molochronik

Molos Wochenrückblick No. 6

Eintrag No. 626 — Nur damit ihr vergewissert seid. Die Molochronik wird natürlich allen ein Fluchthafen der Ruhe sein, die, wie ich auch, nix mit dem Kommerzsportgroßtrubel anfangen können. Nur soviel: in der Juni-»Le Monde Diplomatique«, die ich letzten Freitag wie immer als »Taz«-Beilage geholt habe, findet sich der Artikel »Dreck am Ball. Die Geschäfte der Fifa« von David Garcia. — Sorry liebe WM-Freunde, aber zu mehr Fussballbegeisterung reicht es bei mir nicht.

Seltsam: Vergangene Woche (zum, ich glaube, etwa 3. oder 4. Mal seit ich dieses Blog führe) einem Autor mitgeteilt, dass ich aus zeitlichen Gründen und weil mich die Leseprobe nicht überzeugen konnte, ein angebotenes Phantastikbuch nicht für die Molochronik besprechen werde. Solche Absagen zu schreiben fällt mir immer noch irrsinnig schwer. Am liebsten würde ich solche Anfragen wegschweigen, aber wenn ich mich auch nur einen izzi-bizzi knappen Augenblick in die Lage dieser anderen Person versetzte, dann packt mich das heilige Pflichtgefühl und lässt mich die Rückmeldung schnellstmöglichst erledigen. — Und immer noch bin ich völlig baff, wenn mir aus dem Nichts von Irgendwoher so ein Angebot unterbreitet wird (oder ich mit einem Dankeschöngeschenk beglückt werde), nur weil ich mehr lahm als flott ein Blog führe und ein-, zweimal im Jahr einen Text publiziere.

Coole Horroshow: Nach dem schweren Sturmgewitter Ende letzter Woche am Griesheimer Ufer herumspaziert (und ich Riesendolm blöderweise wieder keine Kamera dabei!). Wunderschön, wie die Enten, Teichhühner, Gänse, Rabenkrähen, Schwäne, Kinder, RenterInnen, VormittagsAlkies und Uferfischer sich ihre Wege durch’s vom Unwetter angerichtete Chaos bahnen.

Lektüre: Geo-Epoche #43: »Der Zweite Weltkrieg. Teil 1, 1939-1942« und Geo-Kompakt #22: »Evolution« besorgt. Die Sondermagazine von GEO les’ ich sehr gern zwischendurch. Zudem finden sich darin oft wirklich schöne Bilder und Illustration. Vor allem begeistert mich das Sichtbarmachen von Dingen, die man (sonst, normalerweise) nicht sehen kann. Diesmal z.B. im »Evolution«-Heft je eine Doppelseite für Illustrationen einer Pflanzen- beziehungsweise Tierzelle von Jochen Stuhrmann.

Endlich mal das schon vor vier Monaten gekaufte »Tamara Drewe« von Posey Simmonds gelesen. Kein Zweifel, ein großartiges Comic eine großartige Graphic Novel. Kann ich z.B. besonders allen Phantastikfreunden sehr empfehlen, die gerade etwas phantastikmüde sind und / oder die sich mal umgucken möchten, was der (vermeintlich langweilige) Realismus so an Glanzleistungen hervorzubringen vermag.

Und seit gestern lese ich nach ca. 20 Jahren zum zweiten Mal Wolf von Niebelschütz’ »Der Blaue Kammerherr «. Mehr dazu ein andermal.

