Sonntag, 26. Juni 2005
John Dowland: »Come away, come sweet love«
(Literatur, Lyrik) – Text und Übersetzung eines Liedes des englischen Renaissance-Komponisten und Lautisten John Dowland (1563-1626).
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Come away, come sweet love,
the golden morning breaks.
All the earth, all the air
of love and pleasure speaks:
teach thine arms then to embrace,
and sweet
rosy
lips to kiss,
and mix our souls in mutual bliss.
Eyes were made for beauty's grace,
viewing,
rueing.
Love's long pain
procur'd by beauty's disdain.
Come away, come sweet love,
the golden morning waters,
while the sun from his sphere,
his fiery arrows casts:
making all the shadows fly,
playing,
staying,
in the grove,
to entertain the stealth of love.
Thither sweet love let us hie,
flying,
dying
in desire,
wing'd with sweet hopes and heav'nly fire.
Come away, come sweet love,
Do not in vain adorn
Beauty's grace, that should rise
like to the naked morn:
lilies on the river's side,
and fair
Cyprian
flow'rs new-blown
desire no beauties but their own.
Ornament is nurse of pride,
pleasure
measure
Love's delight:
haste then sweet love our wished flight.
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Komm mit, komm Liebste süß,
der goldene Morgen bricht an.
Die ganze Erde, alle Lüfte
sprechen von Liebe und Vergnügen:
Lehre nun deine Arme zu umschlingen,
und süße
rosige
Lippen zu küssen,
und unsere Seelen in gemeinsamer Wonne zu mischen.
Augen wurden geschaffen um die Anmut der Schönheit,
zu schauen,
bedauernd,
die langen Liebesqualen,
bewirkt durch der Schönen Verachtung.
Komm mit, komm Liebste süß,
der goldene Morgen schwindet,
während Sol von seiner Sphäre
feurige Pfeile verschießt:
die tanzen lassen alle Schatten,
spielend,
bleibend
in dem Hain,
um der Liebe Heimlichkeiten zu erfreun.
Dorthin Liebste süß laß uns eilen
fliegend,
sterbend
im Verlangen,
beschwingt von süßem Hoffen und himmlischen Feuer.
Komm mit, komm Liebste süß,
schmachte nicht vergeblich
der Schönheit Anmut an, die steigen sollte
so wie der nackte Morgen steigt:
Lilien am Flußufer,
und schöner
Cyprian-
Blumen frische Blüten
verlangt nach keiner Schönheit als der eigenen.
Verziehrung ist des Stolzes Züchterin,
Freude
bemesse
der Liebe Entzücken:
eil dich Liebste süß mit unserem ersehnten Flug.
Aus »First Booke of Songs«, 1597.
Samstag, 25. Juni 2005
John Dowland: »My thoughts are wing'd with hopes«
(Literatur, Lyrik) – Text und Übersetzung eines Liedes des englischen Renaissance-Komponisten und Lautisten John Dowland (1563-1626).
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My thoughts are wing'd with hopes, my hopes with love.
Mount Love unto the moon in clearest night
and say, as she doth in the heavens move,
in earth so wanes and waxeth my delight:
and whisper this but softly in her ears,
Kope oft doth hang the head, and Trust shed tears.
And you my thoughts that some mistrust do carry,
if for mistrust my mistress do you blame,
say though you alter, yet you do not vary,
and she doth change, and yet remain the same:
distrust doth enter hearts, but not infect
and love is sweetest season'd woth suspect.
If she, for this, with clouds do mask her eyes,
and make the heavens dark with her disdain
with windy sighs, disperse them in the skies
or with thy tears dissolve them into rain;
thoughts, hopes, and love return to me no more
till Cynthia shine as she hath done before.
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Mit Hoffnungen sind meine Gedanken, mit Liebe meine Hoffnungen beflügelt.
Reite die Liebe in der klarsten Nacht zum Mond
und sprich, so wie er im Himmel sich bewegt,
so schrumpft und wächst auf Erden mein Vergnügen:
und flüstere ihr dies nur sanft in die Ohren,
oft läßt die Hoffnung das Haupt hängen, verströmt Vertrauen Tränen.
Und ihr, meine Gedanken, die oft Argwohn hegen,
wenn aus Mißtrauen ihr meine Dame beschuldigt,
obwohl ihr wechselst und euch nicht wandelt,
und sie sich ändert und doch die selbe bleibt:
in Herzen dringt Mißtrauen ein, infiziert sie aber nicht
und Liebe wird am süßensten mit Verdächtigungen gewürzt.
