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»Eine andere Welt« (21) — Kap. XIX: Der Tod einer Immortelle von Grandville und Plinius dem Jüngsten

Eintrag No. 753Zur Inhaltsübersicht.

Die Illustrationen einer alten französischen Ausgabe habe ich dem flick-Album von blaque jaques entnommen.

XIX. Der Tod einer Immortelle

Die Langeweile ist der Unsterblichkeit Kind. Homer.

Nachdem er sein Kautschuck-Beafsteak und das zweite Kapitel von Kracks Manuskript, beide gleich schwer verdaulich, zu sich genommen, geht Puff in einen Garten, um den Duft der Blumen zu atmen, und wird Zeuge eines Selbstmordes.

Wie süß ist es, in einem Garten zu lustwandeln, wenn auf den Fittigen der Frühlingslüftchen die Blumen ihre Düfte tauschen gleich eben so viel Boten der Liebe!

Wie süß ist es — aber lassen wir es dabei bewenden; wollte ich meiner Begeisterung freien Lauf lassen, so müßte ich sie steigern und in Versen fortfahren, und dazu habe ich mich nicht mit dem nötigen Vorrat an Reimen, langen und kurzen Silben und Flickwörtern für die Reise versehen.

Um die Wahrheit zu gestehen, so ging ich nur in diesen Garten, um fern von dem Treiben und Lärmen der Welt meine Verdauung besser abwarten zu können; die hier landesüblichen Beafsteaks liegen entsetzlich schwer im Magen. Es wird mir aber doch gelingen, mit Hilfe des guten alten Sprichwortes: Geduld, Vernunft und Zeit macht möglich die Unmöglichkeit.

Wie glücklich bin ich, die Sprache der Pflanzen und Vögel zu verstehen! Die Wissenschaft wird mir eine große Entdeckung mehr verdanken.

Als ich den Garten betrat, zog ein Schmetterling, der eine Immortelle umgaukelte, meine Aufmerksamkeit an; eine Spinne, die unter derselben Pflanze ihre Fäden gezogen hatte, sagte zu ihm:

»Du verspottest mein Netz, weil Du ein alter Praktikus bist, aber Deine Kinden könnten es bezahlen müssen. Ich bin indessen bereit, mit Dir ein Bündnis zu schließen. Ich werde Dich und die Deinen verschönen unter der Bedingung, daß Du mir Deinen Rücken leihst und mich hinträgst, wohin es mir beliebt.«

»Angenommen«, entgegnete der Schmetterling und setzt sich auf die Erde.

Die Spinne bestieg seinen Rücken und fort ging’s. Einen Augenblick verlor ich sie aus dem Gesichte, dann aber sah ich sie sich auf dem Wipfel eines Baumes am anderen Ende des Gartens niederlassen. Ich fragte mich, was die Spinne bewegen könne, solchen Unterricht in der Reitkunst zu nehmen — als Mittel gegen zu vieles Sitzen wandte sie es sicher nicht an — da gewahrte ich plötzlich einen langen siblernen Faden, der von dem Baum bis zur Immortelle gezogen war. Vermittelst der Bereitwilligkeit des Schmetterlings hatte nämlich die Spinne ihr Schlappseil ziehen können, auf welchem sie nun gar viele Seiltänzerstückchen mit und ohne Bancierstange ausführen konnte. Eben machte sie den gefährlichen Luftsprung, als der zarte Faden plötzlich riss und die Immortelle zugleich herzlich lachend ihren Stengel schüttelte.

Von jeher bin ich ein großer Freund der Akrobaten gewesen. Erzürnt setzte ich die die Immortelle daher zur Rede, warum sie der kunstreichen Spinne den an ihrem Stengel befestigten Faden zerrissen hatte.

»Um mir die Langeweile zu vertreiben«, antwortete sie freimütig. »Wenn man schon seine sechstausend Jahre gelebt hat und nicht weiß, wann man sterben wird, so ist jedes Mittel gut, sich Zerstreuung zu verschaffen. — Übrigens hat sie Spinne ihr Schicksal wohl verdient; sie bringt ihre Tage damit zu, die Schmetterlinge durch große Versprechungen zu hintergehen, und bedient sich ihrer Flügel, was sie jedoch nie hindert, die Nachkommenschaft derselben bei der ersten Gelegenheit zu verzehren. Du kannst mir’s glauben, mein Freund, eine Immortelle hat Erfahrung«

Eine Rose in unserer Nähe schüttelte ihre Blätter und öffnete ihren Kelch; süßer Duft verbreitete sich ringsum.

»Meine Nachbarin macht Toilette«, fuhr die Immortelle wehmütig fort. »Um die Rückkehr des Frühlings zu feiern, geben die Blumen und die Früchte einen Ball, den der Gott versprochen hat, durch seine Gegenwart zu verherrlichen. Siehst Du nicht die Vorbereitungen zu dem glänzenden Feste? — Die Nelke schminkt sich und streut ein Bischen Puder in das Haar; die Riecherbse, geschniegelt und parfümiert, eilt schon nach dem Ballsaal; die Kaiserkrone schmückte ihre Stirn mit Smaragden; die Lilien prunkt mit ihrem Kragen von feinem Batist; die Stiefmütterchen ordnen ihren sammetnen Kopfputz. Der Franzapfel hat die Georgine für den ersten Contretanz engagiert; der Quittenapfel walzt mit der Erdbeere, und macht schon lange einer Anemone den Hof. Die Birne sorgt für die Erfrischungen, denn man muß immer eine Birne für den Duft haben. — Aber ach, während sie springen, tanzen, lachen, muß ich den Abend mit einem alten Kaktus zubringen, der mich mit seinen Geschichten langweilt.«

»Sie sind also nicht zu dem Balle eingeladen, gnädige Frau?«, fragte ich bescheiden.

»Eingeladen?«, erwiderte sie. — »Verbannt haben sie mich; die Wolfsrachen und die Granatzweige, welche Schildwache vor dem Ballsaal stehen, würden mir den Eintritt verwehren. Es ist jetzt ungefähr tausend Jahre her, daß ich versuchte, mich dort zu zeigen; da ich aber nach Patchouli roch, so zeigte man mir die Tür unter dem Vorwande, die Damen könnten diesen Parfüm nicht vertragen. — Nach solcher Beleidigung wollte ich sterben; aber es war unmöglich, denn nicht umsonst war ich eine Immortelle.«

»Aber wie sind Sie das geworden, meine Gnädigste; ich kenne nur den ewigen Juden, der ein gleiches Privilegium hat?«

»Meine Geschichte ist folgende. Die Welt war eben zweijährig. — Von dem Stamme eines wilden Feigenbaumes beschützt, hatte ich meine Schwestern der Strenge des Winters erliegen sehn, ohne daß es demselben möglich gewesen, mich zu erreichen. Der Frühling kehrte wieder und durchzog die Lüfte, einen Korb mit Blumen auf die Erde ausschüttend. Er war so lieb, so mild, daß ich ihn bat, mich vom Tode zu befreien. Meine Wünsche wurden erhört; aber um welchen Preis! Mein Leib magerte ab und dörrte aus; meine Düfte entwichen, ich verlor alle Jugend und alle Frische; ich ward eine alter Jungfer. — So sterbe ich nicht, aber ich bin immer alt. Ich habe keine Hoffnung mehr, als daß die Götter selbst, von meinem Elend gerührt, mir eines Tages den Tod senden …«

»Wenn die Königin der Blumen, die Rose, sich zu einem Feste begiebt, von ihrem glorreichen Gemahl, dem Oleander, begleitet, so umringen tausend Anbeter den von ihren Sklaven getragenen Palantin. — Alle Blumen eilen dem glücklichen Paare entgegen und bringen ihre Huldigungen dar. — Ich dagegen stehe allein und verlassen da; mein ganzer Hofstaat sind einige zynische Schnecken, die wie Diogenes ihre Tonne herbeirollen und Schutz zu meinen Füßen suchen. — Einem jungen Lilienstengel gab ich zu verstehen, daß ich ihn liebte; er entfernte sich mit Abscheu von mir und nannte mich die Totenblume. — Der Kaktus allein ist meine einzige Erholung in der Einsamkeit. — Aber, o Gott, was muss ich erblicken!«

Ich sah mich um und gewahrte den herausgeputzten Kaktus, der sich schläfrig nach dem Ballsaal, einem Treibhause begab. Jetzt begriff ich die Verzweiflung der Immortelle.

Der Klang der Instrumente drang bis zu uns. Eine Insektenbande — herumziehende Prager — spielten die neuesten Walzer, Galoppaden und Polkas; das Flageolet der Grillen mischte sich zu der Klarinette der Heuschrecken; die Scheiben des Gewächshauses klirrten taktmäßig von den Sprüngen der Tänzer.

»O Götter!«, rief die Immortelle, »da mich die ganze Welt verläßt, gewährt mir den Tod!« — In demselben Augenblicke tat sie einen Ruck, riß sich selbst aus dem Boden des Beetes heraus, fiel der Länge nach hin, und flüsterte mit erlöschender Stimme: »Endlich kann ich sterben!«

Seit diesem Tage ist ein Immortellenkranz von Papier das Emblem des Genius.