NETZFUNDE

  • Habe Andreas dringlicher Empfehlung gehorchend im F.A.Z.-Feuilleton das große von Richard Kämmerlings mit Martin Kluger (yeah!!), Ulrich Peltzer (jööö) und David Wagner (buuuh) geführte Schriftstellergespräch Das Fernsehen schaut uns an gelesen und genossen. — Sehr lobenswert, wie Kämmerlings und seine Gesprächspartner uns zeigen, dass deutsche Literatur nicht immer Omphaloscopie, gestelzte Langeweile oder verkrumpelkrampfte Bemühlichkeitlichkeit bedeuten muss, sondern sich auch mal neugierig und begeistert in der großen weiten Welt populären Erzählens umzugucken vermag. — (Die Erkenntnis, dass im US-Fernsehen etwa seit »The Sopranos«, »Deadwood«, »The Wire« und Co. das romanhafte Erzählen erfolgreich, innovativ und relevant aufblüht, habe ich bereits 2008 für »Magira« in meinem Interview mit Matt Ruff mal so nebenbei fallen lassen.)
  • Oliver Kotowski legt als Fantasyguide-Spezial bei seiner phantastischen Weltreise (30 Bücher als aller Welt) den zweiten Zwischenstopp in Osteuropa ein. — Vom ersten Teil, Westeuropa war ich etwas enttäuscht: bei Albert Sánchez Piñol, Marc Agapit, Italo Calvino, Ricarda Junge und Mikael Niemi bimmelt bei mir eben keine Jubelglocke. — Im Osteuropa-Teil empfiehlt Oliver nun aber Milorad Pavić und dessen Lexikonroman »Das Chasarische Wörterbuch« (das ich 1992 als dtv-Taschenbuch gekauft habe). Milorad Pavić war für mich ein Augenöffner, dass es eben auch in der sogenannten (hoch-)literarischen Szene ›Spiele‹-Bücher gibt (zuletzt begeistert hat mich diesbezüglich ja Mark Z. Danielewski).
  • So sieht amœnokratisch gestaltete Aufklärung heute aus! Die ›Königliche Gesellschaft zur Förderung der Künste, der Herstellung und des Handels‹, also die englische ›Royal Society for the Encouragement of Arts, Manufactures and Commerce‹, kurz RSA, zeigt wie man das macht. Man nehme einen etwa 10-minutigen Vortrag mit gesellschaftlich relevanten Inhalt, lasse diesen von einem hochfähigen Zeichner des Cognitive Media Studios illustrieren und heraus kommen spektakuläre Filmchen, die zumindest mich vollends umhaun und begeistern. Hier alle RSA Animate-Filme, die ich finden konnte.
Zimbardo Vortrag war der erste RSA Animate-Film den ich gesehen habe. (Gefunden via BoingBoing.)

ZUCKERL

(Quelle: IT&W)

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Zwischenmeldungen zu einigem

Eintrag No. 613 — Vorgestern abend: ich am Shrimpsuppeessen, verschlucke mich und werde binnen 5 Minuten von einem heftigen Schnupfen befallen. Supertriefnase seit dem. Heute Vormittag dann dann eine sämig 3/4-verdaute Nudel ausgenossen. Schnupfen runter auf 20%. — Ich meine von Ferne das Lachen der Götter zu vernehmen.

Hinke tadelnswerterweise (wieder) weit hinter meinem Abgabesoll für das kommende »Magira« her. Jedes Mal beginne um die Jahreswende mit ersten Skizzen. Jedes Mal verfranze ich mich dann und werde vor lauter Feilen am Endtext nicht rechtzeitig fertig. Schlimmste Übel, derer ich in den letzten Jahren auch nicht immer ganz beikam, sind gewisse Adjektive und Satzbausteine, die sich doppeln. Ist sauschwer, jedem Buch eine speziefische Rezensionsargumentation angedeihen zu lassen. — Überlege, ob ich in Zukunft einfach alle Bücher die ich im Laufe des Jahres gelesen habe aufliste, mit jeweils einem ›Daumen rauf‹, ›Daumen runter‹ oder ›So mittel‹ dahinter.

Bin unter die Übersetzter gegangen. Also nicht nur so fürs Blog oder Fansites, sondern so richtig, für einen Verlag mit feinen Kurzgeschichten. Bin sehr am zittern, aber die Rückmeldungen meines Auftraggebern machen mir Hoffnung. Ich lerne enorm viel und freue mich schon, wenn die Sache gänzlich spruchreif wird und ich konkret davon erzählen kann. — Ich muss übrigens Frank Böhmert danken. Der hat letztes Jahr einen Blogeintrag geschrieben, der mir Mut machte, ohne dem ich mich nicht getraut hätte, die Anfrage des Verlages zu bejahen.

Belgien, Brüssel: Tag 4

Eintrag No. 609 — Am Samstag vor allem die Füße plattgelaufen auf dem launischen Pflaster der Stadt.

Größte Kultur-Unternehmung war eine Wallfahrt zum Horta-Museum.

Molo wartet vor dem Horta Museum

Über eine halbe Stunde Wartezeit. Aber im Museum dann eine Offenbahrung. Musste mich sehr zügeln, damit meine Gefühle nicht in die Außenwelt überschwappen, so überwältigend schön ist dieses Museum, diese Ballung wohldurchdachten, edlen Jugendstils. Da ist sogar die organische Form von Türklinken sowohl als Ornament schön, als auch angenehm zu greifen für die Hand. — Viktor Horta ist definitif nun Teil meines amœnokratischen Pantheons.

Auf dem Weg durch Saint Gilles haben wir das Fassaden-Ensemble in der Rue Vanderschlick bestaunt, gebaut 1900 bis 1903 von Ernest Blérot. — Und ganz doll: Am rechten Ende befindet sich ein feines, günstiges Eis-Cafe, in dem es den ersten richtig guten Kaffee Brüssels gab.