Wenn sie dafür nun ihre Augen mit Wolken bedeckt,
und den Himmel mit ihrem Mißfallen verdunkelt,
mit windigen Seufzen, im Himmel zerstreue sie
oder löse sie mit deinen Tränen im Regen auf;
Gedanken, Hoffnungen, und Liebe kehren nicht mehr zurück
bis Cynthia scheint, so wie sie es vorher tat.
Aus »First Booke of Songs«, 1597.
Freitag, 24. Juni 2005
Auf Pöppelgrund nicht ärgern, oder: Gemeinsame Abschottung in Klagenfurt
Eintrag No. 214 – Als Teen habe ich richtig gerne den Bachmannwettbewerb geguckt. Da gabs noch Babyficker und so Quasi-Punks mit Blut und einen ganzen Haufen sonstiger Freaks und Freakinnen.
Inzwischen hatte ich einige Male das Pech arbeiten zu müssen zu Bachmannzeiten (Himmel: andere waren Sonnenfinsternisgucken vor ein paar Jahren, ich hab Daten getippt, grmpf). Auch dieses Jahr habe ich da wieder Pech und verlasse mich auf zwei gewitzte Damen: Andreas und Hellas herrlich respektlose und angenehm unbetuliche Berichterstattung.
Den gestrigen Tag habe ich sogar noch 3/4 gesehen und gehört. Das Schmerzvergnügen die Klagenfurt-Übertragung zu gucken ist wirklich exquisit. Immer die gleiche Schose, immer die selbe Art besinnlicher Solepsismus im Kleinformat.
Literatur braucht Mut, sonst kommt der Größenwahn nicht richtig rüber. Und ohne Größenwahn wird kaum was aus dem Schreiben. Künstler, die auf die Frage, was sie als Kinder gerne werden wollten nicht »Herrscher der Welt« (oder sowas in der Richtung) sagen, sind für mich so glaubhaft wie Teens und Twens, die auf die Frage ob sie onanieren mit »Nein« antworten. Also unglaubwürdig.
John Dowland: »Who ever thinks or hopes for love«
(Literatur, Lyrik) – Text und Übersetzung eines Liedes des englischen Renaissance-Komponisten und Lautisten John Dowland (1563-1626).
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Who ever thinks or hopes for love:
or who belov'd in Cupid's laws doth glory:
who joys in vows, or vows not to remove:
who by this light-god hath not been made sorry:
let him see me eclipsed from my sun,
with dark clouds of an earth quite over-run.
Who thinks that sorrows felt, desires hidden
or humble faith in constant honour armed,
can keep love from the fruit that is forbidden,
who thinks that change is by entreaty charmed,
looking on me let him know, love's delights
are treasures hid in caves, but kept by sprites.
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Wer auch immer an Liebe denkt, oder auf Liebe hofft:
der geliebt von Cupids Gesetzen rühmliches tut:
der freudvoll schwört, oder gelobt nicht zu weichen:
der von diesem Licht-Gott noch nicht enttäuscht wurde:
laß ihn mich sehen, von meiner Sonne verdunkelt,
mit finsteren Wolken einer sehr überrannten Erde.
Wer denkt, daß empfundene Sorgen, versteckte Gelüste
oder demütiger Glaube in stetiger Ehre gepanzert,
die Liebe von der verbotenen Frucht zurückhalten können,
wer denkt, daß der Wandel sich vom Flehen bezaubern läßt,
laß ihn auf mich blickend wissen, daß die Freuden der Liebe
in Höhlen vorborgene Schätze sind, die von Geistern bewacht werden.
Aus »First Booke of Songs«, 1597.
Donnerstag, 23. Juni 2005
John Dowland: »O eyes, leave off you weeping«
(Literatur, Lyrik) – Text und Übersetzung eines Liedes des englischen Renaissance-Komponisten und Lautisten John Dowland (1563-1626).
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O eyes, leave off you weeping,
Love hath the thoughts in keeping
that may contend you.
Let not this misconceiving,
where comforts are recieving,
causeless torment you.
Clouds threaten but a shower;
hope hath the happy hour,
though long in lasting.
Time needs must be attended;
Love must not be offended
with too much hasting.
But O the painful pleasure,
where Love attends the leisure
of life's wretchedness:
where Hope is but illusion,
and Fear ist but confusion
of Love's happyness.
But happy Hope, that seeth
how Hope and Hap argeeth,
of life deprives me;
or let it be assured
when life hath death endured
Love will revive me.
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Ach Augen, hört auf zu weinen,
die Liebe hält Gedanken bereit
die euch vielleicht beruhigen.
Laßt nicht diese Irrung,
wo Angenehmes empfangen wird,
dich grundlos foltern.