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»Eine andere Welt« (20) – Kap. XVIII: Ein Nachmittag im zoologischen Garten (2) von Grandville & Plinius dem Jüngsten

Eintrag No. 750Zur Inhaltsübersicht.

Die Illustrationen einer alten französischen Ausgabe habe ich dem flick-Album von blaque jaques entnommen.

XVIII. Ein Nachmittag im zoologischen Garten

Alle Gattungen sind gut, nur nicht die unbekannte Gattung. Aristoteles.

Fortsetzung und Schluß des Vorigen.

»Ein gewaltiger Lärm, nicht weit von mir, mit Gelächter, Geschrei und anderem Toben untermischt, reizte meine Aufmerksamkeit. Ich begab mich dorthin und sah Individuen jeder Art, jedes Alters, Geschlechts und Standes; Näherinnen, Soldaten, Kindermädchen waren es, die den Rand einer weiten und tiefen Grube besetzt hielten. Es kostete mir einige Mühe, einen Platz zu finden. Doch gelang es mir endlich, Dank den Bemühungen einer alten Frau, welche mit Fischen, jungen Hunden und Kätzchen handelte, die, wie ich später erfuhr, den Bewohnern der Grube als Leckerbissen hingeworfen werden. Die hier aufbewahrten Bestien sind alle zweiköpfig; ihr zweiter Kopf sitzt nämlich am Ende der bekannten Verlängerung der Rückenwirbel, die man im gewöhnlichen Leben Schwanz zu nennen pflegt. Sie erfreuen sich sämmtlich auch doppelter Organe der Verdauung, vermittelst deren sie beständig zu fressen vermögen, denn wenn die Vorderseite satt ist, fängt die Hinterseite an ihren Hunger zu stillen, und ist sie befriedigt, so hat jene neuen Appetitt bekommen, zur fortwährenden großen Ergetzlichkeit des Publikums.

»Einer meiner Nachbarn erzählte mir, daß der Sohn eines Karpfens und einer Häsin in die Grube gefallen und alsbald doppelt verschlungen worden sei von dem jüngsten dieser Bären, der gerade, als ich ihn sah, sich anmutig auf die Vordertatzen stellte und seinen hinteren Schlangenhals lang ausstreckte, um ein Stück Kuchen zu erhaschen. Ein Soldat, der seinen Tzschako hate haschen wollen, den ihm der Wind vom Kopfe gerissen, hatte das Unglück, vom Hinterrüssel eines anderen Doppelrachen gepackt und in die Ewigkeit geschleudert zu werden. Man zeigte mir den Urheber dieser Missetat; er schließ als Elephant und spielte als Stör mit einer Kugel. Der Katalog ist voll von solchen Tatsachen; ich führe sie jedoch nicht an, damit man mich nicht des Plagiats beschuldige.

»Von Vögeln hatte ich bisher nur die heraldischen gesehen; jetzt aber befinde ich mich vor einem großen Vogelheerde. Das Verzeichnis liefert folgende Notiz über diese gefiederten Wesen.

Provisorische Gattungen

»Wir sind bis auf weiteres gezwungen, unter dieser Benennung diejenigen Vögel zusammen zu fassen, welche die Wissenschaft noch nicht zu klassifizieren vermochte; nicht als ob sie darauf Verzicht leistete (die Wissenschaft leistet auf Nichts Verzicht), sondern weil die Akademie noch nicht die Zeit hatte die Wörter zu bilden, welche dazu dienen sollen, diese neuen Gattungen zu bezeichnen. Vierzig Akademiker sind fortwährend damit beschäftigt und schon ziemlich weit vorgeschritten. Der erste Teil dieser Namen ist schon erfunden — denn jede scientistische Benennung muß aus zwei Teilen wenigstens bestehen — und der zweite Teil wird auch bald folgen. Diese Nomenklatur muß wenigstens jedem Gebildeten verständlich sein, bis zur Vollendung derselben muß es aber den Freunden der Naturwissenschaften anheim gestellt bleiben, wie ihre Phantasie diese Geschöpfe zu charakterisieren für gut findet.

»Das würde mich zu lange aufhalten, ich verzichte darauf. Übrigens täten die Gelehrten dieses Landes wohl daran, sich selbst zu bestimmen, ehe sie die Tiere bestimmen. Die sonderbare Erscheinung eines Menschenkopfes auf einem Tierkörper wiederholt sich jeden Augenblick und noch ist es keinem Philosophen gelungen, die Grundbedingungen dieses sonderbaren Dualismus zu ermitteln.

»Einige Besucher dieses Gartens hatten zu gleicher Zeit mit mir vor dem Vogelheerde Halt gemacht. Unter ihnen war ein kleiner Greis, halb Mensch halb Papagei, der tortz dem offiziellen Verbot einen geflügelten Lachs neckte; neben ihm stand seine Gattin, eine Dame, deren Körper in den Schwanz eines Haifisches auslief. Ihr Söhnchen, das sie an der Hand führte, fraß Gerstenzucker und stand auf den Füßen eines Kückens.

»Meine Verwunderung steigt; ich öffne von Neuem den Katalog und setze meine merkwürdigen Forschungen fort.

Die Hybriden

»Wiederkäuende Vögel, geflügelte Vierfüßler, vielhufige Insekten; alle diese Tiere sind im zoologischen Garten geboren, man verdankt diese Mischlinge der Sorgfalt des Herrn Professors der Zoologie. Sie zeugen wiederum gekreuzte Arten, welche unzählig sind wie die des Pflanzenreichs.

»Als die merkwürdigsten führen wir an: den Hirschstorch, den Bockfloh, den Gemsenkasuar, den Schneckenhasen, den Schneckenschmetterling, den Eulenkater, das Ibismandrill, die Stachelschweinmücke.

»Die Giraffenrhinoceros und Elephantenkäfer bilden eine eigene Klasse unter dem Namen: Läufer, welche keiner ethymologischen Erläuterung bedarf; sie lassen sich leicht zähmen und wären vortrefflich zum Reiten zu gebrauchen, da sie den Lokomotiven an Schnelligkeit gleich kommen. Die Regierung hat eigene Landesgestüte für ihre Erhaltung und Vermehrung errichtet und mehrere Liebhaber von Wettrennen folgten diesem erhabenen Beispiel. — Vermittelst dieser lobenswerten Bemühungen wird bald viel Geld im Lande bleiben.

»Alle diese äußerst friedlichen und sanftmütigen Tierarten leben sehr vertäglich in einem Teil des ihnen bestimmten Parks zusammen.

Nun komme ich zu einer großen Gallerie; sie ist für das Mineralreich eingerichtet, wie der Katalog besagt. Werfen wir uns auf das Mineralreich.

Krystallisationen
Petrefakten, Stalaktiten

»Die menschliche Intelligenz weiß den Erdball ihrem Willen zu unterwerfen; indem sie die Natur kopierte, stellte sie sich ihre gleich und entlieh ihr Farbe und Form.

»Die Architektur entwickelte sich ganz aus den verschiedenen Kystallisationen, Petrefakten und Stalaktiten. Die ägyptischen Pyramiden, die griechischen Säulenordnungen und die gothischen Spitzen haben keinen anderen Ursprung. Der Mensch schöpfte seine sinnreichsten und anmutigsten Erfindungen aus den Launen der Natur; er hat ihr Alles abgeborgt, von der Baukunst bis zu den Schmucksachen, von den Palästen bis zu den Telegraphen, von den Ordenskreuzen bis zu den Lichtauslöschern, von den Zuckerhüten bis zu den Pfundbroden, den Würfeln, den Dominosteinen u.f.m.



Seepflanzen, Muscheln, Madreporen.

»Wir haben eben gesehen, wie der Mensch von der Natur das Geheimnis der Künste borgte; jetzt überraschen wir die Natur, wie sie von dem Menschen Vorbilder entlehnt. Was sind denn die Seepflanzen anderes als eine genaue Reproduktion von Spitzen, Schnüren, Bürsten, Schirmen, Epauletten, Pompons, Federbüschen, Toupets, Kämmen und dergleichen mehr?



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»Eine andere Welt« (19) – Kap. XVII: Ein Nachmittag im zoologischen Garten (1) von Grandville & Plinius dem Jüngsten

Eintrag No. 746Zur Inhaltsübersicht.

Die Illustrationen einer alten französischen Ausgabe habe ich dem flick-Album von blaque jaques entnommen.

XVII. Ein Nachmittag im zoologischen Garten Kracks Manuskript. Zweites Kapitel

Je mehr wir von der Natur kennen lernen, desto mehr wissen wir, dass wir noch nichts von ihr wissen. Über die Nachtseite der Natur. Th. II, S. 1543.

Wie der Schönheit die Laune, so steht der Natur das Ungeheuer. Neueste Naturphilosophie. Th.. VI, S. 798.

Eindrücke und Dokumente für die Aprilrreise erwartend, setzt Puff die Lektüre von Kracks Manuskript fort.

