Eintrag No. 692 — Diesmal gibt’s ne fette Nummer. Also los.
Lektüre: Haruki Murakamis »Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt« habe ich erstmal wieder zur Seite gelegt. Ist einfach zu wenig los in dem Buch, und banaler Kram wird zu breit ausgewalzt
Richtig gut gefällt mir bisher »The Windup Girl« von Paolo Bacigalupi. Am Rande hab ich mitbekommen, dass wieder mal ein neues Subgenre ausgerufen wurde, nämlich ›Biopunk‹. Und wenn man sich auf das Schubladenspiel einlässt, dann kann man »The Windup Girl« als leuchtendes Beispiel für ›Biopunk‹ nehmen. Immerhin wurde der Weltenbau gewebt aus solchen Themen-Fäden wie Ökologie, Rohstoff- & Energiekriese, gentechnisch entworfene (& patentierte) Nahrungsmittel, Fanatismus & Genozid, Vertreibung & Immigration. Nix Weltraum oder Aliens.
»The Windup Girl« wird Anfang Februar als »Biokrieg« bei Heyne erscheinen und es gibt auch eine großzügige (vierzig Seiten-)Leseprobe im Netzl. Leider ist das deutsche Titelbild ehr doof, hat nur im übertragenen Sinne Bezug zum Inhalt und erinnert merklich an ein Motiv zur ersten Staffel von »True Blood«.
Sympathisch finde ich, dass der Roman in Bangkok angesiedelt ist (wann genau, wurde bisher nicht gesagt, aber ich schätze mal in ca. 100 bis 200 Jahren), und dass die Protagonisten der vier Handlungsstränge gut ausgewählt sind:
a) Anderson Lake, der Fremdländer aus den USA, Leiter einer Fabrik für Antriebsfedern, aber eigentlich Spion für einen großen Genfood-Agrar-Konzern, immer auf der Suche nach neuen Lebensmittel-Züchtungen, bzw. Genehack-Verstößen;
b) Hock Seng, ehemals wohlhabender Händler in China, vor islamischen Fanatikern nach Thailand geflohen, schmeißt nun für Andersons Fabrik die Orga & Buchhaltung;
c) Jaidee Rojjanasukchai, Hauptmann beim Umweltministerium und scharfer, unbestechlicher Grenz-Kontrolleur, Held des Volkes und dem sich stets auf krumme Import-Deale einlassenden Handelsministeriums ein Dorn im Auge; und
d) das Titelmädchen, Emiko, eine künstliche Person, gebaut in Japan als Sekretärin, Übersetzerin und Gefährtin eines wohlhabenden Geschäftsmanns, wurde aber vom Besitzer in Bangkok zurückgelassen, wo Emiko nun als Sex-Spielzeug in einem Nachtclub darbt.
Zum anderen der Photobildband »Kleine Leute in der großen Stadt« des Londoner Streetartist Slinkachu. Irre Idee, kleine Eisenbahn-Figürchen irgendwo in der Stadt zu platzieren, stehen zu lassen als zu entdeckende Überraschung für Passanten und die abstrusen kleinen Szenen mit Photos zu dokumentieren.
Netzfunde
Klaus Jarchow liefert in seinem immer lesenswerten Blog ›Stilstand‹ eine knappe und exakte Analyse der Unverschämtheit von Sarah Palin im Zusammenhang mit den Amoklauf von Arizona: Vom Täter zum Opfer.
Unglaublich aber wahr: Im ›Focus‹ gibt es einen beherzigenswerten Text von Miriam Meckel zum Thema Wandel des Jouralismus in Zeiten des Internets und der sozialen Medien: Journalisten an der Crowdsourcing-Front. Sachliche und doch feurige »Bewegt Euren Hintern!«-Rede.
Die bisher erste (& zur Schande der deutschsprachigen Feuilleton-Landschaft) und einzige Rezension zu dem großartigen Buch »The German Genius« von Peter Watson bietet die ›Frankfurter Rundschau‹, wenn Arno Widmann loben darf …
So anregend hat lange niemand mehr einen Panoramablick auf die deutsche Geistesgeschichte der vergangenen zweihundertfünfzig Jahre geworfen. {…} Zur Moderne gehört die Kritik an ihr. Nirgends ist das, wie Watson zeigt, deutlicher zu sehen als in Deutschland. Genau darum aber empfiehlt er, die deutsche Erfahrung genau zu studieren:
»Was die Modernität betrifft, so ist Deutschland nicht nur eine ›verspätete Nation‹, es ist auch eine zögerliche Nation. Aber vielleicht birgt dieses Zögern eine Lehre. Wenn Wissenschaft und Kapitalismus … die Zerstörung unserer Umwelt, ja unserer Erde, nicht verhindern können, wenn sie sogar der primäre Auslöser für diese Zerstörung sind, dann wird nur eine Veränderung von uns selbst, ein Wandel unseres Willens etwas bewirken können. Die Deutschen erklären uns, dass der Weg aus unserem Dilemma weder ein technischer noch ein wissenschaftlicher, sondern ein philosophischer ist: eine Frage unserer Lebenseinstellung.«
Einsendeschluss ist der 31. März.
Mitmachen dürfen alle, die höchstens 18 Jahre alt sind.
(Zur Jury gehört auch so ein Spinner namens Molosovsky.)
Jubel ist angesagt, denn endlich endlich endlich geht es weiter auf der Hauptseite der Bibliotheka Phantastika. Vor allem die wunderschöne neue Gestaltug von moyashi gefällt mir. Es gibt neue Sächelchen, z.B. ein Blog, ein überarbeitetes Genre-Schubladensystem (mit ›Weird Fiction‹!), und eine Fibel mit Essays. Und 1000 Dank, dass der Molochronik auf der Link-Seite so weit oben ein Plätzchen eingeräumt wurde!!
Große Diskussion über die Lage der Fantasy in unseren Landen. Stein des Anstoßes war eine Erregung von Petra Hartmann im Fandom Observer 259 über die Schwemme an seichtem Fantasy-Lulu, dass die Buchhandlungen verstopft. Der Herr Breitsameter von SF-Fan hat daraufhin einige Leuts um Stellungnahmen gebeten (auch mich, aber meine Antwort fiel aus Zeitmangel zu kurz aus) und so gibt es die Antworten von …
… Markus ›Pogopuschel‹ Mäurer (Redakteur von ›Fantasyguide‹ und ›Phase X‹) :
Was mir persönlich ein wenig auf dem Buchmarkt fehlt sind einzelne, abgeschlossene Fantasy-Romane. Die unzähligen Reihen mit ihren Trilo-, Quadro-, Deka- und Kein-Ende-In-Sich-logien hängen mir inzwischen zum Hals raus. Hier wünsche ich mir etwas mehr Mut bei den Autoren und den Verlagen, aber auch bei den Lesern. Denn die Masse der Fantasyleser scheint ja leider das Bekannte (in Form von Endlosreihen) zu bevorzugen
… Adrian Maleska (Redakteur von ›Fantasybuch‹): Seine Meinung ist mir etwas zu vorsichtig und versöhnlich. Wertvoll finde ich seinen Tipp, sich als Leser doch mal zu bewegen und bei Verdruss nach neuen Weidegründen umzusehen.
… und Michael Scheuch (einem meiner beiden Redakteur-Cheffes von »Magira – Jahrbuch zu Fantasy«). Er hat die Cochones, auf einen der fatalsten Zustände hinzuweisen:
Im Buchhandel haben Thalia und Co. großen Einfluss auf die Gestaltung der Verlagsprogramme, und der rein optische Eindruck des Einerlei kommt auch von den Büchertischen und der Stapelware in den großen Läden.
Auf den Comic-Seiten des ›Tagesspiegels‹ empfiehlt unter dem Titel Schnüffler mit SchnauzeLars von Törne die Tierfabel-Noir Krimis »Blacksad« von Juan Díaz Canales und Juanjo Guarnido.
Ein Hoch auf Rupert Schwarz, der für ›Fictionfantasy‹ eine Rezension zu Tim Burtons Meisterwerk Mars Attacks liefert … auf Marsianisch!
Zuckerl
Web-Comic: Hochgradig durchgeknalltes Projekt, wenn bei Axe Cop der 29-jährige Zeichner Ethan Nicolle die Stories seines 5-jährigen Bruders Malachai Nicolle umsetzt. Richtig wilder Stoff in bisher knapp 60 Folgen.