Wolken drohen nur mit einem Schauer;
die Hoffnung hat ihre glückliche Stunde,
wenn auch von langer Dauer.
Achten muß man die Nöte der Zeit,
die Liebe darf nicht beleidigt werden
durch zu viel Hast und Eile.
Doch ach, die schmerzvolle Lust,
wenn die Liebe sich nähert der Müßigkeit
der Verdrehtheit des Lebens:
wo Hoffnung nur eine Illusion,
und Furcht nur eine Verwirrung
der Fröhlichkeit der Liebe ist.
Doch glückliche Hoffnung – die sieht,
wie Hoffnung und Zufall einig sind –
beraubt mich dem Leben;
oder laßt sicher sein, daß
wenn das Leben den Tod erduldet hat,
die Liebe mich wiederbeleben wird.
Aus »A Musicall Banquet«, 1610.
Mittwoch, 22. Juni 2005
John Dowland: »My heart and tongue were twins«
(Literatur, Lyrik) – Text und Übersetzung eines Liedes des englischen Renaissance-Komponisten und Lautisten John Dowland (1563-1626).
Ich danke Andrea für zwei klärende Verbesserungen.
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My heart and tongue were twins, at once conceived,
th'eldest was my heart, born dumb by Destiny,
the last my tongue, of all sweet thoughts bereaved:
yet strung and tun'd to play heart's harmony.
Both knit in one, and yet assunder placed:
what heart would speak the tongue doth still discover.
What tongue doth speak is of the heart embraced,
and both are one to make a new found lover.
New found, and only found in gods and kings,
whose words are deeds, but words nor deeds regarded.
Chaste thoughts do mount and fly with swiftest wings,
my love with pain, my pain with loss rewarded.
Then this be sure, since it is true perfection,
that neither men nor gods can force attention.
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Zusammen empfangen sind mein Herz und meine Zunge Zwillinge,
älter das Herz, durch's Schicksal dumpf seit Geburt,
jünger die Zunge, aller süßen Gedanken beraubt:
doch gespannt und gestimmt die Harmonie des Herzens zu spielen.
Beide zu einem geknotet, jedoch getrennt plaziert:
immer noch entdeckt die Zunge, was das Herz sprechen würde.
Vom Herz wurde umarmt, was die Zunge dann sagt,
und beide sind eins um eine neue Liebe zu gründen.
Frisch gegründet – wie nur in Göttern und Königen,
deren Worte wie Taten sind – doch weder Worte noch Taten beachtend.
Besteige keusche Gedanken und fliege mit eiligsten Flügeln,
meine Liebe mit Schmerz, meine Schmerzen mit Verlust belohnend.
Also steht fest, da es doch wahre Vollkommenheit ist,
daß weder Menschen noch Götter Zuneigung erzwingen können.
Aus »A Pilgremes Solace – The Fourth Booke of Songs«, 1612.
Dienstag, 21. Juni 2005
John Dowland: »Unquiet thoughts«
(Literatur, Lyrik) – Text und Übersetzung eines Liedes des englischen Renaissance-Komponisten und Lautisten John Dowland (1563-1626).
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Unquiet thoughts, your civil slaughter stint
and wrap your wrongs within a pensive heart:
and you: my tongue that makes my mouth a mint,
and stamps my thoughts to coin them words by art,
be still: for if you ever do the like
I'll cut the string that makes the hammer strike.
But what can stay my thoughts they may not start,
or put my tongue in durance for to die?
When as these eyes, the keys of mouth and heart,
open the lock where all my love doth lie;
I'll seal them up within their lids for ever:
so thoughts, and words, and looks shall die together.
How shall I then gaze on my mistress' eyes?
My thoughts must have some vent else heart will break.
My tungue would rust as in my mouth it lies,
if eyes and thoughts were free, and that not speak.
Speak then, and tell the passions of desire;
which turns mine eyes to floods, my thoughts to fire.
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Unruhige Gedanken, spart mit eurer höflichen Metzelei
und wickelt eure Fehler in ein nachdenkliches Herz:
und du: Zunge, die aus meinem Mund ein Prägeamt macht,
und meine Gedanken zu kunstvollen Wort-Münzen stempelt,
sei still: denn wenn du noch einmal solches tust,
werd ich den Riemen kappen der den Hammer schlagen läßt.
Doch was bleiben kann, wissen meine Gedanken noch nicht,
soll ich meine Zunge also vertrösten bis zum Sterben?
