molochronik
Freitag, 26. August 2005

Ayn Rand-Verschwörung bei Hugidubi?

(Alltag) – Schon seit einigen Monaten liegen Ayn Rand-Bücher beim Hugendubel an der Hauptwache munter bei den Klassikern. Als Matt Ruff-Leser kenne ich Ayn Rand seit ich »G.A.S. – Die Trilogie der Stadtwerke« gelesen habe und dannach einiges von der Dame verköstigte. Gehört wohl zu den gruseligsten Lektüren die man sich so aufreißen kann. Um so verdutzter war ich, diese Großtante der Neohardcorecons so unschuldig zwischen Paul Nizon, Niebelschütz und Flann O'Brien zu finden.

Damals habe ich einen überforderten Mitarbeiter von Hugendubel gefragt, wie das denn kommt. Ne Ahnung von den Büchern die da rummliegen hatte der sowenig, wie die allermeisten Hugidubi-Leute (müssen angeblich alle Abitur haben, aber das wars denn wohl auch schon, hmm?). Heute war ich so frei, diesen Mißstand mal zu dokumentieren. Wiegesagt: so liegen die Bücher da schon seit Monaten.

Wer also mal in Frankfurt vorbeischaut und die Schwachsinnigkeit und Irrelevanz von Ayn Rand kennt, hat also die Gelegenheit sich bei den Klassikern vor ihren Büchern aufzubauen und loszuzetern. Vielleicht gibts dafür ja Karmapunkte.

Ich geb Meldung, wenn sich was ändert.

Dienstag, 16. August 2005

Happy Holger

(Portrait) — Für'ne Handvoll Bakschisch unter Dr. Kohl ein paar Panzer an die Saudis vercheckt. Illegal? Regierung käuflich? Ach geh doch fort mit Deinem Genörgle.

Ich weiß, ich sollte auch mal Portraits von schönen und angenehmeren Menschen anbieten. Aber die Ungustl faszinieren mich nun mal mehr.

Nach einem Photo aus der »Die Welt«.

Ludwig-Holger Pfahls

Ludwig-Holger Pfahls took a few million in the times of Dr. Kohl for dealing Fuchs tanks to the Saudis.

I know that I should also provide portraits of more beautifuler people. But the ugly are more faszinating for me to draw.

Samstag, 13. August 2005

Internetforum für China Miéville-Leser

Eintrag No. 224 — Zuerst wars nur eine Mailingliste, und schwupps wurde daraus ein Internetforum mit Mailinglisten-Option.

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Bisher machen dort noch ›nur‹ knapp eine Handvoll Leute mit, aber das kann (und wird sich hoffentlich) im Laufe der Zeit noch ändern.

Ich gebe zu: die Forumsoberfläche ist nicht die knackigste und die Werbeeinblendungen nerven gewaltig. Aber es geht immerhin um einen der interessantesten und phantasie- und wortmächtigsten ›Weird Fiction‹-Autoren den man heutzutage lesen kann.

Also, wer wie ich die auf der Welt Bas-Lag angesiedelten Romane »Perdido Street Station« (»Die Falter« & »Der Weber«), »The Scar« (»Die Narbe« & »Der Leviathan« und »Iron Council« (»Der Eiserne Rat«) mag, dem empfehle ich dort mal vorbeizuschaun. Würde mich freuen, wenn wir uns dort treffen.

––––––––––– Weitere Beiträge zu China Miéville: • Kapitelstruktur der Bas Lag-Romane von China Miéville; • Tolkien als Bilbo; • Hurrah, der zweite Roman aus der Welt Bas-Lag ist da; • Portrait.

Freitag, 12. August 2005

Euer Mann. Der Schmerz. Mein Wunsch.

Eintrag No. 223 – Ich kann nicht mehr. Seit Jahr und Tag schwillt mir die Galle, wenn irgendwelche Kaugummiknochen den THOMAS MANN bis zum Zenit loben. Der MANN ist nun seit fuffzich Jahren tod und am verrotten, aber die sich an ihm labenden Maden singen immerfort im Chor Loblieder auf ihn, nein, sie haben ihn mit ihren Begeisterungs-Hymnen und Ehrfuchtsseufzern bestimmt schon apotheotisiert.