Beeindruckende Photoserie von Francois Robert: Stop the Violoence. Aus den Knochen menschlicher Skelette zusamengesetzt Symbole, Worte und Waffen, sehr schön und zugleich spooky. Die Motive wurden aufgegriffen für eine Kampagne der ›Gesellschaft für bedrohte Völker‹.
Viel zu wenige Künstler liefern bratzige Brutalo-Hasen. Abhilfe schaffen aber die mutierten Roughneck Rabbits von Kai Spannuth.
Sehr elegenate Ansichten von Catwoman von Bengal, gefunden im ›Trixie Treats‹-Blog. Jummie!
Nase voll von den immer gleichen Kravatten-Knoten? Mit 5 New Creative Ways to Wear a Tie zeigt Caldwell Tanner von ›College Humor‹, wie Mann sein Repertoir aufbrezeln kann. Für Cthulhu-Acolyten natürlich besonders toll: ›The Lovecraft‹.
Bezaubende Phantastik-Gemälde von Julie Heffernan zeigt ›Escape to Life‹.
Zur Hebung der Laune präsentiert das ›Clockworker‹-Portal den kleinen Musikfilm Herr Ober, zwei Mocca mit Henry de Winter, begleitet von den Bratislava Hot Serenaders.
Zuletzt ein Schmankerl des von mir verehrten ›Distressed Watchers‹, der eine gloriose Top Ten der Antihelden erstellt hat. Ich bin sehr einverstanden damit, dass der »Unforgiven«-›Held‹ von Clint Eastwood Platz 1 belegt.
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Eintrag No. 689 — Lektüre: Während hier noch gewartet werden muss, bis ich selbst mit einer Rezension zu meinem letzten Buch von 2010 rüberwachse, verlinke ich mal diese Begeisterungs-Offenbarung zu Edward Abbeys »Die Monkey Wrench Gang«, die Jan Scheper für die ›TAZ‹ verfasst hat.
Fertiggelesen in 36 Stunden habe ich Jakob Arjournis »Chez Max«. Auch hier hoffe ich, bald eine Rezi liefern zu können. Würde mich freuen, wenn sich dieses Buch in SF-Kreisen noch weiter herumsprechen würde. Ist nämlich feine Sozial-SF, und richtig gut geschrieben, mit einem feinem Twist!
Weiterhin unterbeeindruckt bleibe ich von Haruki Murakamis »Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt«. Schön langsam frage ich mich, wie dieses Buch zum Kult werden konnte. Kann aber auch sein, dass ich derzeit einfach nicht den Geist für was Ruhiges habe, wo es schon mal über eine Seite dauern kann, bis ein (immer noch namenloser) Protag aus dem Bett kommt und sich was zum Frühstück macht. Passiert viel nix.
Deshalb habe ich beim englischen Buchladen zugeschlagen und mir den vielseits empfohlenen Roman »The Windup Girl« von Paolo Bacigalupi besorgt (der nächsten Monat bei Heyne als »Biokrieg« erscheinen wird, übersetzt von Hannes Riffel & Dorothea Kallfass). Die ersten vier Kapitel gefallen mir sehr gut. Gut durchdachte viele Infos geschickt dargeboten. In jedem Kapitel steht bisher eine andere Figur im Zentrum. Wenn es so weiter-flockt, bin ich bald durch.
Netzfunde
Für ›wissenrockt‹ hat Arik Platzek einen längeren Text darüber verfasst, wie dreist der Sepp (andere mögen ihn Papst Bendickt Ix Vau Ih nennen, aber ich komm aus Bayern und nenn ihn halt Sepp) die Wissenschaft in seinen Katholozismus eingemeinden will: Master of the Universe: Papst verteidigt Führungsrolle.
Wortmeldungen
Diesen Punkt könnte ich auch unter ›Rüge‹ ablegen, denn es geht um die schrääcklichen deutschen Umschlagsbilder und Buchtitel, die der Blanvalet-Verlag sich für die hiesigen Ausgaben von Gail Carrigers»Sonnenschirn-Protektorat«-Bücher einfallen ließ, wozu ich im entsprechenden Eintrag des geschätzten ›Clockworker‹-Blogs meinen Senfs beisteuerte. — Nebenbei: Ausgeliehen von Ju Honisch, die mir Carrigers Bücher empfohlen hat, kann ich sagen, dass mir Band 1 »Soulless« ganz gut gefallen hat. Okey, ist keine hohe Literatur, aber ich lese ab und zu auch gerne mal was Leichtes für Zwischendurch, wenn es Charme und Esprit hat und gut gemacht ist.
Zuckerl
Die Designer Jeffrey Thomas und Celeste Green präsentieren in ihrem Blog ›Jeff & Celeste‹ Entwürfe für eine Zeichentrick-Serie, die (bisher) nicht umgesetzt wurde: Gotham High. Ja genau, die Helden und Bösen aus der Batman-Welt als ältere Teens auf der Schule. Haben die gut hinbekommen. Die Serie würde mich interessieren.
Andrea hat in ihrem Photoblog ›color.antville‹ einen Jahresrückblick ihrer 12 gelungensten Bilder zusammengestellt: 2010 in 12 photographs. Mein liebstes Bild dieser Gruppe ist vielleicht Andreas Beitrag ›mr. invisible‹ für das ›Street Fotograohy Now Project‹, genauer, deren Aufgabenstellung No. 4: »Dokumentieren sie menschlichen Einfallsreichtum, der sonst übersehen würde. Menschen dürfen auf dem Bild nicht zu sehen sein.«
Schon so krass auf »$tar Wars« fixiert, dass Eure Libido nur noch durch Erotikbildchen von General Ackbar und Co in lasziven Posen erlöst werden kann? Da gibt es nun Abhilfe im ›technabob‹-Blog in Form dieser $tar Wars Pinups von Yayzus Graphics.
Wieder ein Webcomic. Hans Rickheit (vielleicht den Kennern der US-Alternativ-Comic-Szene bekannt, durch sein bei Fantagraphics errschienenes »The Squirrel Machine«) hat sich mit Ectopiary vorgenommen, pro Woche eine Seite eines auf ca. 600 Seiten angelegten unheimlichen Horror-Comics zu liefern. Beginnt sachte und ein wenig an »Pan’s Labyrinth« erinnernd.
Wer ›Red Letter Media‹ noch nicht kennt, dem soll als Molochronik-Leser nun bescheid gegegen sein, dass es dort die mitunter einleuchtensten und zugleich makabersten Film-Besprechungen gibt, die ich kenne. Stöbert mal, welche Plinkett Reviews Euch reizen. Soviel ist gewiss: Die Filmrezis dieses angeblich über 100-Jährigen alkoholischen Perversen, der seine Gattin umgebracht hat, ab & zu junge Frauen entführt und im Keller quält, ansonsten in einem Casino von Atlanta City wohnt und von seiner Katze beschissen wurde, sind etwas ganz Besonderes. Ich empfehle den Zweiteiler zum neuesten »Star Trek«, oder dein Einteiler zu »Avatar« als Einstieg. — Pizzaröllchen für alle!
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Eintrag No. 688 — Das neue Jahr beginnt damit, dass ich den Schnupfen habe. Ich sag ›den Schnupfen‹, denn ich habe immer den selben, also triefende Nase und trockenen Hustenhals.
Gestern in der Arbeit an einer Kommunikationsschulung teilgenommen. Wie immer finde ich solche Lehreinheiten unterhaltsam, wenn es um solche Dinge wie das Eisberg- und das Vier-Ohren-Modell geht. Beim Rollenspiel fällt mir wie immer auf, dass man da seltsamerweise nervöser ist, als in tatsächlichen Situationen. Als Sicherheitsmitarbeiter in einer großen renommierten Kunsthalle haben meine Kollegen und ich natürlich viel Kontakt, noch dazu mit einer großen Vielfalt verschiedenster Milieus: Kunst-Besucher aller Art (Alte & Junge, Familien & Hedonisten, konservative Kulturbürger & mitgeschleppte ›Prolls‹, Einheimische, Durchreisende auf Suche nach Abwechslung und Touristen aus aller Herren Länder); Studenten-, Schul- & Kinertagesstätten-Gruppen; hinzu kommt der Mikrokosmos aus dem Haus selbst, also studierte Kunstgeschichtler, Presse-, Marketing- Technik-, Organisations- & Verwaltungsleute; plus das verschiedenste externe Boten-, Handwerker-, Auf- & Abbau-, Dienstleister- & Reinigungs-Personal, sowie alle möglichen ›Exoten‹, die bei uns durch müssen um ihr Ding zu erledigen (z.B. Leute vom Umwelt- oder Vermessungsamt, die zu ihren bei uns zugänglichen Kontroll-Geräten & -Punkten müssen); und zuletzt natürlich die Wild Cards, also Kiffer, Alkies, Obdachlose die sich im und um’s Haus rumtreiben & ›Spinner‹, die ihre paranoide Propaganda unter die Leute bringen wollen. Und was am Telefon abgeht, will ich hier gar nicht en Detail aufzählen (immer eine spaßige Herausvorderung z.B. mit Anrufern aus der Ferne, die kaum Englisch können, zu sprechen). — Wiegesagt seltsam, dass es mich keineswegs nervös macht, mit all diesen Menschen professionell, sachlich und verständnisvoll umzugehen, wenn die mal Hilfe brauchen oder Schwierigkeiten machen, aber wenn ich dann im Rollenspiel einen Galeriebesucher darstellen soll, der in der Ausstellung telefoniert und sich wirsch verhält als er gebeten wird, mit seinem MobTel die Ausstellung zu verlassen, überwältigt mich peinliche Nervösität und Aufgeregtheit.
