molochronik
Mittwoch, 13. Mai 2009

Coverpanorama von Moorcocks »Pyat-Quartett«

Eintrag No. 550Wie cool ist das denn? Wie hie und da schon gemeldet, habe ich mir für den Mai eine größere Bestellung bei Book Depository in London gegönnt. Neben dem neuen Miéville »The City & The City« habe ich nun auch (endlich) das komplette »Pyat-Quartett« von Michael Moorcock bekommen. Beim Auspacken und zusammenlegen entdecke ich, dass die vier Umschlagsbilder der Vintage-Taschenbuchausgaben von »Byzantinum Endures« (»Byzanz ist überall«), »The Laughter of Carthage«, »Jerusalem Commands« & »The Vengeance of Rome« ein feines Panorama ergeben. —— Nebenbei: es ist eine Schande, dass die Pyat-Bücher (immer noch) nicht komplett auf Deutsch vorliegen, sondern nur der erste Band (antiquarisch zu haben) mal als Bastei Paperback erschienen ist (durchaus fein übersetzt übrigens).

Ist vielleicht (wie irgendwo in den Programmentscheiderkammern gemutmaßt wird) zu heftig (oder zu wenig erfolgsversprechend) für den armen deutschsprachigen Buchmarkt, wenn Moorcock mit seinem ukrainischen Hallodri eine wilde Reise durch die Jahre zwischen den beiden Weltkriegen veranstaltet. Der am 1. Januar 1900 geborene Pyat ist ein jüdischer Antisemit, Drogenjunkie, Bisexueller, Ingenieur, Spion, Saboteur, Agitator und und und.

{EDIT-Ergänz: Zur Erholung heute morgen hier eine kleine Übersicht der Vintage Taschenbuchausgabe des »Pyat-Quartetts«, die vier Bücher werden auch »Between the Wars« (»Zwischen den Kriegen«) genannt. Dazu übersetzte ich flappsig mal die Waschzettel (= Texte des Rückumschlages), damit Neugierige einen Einblick erhaschen können, um was es denn geht.

»Byzantinum Endures« (1981; Deutsch 1984 erschienen als Bastei Paperpack: »Byzanz ist überall«, übersetzt von Michael Kubiak): Europakarte; Intro von Moorcock; 18 Kapitel & 2 kurze Anhänge, 404 Seiten. Im ersten Band des Pyat-Quartetts stellt Michael Moorcock eine seiner großartigsten Schöpfungen vor: Maxim Arturovich Pyatnitski. Geboren in Kiew zu Beginn des 20. Jahrhunderts entdeckt er als Jugendlicher die Freuden von Sex und Kokain und erhascht einen Blick auf eine fortschrittliche & gebildete Welt jenseits seines Horizontes, bevor das Wüten der Russischen Revolution anhebt.

»The Laughter of Carthage« (1984; etwa »Das Lachen Karthagos«): Intro, 22 Kapitel, 602 Seiten. Nachdem er dem Grauen des russischen Bürgerkrieges entkommen ist, entdeckt Maxim Arturovich Pyatnitski, daß die Gefahren in Europa wie Nichts erscheinen verglichen mit dem, was ihn in Amerika erwartet. Fast sofort wird er in weitere Skandale verwickelt, bereist das Land als Sprecher für den Ku Klux Klan. Nur das Wiederauftauchen von Pyats ewiger Liebe, der Femme Fatale Mrs. Cornelius, bietet ihm eine Aussicht auf Rettung.

»Jerusalem Commands« (1992; etwa: »Die Befehle Jerusalems«): Intro, 29 Kapitel, kurzer Anhang, 577 Seiten. Maxim Arturovich Pyatnitski wurschtelt sich durch von New York nach Hollywod, von Cairo nach Marrakesch, von Film-Kulterfolgen bis zu den äußersten Grenzen sexueller Erniedrigung, und hinterläßt dabei eine Spur mechanischer und menschlicher Zerstörung während er auf ein Stelldichein mit der schrecklichsten Katasthrophe des 20. Jahrhunderts entgegensteuert (auf dem Cover ist die Titanic zu sehen).

»The Vengeance of Rome« (2006; etwa: »Die Rache Roms«): Intro, 60 Kapitel, 618 Seiten. Maxim Arturovich Pyatnitski begeistert sich für den Faschismus. Er himmelt Mussolini als Helden an, findet Einlass zum inneren Kreis um den Diktator und erfreut sich der innigen Freundschaft mit seiner Frau. Der Duce schickt ihn in geheimer Mission nach München, wo Pyat ein Intimfreund des homosexuellen Sturmtruppenführers Ernst Röhm wird. Seine entscheidene Rolle beim Streben der Nazipartei zur Macht bringt ihn dazu, sich auf perverse Sexspielchen mit ›Alf‹ einzulassen. — Pyats außergwöhnliches Glück läßt ihn als Zeugen nach Hitlers Massakrierung von Röhm und der SA zurück. Schließlich verschlingt das Konzentrationslager Lager Pyat. Dreissig Jahre später, nachdem er den Spanischen Bürgerkrieg überlebt hat, lebt Pyat in der Portabello Road in London, wo er seine Lebensgeschichte dem Schriftsteller Michael Moorcock erzählt.}

Und weil ich grad publikationswunschfreudig bin: Auch zwei andere späte Romane des ›anderen‹ Michael Moorcock sollten mal bei uns erscheinen: »Mother London« und »King of the City« (werden wohl nächsten Monat den Weg in mein Heim finden).

Dienstag, 5. Mai 2009

Flucht- und Fliehmomente, oder: Wieder Mal Fantasy und die Medien

(Eintrag No. 549; Alltag, Woanders, Literatur, Phantastik) — Erstmal einige Links zum Blog von Thomas Plischke (ja, dem Mann, dessen »Die Zwerge von Amboss« mich so (wenn auch nicht ganz vergnügungslos) ›verstört‹ hat). Seit einiger Zeit führt Plischke die quixot’sche Lanze der (ab und zu arg spöttisch-flappsigen) Erwiderung gegen Flachdenk-Artikel der großen Medien & des Feuilleton in Sachen Fantasy und Phantastik.

Ich bin (als mehr oder minder unfreiwiller Phantastik-Elitarist) zwar mit Plischkes Polemiken gegen dumme phantastik- und fantasyskeptische-Artikel nicht immer ganz glücklich, da Plischke darin Autor(innen) wie Stephenie Meyer verteidigt (die hat eh (zu)viel Erfolg, liefert aber Bücher von – für mich – äußerst zweifelhafter Qualität). Dennoch hier eine kleine Übersicht der Dummschwätzartikel und der Erwiderungen von Thomas:

  • »Susanne Weinhart, die Fantasy und wir« (16. März ‘09): Der dümmste Spruch aus dem Weinhart-Artikels in der »Süddeutschen Zeitung« lautet:
    Die Gegenaufklärung hält sich: Fantasy-Literatur und Computerspiele erfreuen sich ungebrochener Beliebtheit.
  • »Es geht schon wieder los« (26. März ‘09): Erwiderung auf einen Artikel von Armgard Seegers im »Hamburger Abendblatt«.
  • »Titus Arnu, die Fantasy und wir (diesmal mit einer Extraportion Vampir)« (3. April ‘09): In diesem Kontra zu einem abermaligen Text der »Süddeutschen Zeitung« steigert sich Plischke am Ende in eine ›Apologie‹ und Lobpreisung der Fantasy rein, die ich für als Fürsprache für dieses Genre für unzuträglich erachte. Was also machen mit dem Eskapismusvorwurf, der so oft gegen die Fantasy und Phantastik erhoben wird? Plischke bietet da folgendes:
    Der Eskapismusvorwurf an die Fantasy ist schlichtweg unfair, denn etwas umformuliert lautet er ungefähr: Warum lasst ihr euch durch das Bunte, das Exotische – und ja, auch durch das Rückwärtsgewandte und Vereinfachende – so leicht verführen?
    Meine Antwort sähe unter Umständen so aus: Weil gute Fantasy ein Versprechen abgibt, das sie erfüllt.
    Sie verspricht den Tumult eines Basars statt der Ordnung einer Aldi-Filiale.
    Das Spaßbad mit zwölf verschiedenen Rutschen statt des einfachen Freischwimmerbeckens.
    Den Vollrausch anstelle eines Angeschickertseins.
    Die Achterbahn mit vier Loopings, nicht das Kettenkarussell.
    Gut möglich, dass man kotzen muss, falls man es übertreibt – und manche Menschen haben einen empfindlicheren Magen als andere oder leiden unter diversen Unverträglichkeiten –, aber das ist ein Risiko, das jeder mit sich selbst auszumachen hat. Mit dem Bluttrinken ist das übrigens ähnlich…

    Für mich wird hier ›das Vergnügen‹ oder ›die Leselust‹ welche Phantastik- und Fantasyliteraturen zu bereiten vermögen zu knallig-einseitig auf ›Spaß, Gute Laune, Halligalli‹ verkürzt. Es ist ja mitnichten so, dass Fantasy und Phantastik nur von Anhängern einer ›unreflektierten‹ Spaßfraktion mit Genuß goutiert werden kann.