»THOMAS MANN, das ist ein zu schwacher Name für dieses Genie«, so wird wohl ein Satz in der Pettition lauten, mit dem die Fans den Namen des Dichters in THOMAS GOTT ändern werden.

»Unser täglichen Spruch gibt uns heute, und vergieb uns unsere Kritiken, wie wir dir vergeben deine Homophilie.« So beten wohl einige in den redaktionen hierzuland.

Mir hauts jetzt bald den letzten Hirnbatzen raus, in dem noch Geduld mit den MANN-Acolyten zu finden war. Jeden Tag irgendwo etwas über MANN, manchmal mehrmals, fast immer mit Bild.

Liebe Kritiker, Feullitioninhaltsbeiträger und Kulturprogrammzuzsammenwurschtler. Heute feiert ihr noch das Verwesen eueres Idols, dann bitte damit mal für 50 jahre mit MANN-Berichterstattung und Belobhudelung Pause machen.

Ich überlege einen Anti-MANN-Web-Button zu entwerfen. Hat jemand einen passenden Spruch?

Der Bla-Bla-Meister Thomas Mann

P.S.: Heinrich Mann dagegen, ein guter Schriftsteller. Schrieb im gegensatz zu seinem Bruder relevantes Zeug (»Die kleine Stadt«, »Der Untertan« sind beide je mehr wert und bieten besseres Zeitverständnis und sind spannender als das werk des eitlen Bruders) und nicht so Hascherl-Geschichten über Gemüthslemuren.

P.P.S.: Walter und Inge Jens spreche ich den Titel ›Ehrfurchtsgestörte THOMANNiker‹ zu. Wegen Thommie schrieben sie ein Buch über dessen Frau, und nun schieben sie ein Buch über deren Mutter nach.

Ich warte bangend auf das buch: »Die Haustiere und Pflanzen der Familie Mann«. Und ich prophezeie euch, dieses buch kommt noch.

Sonntag, 31. Juli 2005

»Kniet nieder vor Maria Magdalenas Gebeinen«, oder:Dan Brown: »The Da Vinci Code«

EDIT: Neu formatiert und 1x überarbeitet.

Eintrag No. 222Prolog: Im Louvre mordet nächtlings ein bleicher Schreckensmönch den Kurator. Der Mörder flüchtet, das Opfer stirbt mit zwanzigminütiger Verzögerung und hat noch die Fassung, sich selbst zum Anfangsrätsel einer Schnitzeljagd zu drapieren. Das Abenteuer eines amerikanischen Historikers Landon und einer (jüngeren) fränzösischen Polizeikryptologin Sophie — deren Großvater das Mordopfer war — kann beginnen. Die Hatz wird ca. 24 Stunden dauern, und nach 105 knappen Kapiteln (oder 487 Seiten) im Epilog mit einem Kniefall enden.

Nach all dem Gewese über »The Da Vinci Code« bin ich als den gehypten Narrationen gegenüber skeptisch Veranlagter baff, wie vergnüglich sich der Roman in knapp zwei Tagen wegschlürfen ließ. Keine tiefsinnige Lektüre, aber eine kurzweilige.

Der ganze Spannungs-Aufbau folgt der Tradition der Schatzssuche mit Rätselspielen. Stark erinnert hat mich das Gegrübel über Verse die einen mit ›thee‹ anreden an Justus, Peter & Bob (»Die drei ???«, »The Three Investigators« im britischen Original) — in z.B. »Geheimnisvolle Erbschaft« oder »Schreiender Wecker«. Einige der Rätselantworten habe ich vor den Schatzsuchern erraten (z.B. das Isaac Newton-Rätsel); genervt hat mich lediglich, wieviel Gedöhns um das Erkennen von simpler Spiegelschrift gemacht wird. Wobei ich nichts dagegen habe, wenn Leser rätseln sollen und auf die Folter gespannt werden. Aber ich finde es lächerlich, wenn ein Autor dem Leser ermöglicht, besserwisserisch über den Figuren zu stehen.