Lektüre: Habe zwei Bücher angefangen. Zum einen den ersten SF-Roman von Jakob Arjourni »Chez Max«, der im Paris des Jahres 2064 spielt und weiterspinnt, wie sich der seit IX.XI entfachte Anti-Terror-Überwachungswahn vielleicht entwickeln könnte. Arjourni verehre ich ja für seine in Frankfurt angesiedelten Kayankaya-Krimis und ich staune, wie makellos und scheinbar einfach seine Prosa ist. — Das andere angelesene Buch ist mein erster Roman von Haruki Murakami: »Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt«. Obwohl ich 5 von 40 Kapiteln hinter mir habe, bin ich noch etwas ratlos, wenn auch nicht uninteressiert. Zwei verschiedene namenlose Ich-Erzähler in zwei verschiedenen Welten interagieren mit namenlosen Figuren. Viel Gedankentext, wenig Handlung. Mal schauen, ob ich mich dem vielfachen Lob für Murakami anschließen kann. Bisher bin ich etwas unterbeindruckt.
Google spült euch {= Internet-Auftritten der Zeitungen} die Hälfte eurer Besucher auf die Seiten und jetzt sollen sie dafür bezahlen? Das ist in etwa so, als würde ein Restaurantbesitzer Geld von den Taxifahrern verlangen, die ihnen Gäste bringen.
Richtiggehend monströs und unheimlich ist die rückwärtsgewandte Beton-Mentalität, welche die neue ARD-Vorsitze Monika Piel in einem Interview mit dem ›Tagesspiegel‹ offenbart: »Die ARD steht für eine Allianz gegen Google bereit«. Unter anderem lässt sie folgenden entsetzlichen Satz vom Stapel:
Den Geburtsfehler des Internets - kostenlose Inhalte - zu beseitigen ist aber schwierig und langwierig.
Ich kann ja verstehen, dass der Strukturwandel, den das Internet mit sich bringt, eine Herausforderungen für jene Anstalten ist, die ihre Formatierung vor diesem Wandel erfahren haben und dass Menschen wie Frau Piel viel Verantworung und Probleme zu jounglieren haben. Aber einfach mal so lapidar alle Personen, die Inhalte (womöglich sogar qualitativ gute Inhalte) einfach umsonst ins Netz stellen als Teil eines Geburtsfehlers zu bezeichnen, ist mehr als nur ein starkes Stück Polemik. — Entsprechend notwendige Replik hat Marcel Weiss für ›Neunetz‹ geschrieben (und umsonst ins Netz gestellt!): Wirre Aussagen zum Medienwandel von der neuen ARD-Vorsitzenden.
(Deutschsprachige) Phantastik-Funde
Folgendes ist eigentlich keine Phantastik, aber da Thomas Plischke ein Phantast ist, bringe ich die Meldung in dieser Rubrik: Thomas hat das »Vater Unser« auf das Internet umgedichtet. Ich bin zwar mit dem ›Amen‹ nicht ganz glücklich, aber der Rest ist so superb, dass ich ihn zur Gänze zitiere:
Netz unser,
das du bist im Äther,
gepriesen werde dein Name.
Lass durch dich
Unseren Willen geschehen,
online wie offline.
Unsre täglich Info gib uns heute,
und vergib uns unsere Flames,
wie auch wir vergeben unseren Flamern.
Und führe uns nicht nur zu Pornos,
sondern erlöse uns aus unserer Ohnmacht.
Assange.
Zuckerl
Wunderschöne Online-Comics habe ich aufgestöbert: Atemberaubend exquisit gestaltet ist das erste Kapitel der »Wormworld Saga« (»The Last Day of School«) von Daniel Lieske. Zum einen gefällt mir, wie Lieske auf den Spuren von Michael Ende wandelt, zum anderen, wie er typisch deutsche Szenen gestaltet. Ich bin sehr gespannt, wie es weiter geht (und es gut, dass Lieske einen Flattr-Button hat!)
Ausgesprochen originell finde ich Vitaly S. Alexius»Romantically Apocalyptic«, kleine, absurde Sketche aus einer völlig kaputten Welt des Jahres zweitausend-irgendwas-irgendwas. Zudem bezaubert mich der Medienmix, aus dem Alexius seine Bilder gestaltet.
Eintrag No. 686 — Ganz vergessen Euch folgendes Winter-Erlebnis zu erzählen. Letztens, ich früh morgens auf dem Weg zu Arbeit. Alles voller Schnee, alles voller Eis. Noch keine 100 Meter von meiner Wohnung entfernt, sehe ich eine Person, die ausrutscht und auf den Hintern knallt. Brav erschrecke ich ein bischen über das Missgeschickt eines Mitmenschen und guck, ob auch nichts Schlimmes geschehen ist. Nur’n blauer Fleck. Alles gut. Also weiter. — Keine 200 Meter um die Ecke dann der nächste Kammerad, den’s bei einem Hoppala auf der Eisglätte niederstreckt. Ich erschrecke nicht mehr, prüfe aber kurz, ob alles in Ordnung ist und stapfe weiter. — Weitere 300 Meter später, kurz vor meiner Bank dann die dritte Person, die sich lang legt. Spontan gucke ich mich um, frage mich, ob ich träume, ob es mich in eine Cartoon-Welt verschlagen hat.
Und gestern dann auf dem Weg zur Arbeit, so gegen 5:50 die allerhübschesten Katzen- und Eichhörnchen-Spuren auf dem jungfräulichen Schnee. Gehört zu den schönsten banalen Dingen, die ich kenne.
Sehr interessant fand ich, wie der SF-Autor Bruce Sterling die ganze Wikileaks-Kiste sieht: The Blast Shack.
Apropos undichte Stellen: Bayernleaks gewährt Einblick in das Studiengebühren-Chaos, wie Fritz Effenberger in Studiengebühren, ein Wintermärchen für ›Telepolis‹ berichtete. Warum geben die bayerischen Unis das ganze Studiengebühren-Geld nicht für das aus, wozu es angeblich kassiert wird, z.B. bessere Studienbedingungen, Lehrmittel, neue Dozenten und Proffs?
Schließlich war Andrea Diener im Fussball-Stadion, wovon sie in schwarz-weiß im schnee berichtet.
›Spinoff Comicbookresources‹ berichtet mit Extremist Group Urges Boycott Of »Thor« Over Casting Of Idris Elba darüber, dass eine flotte WASP-Truppe sich maßlos empört über den Umstand, dass die Rolle des Gottes Heimdall im kommenden »Thor«-Film von einem Neger, noch dazu einem schwarzen Neger, gespielt wird. Sorgen haben die Leut.
Eine der besten Journalistinnen unserer Zeit, Gabriele Goettle, hat für die ›TAZ‹ eine ihrer ergreifenden Sozialreportagen über eine Renterinn geschrieben, die Arbeiten muss, weil es hinten und vorne nicht reicht, so wie unsere wundervolle Wohlstandsgesellschaft funktioniert: Rente ab siebzig – Vom Arbeitsleben der Anderen
(Deutschsprachige) Phantastik-Funde
›robrandall‹ vom ›Dystopia‹-Blog schrieb eine feine Empfehlung von Alfred Kubins: »Die andere Seite«, einem meiner Allzeit-Lieblinge der Phantastik.