  • »Der Spiegel und die Fantasy« (4. Mai ‘09): Hier bietet Thomas einen zurückhaltender tönenden und solide durchdachten Leserbrief zu einem Artikel von Urs Jenny (dessen Text über den Fantasy-Boom zwar auch durch einige der üblichen Recherche- und Denkschwächen gezeichnet ist – z.B. dass der Amerikaner Ire C. S. Lewis wieder Mal zum Engländer mutierte –, der aber schon mal um einige Tacken besser ist, als die oben verlinkten Artikel von Weinhart, Seegers und Arnu.

Der Höhepunkt aber, der sich in dieser ganzen Angelegenheit in Thomas Plischkes Blog ereignet, findet sich in dem Linksammlungs-Eintrag »Es regt sich Widerstand«. Vor allem beim Wortwechsel zwischen dem von mir geschätzten Literatursachverständigen Ralf Reiter (vom »Inklusorium«-Blog) und dem Journalisten Thomas Klingenmaier (Autor des »Hauptfilm, Trailer, Extras«-Blogs für die »Stuttgarter Zeitung« und als tkl auch kommentierender Molochronik-Leser) wird sehr klug und erhellend das ganze seltsame Phänomen besprochen, warum es die Phantastik und ihre Genre (vor allem eben die Fantasy) immer noch so schwer haben in der Medien- und im Feuilltonlandschaft. Vor allem die analytische Zusammenschau von Klingenmaier ist es wert, zur Kenntnis genommen zu werden, wenn er diese sechs Punkte zusammenfasst: (1) die Konkurrenz der Themen; (2) die Konkurrenz der Autoren; (3) die Zugewinnrechnung; (4) die Themen-Redundanz; (5) das Schreckbild vom unreifen Leser; (6) die Wertungsungewissheit.

Zum anderen möchte ich darauf verweisen, dass es nun in der Bücherrundschau bei »Perlentaucher« auch eine Kategorie für Fantasy- und Science Fiction gibt. Ich habe vor einiger Zeit eine Leser-eMail an die Perlentaucherredaktion geschrieben, ob sie sich prinzipiell vorstellen könnten, neben ihrer Krimikolumne »Mord und Ratschlag« auch eine Phantastik-Kolumne anzubieten. Die Antwort lautete, dass man durchaus gerne machen würde, aber leider nicht genug Kapazitäten dafür hat. Naja. Vielleicht ändert sich das ja mal.

Zum Abschluss zitiere ich (wieder Mal) aus Umberto Ecos »Der Name der Rose«, wo gezeigt wird, dass Eskapismus und nerdiges Geektum keineswegs allein eine Sache von jugendlichen (oder nicht erwachsen gewordenen) Fantasy-Fans ist. — Bei einer der nächtlichen Exkursionen in der geheimnisvollen Bibliothek meint William von Baskerville zu seinem Schüler Adson (S. 399):

»{…} es waren finstere Zeiten, in denen sich die Grammatiker mit abstrusen Fragen vergnügten, um eine schlechte Welt zu vergessen. Einmal, so heißt es, diskutierten die beiden Gelehrten Gabundus und Terentius vierzehn Tage und vierzehn Nächte lang über den Vokativ von ego. Am Ende griffen sie zu den Waffen …«
Dienstag, 21. April 2009

Thomas Plischke: »Die Zwerge von Amboss«, oder: Oh Schreck, Band eins von sieben!

Eintrag No. 548

EDIT-ERGÄNZUNG: Im dem Roman gewidmeten Thread bei »Bibliotheka Phantastika« wies ich auf meinen Blogeintrag hin und kurz darauf hat Ole Johan Christiansen (= ›Buecherwyrm‹) meine ›Rezension‹ als mangelhaft bekrittelt. Im Zuge des Austauschs mit Ole im Forum eröffnete er mir einige interessante Einblicke zu den Intentionen der geplanten »Die Zerrissenen Reiche«-Reihe. — Ole mockierte sich nicht ganz unberechtigt über die Erstfassung dieser Rezi, auch wenn ich keineswegs mein Daumen runter zum Buch ›nur‹ an dem in meinen Augen mißlungenen sprachlich-metaphorischen Stil aufhänge. Zwecks Feinjustierung wurde diese Rezension um einige persönliche Schlenkerer ergänzt (die aber Molochronik-Stammlesern bekannt sein dürften).

Der Roman »Die Zwerge von Amboss« wird viel gelobt. Viele finden ihn deshalb doll, weil (angeblich) die üblichen rassischen Fantasy-Klischees ›konsequent‹ weiterentwickelt wurden. Mein Wohlwollen erntet das Entwicklerteam von »Die Zerrissenen Reiche« – Thomas Plischke und Ole Johan Christiansen – für ihre Ambition, Fantasy gegen den Strich zu bürsten und durchaus erkennbar (aktuelle) politische Probleme zu bespiegeln. Da ich vor Jahren selbst ein paar Fantasy-Pulpstories in der Amateurliga geschrieben habe, weiß ich wie schwer es ist, Fantasymaterial zu entwickeln das die Ketten der Fantasy-Hardcoretraditionalisten abschütteln will, beziehungsweise (allgemein nicht nur Fantasy betreffend) wie knifflig und anstrengend es ist, überhaupt zu wissen, was und worüber man schreiben will, welcher Art von Charakteren man Leben einhauchen möchte, welche Fragen, Probleme, Spannungen man auswählt, um daraus eine Handlung zu entwickeln. Auch wenn ich selber derzeit keinerlei Absichten hege, einen Fantasystoff zu schaffen, habe ich Respekt für alle Autoren, die den Fleiß und die Entschlusskraft inne haben, ihren Fantasyweltenbau durchzuziehen und ein Manuskript zu vollenden. Trotzdem lese ich dann die Früchte solcher Anstrengungen mit so etwas wie einen Blick durch die Konkurrenzbrille, da ich eben einige Jahre reichlich sowohl allein als in Gruppenarbeit an Fantasyweltenbauten gebosselt habe.

In »Die Zwerge von Amboss« steht die typische Bergbau- und Schmiederasse im Mittelpunkt der Handlung und an der Spitze des Wettstreits der Völker, weil der Zwergenbund über entscheidende Vorsprünge bei Rohstoffzugang und wissenschaftlichen Innovationen verfügt. Die meisten Zwerge haben sich der (atheistischen) Vernunft verschrieben und allem Aberglauben (z.B. die Geister der Ahnen betreffend) abgeschworen. Allerdings ist das ›Brudervolk‹ der Zwerge, die Halblinge, für alle entscheidenden ministerial-sekretärischen Aufgaben (einschließlich der inneren Sicherheit) zuständig. Begründet wird diese reichlich machtvolle Sonderstellung der Halblinge in diesem ersten Band nicht, und entsprechend schwachsinnig erscheint mir dieses Konzept, aber hey: das ist immerhin ›Fantasy‹, das lustige Genre, in dem man alles mögliche nach Rassen sortiert. Also: Zwerge machen den Staat, Halblinge den Strippenzieherstaat im Staate.

Viele Zwerge sind zwar mächtig, wohlhabend, leben in prächtigen Häusern und feiern aufwändige Jahresriten in den großen Städten (was in meiner Lesart ne matte Satire z.B. auf die DDR und andere sozialistische Systeme abgibt), aber das Volk wird immer unzufriedener. Zu den Hauptthesen des Romanes gehört, dass die wissenschaftlichen und produktionstechnischen Fortschritte in den Manufakturen zwar für mehr Wohlstand und Ertragssteigerung sorgten, aber auch dazu führten, dass weniger Arbeitskräfte gebraucht werden, weshalb viele Zwerge ohne Job und Einkommen, zumindest ohne wirkliche gesellschaftliche Aufstiegsmöglichkeiten zurückbleiben. Menschenflüchtlinge vom südlichen Kontinent der Zerrissenen Reiche, wo seit langem religiös motivierte Konflikte wüten, übernehmen die Rolle der unwillkommenen Einwanderer, Asylanten und Emigranten. — Leider setzt der Text des Romanes diese Ideen (für mich) vor allem mittels einer Anhäufung simpler Stammtischparolen, affiger Poserattitüden und (vor allem) schlechter Schreibe um.

