatz ganz, denn dieses Argument ist m.E. kommt etwas schwach und verglückt rüber:
Fantasy erlaubt, Probleme der realen Welt durchzuspielen, ohne exakt an die Nachzeichnung realer Umstände gebunden zu sein oder irgendjemandem aus ebendieser realen Welt mit Schuldzuweisungen etc. auf die Füße zu treten – sei es, dass es um allgemeingültige Schwierigkeiten geht, die in Mittelerde ebenso auftreten wie in Mitteleuropa, sei es, dass bestimmte Dinge im weitesten Sinne symbolisch zu verstehen sind
Die Sache mit dem ›tritt niemanden auf die Füsse‹ wäre für mich eher eine Schwäche, statt eine Stärke.
Fantasy ist eine ›Was wäre wenn?‹-Experimentierwiese. Hmmm, … ist das nicht jegliche Art von Fiktion?
(Gute) Fantasy bietet den Reiz des ganz anderen, des Unbekannten.
Zur Abwechslung eine geschwollene Umschreibung des Arguments, soweit ich es im Guten zu verstehen glaube: Fantasy gemahnt an die mythische Geworfenheit des Einzelnen in einer für diesen nur zum kleinsten Teil durchschaubaren Welt, die sich einem letztendlichen Verstehen sowie der vollkommenen Kontrolle entzieht. Gerade deshalb also bitte erst fühlen, denken und ethisch-moralische Folgen abwägen, dann drauf los handeln.
Der kalifornische Künstler James Jean ist ein unfassbar guter Zeichner, noch dazu einer, der sich gerne mit schrägerer Phantastik spielt. Bei uns dürfte er vielleicht den ein oder anderen bekannt sein als Coverzeichener für die Comic-Reihe »Fables« (hier z.B. für die Nummer 52 im Blog von James). Der eigentliche, mich umhauende Wahnsinn geht aber in seinen Moleskin- & Skizzenbuch-Arbeiten ab. Hier ein paar Beispiele:
Letzte Woche erst entdeckt, diesen Klassiker der modernen Portrait-Photographie von Phill Toledano: die Gamers. — (Diese Aufnahme eines Daddlers, der kurz davor ist einen unerwarteten ›Epic Win‹ einzustreichen, wurde in einem TED-Vortrag von Jane McGonigal gezeigt, in dem es um weltverbesserung durch Anzapfen des Gamer-Potentials ging.)
Zum Abschluss ein Trailer, den ich zuerst bei Stefan vom ›PhantaNews‹-Blog gesehen habe. Internationaler Zweieinhalbminuten-Trailer zum kommenden »Tim & Struppi«-Film. Ich bin so nervös. Hoffentlich versauen Spielberg und Jackson es nicht. Der Trailer lässt Hoffnung zu.
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Eintrag No. 732 — Angesichts des gestrigen Jubiläums des 100. Geburtstages von Mervyn Peake hier eine Portrait-Zeichnung von mir (nach einem Selbstportrait aus dem Jahre 1933) des Malers, Illustrators, Dichters, Dramatikers und Autoren der wunderbaren »Gormenghast«-Romane.
Es gibt (mindestens) zwei Gründe, warum die zwischen den Jahren 1946 und 1959 erstmals auf Englisch erschienenen ersten drei »Titus«-Romane von Mervyn Peake als bemerkenswerte und außergewöhnliche Klassiker gelten. Erstens: Der Maler, Illustrator, Dichter und Unsinns-Lyriker Peake hat ein einzigartiges Literatur-Kunstwerk geschaffen, das seine Leser herausfordert und verführt, so wie es die gewohnten Grenzen verwischt, die zumeist zwischen anteilnehmendem und spottendem Humor, zwischen unheimlicher Verrätselung und sinnlicher Verzauberung der Welt angenommen werden.
Mit den ersten beiden Romanen, Der Junge Titus und Im Schloss, versetzt uns Peake in sein großes, komplexes und launenhaftes Prosa-Gemälde der umfangreichen und undurchschaubaren Gemäuer von Gormenghast und seiner sich ausnahmslos mehr oder minder durch Grillen und Ticks auszeichnenden Bewohner. Die Eigenwilligkeit und Exzentrik von Peakes Schöpfung, seiner Sprache und seiner episodisch-vertrackten Erzählweise sind sicherlich Hindernisse für Leser, die eine klare, von A nach B erzählte Geschichte erwarten. Verführerisch und bereichernd für jeden, der genug Geduld und Feinsinn aufbringt, ist aber die bildmächtige Wucht und die Zärtlichkeit dieses Weltenbaus, in dem vereinzelte Sehnsuchtsfunken und mächtige Leidenschaftsflammen der Aufsässigkeit und Rebellion gegen ritualisierte Traditionsfesseln aufbegehren.