Die Polizei folgt der falschen Spur, denn der ermittelnde Kommissar hält Langdon für den Kurator-Mörder und ist eine Bedrohung für die Helden, die wiederum wissen, daß ihre Schatzssuche ein Rennen gegen den wahren Mörder des Kurators ist. Konventionell aber gut gemacht, wie das Zusammenspiel von Schatzsuche und Flucht Spannung erzeugt. Allein bis der Historiker und die Kryptologin der Hochsicherheits-Mausefalle des Louvre entkommen, verstreichen 146 Seiten. Dann gehts aber auch schon zu den Gnomen von Gringots, ähh, Zürich, die einen Schatz freigeben: freilich nur ein weiterer codierter Puzzlestein.

Das Fruchtfleisch des Romanes und der Intrigen bilden nun christliche Wahrheits-Streitigkeiten und Geheimverschwörungen (es gibt auch ›öffentliche Verschwörungen‹, wie H. G. Wells-Kenner wissen): Das Christentum wurde von machtfixierten Männern — noch dazu römischen Heiden wie Kaiser Konstantin — verhunzt. Alles Allzu-Menschelnde wurde aus der Bio von Jesus getilgt. Nix da, von wegen, daß Jesus der Rabbi mit Maria Magdalena verheiratet war, und schon gar nicht hatte er Kinder (Sarah) mit ihr, also eine menschliche Familie, die nach der Kreuzigung in Südfrankreich untertauchten konnte. Die Messias-Familie als ›Heiliges Blut‹, vulgo: DER GRAL, gehütet von seinen Untergrund-Gralsritten. Soviel geschichtlicher Hintergrund ist für den armen Langdon aus den USA freilich zuviel, da ist es trefflich, daß nahe Paris Sir Teabing lebt, ein reicher, exzentrischer britischer Historiker und Experte in Sachen Gralslegende, bei dem Langdon und Sophie Unterstützung finden. Nun können die beiden akademischen Geheimnis-Nerds die verwirrte Sophie zutexten mit Infos. Das Mädel wird auch sowas von geplagt von visionsartigen Erinnerungen an ihre letzte Begegnung mit ihrem Großvater {SPOILER markieren: •••Kultsex auf subterranen Altar•••}.

Das alles bleibt für mich größtenteils unspannend, denn populäre ›Sachbücher‹ zum Thema (z.B. »Der Tempel und die Loge«, wuhaa) kenne ich seit Teenagerzeiten, wie auch die von Dan Brown erwähnte Gral-Tarot-Connection. Um mir zu denken, daß mit der katholischen Kirche (oder dem Christentum) was nicht stimmt, brauche ich weder einen Krimi, noch den ganzen Eso-Schmonzes aus dem Verschwörungstheorienbegiet. (So kann die hiesige Literatur sich rühmen, einen seriöseren Historien-Bespiegler und Fabulatur wie Karlheinz Deschner zu haben, der mit seiner »Kriminalgeschichte des Christentums« weitaus profunder den kirchlichen Nimbus entzaubert.) Die Früh-Katholen wollten, daß Jesus mehr Gott als Mensch ist und entsprechend Superhelden-mäßig empfangen (durchs Ohr) wurde sowie von uns ging (Himmelfahrt). Die Gralsjünger aber wissen, daß es eine Jesus-Familie gab, mit Jesus-Familien-Stammbaum und Nachkommen, die bis heute als gut gehütete Exilanten im Verborgenen leben. Soll von mir aus beides stimmen — meine Privatspinnerei zu Jesus geht gaaaanz anders: mir bereitet es Vergnügen, einiges von »Ben Hur« mit der Bibel (inklusive den Apokryphen) zu vermengen.

FIKTION:

Jesus war womöglich der Sohn eines mächtigen Römers und einer adeligen Jüdin (oder umgekehrt: Vater mächtiger Jude und Mutter adelige Römerin), der es als Revoluzzer-Prediger schafft, die Menschengesetzte der New World-Order-Imperialen und der starr-konservativen Lokal-Theokraten zu einem tragischen Knoten um den eigenen Hals zu schlingen. Christus hatte eindeutig einen zu heftigen Todeswunsch als Brennkern seiner holistischen Weltliebe.