In der Tat bin ich am heftigsten dadurch verstört, wie schlecht der Roman geschrieben ist. Oder haben sich gewisse Manierismen in einigen Rollenspiel- und Fantasy-Kreisen mittlerweile derart eingeschliffen, dass sie gar als Tugenden guten Erzählens gelten können? Da das Buch von vielen so gelobt wird, muss wohl zweiteres der Fall sein.

Dem für mein Empfinden rand- und bandlosen Metaphern-SalatMatsch widme ich mich noch ausführlicher in den Kommentaren zu diesem Haupteintrag, hier aber ein erstes Beispiel aus dem Prolog des Romanes, wenn wir den Zwergenherrscher Gorid Seher bei seiner Morgentoilette begleiten: Zahnschmerzen werden da beschrieben als ›dumpfer, pochender Schmerz, als habe sich eine Made in seine {Gorid Sehers} Wange eingenistet und fräße sich dort nun langsam dick und satt‹. Diese Prolog-Zahnschmerzen gemahnen zudem den Zwergenherrscher daran ›was er sich und seinen Volk bald an Opfern abverlangen würde‹.

Vielleicht rührt der gar so schlechte Eindruck, den dieser Roman bei mir macht, daher, dass ich zugleich einen großen Meister der gut geschriebenen (trashigen) Genre-Phantastik genieße: nämlich Kim Newman und sein »Die Vampire« (= Sammelband mit den drei Romanen »Anno Dracula«, »Der Rote Baron« und »Dracula Cha-Cha-Cha«). — Außerdem habe ich dieser Tage wieder mal ausführlicher in Michael Moorcocks ›Studie über epische Fantasy‹»Wizardry & Wild Romance« – geschmökert, und darin kommentiert Moorcock kritisch, wie die derivativen, glättenden und schematisierenden Praktiken der ›Spin off‹- und Rollenspiel-Kulturindustrie mit dem Ideenmaterial der ›Fantasy-Gründungsväter‹ (z.B. Tolkien, Howard, Leiber, Anderson) umgehen.

Wie gesagt folgt später noch entnervend viel mehr zu meinem Mißfallen aufgrund des sprachlich-stilistischen ›Sounds‹ von »Die Zwerge von Amboss«.

Jetzt erstmal Anmerkungen zum Inhalt.

Erste Hauptfigur ist der schon etwas ältere Ermittlerzwerg (›Sucher‹ genannt) Garep Schmied, der in der Stadt Amboss (Zentrum der Waffenindustrie) den Mord an einem Komponisten (und später anderen Opfern einer vermeindlich menschlichen Terroruntergrundtruppe) aufklären soll. Garep ist für mich ein wandelndes Abziehbild: ein grimmiger Ermittler, verbittert, weil seine Lebenspartnerin vor vielen Jahren starb und Garep mit der allseits aus anderen Fantasystoffen vertrauten Zwergendunkelsicht dem Erkalten ihrer Leiche zusehen musste (was ihn nebenbei bereits – schwuppdiwuppdi – zum großen Meister dieser Zweitsicht gemacht hat). Gareb betäubt seinen Welt-/Herzschmerz mit Drogen (Blauflechten), gilt aber trotzdem (wiederum ziemlich unbegründet) als einer der besten Sucher überhaupt (trotzdem hat er erstaunlicherweise noch nie etwas von durch von Menschen und Zwergen betriebenen Schmugglerringen gehört, welche die strengen zwergischen Ausfuhrverbote für Zwergenwaffen unterlaufen). Wenigstens läßt ihn sympathisch erscheinen, dass Garep anders als sein übereifriger Assistent Bugeg nicht viel auf das Hetzgerede der Massenmedien (›Rufer‹ genannt) über die ach so lästigen, faulen und parasitären Menschenflüchtlinge gibt. — Immerhin ein guter Ansatz der ersten Garep-Kapitel ist, dass hier Fantasy in Form eines städtischen Krimi geboten wird. Schade nur, dass weder die Stadt Amboss noch die Krimiathmo wirklich gut rüberkommt. Der Großteil der ersten Krimikapitel besteht aus ungelenken, überfrachteten Dialogen zwischen dem skeptisch-kaputten Garep, und seinem überambitionierten Assistenten Bugeg. — Garep gibt den an seinen eigenen Entscheidungen zweifelnden, tragischen Helden ab, komplett mit Junkie-Einlagen und gelegentlichen wehmütigen Momenten, wenn er seine selbstgewählte Einsamkeit in Frage stellt und sich nach Liebe sehnt.

Zweite Hauptfigur ist ein Mensch namens Siris, der in Gebirgsausläufern auf dem südlich des Zwergenbundes gelegenden Kontinents der Zerrissenen Reiche ein Leben als Monsterjäger führt. Hier sollen offensichtlich die nach Fantasy-Äktschn dürstenden Lesererwartungen gestillt werden. Dafür scheint ein einsam umherziehender, eine (in diesem Fall statt eines magischen Schwertes) zwergische Bratzschusswaffe tragender (Leone-Western-cooler) Ledermanteltyp perfekt geeignet. Die ersten Kapitel mit Siras, wenn er auf der Jagd auf ein Greifen-Pärchen ist, sind aber für meinen Geschmack einfach nur auffällig undurchdacht. Da schreibt dieser Siras zum Beispiel ein Jagdtagebuch, in welchem er (angeblich) nützliche Infos für spätere Aufträge bewahren will (über verschiedenes Monster-Großwild, dessen Verhalten und wie man es am besten erlegt). Aber was bekommen wir als Auszüge zu lesen? Oberflächliche Vermutungen und sehr skizzenhafte Notizen zu den Monstern, dafür aber massig persönliche Befindlichkeiten, schwurbelig formulierte Erinnerungen zu Siris Kindheit, viel vages Emo-Zeug. Später, auf Seite 226 wird mal erwähnt, dass Siris seit gut 10 Jahren dieses Tagebuch führt. Selbst wenn das Buch A-4 bis A-3 groß wäre und 500 Seiten hätte, könnte der Siris seine wortreichen Aufzeichnungen gar nicht sooo klein schreiben, dass bei seiner Logorhoe EIN Tagebuch reichte. — Dann, beim Kampf Mann gegen Greif gerät einiges vollends aus den Fugen. Da finden sich in einer Bergsiedlung einer von Unbekannten hingemetzelten Frömmlergemeinschaft ›eiserne Pflanzenstangen‹ (Rohstoffknappheit an Eisen kennen die wenigsten Klischeefantasywelten und so scheint selbst eine kleine Siedlung über derart viel Eisen zu verfügen, dass man Pflanzenstangen daraus macht) und ordentliche Vorgartenbeete. Das von Siras mit zwei Schüssen verwundete und flugunfähig gemachte Monster attakiert zuerst seinen Bedränger, nur um dann plötzlich und reichlich grundlos wieder von ihm abzulassen.

Siris hielt den Stil des Spatens umklammert und hoffte auf ein Wunder. {…} Nach bangen Minuten, die Siris wie eine halbe Ewigkeit vorkamen, entschärfte sich die Lage für ihn. Der Greif schickte ein letztes drohendes Fauchen in seine Richtung, um sich dann mit vorsichtigen Schritten rückwärts in Bewegung zu setzten. {…} Offenbar war man vor den Nachstellungen eines Greifen, der Beute geschlagen hatte, verhältnismäßig sicher, sofern man nur einen gewissen Abstand zu dem Räuber einhielt und ihn nicht reizte.

Zweimal mit einer Zwergenwumme auf einen Greifen ballern und ihm eins mit nem Spaten übern Schnabel dreschen gilt hier wohl nicht als reizen. — Im weiteren Verlauf des Romanes dient Siris vor allem als starker Muskel, wenn es gilt, Hindernisse zu überwinden indem jemanden aufs Maul gehauen wird, oder wenn hungrige Unterwegsmonster stressen. Zudem ist er der allen Aberglauben und Glaubensschmu abgeneigeste Charakter, ganz kampf- und überlebenserprobter Pragmatiker, und darf (ein paar Mal durchaus gelungen!) zur Erheiterung in ungeschicktem Zwergisch radebrechen.