Wenn diese Augen – der Schlüssel des Mundes und des Herzens –
das Schloss öffnen worin all meine Liebe wohnt;
werde ich sie hinter ihren Lidern für ewig versiegeln:
so sollen Gedanken, und Worte, und Blicke zusammen sterben.
Doch wie soll ich die Augen meiner Dame schauen?
Meine Gedanken brauchen ein Ventil, sonst platzt das Herz.
Meine Zunge würde in meinem Munde liegend einrosten;
wären Augen und Gedanken frei, und nichts dürfte gesprochen werden.
Sag nun, und erzähl von Leidenschaften der Sehnsucht;
die meine Augen fluten, und meine Gedanken entflammt.
Aus »The First Booke of Songs«, 1597.
Montag, 20. Juni 2005
John Dowland: »Can she excuse my wrongs«
(Literatur, Lyrik) – Text und Übersetzung eines Liedes des englischen Renaissance-Komponisten und Lautisten John Dowland (1563-1626).
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Can she excuse my wrongs with virtues cloak?
Shall I call her good wenn she proves unkind?
Are those clear fires which vanish into smoke?
Must I praise the leaves where no fruit I find?
No no: where bodies do for shadows stand
thou may'st be abus'd if thy sight be dim.
Cold love is like to words writen on sand
or to bubbles which on the water swim.
{2 x} Wilt thou be thus abused still,
seeing that she will right thee never?
If thou can'st not o'vercome her will
thy love will be thus fruitless ever.
Was I so base, that I might not aspire
unto those high joys which she holds from me?
As they are high, so high is my desire:
if she this deny, what can granted be?
If she will yield to that which Reason is
it is Reason's will that Love should be just.
Dear make me happy still be granting this,
or cut off delays if that I die must.
{2 x} Better a thousand times to die,
than for to live thus still tormented:
Dear, but remember it was I
who for thy sake did die contented.
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Kann sie meine Fehler mit dem Mantel der Tugend verbergen?
Sollte ich sie loben wenn sie sich als unhöflich erweist?
Sind das klare Feuer dort, die im Rauch verschwinden?
Muß ich die Blätter loben, wo ich keine Früchte finde?
Nein nein: wo statt Körper Schatten sind,
wirst du bei schlechter Sicht vielleicht mißbraucht.
Kalte Liebe ist wie in Sand geschriebene Worte,
oder Blubberblasen die auf dem Wasser schwimmen.
{2 x} Willst du dich weiter so mißbrauchen lassen,
wissend, daß sie dich nicht gerecht behandelt?
Wenn du ihren Willen nicht überwinden kannst,
wird deine Liebe ewig so fruchtlos bleiben.
War ich zu mau, um nicht aufzusteigen
zu den hohen Freuden, die sie mir vorenthält?
So hoch wie sie sind, so hoch ist mein Verlangen:
verweigert sie mir diese, was gilt denn dann noch?
Gibt sie dem nach was die Vernunft gebietet.
Der Wille der Vernunft sagt, daß die Liebe gerecht sei.
Liebste, mach mich glücklich und gewähre mir das doch
oder beende Verzögerungen, wenn ich denn sterben muß.
{2 x} Besser ist's tausend Tode zu sterben
als so gequält weiter leben zu müssen:
Liebste, erinere dich aber daran, ich war's
der Dir zuliebe zufrieden gestorben ist.
Aus »The First Booke of Songs«, 1597.
Sonntag, 19. Juni 2005
John Dowland: »Tell me, true Love«
(Literatur, Lyrik) – Text und Übersetzung eines Liedes des englischen Renaissance-Komponisten und Lautisten John Dowland (1563-1626).
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Tell me, true Love, where shall I seek thy being,
in thoughts or words, in vows or promise-making,
in reasons, looks, or passions never seeing,
in men on earth, or women's minds partaking.
Thou canst not die, and therefore living tell me
where is thy seat, why, doth this age expell thee?
When thoughts are still unseen and words disguised:
vows are not sacred held, nor promise debt:
by passions Reason's glory is surprised,
in neither sex is true Love firmly set.
Thoughts feign'd, words false, vows and promise broken
made true Love fly drom earth, this is the token.
Mount then my thoughts, here is for thee no dwelling,
since Truth and False live like twins together:
believe not sense, eyes, ears, touch, taste or smelling,
both Art and Nature's forced: put trust in neither.
One only she doth true Love captive bind
in fairest breast, but in a fairer mind.
O fairest mind, enrich'd with Love's residing,
retain the best; in hearts let some seed fall,
instead of weeds Love's fruits may have aviding;
at Harvest you shall reap increase of all.
O happy Love, more happy man that finds thee,
most happy Saint, that kepps, restores, unbinds thee.