Ensemble Rue Vanderschrik

Weiter durch das Viertel Saint Gilles.

Ich bin wiederum baff, wie schön, wie durcheinander Brüssel ist. Der Phantastik-Fan in mir ruft sofort »Obacht!« als ich dieses Fenster sehe:

Frankensteinfenster

Da hat doch tatsächlich jemand sein Fenster mit einer »Frankenstein«-Illustration von Berni Wrightson aufgepimpt. Ich frage mich, ob das in Glas geschliffen und eingefärbt ist? Was für ein Aufwand!

Weiteres Fantasy-Detail. Diesmal sehr coole Drachen, die an der Fassade eines Hauses herumklettern.

Drachenfassade

Von Saint Gilles aus haben Andrea und ich uns dann ganz gezielt in Richtung Norden verlaufen und sind dabei einmal um den irrwitzigen Justizpalast von Joseph Poelaert herum. Dieser größenwahnsinnige Eklektizismusorgasmus ist wie so manches Gebäude in Brüssel ein möglicher Übergang in die Welt der ›Geheimnisvollen Städte‹ von Schuiten & Peeters. — Ich selbst war zu verstört von diesem Bau und konnte keine Photos machen. Hin und her gerissen war ich zwischen Fluchtreflex (weil mir der Bau tatsächlich Angst einflößte) und Faszination und dem Wunsch, das Trum ausgiebig zu studieren.

Hier eine schöne Ansicht, die Andrea aufgenommen hat:

Justizpalast

Brüssel bescherte mir ja so manche unwirkliche Stimmung. Aber jetzt, zwei Tage nach Umrunden des Justizpalastes kommt mir dieses Gebäube tatsächlich wie eine Traumerscheinung vor. Alle anderen außergewöhnlichen Orte wirkten und wirken noch real, die Erinnerungen sind solche des Selbsterlebten, des ›Selbst dort gewesen seins‹. Nur nicht beim Justizpalast. An den erinnere ich mich so, wie man sich an einen Film erinnert, mit der tiefen Überzeugung, hier etwas vorgeführt bekommen zu haben, das nicht echt ist.

Ansonsten? — Natürlich wieder gut Kuchen gegessen mit heißer Schoki. Mich wieder mit Kriek abgeschossen und obendrein noch zwei feine DVD-Schnäppchen gemacht: »Hamlet« in der Brannagh-Fassung (UK-Edition, sogar mit deutscher Tonspur) und »Cosmos« von Carl Sagan.

Sicherlich nicht mein letzter Brüssel-Urlaub! Kaum zurück kann ich’s gar nicht erwarten, wann ich wieder in dieser phantastischen Stadt sein kann.

Belgien, Brüssel: Tag 3

Eintrag No. 608 — Gestern abend zum ersten Mal derbe belgische Frittches mit Curry- bzw. Remouladetunke gegessen. Fein fein, obwohl … danach etwas unruhig geschlafen.

Heute dann früh raus, bei nicht mehr ganz so kalten (weil windstillen) 5° über Null. Urlaub mit mir ist, bis auf meine Frühaufsteherei, eigentlich ganz unkompliziert. Ich renne gerne durch die Gegend, auch planlos und mit viel versicherndem Geplapper darüber, dass ich mich nicht verlaufen aber Hunger & Durst habe. Museen, Zoos, Galerien, Geschäfte aller Art immer gerne. Architektur auch. Leute gucken aus der Deckung hinter einer Tasse Schoko oder einem weizenartigem Getränk. Alles fein. Abends dann bitte Theater, Kabarett, Kino, oder einfach zuhause bleiben. Kneipe oder ›Disko‹ bitte nicht unbedingt.

Heute kaum aufberochen, gleich hier beim Gemeindehaus Saint-Josse-ten-Noode eingebremst, wegen dieser netten Figur eines typischen ›Bürgers‹. Keine Ahnung, wer der Künstler ist. Hatte nichts zu Schreiben dabei heut.

Belgien-Urlaub: Rathaus-Statue.

Dann auf die Rue de Louvain zugehend denk ich mir: »Nanu, Bauarbeiten?« Aber nein. Auch hier wieder Kunst im öffentlichen Raum. Diesmal eine rote Holzstruktur mit grauen Einsprengseln. Was für eine irre Arbeit. Da hätte ich gerne zugeschaut, wie die das willenlos zusammenhämmern.

Belgien-Urlaub: Holzstruktur.

Und diese Struktur geht handbreitnah bis an die Gebäude heran. Würde bei uns kein Brandschutz zulassen! Aber für Kunst, so scheint’s mir, pfeifft der Brüssler auf alles. — {Nachtrag: Es handelt sich hier um die Skulptur »The Sequence« von Arne Quinze.}

Diese Struktur kann man sogar bei Google Map / Google Earth erkennen.