Die dritte wichtige Hauptfigur der ersten Häfte ist der junge Zwerg Himek, ein so genannter ›Leiböffner‹ (ab und zu auch Heiler genannt, also ein in chirugischen Praktiken geübter Arzt), der zum Helfer des Zwergenwissenschaftlers Kolbner befördert wird. In einer geheimen Forschungseinrichtung assistiert Himek Kolbner bei dessen Experimenten zur Schaffung von superheldenmäßig aufgemotzen Halblingen (so ähnlich wie die militärischen Superkriegerlabore von William Stryker in der »X-Men«-Welt). Als Charakter fungiert Himek als Gegenpol zum vorurteilsverblendeten Bugeg. Himek hält die Ideale der zwergischen Aufklärungsvernunft hoch, will seinem ärztlichen Berurfsethos treu bleiben (sprich: seinen Patienten helfen statt sie für Experimente zu missbrauchen), und gerät dadurch immer mehr in Konflikt mit seinem Vorgesetzten Kolbner . — Kurz: Himek ist die positivste Identifikationsfigur, steht für normale (›menschliche‹) Durchschnittlichkeit vor allem dann, wenn er ab der zweiten Hälfte als Gefährte mit Siris unterwegs ist.

Ich kann mir vorstellen, dass aus »Die Zwerge von Amboss« ein durchaus lesenswertes Vergnügen hätten werden können, wenn es irgend jemanden gelungen wäre, die Autoren und den Verlag davon zu überzeugen, das Manuskript stilistisch zu polieren und vor allem zu straffen. Dann lägen mir statt 500 verlaberten Seiten voller ungeschickter Sprachwindungen und unplausibler Handlungswendungen nun ca. 320 Seiten mit knackig-süffiger epischer Fantasy vor.

{EDIT-ERGÄNZUNG: Beim Eingangs erwähnten Wortwechsel zwischen »Zerrissene Reiche«-Mitentwickler Ole Johan Christiansen und mir im Forum von »Bibliotheka Phantastika« kam es zu für mich überraschenden Einblicken, was die Intention und die Vermarktung des Buches angeht. — Ole wandte gegen meine Kritik des Metaphernmatsches ein, ich hätte ›den literarischen Stil‹ nicht erkannt, an den sich der Roman anlehnt, und er ist so freundlich, auf meine Frage nach der Natur dieses Stils zu antworten (von mir der Lesbarkeit wegen leicht formatiert hier wiedergegeben):

»Die Zwerge von Amboss«, ebenso wie die ganze Reihe, ist sprachlich deutlich an die englische Literatur des 19. Jahrhunderts mit ihren überbordenden Metaphern (insbesondere im Bereich der Tierwelt) und Sprache angelegt (denn in einem Fantasy-Äquivalent zur selbigen Zeit spielt die Reihe ja), wobei dies dann durch die derben Einschläge in Verbindung mit den tatsächlichen damaligen Lebensumständen gesetzt wird. Es ist also nicht so klinisch rein wie ein Dickens, vielmehr ist es eher (wie bei »Southpark« gesehen): »Dort lernt er alles, was ein Gentleman können muss: Tanzen, Säbelfechten und Fotzenlecken.«

Ich hab das dann zusammengedampft auf ›»Die Zwerge von Amboss« als »South Park«-derbe Fantasy-Parodie, geschmückt mit den antiquieten Sprach- und Metapherngirlanden des 19. Jhds?!?!‹

Das rückt den Roman freilich in ein ganz anderes Licht, und tatsächlich würde ich ihn anders beurteilen, wenn er mir (vom Verlag und besprechenden Fantasykreisen) entsprechend angepriesen worden wäre. Da nutzt auch Oles Erinnerung an die Weisheit ›Trust the tale, not the teller‹ nix. Aufmachung, Ankündigungen und Empfehlungen weisen den Eröffnungsband der »Die Zerrissenen Reiche«-Reihe aus als episches Fantasy-Abenteuer mit Krimi- und Politverschwörungselementen. — Derart irregeleitet, führte ich die (mich am stärksten mit Missfallen erfüllende) erzählerisch unökonomische Metaphernschwemme zurück auf (a) entweder Ungeschicklichkeit, oder (b) Unbekümmertheit der Autoren, oder (c) den Zuschnitt auf Lesererwartungen einer Fantasy-Zielgruppe, für welche die von mir bemäkelten Formeln und Klischees keineswegs Indizien für ›schlechten Geschmack‹ sind, sondern lesevergnügliche Qualitätsmerkmale. — Da in den positiven Rezis nirgendwo unterstrichen wird, dass »Die Zwerge von Amboss« vor allem als derb-satirisches Werk zu verstehen sind, sondern der Tenor dieser wohlwollenden Rezis eben meint, es würden Klischees fruchtbar ins Originelle und Spannende gewendet, zudem sogar angereichert mit kritischer politisch-gesellschaftlicher Relevanz, muss ich Vermutung (c) den Vorzug geben.}

Immerhin kann ich das Titelbild von Henrik Bolle loben. Richtig guter »Warhammer«-artiger Genre-Zwerg.

Hier geht es zum zweiten und dritten Teil meines Leseprotokolls mit den Beispielen für gewunden-lachhaften Metaphernbrei: »Sprachdurchfall & andere Grausamkeiten« / »Der Rest vom 500-Seiten Groschenheft«.

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Thomas Plischke (und Ole Johan Christiansen): »Die Zerrissenen Reiche 1: Die Zwerge von Amboss«; 35 Kapitel in zwei Abschnitten, eine Karte; 492 Seiten; Piper Taschenbuch; ISBN: 978-3-492-26663-5.
Montag, 13. April 2009

Lebenszeichen & bescheidgeb wegen »Magira 2009 – Jahrbuch zur Fantasy«

(Eintrag No. 547; Alltag, Literatur, Musik) — Einige Freunde meiner chaotischen Schreiberei haben ja enttäuscht (zurecht) nen Flunsch gezogen, weil im letztjährigen »Magira« nur meine Matt Ruff-Werkschau nebst Interview zu finden war, und ich es nicht geschafft habe, meine aus den Jahren 2007 und 2006 gewohnte Sammelrezi fertigzustellen.

Fast hätte ich auch dieses Jahr wieder das Handtuch schmeißen müssen. Zu oft sind meine freien Tage weggeschmolzen, weil es auffe Arbeit drunter und drüber ging. — Aber Dank einer Verschiebung der Deadline wurde es doch noch etwas. Heute habe ich meine diesjährige Sammelrezi abgeschickt (fast 90.000 Zeichen zu 7 Büchern).

Was war sonst?

Ich habe einen Erste Hilfe-Kurs besucht. War hochinteressant. Nur beim Abschlusstest habe ich gnadenlos versagt. Immer zwei mussten vor die Tür treten, die anderen Kursteilnehmern haben sich dann einen Fall ausgedacht, der dann simuliert wurde. Bei meinem Kammeraden und mir hat gabs statt grober Schnittwunde oder Sonnenstich dann einen Patienten mit Herzattacke. Da gibts außer Kragen öffnen und gut zureden nicht viel zu tun. Und weil es eben nichts zum zupacken gab und der simulierende Kurskollege exzellent gespielt hat, verfiel ich vor lauter Schreck in Redestarre. — Trotzdem: hat Spaß gemacht und ich fühle mich nun um einiges besser vorbereitet, sollte mal einem Besucher der Kunsthalle Schirn etwas zustoßen.

Lesend habe ich »Drood« von Dan Simmons beendet (mein erster Simmons) und bin begeistert. Werde wohl bald auch seinen anderen historischen Roman aus der Viktorianischen Zeit, »The Terror« verköstigen.

Heute vormittag habe ich den Sloterdijk-Schinken »Du musst Dein Leben ändern« fertig gelesen. Sehr lohnende Lektüre für meinen Geschmack. Vor allem, wie Sloti diesmal die alles und nichts bedeuten könnende Rumpelkistebegriffe ›Kultur‹ und ›Religion‹ zurechterklärt, hat Eindruck bei mir gemacht.

Derzeitiger Lesestoff ist ein Kim Newman-Sammelband mit den drei Romanen »Anno Dracula«, »Der Rote Baron« und (endlich auf Deutsch!) »Dracula Cha-Cha-Cha«. Bei Heyne erschien das alles auf fast 1300 Seiten für schlappe 15 Euronen unter dem Titel »Die Vampire« (Fantasy-Völker-Verkaufsstrategie, ick hör Dir stampfen). Das Cover ist leider leider leider Schrott. — Aber ich bin hin und weg von Newmans Schreibe. Habe die ersten beiden Titel vor über 10 Jahren als Ersterscheinung des Haffmans Verlages schon gelesen und bin baff, wie gut mir Newman immer noch taugt, bzw. wie sehr er meinen Geschmack geprägt hat. Das ist einfach richtig gut gemachter, nichtflacher Trash (noch dazu gut übertragen von Thomas Mohr. Bin schon gespannt, wie Frank Böhmerts Übersetzung von »Dracula Cha-Cha-Cha« geworden ist).