»Ich bemerkte heute zum ersten Mal, dass rauschende Freuden die Melancholie in ihrem Gefolge haben, der Lärm des Maskenballs umschwirrt mich noch und verscheucht mir allen Schlaf. Die reine Landluft wird mir gut tun, ich eile sie einzusaugen.

»Vor meinen Füßen öffnete sich ein unbegrenzter Raum, ohne Baume, ohne Pflanzen, ohne Blumen. Eine sanfte Dämmerung vertritt die Stelle des Schattens und des Laubes, eine warme balsamische Luft die der Pflanzendürfte; Nichts unterbricht das Schweigen und die Einsamkeit, die ringsum herrschen. Ich schreite vor, indem ich dem Echo, das mir nicht antwortet, die sanften Klänge eines empfindsamen Liedes Preis gab.

»Doch plötzlich, als ich die Bemerkung mache, dass diese Gegend mir nicht allein nicht bevölkert, sondern ganz öde zu sein scheint, vernehme ich einen dumpfen und abgemessenen Lärm in der Ferne. Ohne Zweifel ein Pferd, auf dem ein Reiter sitzt, sage ich zu mir. Aber es war nicht eigentlich ein Pferd und auch nicht eigentlich ein Reiter. Soviel ich während des raschen Vorrübersprengens wahrnehmen konnte, hatte das Geschöpf, das sein eigentümliches Roß zu der Verfolgung eines grünen Bären (von dem ich später erfuhr es sei ein Bär-Boa) antrieb, viel vom Menschen, obwohl seine Füße die eines vierfüßigen Tieres und sein Kopf eben nicht ganz menschlich waren. Ich glaubte zugleich das Bellen eines Hundes zu vernehmen, sah aber nur den runden Rücken einer Schildkröte, welche eifrig die Fährte des Wildes zu verfolgen schien. Zu welchem Geschlechte gehören denn die Geschöpfe, die ich so eben erblickte und wie kommt es, dass Schildkröten wie Windhunde laufen? Ich ging eine halbe Meile weit fort, ohne mir die Frage lösen zu können.

»Überschlage ich es recht, so wandelte ich wohl anderthalb deutsche oder zwei Postmeilen weit, ohne mich von meinem Erstaunen zu erholen. Ich fühlte mich ermüdet, legte mich auf dem Sande hin und schlief ein. Mein Schlummer war ganz traumlos; Morpheus schloß mir hartnäckig das Tor von Elfenbein, durch welches die Träume ziehen, die die Götter und Erdgeborenen erfreuen.

»Da weckte mich das Gebell wieder, ich sah die Schildkröte mit dem Hühnerhundskopfe, die mich kläffend umsprang. Einige Schritte weiter lag das seltsame Roß ausgestreckt auf dem Boden. Der Herr desselben schritt auf seinen beiden Pferdehufen näher und redete mich mit einigen Worten an, die ich mir in meine Sprache übersetzte mit: ›Gehorsamer Diener, mein Herr!‹

»Ich lasse alle weiter Präliminarien dieses Zusammentreffens weg; es genüge Dir zu erfahren, dass dieses überaus höfliche Ungeheuer nichts anderes ist als ein alter Zentaur, den die Naturforscher des Landes damit beauftragt haben, auf die seltenen Tierarten Jagd zu machen, um den neugestifteten zoologischen Garten damit zu bereichern. Der scientistische Jäger nahm mich hinten auf sein Roß, wir durchzogen mehrere Dörfer, und begegneten unterwegs zwei Lieferanten von fremden Bestien, die den zoologischen Garten versorgten, und gerade ein Amphibiendromedar dorthin brachten. Mein Führer teilte mir nun so viel Interessantes über diesen neu gestifteten Garten mit, dass ich mich beeilte ihn zu besuchen.

»Aber eine genaue Beschreibung desselben würde mich zu weit führen. Ich lasse also den Zufall und die Laune eben so bei der Schilderung walten, wie sie es mit mir während des Besuches taten und teile Dir, um doch nicht zu unwissenschaftlich zu sein, die nötigen scientistischen Notizen über die einzelnen Stücke dieser ebenso reichen als merkwürdigen Sammlung mit, wie ich sie dem beschreibenden Verzeichnisse entlehnte, das am Eingang verkauft wird.

Sirenen
Geschenk des Herrn Ulysses von Ithaka, Kapitän einer levantischen Brigg

»Diese Tiere, halb Fische halb Weiber, werden gewöhnlich in der ficilischen Meerenge gefunden. Ihre vorzügliche Beschäftigung besteht darin, die Schiffer durch ihren Gesang anzulocken und diese dann ihrem unersättlichen Hunger zum Opfer zu bringen. Die Natur hat sie mit einer seltenen und wunderbar schönen Stimme begabt. Ohne Mühe erreicht dieselbe eine fast unglaubliche Höhe, schlägt die prachtvollsten Triller und führt die schwersten Coloraturen aus. Man hat versuchen wollen, sie für die Bühne zu dressieren, aber es war unmöglich sie zu diesem Zwecke zu zähmen, auch konnten sie das trockene Klima der Kulissenwelt nicht vertragen. Ihre Stimme ist übrigens so zart und mächtig, dass die Seefahrer in diesen Gewässern sich häufig genötigt sehn, ihre Ohren mit Jungfernwachs zu verstopfen. Über die Fortpflanzung dieser Tiergattung schwebt die Wissenschaft noch immer im Dunkeln. Die Vermutung, dass die lange am Rhein gesehene und eben so oft besungene als singende sogenannte Lorelei eine versprengte Sirene gewesen (wie als versprengte Walfische gibt), ist durch die neuesten Forschungen zur Gewissheit erhoben worden.

»Rings um das Bassin der Sirenen hatten sich viele wissbegierige Besucher des Gartens versammelt; mir selbst lag daran zu erfahren, welchen Eindruck meine Erscheinung auf diese verräterischen Tiere machen würde. Mehrere junge Leute haben sich bis zur Raserei in diese hübschen Ungeheuer verliebt. Ein Wächter ist beständig gegenwärtig, um sie am Singen zu verhindern. Die leiseste Note, die sie anschlügen, würde unzählige Selbstmorde veranlassen, denn zwei Drittel der männlichen Bevölkerung stürzten sich ohne Zweifel in das Bassin. Die strenge Bewachung der Sirenen gehört zu den peinlichen {im alten Sinne des Wortes ›lästig‹, ›schmerzhaft‹, hier also gemeint: ›mit höchster Anstrengung zu leistenden‹} Amtspflichten des Direktors vom zoologischen Garten. Sein Vorgänger wurde ohne Pension entlassen, weil er einer Sirene einmal die einfache Skala zu singen gestattete; ich billige diese Maaßregel von ganzer Seele und bin überzeugt, die Freunde der Ordnung und der öffentlichen Sittlichkeit stimmen mit mir darin überein.

Wenden wir uns jetzt zu einer anderen Gattung. Wir finden ganz in der Nähe, so wie auf der folgenden Seite des Katalogs:

Die heraldischen Tiere
Aus verschiedenen mehr oder minder entfernten Reichen von einem ungenannten Freunde der Naturwissenschaften mitgebracht und hieher geschenkt.

»Diese Tiere wurden in verschiedenen Reichen gesammelt, wo die Eingeborenen ihnen fast göttliche Ehren, wie ehemals die Ägypter dem Apis und Ibis, erwiesen. Ohne Zweifel hat die Erinnerung an jene Art von Cultus sie stolz gemacht und hindert sie, in gutem Einvernehmen mit einander zu leben. Übrigens arten diese Gattungen von Tage zu Tage mehr aus und einige derselben sind schon gänzlich ausgestorben.

»Stolz! Du richtest auch die Tiere zu Grunde: welche Lehre für die Menschen!«

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»Eine andere Welt« (18) – Kap. XVI: Liebesgeschichte des Gliedermännchens von Grandville & Plinius dem Jüngsten

Eintrag No. 743Zur Inhaltsübersicht.

Die Illustrationen einer alten französischen Ausgabe habe ich dem flick-Album von blaque jaques entnommen.

XVI. Liebesgeschichte des Gliedermännchen.

Deine Augen sind Sterne! Sterne sind Deine Augen! . . . . . . . . Sterne meiner Nächte! . . . . . . . . Wenn der Stern der Liebe aufgegangen . . . . . . . . Ist es möglich. Stern der Sterne? Fragmente aus deutschen Dichtern.

Geheime Denkwürdigkeiten aus der mythologischen Zeit. Eines Zephyr’s Autobiographie. — Die Rache der Venus. — Ein Gliedermännchen, das seine Flügel wieder erhält.

Es wäre vielleicht am passendem Orte genau zu berechnen, wie lange die Ohnmacht des Gliedermännchens dauerte; aber uns fehlen die algebraischen Formeln für derartige Aufgaben, und selbst Zacharias Dahse würde hier stecken bleiben, denn wer kann den Moment calculieren, wo die Knospe aufblüht und der Wassertropfen sich kristallisiert. So viel ist indessen gewiß, als er wieder zu sich kam, krähte der Hahn und verkündete das Wiedererwachen der Natur. Aurora zog ihre Rosahandschuh an, um mit zarter Hand den Vorhang der Nacht aufzuziehen und der Lampenputzer der Himmelslichter zündete die Sonnenstrahlen an.