Der dritte Band, Der Letzte Lord Groan, und vierte (im Nachlass gefundene und von Peakes Witwe Meave Gilmore komplettierte), Titus Erwacht, begleiten den Titelhelden auf seiner Odyssee durch die Gefilde jenseits von Gormenghast. So wie die ersten beiden Bücher auf groteske und amüsante Weise eine alte, im Sterben befindliche, monarchische Welt heraufbeschwören, spiegeln die beiden Folgeromane die moderne Welt Mitte des letztens Jahrhunderts wider. Titus irrt ziellos wie ein Spielball umher, wird einerseits gescheucht, verführt und erretet von Frauen, Revoluzzern, Soldaten, Entdeckern, Wissenschaftlern und Verbrechern sowie angetrieben von seiner Sehnsucht danach, seinen Platz in der Welt zu finden.
So sehr man sich über die durchgesehene und schön gesetzte Neuausgabe freuen darf, bleibt die Umschlaggestaltung ein Grund, sich ratlos am Kopf zu kratzen. Die knalligen rot-, grün-, violett- und orangefarbigen Schutzumschläge verfehlen nicht nur die Stimmung der Bücher, sie erschweren die Lesbarkeit der Titel-Schriftzüge. Ornamentales Geschnörkel erinnert unangenehm an ›Arschgeweih‹-Ästhetik und die nicht zum Inhalt passenden Motive wurden von einer Person zusammengestellt, die offenbar nur flüchtig in den Romanen geblättert hat. — Schade auch, dass die Gelegenheit nicht genutzt wurde, deutschen Lesern endlich die zu den Titus-Geschichten zählende Novelle »Boy in Darkness «zugänglich zu machen.
Als Fazit sei die zweite Betrachtungsweise erwähnt, welche die Einzigartigkeit und große Errungenschaft zutage treten lässt, die Mervyn Peakes Romane darstellen: Die »Titus«-Bücher sind glänzende und einflussreiche Meisterwerke einer ›anderen‹ Fantasy-Tradition, deren Güte und Wert sich vor allem im Kontrast zu den Klassikern des Genres zeigt, die bis heute das Bild der Fantasy prägen.
Eintrag No. 724 — Seit einigen Wochen (oder Monaten?) merke ich, dass ich immer weniger Zeit habe (u. a. deshalb diese Woche kein Rückblick … dafür gibts übermorgen eine Doppelnummer).
Einer der Gründe meiner knackigen Auslastung war, dass ich, wann immer ich die Konzentration dafür zusammenkratzen konnte, an meinem ersten Übersetzungsprojekt für einen richtigen, ja sogar sehr feinen Verlag gebosselt habe: »Die Hölle ist die Abwesenheit Gottes« von Ted Chiang. Ein wunderbarer Band mit fünf beeindruckend guten SF-Geschichten (›SF‹ eher im Sinne von ›Speculative Fiction‹).
Näheres zum im Herbst 2011 erscheinenden Buch wird nachgepflegt, sobald weitere Infos auf der Golkonda-Website geboten werden. Hier schon mal das Autoren-Portrait für die hintere Broschur-Klappe:
Eintrag No. 704 — Es freut mich ungemein, dass ich im Zuge meiner (ehrenamtlichen) Autorenportrait-Zeichnerei für den kleinen aber feinen Golkonda-Verlag aus Berlin den von mir sehr verehrten Frank Böhmert (hier geht’s zu seinem Blog) konterfeien konnte. Folgende Zeichnung wird als Portrait auf der hinteren Broschurklappe des Romanes »Bloß weg hier!« (erscheint im Sommer dieses Jahres) zu finden sein.
Eintrag No. 701 — Nach langer Pause endlich mal wieder zwei Skribbels, wieder aus meiner ›Fetzenschädel‹-Reihe. Wie Molochronik-Kenner wissen, konterfeie ich in dieser Reihe Zeitgenossen, die mich gruseln machen, deren gesellschaftliches Wirken und öffentliches Auftreten mir Ekel und Unwohlsein bereiten oder Wutwallungen bescheren, und indem ich diese Personen portraitiere, reinige ich mich von diesen unangenehmen Gefühlen.