FIKTIONENDE

Aber ich komme vom Thema ab. Moment — hmm, wundert mich, daß die Katharer nicht erwähnt werden. Sei's drumm — immerhin: Templer (Freitag der 13.), Troubadure und die Merowinger finden sich alle ein in »The Da Vinci Code«.

Die stärkste Figur ist für mich Sir Teabing, und ich freue mich schon auf Ian McKellen in der Rolle, wenn er (hoffentlich) meint: (»My friends, I am far more influencial in the civilized world than here in France«S. 309).

Die Abschnitte mit dem mordenden Albino-Mönch (komplett mit dornengespickten Kasteiungsgürtel; also ein Intimbereichs-St. Sebastian) mag im Roman manchen unheimlich und packend am Ende sogar »Das Parfüm«-artig tragisch anmuten — ich fands zu routiniert. Wer charakterlich gut entwickelte Fanatiker lesen mag, dem empfehle ich z.B. die ›H.E.I.N.Z.‹-Islam-Jungs in »Zähne zeigen« von Zadie Smith. — An sowas arbeiten wir noch, gell Mr. Brown.

Nett zu lesen ist der Roman auch noch als Touristik nach Paris und London, inklusive Bildbetrachtung von Leonardo-Gemälden, sowie Kirchen-und Louvre-Besichtigung. Die korrekte Genre-Bezeichnung lautet ungefähr: Krimi-Fantasy. (Nicht zu verwechseln mit einem Fantasy-Krimi wie den Lord Darcy-Geschichten von Randell Garrett.)

Dan Browns »The Da Vinci Code« ist ¿neben/vor? »Das Fouccaultsche Pendel« von Umberto Eco der wohl erfolgreichste Verschwörungs-Roman der letzten 20 Jahre. Darüberhinaus kann man beide Bücher kaum fair vergleichen, denn das Pendel ist für geduldigere Gemüther geschrieben, als der schnellgeschnittene Code. Das Pendel ist was für ›literarischere‹ Leser, wer zum Code neigt, bevorzugt schlicht ›'ne flotte Story‹. Wenn es Charakterklassen für Leser gäbe, würd ich sagen, daß Browns modernes Indiana Jones-Szenario für Erstlevel-PCs taugt, wohingegen Eco was fürs Experten-Set ist.

Die Seitenangaben beziehen sich auf die amerikanische Taschenbuchausgabe.

Dienstag, 26. Juli 2005

Filmstöckchen

(Film) – Eigentlich wollte ich in der Molochronik weniger solche allzutypischen Fragespielchen veranstalten. Aber ich stelle fest, daß so zugeworfene Stöckchen zu beantworten Freude macht. Zumindest der Werfer (in diesem Fall: Kollege Bembelkandidat) hat ein Recht darauf meine Antworten zu erfahren, denk ich mir.

Summe der Filme die mir gehören: Auf Video ca. ein Dutzend. Auf DVD ca. 200, die meisten als Schnäppchen gefischt.

Letzter Film den ich gekauft habe: »Das Große Rennen von Belleville« vor zwei Wochen auf DVD gekauft. Wahnsinnsstreifen, überragender Zeichentrickspaß mit extrem übersteigert-grotesquen und doch harmonisch-lieblichen Design. Keine Dialoge, alles wird non-verbal erzählt. Die irre Verfolgungsjagd am Ende kann ich nur vergleichen, mit der nicht minder abstrusen Hatz in Chestertons »Der Mann der Donnerstag war«.

Letzter Film den ich gesehen habe: Gestern Nachmittag nach der Arbeit »American Psycho« auf DVD geguckt, zum ersten Mal auf Englisch, nachdem ich den Film — als er aktuell lief — damals in Hamburg auf Deutsch gesehen habe. Gekonnte, elegante Umsetzung des wilden Bret Easton Ellis-Romans. Wer sich beklagt, daß im Film bei weitem nicht so viel Spatter gezeigt wird, wie im Roman explizit beschrieben wird, hat (imho) goor nüscht bis wenig kapiert.