Mukke: Obwohl der Kauf eigentlich eher meiner Fanship fürs Comic geschuldet ist, habe ich mir den »Watchmen«-Score von Tyler Bates angeschafft. Ist ganz nettes Geplänkel auf den Spuren des Achtzigerjahresounds a la Vangelis (»Blade Runner«) und Tangerine Dream, und bei weitem nicht so dolle wie der geniale Wagner/Orff-Metal-Orient-Mix von »300«.

So. Jetzt falle ich erstmal in Erholungsstarre.

Sonntag, 22. März 2009

DVD-Woche: Präsidentengestrüpp, Spiegelkabinett & Bühnenzauberei

Eintrag No 546 — Hier die kurzen Bewertungen zu den in der letzten Woche geguckten Filme.

W. – Ein missverstandenes Leben. Oliver Stone ist so einer, der auch dann einen spannenden Film abliefert, wenn eigentlich nur geredet wird. »W.« ist zwar nicht so spektakulär wie »JFK«, und nicht so unheimlich-tragisch wie »Nixon«, kann aber trotzdem mit diesen beiden anderen Präsidenten-Filmen von Meister Stone mithalten. — Die Handlung schreitet auf zweifache Weise episodisch pendelnd voran: a) zwischen der Vergangenheit des jungen W. und (dann grauhaarig) seiner Amtszeit zu Beginn des Irakkrieges; b) zwischen Bush dem Politiker (Abgehordneter und Präsi) und Bush den Privatmenschen (Sohn und Ehemann). Das zusammenklammernde Über-Thema ist die Emanzipation des jungen W. weg von seinem Vater, hin zum höheren GOtt-Vater. Gerade das religiöse Elememt des Filmes hat mich zugleich gruseln und schmunzeln lassen (z.B. wenn nach Konferenzrunden zum gemeinsamen Gebet die Hände gefaltet werden). — Einige Szenen und Aspekte haben mich laut auflachen lassen: als W. eine Eingabe zu harten Befragungsmethoden gutheißt und Waterboarding, Reizentzug und Reizüberlastung mit den Ritualen aus seinen Burschenschaftlertagen vergleicht. Wie die Oberstreberin Concoleza Rice als Alien im Männerkabinett herumwichtelt. Und grandios das ›Finale‹, wenn W. unkontrolliert zu plappern anhebt bei einer Pressekonferenz nach dem Einmarsch im Irak. Auch der Einsatz von schunkeltauglicher Country- und Bierfest-Musik brachte mich zum Lächeln.

Fazit: Obwohl insgesamt zu zahm, unterhält der Film vor allem Dank seiner überragenden Darsteller, vorausgesetzt man bringt die Nerven mit, dem Menschen Bush jr. näher kommen zu wollen. — 8 von 10 Punkten.

Mirrors Das Gute an dem Film: Ex-Detective Kiefer Sutherland dreht als Nachtwächter eines brandgeschädigten, leerstehenden Art-Deko-Kaufhaus (ehemals eine Klinik) in New York seine einsamen Runden, ringt als Ex-Alkie mit Psychoproblemen (mit dem fing er überhaupt erst an, weil er als Bulle jemanden im Dienst erschossen hat), und wird schön langsam irre wegen des dämonischen Spiegelspukes der zuerst im kaputten Gebäude, später auch außerhalb um sich greift. Das Nervige an dem Film: eine aufgesetzte Familien-Beziehungskiste mit einer überspannten Frau und zwei Kindern, von denen der kleine Junge im Lauf des Filmes zum Wirt für die Dämonen zu werden droht. Irgendwann verfranzt sich die Handlung auch in die Provinz zu Hinterwäldlern, bzw. in ein Kloster, wo eine Nonne ein finsteres Geheimnis pflegt. — Die paar pfundigen Gruselpassagen mit Brandopfern die nur im Spiegel existieren, einem maulaufreissendem Mord an einer hübschen Blondine in der Badewanne und die überraschende Schlußvolte machen das Kraut auch nicht fett.

Fazit: Kann trotz ›schöner‹ Verfalls-Optik und einem (wie meistens) überzeugend intensiv spielenden Sutherland nicht überzeugen. Zu lang, zu zäh und (tödlich für jegliche Phantastik) zu bieder-schwachsinnig. — 4 von 10 Punkten.

Der Illusionist Da leider die wichtige Rolle der von zwei Männern umgarten Herzensdame dieses romantisch-historischen Zauberer-Thrillers enttäuschend fade von Jessica Biel dargestellt wird, zündet der Schmacht- und Seufz-Faktor nicht. Bleibt aber immerhin noch das Männertrio, dessen Spiel überzeugt. Ed Norton gibt als die Massen faszinierender Illusionist (der aus einfachen Handwerkermilieu stammt) den zurückhaltenden und stets kontrollierten Perfektionen; Rufus Sewell glänzt als österreichischer Kronprinz wieder mal in der Rolle eines energischen Unsympathlers; und Paul Giambetti darf als Inspektor hin- und hergerissen sein, denn seine Figur ist ein begeisterter Fan des Illusionisten, muß aber der Dienstpflicht wegen dessen vermeindlichen betrügerischen oder gar mörderischen Umtriebe auf die Schliche kommen. — Die Rekonstruktion der Bühnenauftritte des Illusionisten sind fein gemacht (wenn auch die ersichtlichen CGI-Effekte den Zauber abschwächen); der z.T. auf alt getrimmte optische Stil paßt gut zur Stimmung; und die Musik von Philip Glass trägt wie immer bereichernd zur Athmo bei.

Fazit: Tolles männliches Darsteller-Trio in einem ruhig-gediegenen inszenierten Historienkrimi. — 6 von 10 Punkten.

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10 + + + + + Maßstabsetztendes Meisterwerk; Olympisch. 09 + + + + Überwiegend exzellent; Packend. 08 + + + Bemerkenswert mit leichten Schwächen; Anregend. 07 + + Befriedigendes Handwerk; Kurzweilig. 06 + Unterhaltsam mittelprächtig; Akzeptabel. Unsichtbare Grenze der absoluten Mittelmäßigkeiten 05 - Brauchbar mittelprächtig; ganz nett, aber insgesamt lau. 04 - - Überwiegend mittelprächtig; Anstrengend bzw. langweilig. 03 - - - Bis auf wenige Momente daneben gegangen; Nervig. 02 - - - - Ziemlich übeles Machwerk; Zeitverschwendung. 01 - - - - - Grottenschlechtes übles Ärgernis; Pathologisch.
Sonntag, 15. März 2009

DVD-Abend: Sternen-/Nachbau-Krieg, Clankrieg-Sündenpfuhl

Eintrag No. 545 — Molo allein zuhaus die zweite. Gestern ›nur‹ zwei Filme geguckt. Ich hab mich diesertage auch noch um die »MAGIRA«-Portraits (und den diesjährigen Text) für die 2009-Nummer zu kümmern.

$tar Wars – The Clone Wars Mein »$tar Wars«-Geschmack ist pervers. Ich finde die neue Trio mit Sissi Anakin und Franz-Padme besser als die alte mit Luki & Leier; ich mag die beiden Zeichentrick-DVDs und nun bin ich durchaus angetan von dieser DVD mit CGI-Abenteuern der Jedis im Kampf gegen das Böse. Angesiedelt sind diese Abenteuer irgendwo zwischen den Filmen »E2: Attack of the Clones« und »E3: Revenge of the Sith«. In dieser Phase zerbröckelt die föderal-demokratische Ordnung der Galaktischen Republik angesichts eines um sich greifenden extremistischen Separatismus (aus dem Hintergrund von den bösen, elitären Siths geschürt). — Anlass für viele Schlachten, wo es denkersparenderweise einfach nur ums Stellung- und Linienhalten geht. Neu dabei ist eine kleine bunte und von Tentakeln auf’n Kopf gezierte Jedischülerin, die dem Anakin auf den Nerv gehen darf (und dabei natüüürlich dafür sorgt, dass der für seine Ungestümheit berüchtigte Anni etwas über Verantwortung lernt). — Hauptmission dieses Films: der Sohn von Jabba the Hut wurde entführt, die Jedis sollen ihn retten, damit Jabba der Republik gewogen bleibt (denn der fette Wurm kontrolliert weite Teile des Randbereichs der bekannten Galaxis). — Die Schauwerte sind grandios, wenn man akzeptiert, dass man es hier mit einer CGI-Grafik- und Animationsqualität zu tun hat, die von so manchen NextGen Spiele-Konsolen (PS3, XBox360) übertroffen wird. Aber die Design-Mukkis der »$tar Wars«-Schmiede sind immer gut, um bonbonfarbsatte Landschaften, aberwitzige und stimmungsvolle Architekturen, und mehr harmlos-zünftigen Lasergeballer zu stemmen, als die Retina auf Dauer aushält. Fazit: Hier passt inhaltliches und filmisches Niveau zusammen. Statt einer Bong (wie bei den protzigen Spielfilmen) reicht hier ein bescheidenes Gläschen Sekt, um sich trotz des biederen Humors und der vorhersehbaren HAndlung am knackig-bunten Desgin und der ›Zack Bumm Zisch Blitz Wuusch‹-Choreographie zu erfreuen. — 7 von 10 Punkten.