Reize eines schönen Morgens, welches Wesen kann bei Eurem Zauber gefühllos bleiben? Das Herz des Gliedermännchens war nicht geschaffen Euch Widerstand zu leisten. Ein süßes Bedürfnis nach Mitteilung bemächtigte sich seiner Seele, der Hauch des Morgens gab ihm neue Kräfte; bald stand es auf. Die Gliedermännchen liebten es nicht, lange ausgestreckt zu liegen. Kaum war das unserige von Neuem auf den Beinen, als es mit einem schmerzlichen Seufzer ausrief:

»Junger Zeuge meiner Schwäche, ich darf Ihnen Nichts mehr verheimlichen: erfahren Sie also meine Geschichte.

»Unbekannten Eltern verdanke ich das Dasein. Eines Tages entschlüpfte ich den duftenden Lippen irgendeiner Nymphe, die vor Liebessehnsucht seufzte; so werden alle Zephyre geboren, denn wie ich Dir jetzt auch erscheine, ich bin ein geborener Zephyr.

»In dieser Eigenschaft trieb ich mich auf’s Geratewohl im Raume umher. Da keine sorgsamen Eltern meine Erziehung überwachten, so ward ich ein boshafter kleiner Taugenichts. — Ich schlüpfte in die versteckten Falten, spielte mit den Locken, lüftete die Schleier der Spröden und brachte den Kopfputz der Coquetten in Unordnung. Ein alter Faun, mein guter Freund, lehrte mich tausend Streiche, die unschuldigen Schäferinnen zu quälen, und ich ermangelte nicht seine Unterweisungen auszuführen.

»Eines Tages hatte ich mich zu einem Trupp Zephyre gesellt, die ihr Wesen in einem Walde trieben, als ich eine junge, allerliebste Schöne sich nähern sah, die kaum mit ihrem sentimantalen Halbstiefelchen den Rasen zu betreten wagte und fortwährend ängstlich um sich blickte; es handelte sich offenbar um ein Stelldichein. Augenblicklich gab ich meinen Kameraden ein Zeichen; wir näherten uns mit Zephyerschritten, umzingelten das holde Wesen und wetteiferten darin, sie zu quälen. Bald flatterte ihr Umschlagtuch in die Lüfte, bald schlug ihr Sonnenschirmchen um, bald wieder flog ihr Halstuch fort. Der alte Faun lachte hinter einem Baume versteckt, dass ihm der Bauch wackelte. Überrascht und erschreckt durch diesen gewaltsamen Angriff, gab das holde Kind sich alle erdenkliche Mühe uns Widerstand zu leisten; ich war jedoch am meisten darauf erpicht sie zu necken, als plötzlich meine Gespielen, der Faun und das junge Mädchen verschwanden, meine Flügel abfielen und ich mich allein, vier Fuß größer fand, mit einem mit Goldstaub betreufelten Barte, in einem Purpurgewande mit einem Rosenkranz auf dem Kopfe und einer Lyra in der Hand.

»Verzweifelnd und voll Entsetzen suchte ich mir die Ursache dieser Verwandlung zu erklären, da gurrte mir eine auf einem nahen Aste sitzende Taube Folgendes zu: — ›Ich bin der Vogel der Venus; Deine Bestrafung kommt von ihr. Du weißt, daß die Götter und Göttinnen mitunter die Gestalt gewöhnlicher Sterblichen annehmen, um deren Freuden zu teilen. Du hast Venus in einem Vergnügen gestört. Um Dich zu züchtigen verwandelte sie Dich in einen Menschen und noch dazu in einen Dichter; Deine frühere Gestalt erhälst Du nicht eher wieder, als bis Du lange verliebt in sie gewesen, und es ihr gefällt Dir zu verzeihen‹.

»Dies begab sich in der Umgegend von Rom, unter der Herrschaft des Kaisers Gallienus. Am Tage richtete ich Episteln an den Monarchen und in der Nacht dichtete ich Oden an Venus, um sie zu erweichen. Ich liebte sie in der Gestalt des Sterns. Bald sind es zweitausend Jahr, daß ich sie liebte, zweitausend Jahr, wo ich nicht aufgehört habe Poet zu sein, was nachgerade sehr ermüdend wird.

»So aber ereignete sich meine Umwandlung.

»Ich saß im Opernhause zu Berlin in einem Sperrsitz ruhig und guter Dinge, als eine Loge in meiner Nähe geöffnet wurde und ein wunderschönes Weib (Sie wissen ›wunder‹ ist die beliebteste Berliner Zusatzformel für alles, was den Berlinern imponiert, wenn es auch gar nicht wunderbar ist; dies Mal war jedoch die Bezeichnung richtig) also, als ein wunderschönes Weib darin Platz nahm. Aller Augen waren gleich dahin gerichtet. Man muss gleich mir das Feuer gesehen haben, das aus allen diesen Augen strahlte, um sich einen Begriff von der Schönheit der Unbekannten zu machen. Nie, ich schwöre es bei Liszt und Lind, war die Verwunderung rascher, allgemeiner, lebendiger. Ein Auge, das wahrscheinlich Archäolog war, rief entzückt: ›Das ist Venus selbst, wie sie leibt und lebt!‹

»Der Ausruf war keine Berliner Übertreibung sondern Wahrheit. Meine alte Natur erwachte; ich warf der Fremden einen brennenden Blick zu; sie schien mich huldvoll anzulächeln. Meine Verwegenheit trieb mich an, wieder so keck zu sein, wie ich es als Zephyr gewesen; ich passte ihr am Ausgange auf, und will ihr ein Briefchen in die Hand drücken; da wendet sie sich um, betrachtet mich stolz von oben bis unten und sagt: ›Du bist nur eine Marionette!‹

»Ach, dieser gräßliche Ausspruch ward zur Wahrheit! Das Blut erstarrte mir in den Adern, meine Gelenke verhärteten sich, meine Arme wurden länger, meine Beine, die vor Schrecken zitterten, schlugen zusammen und gaben einen klappernden Ton; ich sah meine Nase sich über die Maaßen verringern, und als ich meine Handschuh anziehen wollte, hatte ich hölzerne Hände. Ohne mir Rechenschaft geben zu können, von der Kraft, die mich fortriss, ward ich von der Erde emporgehoben und auf diesen Planeten hingesetzt. Die schöne Frau im Opernhause zu Berlin war Venus selbst gewesen; sie hatte mich auf die Probe stellen wollen, und, als sie den Himmel verließ, einen Nebel benutzt, der mir nicht gestattete ihre Abwesenheit zu bemerken. Nun ermessen Sie die Größe meines Falls!

»Seit diesem Augenblicke vegetiere ich als ein Verbannter hier auf dem verschlafenen Planeten, es ist ein totes Gestirn das als Sibirien oder Botanybai dient für Diejenigen, mit denen die Götter unzufrieden sind. Ich habe diesen traurigen Aufenthalt mit meinen Erinnerungen bevölkert, und mit großem Aufwand und Geduld die schöne Welt, von der ich scheiden musste, hier nacherschaffen. Als Gliedermännchen konnte ich nur über Automaten herrschen. Sie werden finden, daß mir die Fabrikation meiner Untertanen und die Verfertigung meines Königreiches leidlich gelang; trotzdem langweile ich mich aber entsetzlich und wäre glücklich, wenn ich oft die Gelenheit hätte, wie heute, meinen Schmerz in den Busen eines Freundes auszuschütten.«

Als er diese letzten Worte vernahm, konnte Schwadronarius sich der Tränen nicht enthalten und stürzte in die Arme des Gliedermännchens.

»Bringen wir uns nicht in Rührung«, sagte der Herr Zephyr, »lassen Sie mich die Geliebte betrachten; gerade jetzt pflegt sie auf ihrem Balkon die Kühlung des Abends zu genießen und das Leuchtfeuer anzuzünden, nach dem sich die Liebenden richten welche Nachts auf dem Meere der Liebe schiffen. Sehen wir, ob mir ihre Augen Hoffnung winken.«

Das Gliedermännchen legte das Auge an die Laterna magica und rief: »Oh Himmel!«

Schwadronarius wandte sich um und sah Nichts mehr, weder das Gliedermännchen noch die Laterna magica, nur ein kühler frischer Windhauch spielte mit seinen Haaren, woraus unser Neugott sich beeilte zu schließen, daß Venus dem Zephyr seine ursprüngliche Gestalt wiedergegeben hatte.

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Molos Wochenrückblick No. 64

Eintrag No. 740 —  Kinners, wie die Zeit vergeht! Wisst Ihr noch, wann ich das letzte Mal von meinen Entscheidungen bei ›Wer ist dir lieber?‹ berichtet habe? — Nein? — Vor über drei Monaten! — Also nicht lange gefackelt. Entscheidungen müssen her!!!