Belgien-Urlaub: Holzstruktur, detail.

Weiter gings durch einen Park, dessen Grundriss aus 1342 Freimaurersymbolen besteht, und in dem krass kitschige und riesige neo-barock Kindchen-Nackedeis herumstehen und unerträglich Raffael-mäßig süß sind, so dass ich flüchten musste und mich danach über ein eigentlich ziemlich prosaisches Loch im Park freute wie nicht gescheit.

Runter gekommen von der Kitschpanikattacke bin ich dann im Magritte-Museum. Durfte dort keine Photos machen. Aber es lohte sich fett. Ich bin vor allem vom frühen Magritte beeindruckt, und auch seine Zeichnungen sind m.E. schwer unterschätzt. — Seit in der Schirn die pro-punkige Kuh-Periode (Periode Vache) zu sehen war, ist meine ohnehin schon große Sympathie zu Magritte nur noch gewachsen.

Per Kombi-Ticket gings nach dem Magritte weiter ins Museum der Schönen Künste. Im Museumsshop fast bei den Bosch Aktion Figures zugeschlagen. Naja, ein ander’ Mal vielleicht. — Für diesmal reichen mir drei Lesezeichen und zwei Breughel-Poster (»Kampf Karneval vs. Fasten« für mein Arbeitszimmer und »Höllensturz der gefallenen Engel« fürs Schlafzimmer).

Was sehe ich dann im großen Foyer des Museums für Schöne Kunst? Einen maglomanischen Samsa-Traum?

Belgien-Urlaub: Käfer-Globus 1.

Geht ein paar Schritte zurück …

Belgien-Urlaub: Käfer-Globus 2.

… und ihr erkennt, dass hier die Welt von Insekten erobert wurde.

Belgien-Urlaub: Käfer-Globus 3.

Als Erholungskontrast hier eine kecke Keulenmuse. Leider hab ich keine Ahnung mehr, wer die gemalt hat (siehe Schreibzeug vergessen). Sie ist zu sehen auf einem Bild, dass eine Frauengruppe im Malatelier darstellt und dies ist die Schönheit in der Mitte, die Modell steht.

Belgien-Urlaub: Schönheit mit Keule.

Die revolutionäre Entdeckung des Tages ist für mich das Kirschbier, sogenanntes Kriek, das verschiedene Brauereien anbieten. Warum muss ich erst selbst mit fast 40 drauf kommen, dass es Kirschbier gibt??!! Warum hat man mir das nicht schon viel viel früher mal gesagt???!!!

Belgien-Urlaub; Kirschbier.

Meine größte Sorge ist nun, ob ich im heimatlichen Frankfurt irgendwo dieses Zeug aufstellen kann.

P.S.: Gerade noch mal Tippfehler ausgemerzt. Dabei festgestellt, dass Kirschbier eien furchtbaren Schädel macht, der aber sehr schnell verfliegt. Bin nicht sicher, ob das nun eine gute oder eine schlechte oder eine gute & eine schlechte Nachricht ist.

Belgien, Brüssel: Tag 1 & 2

Eintrag No. 607 — Am Mittwoch angekommen. Gestaunt, wie gut die Belgier ihr Umland vor der Autobahn verstecken. Von der vollbeleuchteten Autobahn-Allee aus könnte man glauben, durch ein Niemandsland zu fahren. Links und rechts nur Bäume oder Lärmschutzwall. Ganz wenige sachte Gewerbe- und Industriegebietsandeutungen und – tada – plötzlich rollt man auf Brüssel herab.

Das Hotel in der Rue Traversie ist schnuckelig. Ich fühle mich wie Jeeves & Wooster oder wie Hercule P. Am ersten Tag sind Andrea und ich einfach nur durch die Innenstadt gelaufen und haben gestaunt.

Belgien-Urlaub: Molo im Park.

Am meisten haut mich um, wie Architektur-crazy die Brüsseler sind. Nach 10 Minuten spazieren komme ich mir vor wie in einer Filmkulisse, wie in den Mauern von Samaris. Wie sich hier Neo-Gothik, Gründerzeit-Klassizismus, Art Deco, Betonkunst und Jugendstil gegenseitig um die Hausecken scheuchen ist nicht weniger als eine große Schau.

Habe in der königlichen Passage (St. Hubert) einen Laden mit Westen gesehen. Überlege Schulden zu machen. Anschließend einen großen Pott Muscheln verspeist; im nächsten Cafe noch’n Kirschkuchen druff und supersatt und plattgelaufen um sage und schreibe 21:15 ins Bett gefallen.