Gomorrah – Reise in das Reich der Camorra Vorausgesetzt, man ist kein krankes A***loch (das sich an realistisch dargestelltem kriminellem Elend aufgeilt), muss man sich bei diesem Film auf eine herbe, aufzehrende Erfahrung gefasst machen. Nichts desto Trotz aber ein Filmerlebnis, das sich lohnt. Erzählt werden verschiedene Facetten aus dem Krieg zweier Gangstergruppen um die Macht. Im Mittelpunkt stehen aber nicht die großen Macker und Krieger, sondern größtenteils Leute, die in anderen Gangster-Filmen bestenfalls als Nebenfiguren auftreten. — Allen, die auf irgendeiner Weise naiv-romantischen Träumen von vormodernen Krieger-Clan- und -Stammgesellschaften anhängen, sollten sich die hier gezeigten Typen und ihr Umfeld genau anschauen. Hier wird die Welt des Verbrechensproletariats und dessen Verflechtung mit der ›normalen‹ & ›ehrenwerten‹ Unternehmenswelt geschildert; es wird anschaulich gezeigt, wie fatal die Faszination für Gewalt und (vermeintlicher) Macht für heranwachsende Männer ist; vor allem aber wird die Trost- und Freudlosigkeit des Gangster-Milieus offenbart, einem Milieu, das oftmals bedenklich ins Spannend-Abenteuerliche verklärt wird. — Ein packender und aufregender Film, obwohl ich zweimal Pause machte, um mich zwischendurch wieder von den Depri-Aromen zu erholen. Fazit: Interessanter Blick in die Welt des Verbrechens. Wegen des Mangels an Spektakel anfangs gewöhnungsbedürftig; macht das aber bald Wett, weil man merkt, dass hier mal zur Abwechslung nicht gelogen und beschönigt wird. — 9 von 10 Punkten.

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10 + + + + + Maßstabsetztendes Meisterwerk; Olympisch. 09 + + + + Überwiegend exzellent; Packend. 08 + + + Bemerkenswert mit leichten Schwächen; Anregend. 07 + + Befriedigendes Handwerk; Kurzweilig. 06 + Unterhaltsam mittelprächtig; Akzeptabel. Unsichtbare Grenze der absoluten Mittelmäßigkeiten 05 - Brauchbar mittelprächtig; ganz nett, aber insgesamt lau. 04 - - Überwiegend mittelprächtig; Anstrengend bzw. langweilig. 03 - - - Bis auf wenige Momente daneben gegangen; Nervig. 02 - - - - Ziemlich übeles Machwerk; Zeitverschwendung. 01 - - - - - Grottenschlechtes übles Ärgernis; Pathologisch.
Samstag, 14. März 2009

DVD-Abend: Tentakel, Tropendonner, Agentenwirren

Eintrag No. 544 — Die Themensparte ›Film‹ habe ich in den letzten Monaten, ach was: Jahren!, stiefmütterlich behandelt. Dabei gucke ich durchaus desöfteren DVDs (auch gerne Serien) und in den letzten Monaten, seit ich wieder besser verdiene, gehe ich auch wieder hie und da ins Kino.

Da sich Andrea in Leipzig herumtreibt (Tag null, »Pension Völkerschlacht«, Tag eins), und ich allein zuhause herumgammel, habe ich die Gelegenheit genutzt und mir einen 3 Filme-Abend gegönnt.

Futurama: Die Ära des Tentakels Der zweite »Futurama«-Langfilm. Wie immer bei Matt Groenings Zeichentrickwelten bin ich entzückt vom dichten Ideen-Feuerwerk, das hier abgefackelt wird und ich bin nicht sicher, ob ich nun »The Simpsons« oder »Futurama« besser finde. Diesmal gibt’s eine interkosmische Liebes- und Invasionsgeschichte, denn durch einen Riss im Universum dringt ein großer zyklopischer Himmelsball ein, der mit seinen vielen vielen Tentakeln aus Liebesbedürfdigkeit die Menschen übernimmt. Fry darf in der Rolle des zuerst Übernommenen als Papst des kosmischen Sehnsuchtsgrauens die frohe Botschaft »Liebt das Tentakel!« verkünden. — Wir lernen zudem mehr über Kiffs Heimatplaneten und über die exklusive Untergrund-›Liga der Roboter‹. Großer Höhepunkt für mich: der Professor und einer seiner Konkurrenten tragen ihre Streitigkeiten mittels eines gigantischen Kugelspiel-Labyrinths aus; Stephen R. Hawking hat einen kleinen Gastauftritt; und Bender gibt eine vorzügliche ›Jack Sparrow gegen den Kraken‹-Parodie. —— Ach ja, endlich hat jemand eine Idee umgesetzt, die ich vor vielen Jahren auch mal hatte: Frys neue Beziehung wohnt in einem Hochhaus, wo man die verschiedenen Stockwerke nicht mittels eines Fahrstuhls erreicht, sondern indem das Haus in einem Bodenschacht auf- und niedersteigt.

Fazit: Glänzend gezeichneter Zeichentrickspaß mit mehr Gags pro Minute als der Arzt gestattet. — 9 von 10 Punkten.

Tropic Thunder Überdrehte Parodie auf Hollywood-Eitelkeiten, Schauspieler-Bullshit, (sogenannte) ›Reality TV-Shows‹ und Kriegsfilme. Gute erste 20 Minuten, dann stellenweise zäh und unnötig ordinär. Enttäuschend, dass der Film selbst nicht aus dem Korsett der Formel-Rezepte auszubrechen vermag, die er eigentlich bissig auf dem Arm nehmen will. Dennoch: Robert Downey Jr. überrascht mich wieder einmal mit seiner Wandlungsfähigkeit; es hat mich gefreut Nick Nolte mal wieder in einer satirischen Blödel-Rolle zu sehen; und Tom Cruise legt eine verblüffende Vorstellung aufs Parkett, als ›Bösewicht‹-Nebenfigur, zurechtgebrezelt auf dicker und schmierig Finanzmogul. — {Nebenbei: Tom Cruise ist so ein Schauspieler, den ich als Mensch echt eklig finde, erst richtig gruselig wenn er als Scientologe herumgeistert, aber als Schauspieler schafft er es immer wieder mal, mich zu erstaunen.} — Enttäuscht hat mich jedoch Jack Black, den ich bisher immer ziemlich bis sehr gut fand. Zu hektisch-panisch zuckt und brabbelt er als Junkie-Star, und liefert dabei nur wenige zündene Schmunzel- oder Lachgranaten.

Fazit: Kurzweiliger Spaß am besten für für berauschte Filmgucker geeignet; enthält punktuell erfeuliche Schauwerte (Explosionen, lustige Splatter-Einlagen); jedoch trotz Aufwand und Staraufgebot aber enttäuschend flach und harmlos. — 6 von 10 Punkten.

Burn After Reading Vorweg: alle Filme der Coen-Brüder mag ich, wobei ich eingestehe, dass nicht alle Meisterwerke sind; und: ich habe mich bisher noch nicht getraut den berüchtigten Flop »Ladykillers« zu gucken. — »Burn After Reading« ist zuvörderst ein feiner Ensemble-Film und dabei ein ziemlich flottes Story-Durcheinander. Stinknormale kleine Popelmenschen finden eine CD-Rom mit den Aufzeichnungen eines wegen Alkoholproblemen suspendierten CIA-Analysten, und glauben nun, irgendwie Geld damit machen zu können. Zudem geht’s Ehekrisen- und Seitensprung-mäßig kreuz und quer, so dass ich beim ersten Mal gar nicht immer durchgeblickt habe, ob es in den Szenen um die brisante CD-Rom oder um Ermittlungen für anstehende Scheidungsverhandlungen geht. Und wie fast immer bei den Coens sterben plötzlich Leute die seltsamsten Tode und schlägt die Handlungen überraschende Haken wie ein übermütiger Hase. Die Kirsche auf dem Sahnehäubchen ist auch diesmal wieder die Musik von Carter Burwell, der sich ein wenig an Philip Glass orientiert hat, bzw. mit martialisch klingenden Percussions-Enselmble einen interessanten Kontrast zur normalen Welt der Washingtonbewohner schafft.