Jack Nichsolson oder Heath Ledger (als Joker): Wenn es nur darum ginge, wer der bessere Joker war, würde ich ›weder / noch‹ sagen, wenn es darum geht, wessen Schauspielerleistung ich höher schätze, dann Nicholson.Yul Brunner oder Telly Savalas: Meine Stimme geht an den König von Siam!Physik oder Chemie: Finde beides zu interessant und wertvoll, um mich entscheiden zu wollen, also wieder ›weder / noch‹.Tim Taylor oder Al Borland: Ähh, das ist wohl TV-Kultur. Habe keine Ahnung. Kenne beide nicht.Beckmann oder Kerner: Diesmal kenne ich immerhin die Namen dieser TV-Fuzzis. Weiß aber sonst zu wenig, um die unterscheiden zu können. Also wiederum, ›kenne beide nicht‹.Inge Meysel oder Marie-Luise Marjan: Und nochmal ›kenne beide nicht‹.Lena oder Nicole: Schlimme als das grausige »Ein bischen Friede« ist selbst lena nicht. Trotzdem unterm Strich für mich ein ›weder / noch‹-Fall.Spiegelei oder Rührei: Klarer Fall. Ich bin ein Rührei-Typ.Jim Knopf oder Lukas der Lokomotivführer: Ich mag Lukas ein kleines bischen mehr.Darth Vader oder Yoda: Seit »The Attack of the Clones« ist für mich der Kampf-Flummi nicht mehr zu toppen.David Beckham oder Victoria Beckham: Bin nicht kompetent genug, hier eine Entscheidung zu treffen, also ›weder / noch‹.Prince William oder Kate Middleton: Ebenso. Wertner Enke oder Uschi Glas: Ich boller einfach mal so rum und wähle den Enke.Cats oder Das Phantom der Oper: Hmmm, schwer. Als Teen mochte ich beide. Aber die Texte von Cats sind (siehe T. S. Eliot) doch 'nen winzigen Tick gehaltvoller.Humphrey Bogart oder Ingrid Bermann: So sehr ich die Bergman mag, den Bogart finde ich einfach noch besser.Max oder Moritz: Ist das nicht völlig Wurscht? Ich werf ne Münze … halt nein, ich finde, Max sieht nicht so nervig aus. Adam oder Eva: Meine Sympathien liegen bei Frauen, die mir was zu Essen bringen.Liz Taylor oder Richard Burton: Wieder ein ›weder / noch‹-Fall.Frühling oder Herbst: Mein liebste Jahreszeit ist eh der Herbst.Harry oder Sally: Als Rollenvorbild für mich bevorzuge ich Harry.Cornflakes oder Müsli: In Phasen die sich über mehrere Jahre erstrecken, mag ich mal das eine, mal das andere lieber. Derzeit bin ich ein Müsli-Typ.

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Wunderbare Neuigkeiten! Matt Ruff präsentiert auf seiner Website nun erste offizielle Infos über seinen (auf Englisch) im Frühjahr 2012 erscheinenden fünften Roman »The Mirage«. Hier eine schnelle Übersetzung von mir vom Waschzettel des Buches:

9. November 9, 2001: Fundamentalistische Christen haben vier große Düsenmaschinen entführt. Zwei davon steuerten sie in die Tigris & Euphrat-Welthandels-Türme in Baghdad, und das dritte in das Arabische Verteidigungsministerium in Riad. Die Passagiere des vierten Flugzeuges, dessen Bestimmung Mekka gewesen sein soll, bringen ihre Maschine in der Wüste zum Abstürzen.
Die Vereinigen Arabischen Staaten rufen einen Krieg gegen den Terror aus. Eine Koalition arabischer und persischer Truppen landet an der Ostküste Amerikas und errichtet in Washington D.C. eine Grüne Zone …
Heute, einige Jahre später, ebbt der Krieg in Amerika langsam ab. Mustafa al Baghdadi, ein Agent der arabischen Heimatsicherheitsbehörde, verhört im Irak einen festgenommenen Selbstmordbomber. Der Gefangene behauptet, dass die Welt in der sie leben ein Trugbild ist — in der wirklichen Welt ist Amerika eine Supermacht und die arabischen Staaten nur eine Ansammlung ›rückwärtsgewandter Drittwelt-Nationen‹. Eine Ausgabe der New York Times vom 12. September 2001, die bei der Durchsuchung der Wohnung des Attentäters gefunden wird, scheint seine Aussage zu bestätigen.
Es bleibt nicht bei diesem einen Zwischenfall. Andere festgenommene Terroristen erzählen die gleiche Geschichte, und man findet weitere ›Artefakte‹. Der Präsident verlangt Antworten, doch Mustafa und sein Team entdecken bald, dass weitere Interessensgruppen ihre Finger im Spiel haben. Der Verbrecherboss Saddam Hussein führt eigene Ermittlungen durch, und der Chef des Nachrichtendienstes des Senates, ein Kriegsheld namens Osama bin Ladin, macht vor nichts Halt um die Wahrheit über das Trugbild zu verbergen.

Und Matt hat auch schon zusammengeschrieben, welche Musik er beim Schreiben von »The Mirage« vor allem gehört hat.

Politik, Gesellschaft & Hochkultur:

  • Georg Dietz, ›Der Kritiker‹ unter den SpOn-Bloggern, klärt uns auf betreffs Sieben Wahrheiten über die Hochkultur. Durch die Brille der Genre-Theorie gesehen ist für mich schon lange klar, das ›Hochkultur‹ eben auch nur eine Nische für ein spezielles Fandom ist.

(Deutschrachige) Phantastik-Links

  • Für das Blog der  ›Bibliotheka Phantastika‹ hat moyashi am Beispiel des »Games of Thrones«-Kalenders 2012 von Joe Picacio wunderbar zusammengemeckert, was an typischer Epic-Fantasy-Grafik nicht stimmt: Blind oder nicht blind, das ist hier udie Frage.
  • Simon Spiegel bietet als PDF auf seiner Website eine Rezi zu Alex Melzers »Weltenbauer: Fantatstische Szenarien in Literatur, Games und Film«. Wer sich selbst einen Eindruck von der exemplarischen Nutzlosigkeit von Melzeners Schrift verschaffen will, kann hier in einer umfangreichen Leseprobe stöbern.
  • »20th Century Boys« hat letztes Wochenende den Eisner-Award gewonnen, schöne Gelegenheit für den ›Tagesspiegel‹ Inga Steinmetz dieses beeindruckende Groß-Manga empfehlen zu lassen: Mörderische Freundschaft.
  • Noch was aus dem ›Tagesspiegel‹: Diesmal hat sich Steffen Richter der ersten sechs Titel der ›Neue Welt‹-Reihe des Verlages Matthes & Seitz angenommen: Luftschlösser und Quantenburgen. Diese Science Fiction-Reihe wurde von der Szene (mich eingeschlossen) selbst bisher kaum wahrgenmoen, mit Ausnahme von Thor Kunkels lesenswerten Roman »Schaumschwester«.
  • Viel Stoff für die Ohren bieten die Tonmitschnitte der Seminare Science Fiction and Politics von Courtney Brown. Bereits verkostet habe ich die Einführungsfolge, sowie die Beiträge zu Neal Stephensons »Snow Crash«. Ganz besonders freut mich, dass auch das Werk der Science Fiction-Musikerin Janelle Monáe berücksicht wird.

Zuckerl: Popkultur & Kunst

  • Seit ich als Hauptschüler Bachs Orgelmusik in der Einspielung von Helmut Walcha kennenlernte, und kurz darauf die Böhmsche Einspielung der Brandenburgischen, bin ich dem Jay Es Be verfallen. Letztes und dieses Jahr hatte ich wieder eine von diesen monatelangen Phasen, in denen ich auf dem Weg zur und von der Arbeit praktisch nur Bach hörte (Savall und Göbel-Einspielungen). — David Ramirer ist einer meiner Freunde, die so eine arge Bach-Begeisterung verstehen. Ihn hat’s, wie’s scheint, in letzter Zeit auch wieder vermehrt zum Thomas Cantor hingezogen, denn in seinem Blog tummeln sich wieder vermehrt elektromusikalische- und bildnerische Interprationen Bach’scher Werke: hier erstmal zum Hören für die freunde gehobener contrapunktik das »Ricercar a 6« (aus »Musikalisches Opfer«), und anschließend dann zwei visuelle Analysen / Umsetzungen dieses Stücks: ein wenig musikanalyse am mittwochabend und ein semi-chromatischer tanz.
  • Dank an Andrea für diesen Linktipp: Kent Rogowski macht Collagen aus verschiedenen Puzzels und nennt diese knallbunten Farbgranaten dann Love=Love.
  • Das Architektur-Blog ›The Web Urbanist‹ bietet einen umwerfenden Rundgang durch menschengemachte Himmelgewölbe: 15 Stunning Modern Ceiling Designs.
  • Zum Abschluss ein Filmchen bei ›Neatorama‹, das ich putzig-gruslig finde (aber vorsicht: manche von Euch finden folgendes sicherlich grausig-eklig!): Leckerer (toter!) Tintenfisch fängt wegen des Natriums in der Soja-Soße an zu zucken: Tanzender Tintenfisch

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»Eine andere Welt« (17) – Kap. XV: Eine eheliche Eklipse von Grandville & Plinius dem Jüngsten

Eintrag No. 738Zur Inhaltsübersicht.