Fünf Filme die ich entweder regelmäßig schau, oder die mir viel bedeuten (in ungeordneter Folge): ›Öfter gucken‹ und ›viel bedeuten‹ sind zwei Paar Stiefel.

Ersteres tu ich Filme, die gute Laune, rege Stimmung, fetzigen Sound bieten, kurz: die feine Zeitmöbel fürs Nebenbeilaufenlassen sind. Meine fünf Liebelinge der letzten Monate dafür sind: • The Incredibles • Matrix-Trio (plus Animatrix-Supplemente) • The Nightmare Before Christmas • Sky Captain & the World of Tomorrow • Once Upon A Time in Mexico

Zweiteres sind Filme, die mich sozusagen sehr persönlich — ja ich möchte sogar das große Wort »intim« bemühen — zum Schwingen bringen. Hier ruf ich in echt »Boah« aus, sabbere mit offenen Mund, möchte beichten gehen oder jemanden liebhaben, weine, lache, kraule mich vor Begeisterung frenetisch usw. (Ist wohl bekannt, diese gewöhnlichen enthusiasmierten Infantalismen des modernen Zivilisationssubjektes.) • Der Elefantenmensch • Akira • Se7en • Magnolia • Koyaanis-, Powaq- & Naqoyqatis

Ich reiche den Stab weiter an: Wird noch ergänzt. Ich MUSS jetzt weiterlesen. Bin auf den letzten 30 Seiten des neuen, dicken, hervorragenden John Irving-Romanes »Until I Find You«.

Freitag, 15. Juli 2005

Verborgene Orte: Eins — Exodus

(Eintrag No. 220)

Prosalyrische Wanderungen ins Unbekannte

»Reality is just a story thats taken on a life of its own.«
— John Constantine, Dez. 1997

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Exodus

Laßt uns auswandern aus diesen Geistesbreiten. Einen anderen Trampelpfad finden, oder einen reizenderen Fluß der Verheißung.

Aber vielleicht haben wir auch den Mut. Die Kraft hinterbehält uns und die Scheu nimmt vor Schreck und Kummer reißaus, ihre Staubwolke umnebelt uns; doch keine Trübung, nur ein Staubkorn im Gesicht, eine brennende Träne rinnt herab; die Dreckwolken senken sich. Stille kehrt ein.

Durst, Angst und Verlohrenheit umklammern uns. Hilflos und gedörrt baumeln wir in der Mitte der Kreuzung.

Halte durch mein scheuer Freund. Bleibe hier und erstarre nicht zu einer Feuersäule. Wir brauchen deinen Charme. Wir wollen dein weiches Fleisch, um unsere Leben formen zu können.

Wir trinken deine nässende Angst und ergötzen uns an deinem Witz. Flüchte weiter, tappse umher auf der Suche und Hoffnung nach deinem Land; deinen Geistesbreiten und Gefühlsmeridianen.

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Zum Menü der Verborgenen Orte

Nächster Verborgener Ort: Zufahrt & Cafehaus

Exodus
Mittwoch, 29. Juni 2005

John Dowland: »Were every thought an eye«

(Literatur, Lyrik) – Text und Übersetzung eines Liedes des englischen Renaissance-Komponisten und Lautisten John Dowland (1563-1626).

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Were every thought an eye and all that eyes could see, her subtle wiles their sights would beguile, and mock their jelousy. Her fires do inward burn, they make no outward show. And her delight amid the dark shades, which none discover, grow.

Desire lives in her heart, Diana in her eyes. 'Twere vain to whish womens true 'tis well, if they prove wise. The flow'rs growth is unseen. Yet ev'ry day it grows. So where her fancy is set it thrives but how none knows.

Such a love deserves more grace, than a truer heart that hath no conceit, to make use of both time and place, when a wit hath need of all his slight.

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Wenn jeder Gedanke ein Auge wäre, und all diese Augen sehen könnten, mit feiner List würde die Dame sie täuschen, und der Augen Eifersucht spotten. Der Dame Feuer brennen innerlich, sie zeigen sie nicht äußerlich. Und ihre Entzücken, inmitten dunkler Schatten, die niemand entdeckt, wachsen.