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Wahre Liebe, sage mir, wo soll ich dich suchen,
in Gedanken oder Worten, in Versprechen oder Schwüren,
in Vernunft, Aussehen, oder nie gekannten Leidenschaften,
in Männern auf Erden, oder den Gedanken der mitfühlenden Frauen.
Du kannst nicht sterben, und also lebendig sage mir
wo du bist, warum dich diese Zeiten verstoßen haben.
Wenn Gedanken noch unerkannt und maskiert die Worte sind:
wenn weder Schwüre heilig, noch Versprechen bindend sind:
von Leidenschaften der Ruhm der Vernunft überrascht wird,
in keinem der Geschlechter die wahre Liebe fest verankert ist.
Gefälschte Gedanken, geheuchelte Worte, gebrochene Schwüre und Versprechen
haben die wahre Liebe von der Erde fliehen lassen.
Auf, weiter meine Gedanken, hier ist für Euch kein bleiben,
seit Wahr und Falsch wie Zwillinge zusammenleben:
glaub nicht Sinnen, Augen, Ohren, Berührung, Geschmack oder Geruch,
ob durch Kunst oder Natur erzwungen: vertraue beidem nicht.
Besser noch als von einem aufrichtigen Herzen wird
wahre Liebe nur von einem aufrichtigen Geist gebunden.
O aufrechter Geist, durch der Liebe Aufenthalt bereichert,
sichere das Beste; laß einige Samen in Herzen fallen,
statt Unkraut sollen die Früchte der Liebe überdauern;
im Herbst wirst du gesteigerten Ertrag von allen ernten.
O glückliche Liebe, glücklicher der noch der dich findet,
glücklichster Heiliger, der dich bewahrt, erneuert und entfesselt.
Aus »A Pilgrims Solace – The Fourth Booke of Songs«, 1612.
Samstag, 18. Juni 2005
John Dowland: »In darkness let me dwell«
(Literatur, Musik) – Die drei (plus zwei) Bücher der Lieder (»Booke of Songs 1-3«, »A Pilgrims Solace«, »A Musicall Banquet«) des englischen Renaissance-Komponisten und Lautenmeisters John Dowland (1563-1626) gehören zur von mir wohlgeschätztesten Musik und Lyrik.
Es beruhigt mich, über Andrea von Anglisten zu hören, die es schade finden, daß Dowland akademisch durch den Rost fällt. Denn: die Musikwissenschaftler meinen, um die Texte sollen sich die Anglisten kümmern weil Lyrik; die Anglisten nehmen an, die Musikwissernschaftler sollten sich um Dowland kümmern, weil Musik.
So gibt es bis heute keine Übersetzungen von Dowland im Netz und deshalb fang ich jetzt mal damit an.
Folgende erste Dowland-Übersetzung von mir hat nichts mit meiner derzeitigen Stimmung zu tun. Aber Jammern ist ja Mode und ich will gerne den Jammeranten stilvolle Handhabe zum Jammern reichen.
Ich hoffe, ich schaffe es für die Molochronik eine Reihe mit Dowland-Übersetzungen zu etablieren.
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In darkness let me dwell,
the ground shall Sorrow be;
the roof Despair to bar
all cheerful light from me,
the walls of marble black
that moisten'd still shall weep;
my music hellish jarring sounds
to banish friendly sleep.
Thus wedded to my woes
and bedded to my tomb,
O let me living die,
till death do come.
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In Finsternis laßt hausen mich,
der Baugrund soll die Sorge sein;
das Dach Verzweiflung soll abhalten
alles heitere Licht von mir,
die Mauern aus marmorner Schwärze
sollen – immer noch feucht – weinen;
meine schnarrende Höllenmusik erklingt,
um freundlichen Schlummer zu bannen.
Somit vermählt mit meinem Leid
und in mein Grab bettet,
Oh laßt lebend sterbend mich,
bis daß der Tod kommt.
Aus »A Musicall Banquet« von 1610.
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Empfehlenswert finde ich die Aufnahmen:
• »John Dowland – The Collected Works«: The Consort of Musicke unter der Leitung von Anthony Rooley; Editions de L'Oiseau-Lyre, Decca. — Ensembleaufnahmed er Olympierklasse.
• »A Musical Banquet«: Andreas Scholl, Markus Märkl, Christophe Coin; Decca. — Solo-Gesang-Aufnahme von unserem Meister Scholl.
• »In Darkness Let Me Dwell«: John Potter, Stephen Stubbs, John Surman, Maya Homburger, Barry Guy; ECM. — Moderner, expressiverer Ansatz mit Saxophon und Zupfbass.