Die Illustrationen einer alten französischen Ausgabe habe ich dem flick-Album von blaque jaques entnommen.

XV. Eine eheliche Eklipse.

Die Anziehungskraft beherrscht alle Körper. Newton.

Drum prüfe wer sich ewig bindet! Schiller.

An Scheidung ist fortan nicht mehr zu denken. Nr. 1754896 der Gesetzsammlung.

Hier erfährt man die wirklichen Ursachen der Eklipse, welche zwei tausend Jahre vor der Erschaffung einer anderen Welt stattfand.

»Sie scheinen ein erkleckliches Erstaunen zu verspüren über Alles, was Sie hier gewahrten, wertester Herr!«, sagte das Gliedermännchen zu Schwadronarius, als er ihn wieder auf dem Markte traf, »und ich wette, Sie haben Lust mir viele Fragen vorzulegen.«

»Gnädiger Herr! Ich kann es nicht leugnen«, entgegnete Schwadronarius, »wenn Sie mir nur wenigstens sagen möchten, wo ich mich eigentlich befinde?«

»Ich werde Ihnen gar Nichts sagen: Sie sind neugierig, desto besser, meine größte Freude wäre, wenn Sie vor Neugier außer sich gerieten. Sie sehen das bizarreste aller Gliedermännchen vor sich. Ich will, dass Sie vor Neugier bersten; wie Sie bis jetzt gesehen haben, ist noch gar Nichts im Vergleich zu dem, was ich Ihnen noch zeigen werde. — Übrigens fragen Sie nie, wenn Sie etwas erfahren wollen, und antworten Sie nur, wenn ich Ihnen eine Frage vorlege. Kommen Sie!«

Schwadronarius sah wohl ein, dass dieser Gott stärker sei als er und dass es demzufolge das Gescheiteste sei, sich dem Willen desselben zu unterwerfen. Er folgte also dem Gliedermännchen, das unterwegs lauter Purzelbäume schlug.

Nachdem sie eine weite Ebene mit Bäumen von Pappe und Blumen von Papier und Läppchen durchschritten, erstiegen sie einen Hügel, der eine weite Fernsicht gewährte. Tiefe Stille herrschte überall, kein Lüftchen regte sich, kein Vogel belebte diese Einsamkeit durch seinen Gesang; die Landschaft war erhellt, aber man sah keinen Strahl, der dies Phänomen erklärte; das Blau des Himmels hatte ganz den Anschein eines himmelblauen Creppschleiers, der über diesem sonderbaren Lande ausgespannt war.

Schwadronarius konnte sich des Ausrufs nicht enthalten: »Wo zum Kuckuck! ist den die Sonne; warum wehen die Winde nicht, und warum höre ich die Vögel nicht singen?«

»Schon wieder Fragen, Musjeh!«, {Musjeh = Verhöhnung der franz. Anrede ›Monsier‹} sagte das Gliedermännchen strafend. »Lass er das nicht noch einmal geschehen! Ich bin ein guter Kerl, aber ich werde böse, wenn man mir nicht gehorcht.«

Zu gleicher Zeit schlug er mit dem Absatz den Erdboden und es kam ein Dreifuß heraus, auf dem ein Kästchen stand, das wie eine Laterna magica aussah.

»Jüngling! Leg’ Dein Auge an das Glas und sag’ mir dann, was Du siehst.«

»Gnädiger Herr, ich sehe einen glänzenden Palast von Wolken umgeben und in diesem Palaste ein Gemach, in diesem Gemach ein Bett, in diesem Bett einen Mann, der eben sein Licht ausgelöscht hat und vor dessen Fenster seltsame Gardienen hängen.«

»Weiter!«

»Eine Treppe höher ist noch ein Gemach, in diesem Gemache ein Bett, in diesem Bett eine junge verschlafene Dame, die eben aufsteht — das Weitere zu melden, verbietet mir der Anstand.«

»Dummes Zeug. Als ob es unanständig wäre, Strümpfe anzuzuiehen, wenn man ausgehen will.«

»Ein Mann, der einen mit Strahlen besetzten Hut auf hat, richtet seine Schritte nach dem Palaste; er trägt einen Hirtenstab in der Hand und einige Schaafe folgen ihm.«

»Junger Fremdling! Alles das setzt Euch in Erstaunenm, nicht wahr?«

Schwadronarius verbeugte sich, ohne etwas zu erwiedern.

»Sehr wohl; ich schätze Ihre Discretion, sie verdient eine Belohnung. Sie fragten mich eben«, fuhr das Gliedermännchen fort, »wo zum Kuckuck der Sonnengott sei? Er ist in seinem Bette, Sie haben ihn eben gesehen. — Vor einer Stunde begab er sich hinter einem Vorhange von Bäumen zur Ruhe, um die Poeten nicht Lügen zu strafen. Die Dame, welche eine Treppe höher Toilette macht {im Sinne von ›Sich-Zurecht-Machen‹ = Körperreinigung , Körperpflege und Ankleiden }, ist Frau Luna; der Mann aber, der seine Schritte nach dem Palaste richtet und einen Hut mit Strahlen besetzt trägt, der Morgenstern oder der Stern der Hirten; er hat sich aufgemacht um den etwas faulen Sonnengott zu wecken, der mitunter die Zeit verschläft, zumal, wenn er von seinen Liebschaften träumt. Sie wissen, dass die Ehe des Herrn Helios und der Frau Selene Luna nicht eben zu den glücklichsten gezählt werden kann Der Präsident des himmlischen Oberconsistoriums hat selbst auf Scheidung von Tisch und Bett erkannt und sein Urteil war ein durchaus gerechtes, was beide Teile gestehen mussten. Wenn sich auch Madame auf ihr Abenteuer mit Actaeon berief, um ihre Treue zu beweisen, so war doch die berühmte Geschichte mit Endymion zu bekannt, als dass die Leute an ihre Tugend glauben mögen. Herr Helios dagegen gibt sich gar nicht die Mühe seine täglichen Besuche bei Frau Thetis geheim zu halten, die kleinen Liebschaften mit den Nymphen, Dryaden, Hamadryaden und anderen leichtfertigen himmlischen Dämchen gar nicht einmal zu erwähnen. Beider Untreue wurde daher mit schlagenden Gründen bewiesen und die Scheidung zur Notwendigkeit. Die beiden Ehegatten haben also eine gesetzliche Abneigung gegen einander, aber um sie für das schlechte Beispiel zu strafen, welches sie gegeben, verordnete das himmlische Oberconsistorium, dass Herr Helios und Frau Luna zu gewissen Zeiten zusammenkommen und sich vor ihrem ganzen Hofstaate feierlich umarmen sollten. Auf Erden nennt man diese Zusammenkunft……«

— »Eine Eklipse, Herr Baron?«, entgegnete Schwadronaius.

»Sie sind nicht ohne Kenntnisse, mein Bester; das freut mich. So wissen Sie denn, dass gerade heute eine Eklipse Statt findet; legen Sie ihr Auge an das Glas links und blicklen Sie nach unten; Sie werden eine Menge von Teleskopen gewahren, welche von Amtswegen beobachten, was studierte Leute wie Sie eine Himmelserscheinung nennen und was eigentlich nur eine Handlung zu Gunsten der öffentlichen Moral ist. — Heute ist großer Festtag im Himmel und wenn Sie nicht zu kurzsichtig sind, so müssen Sie die sämmtlichen Mitglieder des Tierkreises erblicken, welche eine Sarabande tanzen. Jetzt ist die Reihe an sie gekommen, sich über Herrn Helios lustig zu machen.«

»Ich kenne eine kleine Kometin (Sie müssen nämlich wissen, was man auf Erden noch nicht weiß, dass es Kometen und Kometinnen gibt), mit der Herr Helios sich sehr schon tut und die es sehr verdrießen würde, wenn sie den Vorgang erführe. Sie wäre im Stande sich aus dem siebten Himmel auf die Erde zu stürzten; diese Kometinnen sind eifersüchtig wie Näherinnen. Glücklicher Weise erzählt es ihr Niemand und sie macht ihre sentimentale Promenade am Himmel, ohne die gezwungene Untreue ihres Geliebten zu ahnen. — Der kritische Moment muss gekommen sein. — Sagen Sie mir, wie benimmt sich das Ehepaar?«

»Herr Kammerherr! seine beiderseitigte gefasste Haltung in diesem Augenblick machte ihn Ehre; aber warum betrachten Sie es nicht selbst?«

»Ach, fragen Sie mich nicht; sagen Sie mir vielmehr, sehen Sie Nichts am Horizonte erscheinen?«

»Jetzt, da Helios und Luna verschwunden sind, sehe ich eine strahlende Schönheit auf den Wolken einherwallen. Obgleich Diamanten in ihrem Haare blitzen, ist doch ihr Gang schüchtern und ihr Blick sanft; sollte es Venus sein, das Gestirn der Liebe?«

»Oh Grausamer! Indem Sie sie nennen, durchbohren Sie mir das Herz!«, rief das Gliedermännchen und sank ohnmächtig zu Boden.