Fazit: Eine feine schwarze Charakterkomödie über (liebenswerte) Trottel- und (kaltherzige) Kalkülmenschen. — 7 von 10 Punkten.

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10 + + + + + Maßstabsetztendes Meisterwerk; Olympisch. 09 + + + + Überwiegend exzellent; Packend. 08 + + + Bemerkenswert mit leichten Schwächen; Anregend. 07 + + Befriedigendes Handwerk; Kurzweilig. 06 + Unterhaltsam mittelprächtig; Akzeptabel. Unsichtbare Grenze der absoluten Mittelmäßigkeiten 05 - Brauchbar mittelprächtig; ganz nett, aber insgesamt lau. 04 - - Überwiegend mittelprächtig; Anstrengend bzw. langweilig. 03 - - - Bis auf wenige Momente daneben gegangen; Nervig. 02 - - - - Ziemlich übeles Machwerk; Zeitverschwendung. 01 - - - - - Grottenschlechtes übles Ärgernis; Pathologisch.
Freitag, 6. März 2009

»Watchmen«

Eintrag No. 543 — Gestern um 22:30 aus dem Turm-Kino raus. Leichter Nieselregen hält die grauen BetonFlächen der Innenstadt feucht. Zu warm und babbich für frühen März. Frankfurt wirkt wie eine Umgebung, aus der mir jederzeit Rorschach und Co. entgegenkommen könnten.

Fühle mich alt. So ist das also, wenn die Kunst, welche mich als Jugendlicher befeuerte nun in der Mitte der Gesellschaft ankommt. Kino war fast voll (okey: es war der kleine Saal 2), und ich habe kaum Menschen unter 30 gesehen. Frage mich, was ich davon halten soll.

Vor dem Film eine »Watchmen«-Tasse besorgt. (Ich habe schon eine ›Snoopy beim Schreiben‹ und eine Lisa Simpsons-Tasse.) Zum ersten Mal in meinem Leben die ganz große Popcorn-Portion gekauft. Fast hätte ich die auch ratzeputz geschafft.

Die Geschichte von »Watchmen« kenne ich so auswendig, wie manche Gläubige ihre heiligen Texte. War also mit dem ganzen Wirren Handlungs- und Weltenbau-Wust des Filmes keineswegs überfordert. — Als Film war Zack Snyders Version der Geschichte sehr hübsch anzuschauen. Die Schauspieler haben gute bis sehr gute Arbeit geleistet. Überhaupt: die ganze Schufterei sieht man dem Film echt an. Da ist jeder Cent auf der Leinwand. Und damit es wirklich passt, hätten es gerne noch ein paar Cent mehr sein dürfen. Und vor allem mehr Zeit. Man merkt dem Film auch an, dass er in vergleichsweise kurzer Zeit in einem Kraftakt rausgewuchtet wurde (angesichts der irren Komplexität und Fülle des Stoffes).

Doch ich kann beruhigt sein, denn ich bin als »Watchmen«-Fan nicht enttäuscht, als Filmgucker nicht gelangweilt worden. Dennoch: hin- & weg vor Begeisterung und Freude bin ich aber auch nicht. Ich bin so mittenmang. Irgendwie froh es hinter mir zu haben.

Im Kleinen habe ich mich ein paar Mal geärgert: a) Bob Dylans näselnder Nicht-Gesang machten für mich die ansonsten bewundernswerten Main Title zu einer akustische Qual; — b) schon damals in den Achtzigern habe ich Nena und ihre »99 Luftballons« gehasst. Da wäre ja Kajagoogoo oder Adam Ant noch besser (nicht so peinigend) gewesen. Nena hat mir also eine Romantik-Szene von Laurie und Dan versaut.

Zu den Abweichungen, Hinzufügungen und Kürzungen lohnt es sich jetzt nicht, viel zu sagen. Nur soviel: schade, dass nirgendwo diese komische Droge in den lustigen Pfeifen geraucht wird und deshalb auch Laurie völlig unmotiviert auf den falschen Feuerzeug-Knopf drückt; — schade, dass die Hinrichtung des Kindermörders durch Rorschach so verflacht wurde; — und sehr schade, dass die Doc M.-Worte »Nichts endet jemals« von Laurie gesprochen werden und sich statt an Ozzy an Dan richten (und dass da weit und breit kein Modell eines Sonnensystems zu sehen ist).

Aber wiegesagt: all solche Änderungen sind Kleinigkeiten und durchaus im Rahmen des Erträglichen und Üblichen (wie auch das Sony-Productplacement in der Wohnung von Hollis).

Der Kinofilm ist ja nur der Trailer für den letztendlichen Schnitt. Ich bin schon gespannt auf den Piraten.

6 von 10 Sternchen geben.

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10 + + + + + Maßstabsetztendes Meisterwerk; Olympisch. 09 + + + + Überwiegend exzellent; Packend. 08 + + + Bemerkenswert mit leichten Schwächen; Anregend. 07 + + Befriedigendes Handwerk; Kurzweilig. 06 + Unterhaltsam mittelprächtig; Akzeptabel. Unsichtbare Grenze der absoluten Mittelmäßigkeiten 05 - Brauchbar mittelprächtig; ganz nett, aber insgesamt lau. 04 - - Überwiegend mittelprächtig; Anstrengend bzw. langweilig. 03 - - - Bis auf wenige Momente daneben gegangen; Nervig. 02 - - - - Ziemlich übeles Machwerk; Zeitverschwendung. 01 - - - - - Grottenschlechtes übles Ärgernis; Pathologisch.
Sonntag, 1. März 2009

Gott, christliche Männer, Todesstrafe & Soldaten

(Eintrag No. 542; Gesellschaft, Religion, Fundamentalismus, Großraumphantastik) — Lobenswerterweise hat Gerd Langguth in der »Die Welt« in gesetzten Tönen schon am Freitag darauf hingewiesen, dass es hierzulande neben islamischen Fundamentalisten, links- und rechtslastigen Extremisten auch christliche Querprediger gibt, die es dank ihrer zu steilen gesellschaftlich-politischen Thesen verdient hätten, mal genauer vom Verfassungsschutz beäugt, und gegebenenfalls verboten zu werden.

Gemeint ist (natürlich) die in den letzten Wochen bekannt gewordene Piusbruderschaft, welche zum einen Holocaustleugner in ihren Reihen kennt, die aber zum anderen vom Papst wieder zurückgeholt wurde an die Brust von Mutter Kirche.

Ich habe mir nun den von Langguth vorgestellten Text mittlerweile angesehen. Er stammt vom Oberhaupt der deutschen Piusbrüder Pater Franz Schmidberger und findet sich in »Civitas. Zeitschrift für das christliche Gemeinwesen« No. 1/2008, Seite 47 - 51.

(Im »Civitas-Institut« haben sich christliche Laien zusammengetan um »um ihren Beitrag zur Verwirklichung des sozialen Königtums Jesu Christi zu leisten«)

Was hat einer wie Schmidberger für Vorstellungen, wenn es um »Grundsätze einer christlichen Gesellschaftsordnung« geht? — Hier meine (angesichts der Materie für manchen vielleicht arg respektlose) Zusammendampfung und Auslegung der 18 BastaAxiome.