Zuckerl
Im letzten Wochenrückblick habe die ersten beiden Episoden von »Robot Chicken: Star Wars« verlilnkt. Gestern wurde die niegel-nagel neue Episode III bei ›adultswim‹ ins Netz gestellt. Viel Spaß.
Erstaunlich, dass ich da nicht früher drüber gestolpert bin. Aber Ende letzter Woche habe ich mich einen kalten harschen freien Tag lang damit entspannt, alle vier Staffeln von The Guild zu gucken. Nimm das, herkömmliches gebührenpflichtiges oder werbeverseuchtes Fernsehen!
Ungewöhnliche Kunst bietet Lori Nix, die zuerst Dioramen bastelt, und diese dann photographiert.
Und nun etwas Natur- & Wissenschaftskunde mit den erstaunlichen HTwins, die eine verständliche Veranschaulichung der Größenverhältnisse vom Kleinsten bis zum Größten erstellt haben: The Scale of the Universe.
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Eintrag No. 683 — Diese Woche wieder nur wenig Links, weil: Viel Dienst. Viel Schnee. Entsprechend erschöpfter Molo, der zu wenig gekommen ist.
Immerhin bin ich aber dazu gekommen, zu bemerken, dass ich schon lange nicht mehr bei ›Wer ist Dir lieber?‹ abgestimmt habe. Hier meine Entscheidungen zu den Alternativen der letzten Wochen. — Picasso oder Dali?: Ich bin ein Salvador-Män. — Scarlett oder Rhett?: Ich mag 'se beide nedd. — Äpfel oder Birnen?: Hmmm, ähhh, also, tja, ich nehm Äpfel. — Beatles oder Stones?: Das ist leicht. Die Beatles. — Tatort oder Notruf 110?: Hab keinen Fernseher. Kenne beide Serien nicht gut genug um eine kompetente Entscheidung treffen zu können. — Nikolausi oder Osterhasi?: Aberglauben ist mir Worscht. Also: Weder noch.
Lektüre: In den letzten zwei Wochen haben drei Bücher den Fortgang meiner langfristigen Lektüren — Arno Schmidts »Zettel’s Traum« und Mervyn Peakes »Der Junge Titus« — unterbrochen.
Erstmal bedanke ich mich für das Rezensions-Exemplar von »Raumanzüge & Räuberpistolen« der Berliner Lesebühne Schlotzen & Kloben (die da sind: Jasper Nicolaisen, Jakob Schmidt & Simon Weinert). In diesem schönen Bändchen des Shayol-Verlages sind neun Kurzgeschichten versammelt von denen ich bisher sechs verköstigt habe. Ich muss gestehen, dass ich Bücher meiner unmittelbaren ›Konkurrenten‹ (also Autoren meiner Generation & Sprache, die sich im gleichen Genre-Feld wie ich tummeln) immer besonders kritisch lese: Im Falle von Schlotzen & Kloben kommt dazu, dass ich meine instinktive Abneigung gegen Berlin-Schick überwinden musste (wenn mich z.B. flockig eingeflochtene Lokalbezüge nervten). — Um so mehr freut mich, dass ich mit dem bisher Gelesenen etwas anfangen kann. Vor allem »Mr. Swift« von Jakob Schmidt gefällt mir, eine feine Hommage auf klassische Seefahrer-SF, in der es einen Naturforscher auf einen von Öko-Piraten navigierten Walkalmar verschlägt. — Auch den abstrus rotzig-poetischen Text »stachel« von Simon Weinert fand ich mehr als interessant, wenn der verliebte und schnupfengeplagte Tod in einem Zug in die Ewigkeit unterwegs ist. — Ich hoffe, ich kann noch eine eigene Besprechung anbieten. Hier aber schon mal die ausführliche Empfehlung von Ralf Steinberg für ›Fantasyguide‹.
Dann habe ich seit dem Wochenende flott die ersten 150 von ca. 500 Seiten des Sabotage-Klassikers »Die Monkey Wrench Gang« von Edward Abbey verschlungen (erstmals 1975 erschienen und seitdem Anregung für viele Öko-Aktivisten). Allein schon, was für ein wunderschöner Band das geworden ist, den der junge Schweizer Verlag Walde & Graf da vorlegt ist eine Wonne, präsentiert sich der Band doch mit solider Bindung und den Illustrationen von Robert Crumb, die dieser für die US-Jubiläumsausgabe 1985 gestaltet hat. — Die Story ist im Grenzland von Utah und Arizona am nördlichen Grand Canyon angesiedelt. Drei ausgewachsene Individualisten, und eine Individualistin verschreiben sich der guten Sache, und machen sich auf, der Maschinenmacht der die Natur umkrempelten Technokraten eins auszuwischen. Wie es sich für einen guten Sabotage-Abenteuer-Garn gehört, beginnt das Buch damit, dass die große Brücke beim Glen Canyon Staudamm in die Luft fliegt.
Schließlich habe ich in eineinhalb Tagen den neuen Roman von Douglas Coupland »Player One – What Is to Become of Us« weggeschlürft. Der Roman erzählt von fünf Stunden, die vier Menschen und eine mysteriöse Stimme in einer Flughafen-Lobby miteinander verbringen, während gerade die Zivilisation wie wir sie kennen zusammenbricht, als der Ölpreis rasent schnell ins Unermessliche steigt. Während draussen das Chaos herrscht, alles mögliche explodiert, und Irre anfangen herum zu ballern, vertreiben sich Karen (war unterwegs um ein Internet-Date zu treffen), Rick (glückloser Barkeep der Flughafen-Lounge), Luke (Pastor, der mit der Kasse seiner Gemeinde durchgebrannt ist) und Rachel (ein autistisches Mädel, dass sich Fortpflanzen möchte um ihren mürrischem Vater zu beweisen, dass sie kein Alien sondern doch ein Mensch ist) die Zeit miteinander. — Leicht negativ aufgefallen ist mir, dass Coupland einige Ideen & Aphorismen seiner bisherigen Bücher recycled, aber sooo schlimm ist das nicht, denn es handelt sich um durchaus verbreitungs- und wiederholungswürdige Gedankenblitze. Abgeschlossen wird der Band durch ein Glossar seltsamer Einsichten zum Leben in der heutigen Welt. Wie immer ein großer Lesespaß für mich.
(Deutschsprachige) Phantastik-Funde
Als frischgebackener Fan freut mich sehr, dass Alfred Kruse für ›Fictionfantasy‹ eine Besprechung der kompletten Serie »Buffy – Im Bann der Dämonen« geliefert hat.
Ich eröffne die Zuckerl mit ekliger Natzurkunde. Ich bossle ja immer noch an meinem Eintrag zu allen vier »Alien«-Filmen und freue mich also, Euch etwas Realweltliches anbieten zu können, was dem Alien-Reproduktionszyklus gleichkommt. — In folgendem Filmchen berichtet Insektenforscher Mark ›Doctor Bugs‹ Moffett davon, wie er eine Dasselfliegenlarve in seiner Hand ausgebrütet hat.
»Robot Chicken: $tar Wars«Episode I und Episode II. — Mein Favorit ist der Anwalt Sam Goldstein aus Episode II; er verhilft Jedi-Opfern zu satten Schadensersatz-Zahlungen.
Ich komme nicht umhin, mal etwas vom ollen SpOn zu empfehlen. Ist aber auch zu doll, dass die nun ein Trivial Pursuit anbieten. 6000 Fragen, und zum Teil biedern die sich ganz schön dem Zeitgeist an. Ich bin allein über drei Fragen zu Tolkien und LOTR gestolpert, und über vier zum Thema Dracula und Vampire. — Hier ein Bildschirm-Photo meines besten Durchganges (hatte ich aber großes Würfelglück, um in 16 Zügen alle sechs Eckchen zu sammeln und das Masterfragenfeld zu treffen).
Zum Abschluss möchte ich die bezaubernden Animationen von PES vorstellen. Hier geht es zu seinem Youtube-Kanal (leider hat’s dort blöde Werbung). Die drei Filmchen, die Ihr Euch auf jeden Fall gönnen solltest, sind KaBoom!, Game Over und mein Favorit: Western Spaghetti.
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Eintrag No. 682 — Diese Woche mal mehr Kunst, Literatur & Zuckerl und weniger Politik & Religionskritik. Privat tut sich nicht so viel. Ich bossle an meinem Eintrag zu den »Alien«-Filmen, & übersetzte Texte aus dem Amerikanischen. Beobachte misstrauisch, wie die Sonne an einem Tag bei niedrigen Temperaturen scheint, am nächsten Tag der Schnee bei noch nierigeren fällt, am übernächsten wieder alles wegschmilzt, als ob nichts gewesen wäre. — Die Enten am Main scheinen in den Wintermonaten von Jahr zu Jahr übermütiger zu werden, was ich ganz allgemein für ein gutes Zeichen halte, es fragt sich nur, ob es auch ein gutes Zeichen für die Menschheit ist.