Gestern, Donnerstag, dann erster Kulturhubertag.

Ich bin ja kein religiöser Mensch, aber das Comicmuseum weckt in mir schon Gefühle der Ehrfurcht und des Heiligen.

Belgien-Urlaub: Molo vor dem Comic-Museum.

Es ist wirklich erstaunlich, dass man von Frankfurt aus nur um die 300 Kilometer fahren muss, um inmitten von Menschen zu sein, die Comics ganz selbstverständlich als Kunst und Literatur schätzen, die ihre Schulklassen ins dafür gewidmete Museum schicken usw. — Ich habe unter anderem Originale von Andre Franquin, Francois Schuiten, Emile Bravo und Yslaire gesehen und wispere beeindruckt: »Die können zeichnen! So würd ich auch gerne mal zeichnen können.«

Belgien-Urlaub: Molo im Comic-Museum.

Neben der Dauerausstellung über Herge, Jacobs, Peyo und etwa ein Dutzend weitere franko-belgische Klassiker konnten wir zwei tempöräre Ausstellung sehen: einmal über die Mummins (dolle Hitler-Karikatur von Tove Janson), und über die 20 ›besten‹ Comics der letzten 20 Jahre.

Dannach dann ein wahnsinnig heftiges Limobier (Burger Witbeer) im wunderschönen Cafe Horta des Comicmuseums getrunken.

Zu Fuß dann nach Norden, die Chaussee de Haecht hinauf. Blöderweise trotz iTouch-Photo der Google-Map zu doof gewesen, auf Anhieb das Maison Autrique zu finden. Grummelig also nochmal heim, gucken, wie das Haus aussieht und wo es genau steht. Schließlich stehen wir davor und klingeln.

Belgien-Urlaub: Molo vor dem Maison Autrique.

Das Maison Autrique war der erste bedeutende Bau des großen Jugendstil-Architekten Viktor Horta. Unter anderem auf Initiative des großartigen ›Die geheimnisvollen Städte‹-Teams Francois Schuiten und Benoit Peeters wurde dieses bürgerliche Haus restauriert und dezent-theatralisch zu einem Erlebnis hergerichtet.

Belgien-Urlaub: Maison Autrique, Foyer.

Besonders entzückend für mich als Fanboy der ›Cités Obscures‹, dass die schräge Mary im ersten Stock herumsteht und sich im Dachkammerl inmitten einer Menge obskuren Gerümpels Eugen Robick findet. Und wenn an einen Blick durch den Türspion des Obergeschosses riskiert, dann kann man in die andere Welt der geheimnisvollen Städte gucken, in den (ich nenns mal so) ›Maschinenraum der Narration‹.

Belgien-Urlaub: Maison Autrique, Maschinenraum.

P.S.: Tausend Dank Andrea!, dass Du so nett warst, die Photos zu machen auf denen ich zu sehen bin.

Grenzübergang 2009/2010

Eintrag No. 602 — Kann nicht mehr viel passieren, was folgende Auflistung ergänzen könnte (und wenn, dann pack ich es in den nächsten Grenzübergang). — Die fett markierten Links führen auf eigene Beiträge, der Rest ins WWW.

Gut-Buch (Fiktion):

Zuerst meine beiden obersten lebenden Phantastik-Meister …

… die es wunderbar verstanden mit ihren Weird Noir-Romanen ungewöhnliche Phantastik-Krimis zu bieten;

  • (Von Vandermeer hat mich zudem auch »Shriek« entzückt;)
  • Thomas Pynchon: »Inherent Vice«, einfach nur saukomisch und die wohl beste Art, ohne Dope stoned zu werden;
  • Dan Simmons: »Drood«, berührend, verstörend und ein verdammt schlauer-unheimlicher Roman über Freundschaft, Konkurrenz und die (finstere) Macht des Geschichtenerzählens;
  • Douglas Coupland: »Generation A«, medizinische und fabulatorische Gesellschafts-Science Fiction mit Bienenstich;
  • Cervantes: »Don Quijote von La Mancha«, Neuübersetzung bei Hanser ist ein Genuss, auch wegen der vielen feinen Anmerkungen;
  • »Eine andere Welt« von Anonymus mit Illustration von Grandville, worüber ich hoffentlich fürs »Magira 2010« mehr berichten werde.
  • Und als letztes kurz vor Jahreswechsel habe ich »The Sad Tale of the Brothers Grossbart« von Jesse Bullington verschlungen. Ein wirklich unglaublicher Roman. Dieser finstere, brutale, lustige, gewitzte und berührende Fantasystoff der im Europa und Ägypten des 14. Jahrhunderts spielt erfüllt lang von mir gehegte Geschmackswünsche