  1. Es gilt das von GOtt kommende Naturrecht (¿des Stärkeren?), und somit die übernatürliche Heilsordnung der Mutter Kirche ohne Wenn und Aber für alle Menschen nach dem Sündenfall (damit sind wir gemeint).
  2. Der Boss im Staat ist nicht die Regierung, auch nicht das Volk, sondern eben GOtt, der ja alles lenkt und waltet (»Es gibt keine Gewalt, die nicht von GOtt käme.« Damit sind auch gemeint alle Grippeviren, Selbstmordattentäter, Autounfälle, Meteoreinschläge und alle dargestellte Gewalt in Ballerfilmen und Killerspielen). — Auch Regierungen, welche nicht demokratisch und offen gewählt wurden, können somit für diesen Christenmenschen legitim sein. Erwähnt wird als Beispiel die Erbmonarchie, aber eigentlich könnten damit alle gemeint sein, die es irgendwie geschafft haben, sich an die Spitze einer lokalen materiellen Hackordnung zu hieven.
  3. Wählen sollten nur noch Familienoberhäupter dürfen. Keine Singels, keine Frauen. Unfruchtbare und anderwertig Kinderlose haben Pech gehabt.
  4. Parteien sind des Übels, denn sie spalten das Volk. Christliche Männer, sittlich reif und reich an Lebenserfahrung sollten sich um das Gemeinwohl kümmern.
  5. Weltlicher Zentralismus ist böse, außer natürlich wahrscheinlich, wenn der der Zentralismus vom Vatikan ausgeht. (ABER: Metaphysischer Zentralismus mit dem einen GOtt in der Mitte ist supergut.) Die Obermonsterform des weltlichen Zentralismus ist der Internationalismus, denn er macht alle eigenständigen Völker und Kulturen kaputt. Nicht fruchten sollen also alle Ideen von einer gleichberechtigten Weltgemeinschaft. Weltbürgertum ist übel. Schön findet der Christenmensch a la Schmidberger aber einen Zustand, der dem Gestaltungsprinzip des ›Teile und Herrsche‹ folgt. Ich vermute mal ins Blaue, dass man dann auch wieder Latein als die einzige weltweite Amtssprache einführen will; nicht ohne zuvor alle Lateinlehrbücher, die sich außerhalb des christlichen Zugriffs befinden, zu vernichten.
  6. Ehen sind unauflösbar, punktum. Jegliche sexuelle Handlung außerhalb der Ehe ist des Teufels (aber letztendlich ja auch wieder auf GOttes Wirken gegründet, siehe Punkt 2.) Und Verhüterlis müssen alle weg.
  7. Ach ja, wenn man schon mal dabei ist: Gotteslästerung, Homosexualität, Pornos, Abtreibung, »das schöne Sterben« und Drogen sollen weg. ¿Wie, kein Wein mehr, kein Kaffee, keine Medikamente, gar nix mehr? Nur noch Oblaten? (Panik) — Freimaurer und Geheimgesellschaften sollen auch weg. Gilt das dann auch für christlich-katholische Geheimgesellschaften, oder was? Dürfte man in einer Welt, die Schmidbergers Thesen folgt, erwarten, dass Opus Dei und Co ihre Türen und Tore weit aufmachen, um allen offen und frei zu zeigen, was man so den lieben langen Tag macht? Keine geheimen Sitzungen mehr, nirgendwo? Auch nicht bei der Papstwahl? Alles auf den Tisch!! Perdauz, die Idee finde ich gut.
  8. Außer der katholisch-christlichen Kirche und ihrer Religion hat kein anderer ›Kult‹, keine andere Religion ein Naturrecht auf Existenz. —(Sprache ist doch was feines. Kann man einfach so hinschreiben: »Eingewachsene Nasenhaare haben kein Naturrecht auf Existenz.«)— Warum gibt’s dann trotzdem andere Kulte und Religionen? Weil der liebe GOtt, der oberste Gewaltensteuerer, nun mal die wunderbare Vielfalt liebt, denk ich mir in meinen religiös durchhauchten Augenblicken.
  9. Gemeinwohl soll sein: geistlich-geistiges Wohl, Tugendhaftigkeit, Ruhe und Ordnung. Keine Widerworte, keine mehr oder minder chaotischen Debatten, keine Meinungsvielfalt. Status Quo macht alle froh.
  10. Die Familie sie die Kernzelle so eines Christenstaates. Erziehung und Bildung soll in deren Hand und der der Kirche liegen. Nix mehr öffentliche Schule und weltlicher Bildungskanon. Aber durchaus her mit Grundbesitz und Privatinitiative. Wenn geistig alles gleichgeschaltet wird, brauchen die Leute ja was, worum sie sich raufen können.
  11. Juristisch soll erstmal die Rache im Mittelpunkt stehen, dann erst die Läuterung des Verbrechers. (Von Opferhilfe ist gar nicht die Rede, außer freilich wenn es um Rache geht.)
  12. Dazu passt, dass die Todesstrafe als geeignet betrachtet wird, um Schwerverbrechern beizukommen (Abschreckung). Ganz nebenbei könnte man auch wieder dolle Spektakel mit Blut und Grauen auf den Marktplätzen bieten. Merke: wo keine allgemeine Unterdrückung und Brutalität auftritt, da ist’s auch mit der heiligen, zitternden GOttesfurcht nicht weit her.
  13. Schluss soll sein mit der Tyrannei der Banken und des Kapitals (diesen elendigen Konkurrenten der Kirche). Finanzielle Spekulation ist Sünde (unhaltbare Spekulationen der Kirche über einen absoluten, obersten Mono-Gott oder ein Leben nach dem Tod aber sind erlaubt, ja sogar erwünscht).
  14. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollen mit ihrem kleinlichen Gekabbel aufhören, zusammenkommen und sich um ihre gemeinsamen Interessen kümmern. — (»Zwischen gleichen Rechten entscheidet die Gewalt«, die der unwissentliche GOttes-Prediger Marx schon wußte.) — Klingt ja schön, denn eine lebenserhaltende Umwelt oder friedliche Zukunft liegt ja im Interesse aller. Nur: wie soll das funktionieren, wenn Privatinitiative und Grundbesitz noch gelten sollen? Oder will der Kirchenstaat alle, die zu groß werden um noch gemeinwohlverträglich zu agieren, enteignen und auf ein gesundes Machtmaß zurechtstutzen?
  15. Unternehmer sollen (geistig-moralische) Väter ihrer Arbeiter sein, was sie dadurch erreichen, dass sie vorbildlich Sonntags in die Kirche gehen, Sakramente empfangen, und zum Arbeitsbeginn vor versammelter, mitbetender Belegschaft den Segen GOttes herabrufen.
  16. Überhaupt sollte wieder die Agrarwirtschaft DIE Grundlage eines Landes sein. Agrarfabriken und Kolchosen sind aber des Übels (ich nehme aber an, dass Schmidberger sich ein Wiederaufblühen der Klöster erhofft). Vielleicht ist damit auch gemeint, dass es statt Autobahnen und freier Fahrt dann Schrebergärten für alle geben geben soll.
  17. Völker sollen den Willen haben, das Reich Gottes verteidigen, was sie erreichen indem sie den Willen haben ihren Glauben (ihre Grenzen, ihre Kultur, ihre Bewohner) zu verteidigen. Oh wie innig verbunden, weil sich einander ähnlich, sind doch die ehrwürdige Missionars- und Soldaten-Berufung. Sie verteidigen: nach Innen, nach Außen, nach Überallhin, wo durch GOttes kecken Humor die Gewalten des Bösen und der Sünde angestoßen wurden uns Erbsünderherde zu versuchen.
  18. Lieben sollen wir die Erde (siehe Agrarwirtschaft), die Natur (wohl bei einer Wallfahrtswanderung), das Volk, die Arbeit, die Heimat mit ihren Bräuchen und Traditionen (und so etwas wie freie Meinungsäußerung, Skeptizismus, Atheismus, Heidentum usw. hat freilich keinerlei Anspruch darauf, sich als eine Tradition zu bezeichnen). — Entwurzelung (von der einen selig machenden Kirche und ihren GOtt), Landflucht (aus Gegenden, wohin die dolle christliche Gesellschaftsordnung ihre Krisen und Notstände hinverlagert hat), und Großstädte (Herd allen weltlichen, kirchenkritischen Denkens) sind ein Fluch.

Wenn ich noch lange genug lebe, und es Christenmenschen dieser Denke schaffen die Macht wieder an sich zu reißen, dann freue ich mich schon auf die Ehre, von denen an den Pranger gestellt zu werden. Mit einer munteren Beethoven-Ode auf den Lippen würde ich zum Scheiterhaufen gehen. Bis dahin bleibt mir nur, mich zu gruseln.

Mittwoch, 4. Februar 2009

»Froschkaninchen« (Darwin in der Schirn #2)

(Eintrag No. 541; Grafimente) — Hier, nach dem Darwin-Portrait, noch ein Skribbel nach einem der Exponate, die man ab 05. Februar in der Schirn Kunsthalle Frankfurt bei einem Besuch der Ausstellung »Darwin – Kunst und die Suche nach den Ursprüngen« bestaunen kann.

»Frosch mit Kaninchenohren«: Nach einer Skulptur von Jean Carriés, 1891. — Ca. 100 x 127 mm; Faber-Castell PITT artist pen ›brush‹ in Moleskin-Kladde; 03. Januar 2009, Frankfurt am Main.

Froschkaninchen

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