Verlangen lebt in ihrem Herz, in ihren Augen Diana. Vergeblich wärs, sich zu treue Frauen zu wünschen, wenn diese Bescheid wissen. Unbeobachtet ist das Wachstum der Blume. Und doch wächst sie jeden Tag. Sie gedeiht so wie es ihrer Laune entspricht, doch niemand weiß wie.

Solch eine Liebe verdient mehr Gnade, als ein treueres Herz das keine Dünkel hegt, um sich Zeit und Raum zu nutze zu machen, wenn der Witz all seines Geschickes bedarf.

Aus »A Pilgrims Solace – Forth Booke of Songs«, 1612.

Dienstag, 28. Juni 2005

John Dowland: »Love, those beams that breed«

(Literatur, Lyrik) – Text und Übersetzung eines Liedes des englischen Renaissance-Komponisten und Lautisten John Dowland (1563-1626).

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Love, those beams that breed, all day long, breed, and feed, this burning: Love I quench with floods, floods of tears and mourning. But alas tears cool this fire in vain, the more I quench the more there doth remain.

I'll go to the woods, and alone, make my moan, O cruel: for I am deceiv'd and bereav'd of my life, my jewel. O but in the woods, though Love be blind, he hath his spies, my secret haunts to find me.

Love then I must yield to thy might, might and spite oppressed, since I see my wrongs, woe is me, cannot be redressed. Come at last, be friendly Love to me and let me not endure this misery.

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Liebe, ihre leuchtende Blicke brüten, den ganzen Tag, brüten und nähren dieses Brennen: Liebe lösche ich mit Fluten, Tränenfluten, nächtlichen Tränen und Trauer. Doch leider kühlen die Tränen das Feuer vergeblich, von dem mehr bleibt, je mehr ich lösche.

Ich werde in die Wälder gehen und alleine mich beklagen, Wie grausam: denn ich täusche mich und bin beraubt meines Lebens, meines Juwels. Doch in den Wäldern, auch wenn Liebe blind ist, lauern Spione, die mein Geheimnis jagen.

Liebe, so muß ich weichen vor deiner Macht, Gewalt und Groll unterdrücken, da ich meine Fehler erkenne, ach Weh ist mir, und kann nicht behoben werden. Komm doch endlich, sei meine freundliche Liebe und laß mich dieses Unglück nicht länger ertragen.

Aus »A Pilgrims Solace – Forth Booke of Songs«, 1612.

Montag, 27. Juni 2005

John Dowland: »Come when I call«(A Dialogue)

(Literatur, Lyrik) – Text und Übersetzung eines Liedes des englischen Renaissance-Komponisten und Lautisten John Dowland (1563-1626).

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1st Voice: Come when I call, or tarry when I come; it you be deaf I must prove dumb.

2nd Voice: Stay awhile, my heavenly joy, I come with wings of love, when envious eyes Time shall remove.

1st Voice: If thy desire ever knew the grief of delay, no danger could stand in thy way.

2nd Voice: O do not add this sorrow to my grief that languish here wanting relief.

1st Voice: What need we languish? can Love quickly fly? Fear ever hurts more than jealousy.

Both: Then securely Envy scorning, let us end with joy our mourning, jealousy still defy, and love till we die.

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Erste Stimme: Komm wenn ich rufe, oder warte bis ich komme; wenn du taub bist muß ich mich stumm erweisen.

Zweite Stimme: Verweile doch, mein himmlischer Spaß, ich komme mit Flügeln der Liebe, wenn die Zeit ihre neidischen Augen abwendet.

Erste Stimme: Würde dein Verlangen jemals den Kummer der Verzögerung erfahren, keine Gefahr könnte sich dir in den Weg stellen.

Zweite Stimme: O füge diese Sorge nicht meinem Kummer hinzu, daß ich von meinem Schmachten erlößt werden will.

Erste Stimme: Was brauchen wir schmachten? Kann Liebe nicht flink fliegen? Furcht schmerz allemal schlimmer als Eifersucht.

Beide: Vorsichtig laßt uns dem Neid grollen und mit Freude unser Klagen enden, ruhig der Eifersucht trotzen und uns lieben bis wir sterben.

Aus »The Third Booke of Songs«, 1603.

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