Gut-Buch (Sach):

Gut-Buch (Comic):

  • Fane & Jim: »Sonnenfinsternis«, Beziehungsproblemdrama. Klingt schrecklich? Ist genau das Gegenteil;
  • Naoki Urasawa: »20th Century Boys« (englische Ausgabe), ich bin erst beim englischsprachigen Band 5 (von 22) und kann nicht sagen, dass ich groß durchblicke. Aber eine spannende Lesesucht hat sich bereits eingestellt und Urasawa ist ein gewiefter Erzähler mit allen Tricks;
  • Max: »Bardin, der Superrealist«, ein bunter Kessel kurzer Strips von überwältigender Abseitigkeit. Wunderbares Beispiel, was für irre Hirntrips die moderne Kunst ermöglicht, wenn man nur mit dem richtigen Humor hantiert;
  • David B.: »Nocturnal Conspiracies«, unheimlich, rätselhaft, wunderschön diese Traumprotokolle;
  • Joan Sfar (& Hervé Tanquerelle): »Professor Bell«, feine humorig-dreiste OkkultAbenteuer mit einem Sherlock Holmes-artigen Menschenhasser plus Gespenstern, wehrhaften Frauen, Riesenaffen, Teufeln und was nicht noch alles;
  • Kazuo Koike & Gôseki Kojima: »Lone Wolf & Cub«, hab alle 28 Bände durch und freue mich schon auf den Urlaub, in dem ich diese episch-tragische Rachestory am Stück noch mal lese;
  • Brian Azzarello & Eduardo Risso: »100 Bullets«, 100 Hefte, mindestens doppelt so viele Gangster in einem x-bödigen Finten- und Intrigenspiel, dass einem die Luft wegbleibt;
  • Manu Larcenet: »Der alltägliche Kampf«, passiert auch nix großes, außer eben den kleinen Dingen des Lebens. Nimmt das Herz sachte in die Hände und hebt es zur Sonne.

Gut-Mukke (neu):

  • Amanda Palmer: »Who killed Amanda Palmer«; ‘ne manisch-melancholische Aggrofrau die in die Tasten hämmert und Texte bietet, die unter die Haut gehen;
  • Suzanne Vega: »Beauty & Crime«, endlich wieder eine rundum perfekte Platte der New Yorker Baladeuse;
  • The Beatles (Digital Remasterd): »Rubber Soul«, »Revolver«, »Sgt.Peppers Lonley Hearts Club Band«, »Magical Mystery Tour«, »(White Album)«, »Let It Be«, hat mich voll erwischt. War über einen Monat ausschließlich am Beatles-Hören mit meinem iPod.

Gut-Mukke (alt):

Gut-Film:

  • »Inglourious Basterds«, Tarantino läßt in seiner originellen Kollision von WKII, Situationskomödie und Italo-Western wieder eine Riege Darsteller glänzen;
  • »Star Trek«, so macht auch mir die Enterprise und ihre Crew vollends Freude;
  • »Zeiten des Aufruhrs«, ein ergreifendes Drama der stillen Töne und kleinen Unglücke;
  • »Gran Torino«; Clint überzeugt als grummeliger Witwer der widerwillig seine Fremdenfeindlichkeit überwindet;
  • »Avatar«, trotz der nicht gerade originellen Handlung ein Fest des SF-Fantasy-Weltenbaus das mich überzeugt hat. Ich freue mich schon auf weitere Geschichten.

Beste Momente:

  • Alleine, womöglich im Dunkeln, durch die Darwin-Ausstellung gehen;
  • Finanziell so gut aufgestellt zu sein, dass ich meiner Partnerin ein neues iBook schenken konnte;
  • Eine Partnerin zu haben, die von ihren Reisen in den Süden feine Paisleymuster-Kravatten aus Italien versorgt
  • In Dreieich dabei gewesen zu sein, als Ju Honisch für »Das Obsidianherz« den Deutschen Phantastik Preis für den besten Roman-Debut gewonnen hat;
  • Meine Sinne entdecken die »Dalwhinnie Distillers Edition«.

Schlimmster Moment:

  • Nach Jahren des ›geht so‹ plötzlich nicht mehr mit größeren Höhen zurechtzukommen.

Vorsätze (blöderweise gleiche wie letztes Jahr):

  • Schande über mich, aber ich kann nur sagen: Siehe letztes Jahr.

Blogparade: Moleskin (& andere Kladden)

Eintrag No. 597»Schöner Denken« ruft zur Blogparade zum Thema Moleskin!