Simon (dessen »Die Konstitution des Wunderbaren – Zu einer Poetik des Science-Fiction-Films« ich allen Genre-Theorie-Interessierten ausdrücklich empfehle) erklärt darin Todorovs Thesen so, dass man sie verstehen kann. Zudem gibt es im ersten, dem Theorieteil, einiges über: den Struktualismus, das Verhältnis von Erzähler und Leser, Realismus, Brüche und Unsicherheiten (inkl. Phantastik & (ta-da!) Pseudophantastik), Erzählweisen, den zweifachen Tod der Phantastik; — und dann, im zweiten Teil werden praktische Deutungs-Beispiele geliefert anhand von Henry James, Edgar Allen Poe, »The Blair Witch Project«, Franz Kafka, Thomas Mann und »Pan’s Labyrinth«. — Link zu dem Buch wird ergänzt, sobald es eine Buchwebsite gibt.
Zweitens sind die ersten beiden Bücher des Golkonda Verlages mit von mir gezeichneten Autoren-Portraits erschienen und heute per Post bei mir eingetroffen. — Fühl sich großartig an, für einem so exzellenten Verlag und dessen feine & ordentlich gemachte Bücher etwas beitragen zu können, und sei es nur eine kleine Zeichnung für die hintere Broschurklappe.
Jon R. Lansdale»Kahlschlag«. Der Roman beginnt auf Seite eins mit einem Kill, als Sunset Jones ihren Mann Pete erschießt, als er sich gerade wieder mal besoffen über sie hermachen will. Bin schon gespannt, was in diesem, im Texas der 1930er angesiedelten, Roman abgeht. — Lansdales Schreiben kenne ich bisher nur von a) seinen exzellenten Jonah Hex-Comics, den sicherlich besten Geschichten, die es bisher zu diesem unheimlichen Westernhelden gibt; und b) durch seinen Beitrag »Jiving with Shadows & Dragons & Long, Black Trains« aus dem dritten Band mit Hellboy-Kurzegschichten »Odeest Jobs«. (Und dann habe ich noch vor vielen Jahren einen Roman und einige Kurzgeschichten von Lansdale gelesen, kann mich aber nicht mehr an Detail erinnern.)
Und ›last but not least‹ ist es mir eine ganz besondere Freude, dass meine Portraitzeichnung von Tobias O. Meißner nun die neuabgemischte Auflage seines 1999-Buches »HalbEngel« ziert. — Soweit ich mitbekommen habe, war es Tobias selbst, der meine ursprünglich für »Magira« angefertigte Zeichnung als Autorenportrait für »HalbEngel« wünschte, und damit losgetreten hat, dass ich nun immer wieder mal neue Illus für den Golkonda Verlag machen werde. Ich danke ihm viele tausend Male und verspreche, dass ich nun aber wirklich bald eine gute Farbkopie des Originals zu ihm nach Berlin schicke. — Und ja, auf das Buch selbst bin ich auch gespannt. Immerhin geht Meißner einen Weg der Phantastik-Poetik, den ich so ähnlich wohl auch eingeschlagen hätte, wenn ich nicht vor lauter Verzagtheit (sprich: letztendlich Dummheit & Unfähigkeit) seit Jahren mit Geschichtenschreiben pausieren würde.
Eintrag No. 667 — Und schon wieder muss ich mich von einer Seelenverstrahlung mittels ›Fetzenschädel‹-Zeichnen reinigen. Diesmal ist es der nette Rumpler von der Jungen Union, dessen auf mich stets etwas angstvoll wirkendes G’schau ganz mitleidig machen dadat, wären mir die Wortmeldungen VerbalSumpfgasblasen dieses Bundesvorsitzenden der JU nicht so überaus unsümmbatisch. Diese Woche hat er nur mal so lala aus’m Handgelenk gegen Halloween angestänkert, im Sinne von, »man müsse die christlichä Tradizion geg’n a so a neimodisches Zeitgeist-Glumbert verteidigen« … also nur das übliche ›onward christian soldiers‹-Gedöns, halt auf bayerisch. — Hoppala! Der Mann kommt ja aus Gelsenkirchen. — Naja, ernenne ich ihn eben zum Sprücherl-CSU-ler ehrenhalber. Nibelungenhallentauglich ist der Mann mit seinen feschen ›Polarisierungen‹ allemal.
Aber nicht mehr lange gefackelt; ich prrrräsendiere: Philipp ›Der Steher‹ Mißfelder.