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Ted Chiang: »Die Hölle ist die Abwesenheit Gottes« erscheint im Herbst 2011 bei Golkonda

Ted Chiang: »Die Hölle ist die Abwesenheit Gottes«, Golkonda Verlag 2011Eintrag No. 737 — Es ist jetzt offiziell und kann auf der Website des Golkonda-Verlages bestöbert werden: der Kurzgeschichten-Band »Die Hölle ist die Abwesenheit Gottes« von Ted Chiang. Fünf prämierte Kurzgeschichten von einem der aufregendsten Talente der Science Fiction des neuen Jahrtausends.

Die Geschichten von Ted Chiang sind eine der besten Visitenkarten für Science Fiction und Phantastik, denn er liefert ein gutes Beispiel nach dem anderen, wie (scheinbar) locker & elegant sich in diesen Genres unterhaltsames Erzählen und philosophische Tiefgründigkeit verbinden lassen. — Und ich Glückspilz darf als Übersetzer solcher Gemmen für einen richtigen Verlag debütieren. Bin immer noch baff. — ›Schuld‹ sind Frank Böhmert und vor allem Hannes Riffel, der erste, weil er mit einem Blogeintrag Leute zum Übersetzen ermunterte; zweiterer, weil er mich für den richtigen hielt, Teds brillante Geschichten zu übertragen.

Als Zuckerl hier nun ein Blick auf eine frühe Arbeitsphase meiner Übersetzung der Titelgeschichte.

Buchregal-Führung (4): Kleine Kunst-Bände

Eintrag No. 734 — Wir sind immer noch beim ersten, dem nord-östlichen 80-cm Billy-Regal. Unter den Kunst-Bildbänden stehen die kleineren Bücher mit Meisterwerken der Zeichnerei.

Links beginnt es mit einer seltsamen dreibändigen verkleinerten Ausgabe eines eigentlich großen fetten Bildbandes über Leonardo da Vinci. Es folgen die jeweils zweibändigen Werke-Bände zu den Großmeistern Jacques Callot, Honoré Daumier, Grandville und Gustave Doré. — dem folgt ein Buch mit Zeichnungen von Heinrich Vogeler, und dann kommt ein Quartett älterer kleiner Bildbände von 2001, jeweils im Schuber, die mir besonders wertvoll sind: vom großartigen Erzphantasten Max Ernst sowohl »Une semaine de bonté« als auch »La femme 100 têtes«, ein feiner Werke-Band zu Aubrey Beardsley, sowie ein erstaunlicher Ritt durch das Werk des phantastisch-erotischen Illustrators & Ex Libris-Spezialisten Franz von Bayros. — Daneben dann die drei großen Werke des Kurt Halbritter. (Stelle erstaunt und erschüttert fest, dass es kaum etwas über oder von Halbritter im Netzel gibt!) — Nach rechts tröpfelt es dann aus mit einzelnen Bänden verschiedener Art: ein Edward Gorey-Schnäppchen hie; zwei kleine Nikolaus Heidelbach-Büchleins da; natürlich »Die Drei«. — ein ganz besonders irres und mich früh prägendes experimentelles Cartoon-Werk ist »Der Bus« von Paul Kirchner. Auch F. W. Bernsteins »Sternstunden eines Federhalters« möchte ich erwähnen.

Oben auf liegen drei meiner fünf Sammelbände der guten alten »Die Zeit«-Kreuzworträtsel »Um die Ecke gedacht« (man muss ja für das Alter vorsorgen); mittig dann ein paar Seyfried- und ein Crumb-Comic; rechts dann Van Goghs Briefe und zwei Tomi Ungerer-Büchleins.

Mervyn Peake

Eintrag No. 732 — Angesichts des gestrigen Jubiläums des 100. Geburtstages von Mervyn Peake hier eine Portrait-Zeichnung von mir (nach einem Selbstportrait aus dem Jahre 1933) des Malers, Illustrators, Dichters, Dramatikers und Autoren der wunderbaren »Gormenghast«-Romane.

Mervyn Peake

Nachtrag: Hier mein kurzer Lese-Tipp für den Otherland-Buchladen in Berlin.

Es gibt (mindestens) zwei Gründe, warum die zwischen den Jahren 1946 und 1959 erstmals auf Englisch erschienenen ersten drei »Titus«-Romane von Mervyn Peake als bemerkenswerte und außergewöhnliche Klassiker gelten. Erstens: Der Maler, Illustrator, Dichter und Unsinns-Lyriker Peake hat ein einzigartiges Literatur-Kunstwerk geschaffen, das seine Leser herausfordert und verführt, so wie es die gewohnten Grenzen verwischt, die zumeist zwischen anteilnehmendem und spottendem Humor, zwischen unheimlicher Verrätselung und sinnlicher Verzauberung der Welt angenommen werden.

Mit den ersten beiden Romanen, Der Junge Titus und Im Schloss, versetzt uns Peake in sein großes, komplexes und launenhaftes Prosa-Gemälde der umfangreichen und undurchschaubaren Gemäuer von Gormenghast und seiner sich ausnahmslos mehr oder minder durch Grillen und Ticks auszeichnenden Bewohner. Die Eigenwilligkeit und Exzentrik von Peakes Schöpfung, seiner Sprache und seiner episodisch-vertrackten Erzählweise sind sicherlich Hindernisse für Leser, die eine klare, von A nach B erzählte Geschichte erwarten. Verführerisch und bereichernd für jeden, der genug Geduld und Feinsinn aufbringt, ist aber die bildmächtige Wucht und die Zärtlichkeit dieses Weltenbaus, in dem vereinzelte Sehnsuchtsfunken und mächtige Leidenschaftsflammen der Aufsässigkeit und Rebellion gegen ritualisierte Traditionsfesseln aufbegehren.

Der dritte Band, Der Letzte Lord Groan, und vierte (im Nachlass gefundene und von Peakes Witwe Meave Gilmore komplettierte), Titus Erwacht, begleiten den Titelhelden auf seiner Odyssee durch die Gefilde jenseits von Gormenghast. So wie die ersten beiden Bücher auf groteske und amüsante Weise eine alte, im Sterben befindliche, monarchische Welt heraufbeschwören, spiegeln die beiden Folgeromane die moderne Welt Mitte des letztens Jahrhunderts wider. Titus irrt ziellos wie ein Spielball umher, wird einerseits gescheucht, verführt und erretet von Frauen, Revoluzzern, Soldaten, Entdeckern, Wissenschaftlern und Verbrechern sowie angetrieben von seiner Sehnsucht danach, seinen Platz in der Welt zu finden.

So sehr man sich über die durchgesehene und schön gesetzte Neuausgabe freuen darf, bleibt die Umschlaggestaltung ein Grund, sich ratlos am Kopf zu kratzen. Die knalligen rot-, grün-, violett- und orangefarbigen Schutzumschläge verfehlen nicht nur die Stimmung der Bücher, sie erschweren die Lesbarkeit der Titel-Schriftzüge. Ornamentales Geschnörkel erinnert unangenehm an ›Arschgeweih‹-Ästhetik und die nicht zum Inhalt passenden Motive wurden von einer Person zusammengestellt, die offenbar nur flüchtig in den Romanen geblättert hat. — Schade auch, dass die Gelegenheit nicht genutzt wurde, deutschen Lesern endlich die zu den Titus-Geschichten zählende Novelle »Boy in Darkness «zugänglich zu machen.

Als Fazit sei die zweite Betrachtungsweise erwähnt, welche die Einzigartigkeit und große Errungenschaft zutage treten lässt, die Mervyn Peakes Romane darstellen: Die »Titus«-Bücher sind glänzende und einflussreiche Meisterwerke einer ›anderen‹ Fantasy-Tradition, deren Güte und Wert sich vor allem im Kontrast zu den Klassikern des Genres zeigt, die bis heute das Bild der Fantasy prägen.

»Eine andere Welt« (16) – Kap. XIV: Die Kunstausstellung der Marionetten von Grandville & Plinius dem Jüngsten

Eintrag No. 730Zur Inhaltsübersicht.

Die Illustrationen einer alten französischen Ausgabe habe ich dem flick-Album von blaque jaques entnommen.

XIV. Die Kunstausstellung der Marionetten.

Die Kunst, die Kunst ist heilig! Sämmtliche Berichte.

Weiter Nichts als die Fortsetzung des Vorhergehenden.

»Wie?«, sagte Schwadronarius zu sich, »es gibt also überall Akademien und ein Comité übt hier wie auf der Erde sein Recht über Leben und Tod von Kunstwerken aus. Auch hier werden gute Bilder verworfen und schlechte mit dem Preise belohnt und angekauft und Dame Fortuna treibt ihr loses Spiel bis zu Ende dieses Trauerspiels, indem sie noch zu guter Letzt Vulcan, wie er Mars und Venus ertappt, einem Priester, Leda mit dem Schwan der Vorsteherin einer Töchterschule oder das Portrait des heiligen Ignatius einem Generalsuperindentenden zuwirft. Ihr armen Künstler, wie seid Ihr zu bedauern!«

In demselben Augenblick wurden drei Frachtwagen voll von Meisterwerken im Hofe des Gebäudes, in welchem die Ausstellung Statt fand, abgeladen. Es waren Gemälde der berühmtesten lebenden Künstler, die erst ankamen, als die Ausstellung schon begonnen, und dadurch nach weiser Berechnung die Aufmerksamkeit des Publicums auf sich ziehen mussten. Einer jener großen Meister, der schon seit langer Zeit den Genius noch dem Ellenmaße zu schätzen pflegte, hatte sogar die Erlaubnis erhalten, die Tor- und Türflügel ausheben zu lassen, da sein unsterbliches Werk zu groß war, um auf gewöhnlichem Wege in den Saal zu gelangen.