Lektüre: Wie gehabt, Mervyn Peakes »Gormenghast« und Arno Schmidts »Zettel’s Traum«. Bei Schmidt bin ich mit dem ersten Teil von sechs durch und schnitze nun an meinem zweiten Lesebericht. — Neu hinzugekommen sind Comic-Sammelband 2 und 3 der achten »Buffy«-Staffel, sowie »Leibnitz - Leben, Werk, Lehre« von Kuno Fischer. Letzteres natürlich angeregt von Stephensons »Barock-Zyklus«, in dem Leibnitz eine wesentliche Rolle spielt. Unterwegs genieße ich seit einigen Wochen die englische Hörbuchfassung und hörte am Wochenende zum Beispiel die wunderschöne Stelle aus dem zweiten Band »The Confusion«, wenn Leibnitz den jungen Mathematiker und Newton-Adepten Fatio durch die Bibliothek von Schloss Wolfenbüttel führt, ihm ein Bücherrad zeigt und dabei die Unzulänglichkeiten linearer Ordnungssysteme erklärt
Netzfunde
Friedhelm Rathjen erzählt für ›Die Zeit‹ davon, wie es damals war, als »Zettel's Traum« als Faksimile-Druck erstmals erschien: PoePos Trauma.
Gigantische Neuigkeit. Eines der besten Bücher, die ich in diesem Jahr gelesen habe, war die englischsprachige Ausgabe von Wu Ming: »Manituana«. Wu Ming ist ein italienisches Autorenkollektiv, das vor Jahren unter dem Namen ›Luther Blissett‹ auch in deutschen Landen beachtlichen Erfolg mit dem in der Reformationszeit angesiedelten Agenten-Thriller »Q« verbuchen konnten. Ich verstehe absolut nicht, warum kein deutscher Publikumsverlag sich für die nachfolgenden Romane dieser dollen Autoren zu interessieren scheint. — Der obige Link bringt Euch zu Umsonst-Versionen von »Manituana«, dem ersten Teil eines Triptychs über die Heraufkunft der modernen Welt, in dem das Dreieck Nordamerika, Europa und Afrika die Schauplätze sind. In »Manituana« wird die Anfangsphase des amerikanischen Unabhänigkeitskrieges geschildert, größtenteils aus der Sicht der Bewohner der Six Nations, besonders aus der friedlich sich miteinander vermischenden Indianer und englischen Kolonisten.
Die Entwicklungen um Wikileaks interessieren mich natürlich auch, aber statt selbst etwas zu kommentieren, beschränke ich mich diese Woche darauf, auf die Übersicht Wikileaks und die Pressefreiheit von ›Perlentaucher‹-in Anja Seelinger hinzuweisen.
(Deutschsprachige) Phantastik-Funde
Frohe Kunde erreichte mich über den für 18. Januar 2011 angesetzten Neustart der Bibliotheka Phantastika. Sehnlichst vermisst habe ich neue Rezensions-Einträge. Ich freue mich schon sehr darauf, was das neue Team bieten wird. Erstaunlich finde ich, wie professionell allein schon der Trailer ist. Immerhin ist die BibPhant eine private Unternehmung und kein Marketing-Heckmeck.
Eine exemplarisch über-spoilte Rezension hat mein Missfallen erregt. Anzurechnen (und damit nachzusehen) ist Thomas Nussbaumer, dass wohl seine Faszination für China Miévilles »Die Stadt & Die Stadt« Ursache dafür ist, dass er viel zu viel von den Wendungen dieses Romans in seiner Rezension für die Phantastik-Couch verrät.
Zwei irre Link-Tips von Harald S. haben mich erreicht (1000 Dank dafür!): Einmal die steampunkig ausgestopften Tiere der Künstlerin Lisa Black; — und zum zweiten absolut beunruhigend grotesken aber auch faszinierend schönen Möbel-Kreationen von Michel Haillard.
Mein Vergnügen erregt der Künstler Rob Sato, weil er Phantastik jenseits der glatten Marketing-Formeln bietet. Auch so einer, der ein geeigneter Bas-Lag-Illustrator wäre.
Auch diese Woche wieder ein Daddel-Tipp aus dem ›Newgrounds‹-Fundus: Zombie Trailer Park. Ich schaffe einfach Stage 4 nicht.
Zum Team des wunderbaren ›That Guy With The Glasses‹-Portals gehört ›Spoony‹, dessen Filmverrisse mir bisher ab und zu schon ganz gut gefallen haben, aber nun hat er sein erstes Meissterwerk abgeliefert, indem er furchtlos »Highlander: The Source« auseinander nimmt.
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Eintrag No. 680 — Bald schon Mitternacht, aber noch istDienstag und damit nicht zu spät für einen Wochenrückblick. Diese Woche wieder mit Links..
Lektüre: Zehn Seiten noch in »Zettel’s Traum«, und ich bin mit Teil I (»Das Schauerfeld oder die Sprache von Tsalal«) von VI fertig und damit bei Seite 138 von ca. 1500. Ich kann sagen, dass ich (immer noch) vergnügt vor mich hinlese.
Sehr fein finde ich, dass die ›Arno Schmidt Stiftung‹ mittlerweile mit dem »Zettel'sTraum«-Beispielheft ein nützliches PDF anbietet, in dem präsentiert wird, was typographisch in dem Buch an spannenden Dingen abgeht. Unvermeidlich werden einem dabei natürlich einige Beispiel-Seiten geboten, anhand derer man sich als Unbedarfter mal angucken kann, wessen Wahnsinns kesse Beute Arno Schmidt wohl war, als er ZT geschaffen hat. Ich habe ja weniger meinen Spaß damit, »Zettel’s Traum« als Mega-Kreuzworträtsel anzugehen, sondern eher auf eine Art die …
… die auch Denis Schenk erfrischend schildert, wenn er sich als »Zettel'sTraum«-Veteran outet, und für »Druckfrisch« dieses Trumm empfiehlt. Wunderbar respektlos (respektlos, wie es nur echte Fans sein können / dürfen) meint er nicht ganz unrichtig:
Es (= »Zettel'sTraum«) ist ein typisches Produkt der fortschrittsgläubigen Moderne, man könnte auch sagen eines typisch männlichen Wer-pisst-am-höchsten-Denkens in der Kunst.
Dank an Markus M. für den Hinweis!
In eigener Sache: Frank Weinreich bespricht für sein ›Polyoinos‹-Blog Simon Spiegels »Theoretisch Phantastisch« sehr begeistert und findet sogar nette Worte zu meinen Illustrationen. Das macht mir Mut!
›SchönerDenken‹ hat mit »Der Maulwurf in der digitalen Welt« nun ein Potpourri aus den Beiträge ihrer Moleskin-Blogparade (bei der ich auch mitgemacht hatte) zusammengestellt.
Netzfunde
Christenschande: Frohe Botschaft (=Fantasy) offenbaren, aber widerliche Wirklichkeit unter den Teppich kehren (wenn ’se der eigenen Firma schaden könnt): Thorsten Stegemann hat für ›Telepolis‹ mit Vertuschen im Namen des Herrn über das Gutachten betreffs der Missbrausfälle in der Erzdiözese München und Freising berichtet. — Für die ›Junge Welt‹ hat Gerd Feldkamp das »Violettbuch Kirchenfinanzen« von Carsten Frerk gelesen: Glaube und Geldgier.
InfoWarScharmüzel: Ines Kappert kommentiert für das Gruppenblog ›Lesen was klüger macht‹ die Entwicklungen zum Thema ›Abbau des Geheimnisse-Stau‹: Wikileaks maßt sich an, Öffentlichkeit anders zu definieren. — Ich selbst habe im Lauf der letzten Woche dem hoffentlich noch abwendbaren, behämmerten Alterskennzeichnungs-Ideen als 2945-ster mein »Nein« erteilt: JMStV ablehnen!. Mein Kommentar dort: Weltfremdes und kontraproduktives Vorhaben, der neue JMStV. Höchstens dazu gut, dass man wieder mal deutlich vorgeführt bekommt, wie sehr Politiker (bzw. jene, in deren eigentlicher Absicht sie handeln) sich vor ›dem Internet‹ fürchten. Ergänz hier: Aber natürlich eine wonnevolle Aussicht für alle, die mit juristischen Kung-Fu als moderne Wegelagerer anderen das Geld abpressen, sowie für die Entwickler & Vermarkter von Kontroll-Technologie.