Angefangen habe ich mit ganz normalen A4-Heften und billigen Chinaimport-Kladden, alle kariert. In Wien war ich einige Jahre den gebundenen Blanko-Büchern der ›Vienna Factory‹ treu. Gabs nur in einem Schreibwahrenladen bei mir um die Ecke in der Sechshauserstraße. Die Firma ist inzwischen pleite, nachdem was ich so höre.

Erst in Frankfurt, vor etwa 10 Jahren, wurde ich zu einem Moleskin-Mann (mit Ausnahme einer dicken, gebundenen A4-Leuchtturm-Kladde, blanko, für großere Skribbels).

Blick auf mein Kladdenarchivregal. Sind nicht sooooo viele Moleskins zu sehen. Die meisten fliegen in meiner Bude in verschiedenen Taschen und einem anderen Regal herum, wo ich Excerptien-Moleskins in A5 aufhebe.

Überhaupt: heutzutage bin ich ein ziemlicher Schlendrian, was meine Tage- und Skribbelbuchführung angeht. Okey: das hochformatige A5-Moleskin wird recht ordentlich hauptsächlich für meine Portraitzeichnungen und das ein oder andere Improscape genutzt. Aber meine Notiz-Moleskins sind ein einziger Verhau. Früher habe ich ein Tagebuch brav fast täglich mit einem Eintrag versehen. Nun sind die verschiedenen Gedankenstützen für Rezis und längere Artikel wild kreuz und quer in zig angefangenen Moleskins verstreut. Waren Listen und Kapitelübersichten einst ein selteneres Gewürz, dominieren sie nun die Seiten meiner diversen Moleskins. Zuweilen hege ich die Illusion, es gäbe ein System in der Art, wie ich zwischen den diversen Heften wechsele. Aber wenn ich mit kritischem Auge und beim Versuch, bestimmte Notizen zu finden die Molsekins durchforste, stelle ich fest, dass wohl das Diktum des Augenblicks bestimmt, welches Heft ich für unterwegs mitnehme und welche Inhalte darin landen.

Hier meine derzeit ›aktiven‹ Moleskins auf einen Blick.

Was könnt Ihr sehen? (Von links oben nach rechts unten.)

Rechts oben ist ein großes quadratisches Soft-Moleskin, liniert, mit einem »Adele«-Aufkleber der edition moderne. Da führe ich meine Lektüre- sprich: Rezesionsnotizen, wenn ich zuhause bin. — Daneben ein A6-Reportermoleskin, kariert, für unterwegs, z.B. wenn ich in Leipzig oder Frankfurt auf der Buchmesse rumgurke, oder ich Termine bei nem Amt oder bei meinem Arbeitgeber habe. Aufgeblättert ist die Seite bei der Matt Ruff-Lesung 2008 (English Theatre, Frankfurt). — Aufgeschlagen bei meiner Kapitelzusammenfassung von Moorcocks »Byzantinum Endures« ist mein aktuelles gebundenes A5-Moleskin, das ich unterwegs und zuhause nutze. — Rechts oben sind drei bunte A5-Hefte zu sehen. Im blauen (liniert) befinden sich z.B. Personenübersichten zu meinen Pynchon-Lektüren. Im roten (blanko) verschiedene Übersetzungsbrocken für Molochronik-Einträge. Im beschen (liniert) wollte ich eigentlich meine PS3-Erlebnisse festhalten, aber derweil wuchert hier eine ausführliche »Snow Crash«-Zusammenfassung. — Links unten aufgeschlagen mein blanko A5-Querformat-Moleskin mit dem Improscape »Ich glaube, ich sehe da einen Weg« (und einem durchschimmernden alten Borges). — Zuletzt mein unentbehrliches Tageskalender-Moleskin (vom letzten Jahr) für die Arbeit.

In der Mitte eine Auswahl meiner Stifte, mit denen ich gerne auf das gute Moleskin-Papier schreibe und zeichne. Allermeistens verwende ich HB- und 2B-Druckbleistifte, Faber-Castell Grip 2001 und Jumbo Grip, rote und grüne Stabilo Point-Stife, Stylo refill MLJ20 und aktuell Stabilo bionic (bin aber nicht zufrieden mit denen).

»Deutscher Phantastik Preis 2009«: Die Hauptrunde

(Eintrag No. 574; Alltag, Literatur, Phantastik, Preis) — Wie ich erwartet habe, schaffte es die Molochronik nicht in die »Deutscher Phantastik Preis«-Hauptrunde in der Sparte ›Beste Internet-Seite‹. Da bin ich nicht geknickt. Arg verwirrt hätte es mich, wenn ich unter die letzten fünf Kandidaten gekommen wäre. — Denn mal ehrlich: ich bin wohl ein unbequemer Phantastik-Fachdepp. Ich klingle zuweilen eitel mit Worten und Anspruchsdenke; schlamper aber dabei frei Schnauze herum; gebe mich gerne elitär; und mache keinen Hehl aus meiner Verachtung von Wohlfühl- und Serienphantastik. So krank und verschroben kann die beim DPP abstimmende Klientel gar nicht sein, um mich auf einen der vorderen Plätze zu wuppen. — Gefreut hat mich die Shortlist-Erwähnung trotzdem: Danke nochmals!