Es war ein Stossen, Drängen, Treiben, im Hofe wie in den Gemächern, wovon man sich keinen Begriff macht. Tapezierer nagelten den Ruhm der Künstler fest; Tagelöhner schleppten ihn auf den Schultern herbei; dazwischen Maler, die sich schon an dem Strahlenschein ihrer Unsterblichkeit sonnten, welche die Journalreferenten ihnen fest versprochen, verkannte Genies, deren außerordentliche Leistungen durch die Kabalen der Akademiker zurückgewiesen worden, Gaffer und Recenzenten, Kunstfreunde und Kunsthändler; Alle trieben sich bunt durch einander und erwarteten mit Ungeduld den Augenblick, in welchem das Heiligtum der Künste dem Publicum zugänglich fein würde.

Endlich schlug die heißersehnte Stunde; Alles eilte herbei und Schwadronarius sah sich plötzlich, wie durch ein Wunder, von der Menge getragen, in den Salon versetzt.

Einer seiner Nachbarn ließ seinen Catalog fallen, setzte aber, seltsamer Weise, seine Wanderung durch die Säle fort, ohne sich im Mindersten darum zu kümmern. Schwadronarius hob den gedruckten Führer auf, und suchte in demselben nun eifrig diejenigen Nummern, die seine Aufmerksamkeit besonders fesselten. Es waren nur solche, welche die Marke »Preisstück« oder »Verkauft« trugen und deren nähere Beschreibung wir hier folgen lassen.

Verzeichnis der in der 1777 Ausstellung der Königlich Ypsilonischen Akademie zu Tezett befindlichen Werke der Kunst.

Raphael Weiß aus Sandathen, gegenwärtig in Tiberias. 100. »Der Engel der Vernunft, der Gottes Gnade für das Comité anfleht.«

Caspar Grünkohl aus Krautstadt. 200. »Virgils Eloge«: Tityre tu patulae recubans sub tegmine fagi Sylvestrem tenui musam meditaris avena. {Anfang der ersten Ekloge von Virgil: Tityrus, unter dem Dach der gebreiteten Buche gelagert; Sinnst du, ein ländliches Lied zarthalmigem Rohr zu entlocken.}

Jeremias Bibeler aus Mühlnachflorenz. 410. »Der Durchgang durch das Rote Meer.«

Fortunio Zange aus Sandathen. 329. »Torsos zweier Vestalinnen.«

Herrmann Maienlust aus Dusselstadt. 802. »Kinder, die mit Maikäfern spielen«. Der kunstreich geschnitzte Rahmen hat die Inschrift: Maikäferlein, des Frühlings Kind, Das sich von Grase nähret lind, Ist schöne Zierde der Natur Und Lust der Jugend auf der Flur.

Nicolaus Hundepieter aus Zaanredam. 101. »Tobende Wellen«. — (Preisstück)

Michael Lack aus Fabrikenlust. 1843. Deckel einer Tabaksdose, das Jüngste Gericht darstellend, auf Porzellan gemalt.

Hans Bräunler, Hofmaler des Fürsten von Hammeldorf. 130. Rückenbild der Frau von Icks! — Lebensgröße, in Öl all prima, in drei Minuten gemalt. — Eigentum des Originals.

Narciß Scheidwasser aus Goldstadt. 9999. Außerordentlich kunstreich gearbeiteter, in Holz geschnitzter Rahmen, mit galvanoplastischer Vergoldung. Anm. Zu der Vergoldung wurden 1379 holländische Ducaten aufgelöst und verwandt.

Johann Maria Nepumuk Malz aus Bierheim. 600. »Der Zeitungsleser«

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Brillen und Lorgetten, Operngucker und Augen, Jedes bewundert diese Meisterwerke auf seine Weise. An der Tür wird das Kunstblatt, redigiert von einer Gruppe von Pinseln, feilgeboten. Schwadronarius kauft sich ein Exemplar. — Erst seit zwei Stunden ist die Kunstausstellung geöffnet und der Schußbericht des Referenten schon gedruckt hier zu lesen. Es heißt darin unter Anderem:

Die vorjährige Kunstaustellung war bei Weitem großartiger. Unsere berühmtesten Maler haben Nichts eingesandt. Die Kunst ist furchtbar in Verfall, sie liegt in den letzten Zügen, sie sank in die alte Barbarei zurück.

Ferner:

Unvergleichlich ist das Bataillenstück {= Schlachtenbild} unseres großen Meisters Johannes Mischlein. — Welche Verwirrung, welcher Kampf, welcher Wirbel, welcher Orkan der Leidenschaft! Wütende Häupter, drohende Arme, Säbel, Piken, Pallasche, Alles scheint zu leben, Alles tritt aus dem Bilde heraus. — Die Aufseher werden wohl tun dafür zu sorgen, dass die Zuschauer diesem erhabenen Bilde nicht zu nahe kommen; Unfälle würden unvermeidlich sein.

Als man heute Morgen ein Fenster öffnete, um eine Dame die von der Hitze ohnmächtig geworden war, frische Luft schöpfen zu lassen, flogen einige Sperlinge herein und wollten sich auf die Bäume der Landschaft Nr. 3734 von Heinrich Saftgrün aus Dusselstadt setzten, welche einen Kirschenberg darstellt, und die Kirschen anpicken. Das Bild, das der Meister einer russischen Fürstin und großen Kunstfreundin abgeschlagen, die ihm hunderttausend Rubel Silber dafür geboten, um es seinem Vaterlande zu erhalten, lief große Gefahr sehr beschädigt zu werden, denn die Sperlinge liessen sich mit außerordentlicher Mühe vertreiben.

Ein Sonnenaufgang von dem genialen jungen Künstler Andreas Glutschein, der eben erst aus Tiberias zurückgekehrt ist, blendete die Beschauer dermaßen, dass sie die Augen schützen mussten, um das Meisterwerk mit Genuss betrachten zu können.

Leider hat unser berühmter Austerfalk dies Mal nur ein einziges Stillleben eingereicht, ein Messerchen und eine zerschnittene Zwiebel auf einem Tischchen darstellend. — Es ist für den geringen Preis von 200 Hansd'or Eigentum des großen Kunstfreundes, des Grafen von Ricksstumpfgoldhausdorf auf Serbenhochstadthausen, geworden und bestimmt, dessen neu erbauten Speisesaal als Hauptschmuck zu zieren.

Was die Werke der Sculptur betrifft, so erwähnen wir nur »Der Finger Gottes«, ein gigantisches Werk, dessen Origialität die schönsten Conceptionen der Antike und des Cinquecento wie der Renaissance weit überflügelt. Der Meister Wilibald Haumeister hat zwanzig volle Jahre seines Lebens darauf verwandt und es erst heute Morgen mit besonderer Erlaubnis im Saale der Ausstellung selbst vollendet; eine unerhörte Gunst, in welcher man deutlich den Finger Gottes sieht. — Auch sagt man, dass Se. Majestät unser allerfrömmster König es nicht allein gekauft, um den Eingang der Hofkirche damit zu schmücken, sondern auch sogleich das noch fehlende notwendige Seitenstück, »Das Auge der Vorsehung«, bei dem großem Meister bestellt habe. Möge eine höhere Macht ihm Kraft und Gesundheit verleihen, dass er dies unsterbliche Werk — dereinst der größte Schmuck unserer sich reich ausgestatteten Residenz — glücklich ausführe!

»Wahrlich!«, rief Schwadronaius, »das nenn’ ich unparteiische Kritik!«

Unser Neugott wähnte noch auf Erden zu fein und überzeugte sich erst von seinem Irrtum, als er in einen Saal kam, vor dessen Betreten Kinder und Damen gewarnt wurden. Desto schlimmer für sie, wenn sie sich doch hinein wagten! Dieser Saal war allein für die schalkhaften Werke bestimmt, man sah hier die Kunst im Bade und die Muse im Morgenanzuge. Ehe Schwadronarius näher trat, gewahrte er noch zwei unglückliche Künstler, deren Arbeiten in Folge einer akademischen Intrigue so hoch hingen, dass sie selbst den Kopf von hinten mit dem Stocke stützen mussten, denn sie hätten sonst leicht das Genick brechen können, ehe sie noch ihre eigenen Leistungen erblickten.

Schwadronarius wollte eben jene schalkhaften Werke näherer Betrachtung unterwerfen, da schlug es drei und man zeigte ihm, wie dem gesammten Publicum, höflich die Tür.

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