Geheimniskrämerische Wohltäter: Die ›Frankfurter Rundschau‹ berichtete am 27. Nov. kritisch über Stephanie zu Guttenbergs Verein: Im Spendensumpf und ›Twister‹ konnte am 01. Dez. dann in ihrem Artikel
bei ›Telepolis‹ ›Innocence in Danger‹ und deren ungewohntes Schweigen ergänzen, dass IoD lieber Journalisten verklagt, als Transparenz vorzuleben. (Nebenbei: die Gutenberg habe ich bereits auf einen Notizzettel gezeichnet. Die kommt also bald in meiner Fetzenschädel-Reihe.)
Zur Abwechslung Kultur: ›TAZ‹ brachte einen nettes Texterl von Nina Ernst über Geschichte in Computerspielen: Aus Fakten wird Fiktion - manchmal. — Ich finde, dass viel zu selten über den ›anderen‹ großen ›Iconic Turn‹ gesprochen wird, der seit dem Aufstieg der Massenmedien abgeht. Über den Wandel von der Schrift-zur Bild-Kultur salbadert schnell mal jemand, aber die Verdrängung der Erzähl- durch die Spiel-Kultur wird vergleichsweise selten thematisiert.
In ›Neues Deutschland‹ wurde ein begrüßenswerter Artikel von Martin Koch über die frühe Royal Society veröffentlicht: Zwischen Erkenntnis und Intrige.
(Deutschsprachige) Phantastik-Funde
Nochmal ›TAZ‹: Diesmal Meike Laaff über die muntere Zeitgeistigkeit von Zombies, vor allem anhand der TV-Serien-Fassung der »The Walking Dead«-Comics: Das schlurfende Fußvolk der Hölle.
›Lake Hermanstadt‹ hat einen knackigen Eintrag über Politische Intelligenz und Ecos Pendel geliefert, mit kurzer Wiedergabe der wunderklugen Einteilung der Menschen in Idioten, Dämliche, Dumme und Irre.
Für ›Fantasyguide‹ legt Ralf Steinberg dar, wie geplättert er von China Miévilles »Die Stadt & Die Stadt« ist.
Gigantisches Mutanten-Prügelei-Wüstenödnis-Endzeit-Comic, für umme! »Murderbullets« bei ›Orc Stain‹.
Bei ›Newgrounds‹ über The Game gestolpert. Taugt als Spiel eigentlich nix, sondern nutzt Spiel-Konventionen als Mittel zum philosophischen Kalauern. Also quasi Kunst oder Kabarett, oder so.
Auf dem YouTube-Kanal von apachepics gibt es eine zum Niederknien feine Hommage auf Chuck Jones, »Wiley Vs. Rhodes«, gedreht mit echten Leuten.
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Eintrag No. 678 — Ich muss Euch leider mit einer schlanken Ausgabe des Wochenrückblicks abspeisen. Obwohl ich seit dem Wochenende frei habe, bin ich wenig zum Stöbern im Internet gekommen, und die Beute ist entsprechend mikrig. Zudem befinde ich mich im Endspurt meiner Kurzgeschichten-Übersetzerei (zu der ich leider noch nicht sagen kann, was ich da von wem für wen übersetzte … aber soviel sei verraten: ich bin mächtig stolz und froh angesichts der hohen Güte der Stories). — Da es nicht so aussieht, als ob ich diese Woche zu sehr viel mehr kommen werde als Übersetzen und an den Texten zu feilen, werde ich erst nächste Woche Links zu Netzfunden bieten. Für diesmal bleibt es bei Meldungen zu meinem Alltagskram (deshalb auch kein Flattr-Button, denn einen so popeligen Eintrag halte ich nicht für Flattr-würdig).
Allgemein: Eine überraschende Anfrage erreichte mich, und ich habe »Ja« gesagt und werde also nächstes Jahr für ein angesehenes Phantastik-Portal Mitglied eines Jurorenteams für einen Kurzgeschichtenwettbewerb sein. Bin schon gespannt, wie ich mit dieser Aufgabe zurechtkommen werde, oder ob sie nur dazu taugt, meine Nerven zu schreddern und mir Feinschaften einbrockt.
Und gestern konnte ich endlich mein Belegexemplar von Simon Spiegels »Theoretisch Phantastisch« von der Post abholen (das dort seit Donnerstag letzter Woche lag), für das ich Titelbild und einige Portrait-Illus beigesteuert habe. — Tausend Dank an Simon und den p.machinery-Herausgeber Michael Haitel, dass sie mich für dieses edle und nützliche Projekt mit an Bord geholt haben. Jederzeit wieder!
Film: Zum einen habe ich nun alle sieben Staffeln von »Buffy« gesehen. Ich bin überwältigt, wie gut diese Serie ist, deren erste Staffel ich vor ein paar Monaten eigentlich als leichte Feierabendentspannung angeschafft habe. — Zum anderen genieße ich gerade die ausführlichen Zusatzmaterialien der BlueRay-Ausgabe von »Alien Anthology«. Von allen SF-Serien liegen mir die »Alien«-Filme am meisten am Herzen, trotz aller Macken (vor allem von Film 3 und 4).
Weil mir das SF-Design hier am besten gefällt, so, wie das ›used future‹-Konzept zum ersten Mal und in Folge immer wieder gelungen zum Zuge kommt;
Weil jeder der vier Filme durch das Spiel eines exzellenten Schauspieler-Ensembles geprägt wird;
Weil jeder der vier Filme es wagt, eine ganz eigene Version der eigentlich immer gleichen Story zu liefern; also, weil Varianz und nicht Einheits-Rezept die Reihe prägt.
In den nächsten Tagen werde ich meine alten Einträge aus der Film-DB von SF-Netzwerk auf den Seziertisch legen und aus ihnen einen Blogeintrag zu den »Alien«-Filmen klonen.
Musik: Ich wandle immer noch fast ausschließlich auf barocken Pfaden, denn bis auf ganz wenige Ausnahmen (Filmmusik von Bernstein und Herrmann), begleitet mich Musik dieser Epoche seit gut einem Jahr. Mehrere Tage lang habe ich alle Hörproben, die ich zu Georg Friedrich Händels »Concerto Grossi« (Op. 6) finden konnte, getestet und bin am Ende bei der Aufnahme von ›Il Giardino Armonico‹ gelandet. Hier geht es zu einem kleinen Promo-Film zu dieser Einspielung. Etwa bei 1:35 kann man die ersten paar Takte der Polonaise aus dem dritten Konzert hören, ein gutes Beispiel für die Wucht und den schnittigen, fast schon schwermetalligen Sound, durch den sich der Streicher-Klang dieser Aufnahme für mich besonders hervortut. Barockmusik, und vor allem solch ein beliebter alter Hase wie Händel, wird ja als Wellness-Musi bis zum Gottserbarmen runtergenudelt. Was für eine Freude, wenn solche Musik dann doch auch mal mit Feuer und Wumms aufgeführt wird.
Lektüre: Bin vor allem mit »Der junge Titus«, dem ersten ›Gormenghast‹-Buch von Mervyn Peake weitergekommen und bald durch. — Für »Zettel’s Traum« von Arno Schmidt hatte ich in der vergangenen Woche nicht so viel Zeit.
Eintrag No. 677 — Am Samstag zum ersten mal Googles ›Straßenschau‹ ausprobiert. Schon mal 'ne geschmackliche Entgleisung, dass Google als Beispiel auf der ›Wie geht's‹-Seite die olle Siegessäule zeigt. Aber ab nach Frankfurt: Das Haus, in dem die Molochronik entsteht muss freilich verpixelt sein (damit man die Bombenwerkstatt im Hof nicht sieht). Sehr cool, sich wie ein Geist auf Trip die Straßen entlang zu klicken. Überhaupt ist die Straßenschau bemerkenswert gespenstisch: ich nähere mich auf der ›Am Brennhaus‹-Straße dem Südost-Eck des Altgriesheimer Parks, in Klicks von ca. je 5 Metern. Zuerst seh ich nur das Telefonhäuschen und wie ein Kerl mit grauem Pullover und Fahrrad an selbigen vorbeispaziert. Klick. Der Kerl nun im Gespräch mit einem anderen Mann mit scharzem T-Shirt, der auf einer Fahrradabsperrstange sitzt. Klick. Ein dritter Kerl mit rotem Shirt gesellt sich dazu. Klick. Nun ganz nah dran, der Mann in rot ist weg. Die anderen beiden sitzten lässig auf der Stange, der eine mit Fluppe in der Hand. Klick. Ich guck aus westlicher Sicht das Eck an, und holla, da ist der Kerl mit dem rotem Shirt wieder.
Durchaus schön, dass die Straßenschau eine meiner Lieblingsmauern im Viertel konserviert hat. ›Am Gemeindegraben‹, nahe der S-Bahnhaltestelle, gleich gegenüber einer Trinkhalle namens »Die Blechtrommel« ist diese sehr aparte Backsteinmauer, bis auf halbe Höhe aus dunklen Ziegeln gesetzt. Inzwischen wurde sie leider verputzt und sieht entsprechend fad aus.
Höhepunkt der Ironie: guck ich vom Paulsplatz / Braubachstraße in Richtung Südost, sehe ich ein Banner der Schirn Kunsthalle über den Zugang zum Römerberg gespannt. Und was für eine Ausstellung wurde da angepriesen, als der Google-Wagen sein Photo schoss?: »Die Totale Aufklärung«.
<img src="www.antville.org" align="right" style="margin-left:10px; margin--bottom:5px;"alt="Schuberzierbild von Arno Schmidts »Zettel’s Traum«, gesetzte Ausgabe der Arno Schmidt-Stuftung im Suhrkamp Verlag..">Lektüre: Dreissig Seiten weiter mit »Zettel's Traum« und damit jetzt knapp an der 100-er-Marke. Schön langsam beginnt sich ein steter Lesespaß einzustellen. Ich les das Trumm wärend ich Essen warm mache, oder auch auf dem Klo (kleine sportliche Übung in Kniebalance). Auch wenn ich 'ne Zielscheibe abgeben mag, von wegen, die ganzen Sex-Wortspiele von Arno Schmidt sind noch so was von verklemmten Altherrenzoten, yadder yadder yadder … ich steh dazu, dass mir dieses Riesenwerk Vergnügen bereitet. Freilich bin ich nich so begeistert über die ganzen Sigmund Freud-Anteile, aber einige Hypothesen dieser großen Analyse zum Werk und Wesen von Edhar Allan Poe scheinen mir doch plausibel zu sein. — Unbedingt empfehlen kann ich die die ersten ausführlicheren Einträge in Bonaventuras »Zettel's Traum lesen«-Blog, die sich beide lediglich der ersten Seite widmen: Seite 1 (1) und Seite 1 (2). Wenn der in dieser Ausführlichkeit weitermacht, dann stellt dieses Blog nicht weniger als eine echte Sensation dar. — Von der Rezensions-Front lässt sich diese ausführliche TAZ-Besprechung von Stephan Wackwitz vermelden: Neuentdeckung eines Dinosauriers. Wie heißt es dort so schön:
Die Wahrheit über Schmidts Spätwerk besteht wahrscheinlich darin, dass es, viel deutlicher als die meisten anderen inkommensurabel großen Bücher, beides zugleich ist. Große Kunst und kompliziert ausgearbeiteter Dachschaden. Und die Schwierigkeit und vielleicht Unmöglichkeit, sich zwischen diesen beiden Lesarten zu entscheiden, {…}
Und ich mag (unter anderem) genau dieses Flirren.
Unterwegs verköstige ich derweil das erste der »Titus«-Bücher von Mervyn Peake in der Neuausgabe, »Gormenghast: Der junge Titus«. Ich habe »Gormenghast« vor ca. 15 Jahren schon einmal auf Deutsch, und vor ca. vier Jahren dann endlich mal auf Englisch gelesen. Weiterhin bin ich fasziniert davon, wie ungewöhnlich dieses Werk, wie spannend und bezaubernd es ist, obwohl (vor allem auf den ersten 200 Seiten) eigentlich ziemlich wenig geschieht. — Aber: desto länger ich die Umschlaggestaltung der neuen Ausgabe anguck, um so mehr enttäuscht sie mich. Immerhin ist der neue Schriftsatz nun sehr angenehm zu lesen. Die deutsche Erstaushabe war diesbezüglich ein Graus (aus einer Zeit, in der die Hobbittpresse viele schräcklich gesetzte Bücher produziert hat). — Und ich bin enttäuscht und somit grummelig auf die deutsche phantastische Internetgemeinde, denn bisher sind nirgendwo besprechende Rezis, Blog- oder Forumbeiträge zu der Neuausgabe aufgetaucht (wenn, dann hab ich sie übersehen, und will nichts gesagt haben).
Ansonsten: Hatte mal wieder drei Tage am Stück frei und mehr oder minder durchgemacht um ordentlich voranzukommen mit einem Übersetzungsprojekt (sehr feine SF- & Phantastik-Kurzgeschichten). — Zur Entspannung habe ich mir Folgen der zweiten Staffel von »Star Wars: The Clone Wars« gegönnt, der, wie ich ketzerisch juble, besten Inkarnation von ›Star Wars‹ für meinen Geschmack. Hier passen Anspruch, Form, Inhalt und Stil endlich kongenial zusammen.
›Humanistische Presse-Schau‹ präsentiert: Carsten Frerk kommentiert die Antworten der Katholen auf Fragen über ihre Finanzierung und Stellung zum Verhältnis Staat & Kirche: Kirchenfinanzierung: Fragen und Antworten.
(Deutschsprachige) Phantastik-Funde
›PhantaNews‹ hat ein ausführliches Interview mit der von mir sehr geschätzten Ju Honisch geführt: »Das was man selbst am meisten mag, macht man auch am besten«. Nicht nur, weil ich die ersten beiden Bände ihrer historischen Fantasyromane der (ich nenn die mal so) ›Fay-Welt‹-Romane probegelesen habe, lobpreise ich diese bei ›Feder & Schwert‹ erschienenen Bücher. Sie stellen in meiner Lektüreauswahl eine Ausnahme dar, da ich Reihen ja eher scheue. Aber die Mischung, die Ju da mit kurzweiligen Stil zusammenzaubert überzeugt mich (siehe meine Rezension zu »Das Obsidianherz«).
Catherynne Valente, Autorin von »Palimpsest« (würd ich gern testen, kam aber noch nicht dazu) zeigt sympathischerweise, dass man keineswegs auf andere Menschen angewiesen ist, um eine fetzige Diskussion zu führen. Man Frau alleine reicht. Zuerst lässt sie diese lange Uffregung vom Stapel, warum ihr die große Steampunk-Welle auf den Geist geht: Here I Stand, With Steam Coming Out of My Ears, rudert aber etwas erschrocken über die Heftigkeit ihres Zeterns mit Steampunk Reloaded zurück, und zählt dann schließlich auf, was sie asn Steampunk doch mag: 10 Things I Actually Do Love About Steampunk.
Zuckerl
Ganz toll finde ich die Illustrationen von Farl Dalrymple, vor allem die Eiblicke in seine Skizzenbücher. Seine Art zu kolorieren erinnert mich an einen Enki Bilal, der noch nicht dem Solepsismus der Coolheit seiner eigenen Deprisphären verfallen ist. Delrymple bietet z.B. feine »The Sandman«-Charaktere, wie Death, Marv Pumpkinhead, Zelda & Chantal und Delirium. — Und das hier ist vielleicht das typische ›residual self image‹ eines Genre-Fantasy-Fans?
Franziska Felber hat für ›Die Welt‹ einen schönen Text zum 25-jährigen Jubiläum von ›Calvin & Hobbes‹ verfasst: Ein Anarchist und sein Plüschtier.
›A Journey Around My Skull‹ präsentiert die Illus von Harry Clarke zu Goethes »Faust« (die z.B. Neil Gaiman sehr zu schätzen weiß).
Ganz großer Spaß! Der unvergleichliche ›Distressed Watcher‹ nimmt in drei »Let’s Watch«-Vcastfolgen den »Twillight«-Film auseinander Folge eins, Folge zwei & Folge drei. Nützliche gelernte Vokal diesmal: ›das Nullodrama‹.
Eintrag No. 675 — Der Wochenrückblick fällt link-mäßig diesmal mager aus. Grund: Ich war angekränkelt und bin neben dem Brotjob vor lauter Zeichnerei und Übersetzerei zu wenig gekommen.
Lektüre: Immerhin bin ich beim Lesen von Arno Schmidts Riesenwerk »Zettel's Traum« ein gutes Stück weiter. Mehr dazu in meinem zweiten Lektürebericht.
Fertig gelesen habe ich Joe R. Lansdales »Kahlschlag« und bin überaus zufrieden damit. Auch hierzu hoffe ich, bald eine Rezension liefern zu können. Der Roman hat mir wieder Mal klar vor Augen geführt, was mir bei vielen Fantasy- und SF-Genrestoffen prinzipiell missfällt: nämlich, dass viele phantastischen Genre-Stoffe gleich mit der großen Schicksalskeule aufwarten und sich bei ihnen die Handlung mindestens um die Rettung der Welt und den Kampf gegen das absolute Böse dreht. »Kahlschlag« spielt dagegen ›nur‹ in einer kleinen Welt, der Sägewerksiedlung Camp Rapture und dem boomenden Ölfeld-Ort Holiday, irgendwo im Ost-Texas der 1930-Jahre. Äktschn-mäßig passiert zwar viel, und Lansdale versteht es, mit einem abwechslungsreichen & starken Figuren-Ensemble aufzuwarten, aber die Handlung dreht sich eben ›lediglich‹ darum, dass Menschen mit den harschen Bedingungen des ländlichen Lebens und den Widrigkeiten, die sie sich einander antun, zurande kommen müssen und versuchen, so gut es geht Recht und Ordnung zu wahren.
Nun lese ich seit dem Wochenende unterwegs »Gormenghast (1): Der junge Titus« von Mervyn Peake in der Neuausgabe, für die Alexander Pechmann die Übersetzung von Annette Charpentier überarbeitet hat, sehr zur Verbesserung des Buches, wie ich anhand der bisherigen Stichproben zu urteilen wage. Wenn alles so klappt, wie ich hoffe, dann werde ich Mervyn Peake neben Wolf von Niebelschütz zum Gegenstand meines Beiträges für das nächstjährige »Magira«-Jahrbuch machen.
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Film: Bin unglücklich in letzter Zeit. Das Angebot an englischsprachigen Filmen in Ffm ist seit dem Ende des »Turm Kino« dramatisch zusammengeschrumpft. Wahnsinnig gerne würde ich z.B. »Machete« von Robert Roriguiz sehen, aber der läuft nur in einem Kino, einmal am Tag (um 23:15!) und auf Deutsch. Muss ich also wieder bis zur DVD warten.
Auf DVD habe ich zwei Sichtungen vorgenommen: zum einen endlich »Walhalla Rising« gesehen. Im ›OliBlog‹ gibt es eine gute Rezension zu dem Film, und ich baue meinen dort platzierten Kommentar mal aus: Ich finde nicht, dass der Film keine Geschichte erzählt. Freilich erzählt er eine, sogar eine ziemlich komplexe, aber der Film erzählt eben nicht auf konventionelle Art. Neben der offensichtlichen Handlung (Kampf-Sklave befreit sich, tötet seine ehemaligen Peiniger, schließt sich zusammen mit einem Jungen einer Gruppe christlicher Wikinger an, die Jerusalem beistehen wollen; man treibt ziellos im Nebel umher, erreicht ein unbekanntes, wildes Ufer und sucht nach Halt und Ziel in der Fremde) tut sich schon eine Menge, aber eben non-verbal & betörend intensiv vermittelt durch die Bilder, den Sound und die Musik. Zudem wagt der Film offene Enden und Rätsel wie selbstverständlich unbeantwortet zu lassen.
(SPOILER/Was geschieht mit den nackichen Frauen-Sklaven im zweiten Kapitel?; Oder wie kommt es, dass ein Wikinger von den Naturwilden aufgenommenen wurde?/SPOILER-ENDE)
Was als Argument schnell mal als billige Entschuldigung für schlecht gemachte Stories angeführt wird, will ich hier als Lob und Anerkennung anwenden: dass nämlich einiges, vieles sogar der Phantasie des Zuschauers überlassen wird. Und da der Film so gut gemacht ist, verführt er dazu, dass man sehr intensiv in die damalige Zeit eintaucht. Zumindest mir scheint, dass dieser Film ein gnadenlos realistisches Bild von etwas vermittelt, das in Genre-Stoffen schnell mal verniedlicht, verkitscht und verharmlost wird.
— Punkte: Etwa 8 von 10.
Zweitens habe ich nun die lange (Extended Collector’s Cut) Fassung »Avatar« auf DVD. Obwohl die arg konventionelle Handlung, sprich: Vorghersehbarkeit, den Genuss schwächt, bin ich selbst überrascht, wie sehr mich »Avatar« begeistert. Schade nur, dass es in dieser Welt scheinbar (noch) nicht möglich ist, so einen Stoff bei dem Aufwand für Ab-16 oder Ab-18 zu produzieren. — Die ca. 20 Minuten längere Fassung meiner DVD beginnt in einer Megametrople auf der Erde. Sehr gut als Kontrast zur späteren Natur-Buntheit geeignet. Die Ankunft auf Pandora war alles noch der ›übliche SF-Genre-Bombast‹. Als der Rollstuhlfaherer Jake später dank seines frischangezogenen Avatar-Körpers genießt, wieder rennen zu können, hatte ich zum ersten Mal im Verlauf des Filmes dieses wunderbare erhebene Gefühl, weshalb man wohl in diese Art von Film geht: Kloss im Hals wegen ansteckender Freude an der Freude der Figur. Da hat es ›Klick‹ gemacht und der Rest funktionierte prächtig bei mir.
Der Weltenbau ist in jeder Hinsicht ein Wahnsinn!!! Sicherlich das beste auf diesem Gebiet seit LOTR, nur thematisch und stilistisch viel näher bei meinen persönlichen Vorlieben. Die Darsteller sind durch die Bank gut. — Der Star des Filmes ist für Stephen Lang. Mir ist der Schauspieler sonst nur noch prägnant als unglücklich verliebter schwuler Gewerkschaftsaktivist aus »Last Exit Brooklyn« in Erinnung (»Public Enemy« hab ich komplett verdrängt) und bin mehr als baff von seiner Darstellung des Security-Chefs. — Positiv aufgefallen ist mir zudem, dass es keine ›Bösewichter‹ gibt, sondern nur Figuren, die konsequent ihren eigenen Erfahrungen (Traumas?) gemäß handeln.
Ein Ärgernis ist für mich die zu weichgespülte Musik von James Horner, vor allem sein ermüdender Einsatz des Trompeten-Motivs, das Horner schon tausendmal als ›Gefahr in Verzug!‹-Zeichen eingesetzt hat (und ich finde es oberätzend, wenn man mitten in einem Film, hier »Avatar«, an andere Filme, z.B. »Krull« und »Willow« erinnert wird). Und ein, zwei Mal war der ›Eingeborenen‹-Schmalz etwas zu heftig für meinen abgebrühten Geist.
— Punkte: Etwa 9 von 10.
Netzfunde
Peter Sloterdijk hat für ›SpOn‹ den Debatten-Text Der verletzte Stolz vorgelegt und macht damit wieder mal, was er gut kann, nämlich Antike und Gegenwart aufeinander beziehen und lässt dabei z.B. dem dummen Westerwelle-Geblah von der heutigen ›römischen Dekadenz‹ die Luft raus.
›Telepolis‹ hat mit dem Wirtschaftswissenschaftler Franz Hörmann gesprochen: Finale Krise des Finanzsystems im nächsten Jahr?. Hörmann ist einer der sympathischen Vertreter seiner Zunft, da er gerade heraus feststellt, die Mainstream-Wirtschaftswissenschaften seien Quark, Herrschaftspropaganda und alles andere als Wissenschaft.
Lehrreiche Veranschaulichung von ›The Map Room‹: Zehn Jahrhunderte in fünf Minuten. Leider hat man vergessen, irgendwo die Jahreszahl einzublenden. Aber damit lässt sich dieser Clip formidabel für ein kleines Wissensquiz in trauter Runde verwenden.
›Art & Letters Daily‹-Redakteur Denis Dutton hat 2009 »The Art Instinct« vorgelegt, und bei ›TED‹ gibt es nun einen ca. 15 Minuten langen Vortrag zu eben dem Thema dieses Buches: A Darwinian theory of beauty (›Eine darwinistische Theorie der Schönheit‹). Glorioserweise hat RSAnimate-Künstler Andrew Park mitgeholfen, die Theorie zu veranschaulichen!
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