Aber ich will wie auch schon bei der Vorrunde kundtun, für was ich mich entschieden habe.

  • Bestes deutschsprachiges Romandebut: Ich bleibe bei meiner Favoritin Ju Honisch und ihrem History-Fantasyroman »Das Obsidianherz«. Eine Empfehlung von mir wird Sommer/Herbst kommenden »Magira 2009« erscheinen.
  • Bester internationaler Roman: Auch wenn es irgendwie ungeschickt ist, für den dritten Band eines Zyklus zu stimmen, geht meine Stimme an Neal Stephenson für »Principia«, sozusagen stellvertretend für den ganzen »Barock-Zyklus«.
  • Bester Grafiker: Bei der Auswahl bleibt mir eigentlch nix anderes übrig, als Dirk Schulz zu wählen. Immerhin kann der Mann selber zeichnen, ödet mich nicht an mit Photoshopgeklicke oder kreuzbraves Gepinsel.
  • Bestes Sekundärwerk: Jetzt bin ich mal so frech und stimme für eine Publikatio, bei der ich selber mitmache, also »Magira – Jahrbuch zu Fantasy«.
  • Beste Internet-Site: Keine leichte Wahl, denn so richtig superdoll finde ich keinen der zur Auswahl stehenden Kandidaten. »Bibliotheka-Phantastika« hat zwar ein lebhaftes Forum, aber auf der Hauptsite tut sich seit einiger Zeit nix Neues. »Zauberspiegel-Online« und »Geisterspiegel« sind mir zu heftchenserien- und trashgesättigt um wählbar zu sein. »Phantastik-Couch« ist mir zu unkritisch und glattgebügelt. Bleibt also »Fantasyguide«, auch wenn die ein schreckliches Layout haben. Aber immerhin geben sich dort einige Autoren (nicht unvergeblich) Mühe, ein bischen Kontroverse und Diskussion in der Phantastikgemeinschaft anzuregen. — Und endgültig preiswürdig ist das »Fantasyguide«-Team für mich, weil sie sich mit großem Engagment der Neuausgabe der von Jorge Luis Borges zusammegestellten Anthoreihe »Die Bibliothek von Babel« gewidmet haben

Unglück, kleines

(Eintrag No. 567; Alltag) — Weiland die Welt sich entblödet und den Tod eines albernen Popmusikers betrauert (den ich lediglich als Kinderarbeitsmissbrauchsopfer ernst nehme, ihm aber deshalb nicht die schlechte Mukke und die beknackten Videos verzeihe), bemerke ich, dass ich mit meinen zarten 37 endgültig Ohrenhaare bekomme.

Nun also nicht nur Nasenhaare, wegen denen ich mir vor etwa einem Jahr einen Nasenhaarschneider angeschafft habe, nein, jetzt wuchert’s auch noch aus den Ohren. Kein gescheiter Bart, keine Haare auf der Brust. Nix. Aber superrobuste Nasenhaare, und so wie’s scheint ziemlich schnell wachsende Ohrenhaare.

Meinen Genen könnt ich in die Eier treten. Ehrlich. So was von.

Was versüßt Ihnen das Leben derzeit, Herr Molo?

(Eintrag No. 561; Alltag) — Extrem gut gelaunt. Warum? Hier ein paar Gründe, derer ich mir gewahr bin.

Mehr oder minder in einem Rutsch meinen ersten James Bond-Roman von Ian Fleming gelesen. Natürlich Band eins von 1953, »Casino Royale«, und ich bin ehrfürchtig baff, wie gut, wie modern, wie spannend, wie geistreich und wie trashig der Text ist. Werde nun wohl in den kommenden Monaten auch die 13 anderen Flemming-Bonds verschnabbulieren.

Vor allem gefällt mir auch das schmucke Retrodesign der englischen Taschenbuchausgabe von Penguin.

In der Arbeit einen Haufen große Verpackungskartons kleingerissen & geschnitten. Ich liebe es, etwas kaputt zu machen. Und wenns der Ordung dient, um so besser.

Nach Jahren endlich mal wieder eine feine Flasche Scotch geleistet. Entspanne mich nach einer Arbeitswoche mit einem Tumbler voll Knockando (12 Jahre, ich bin ja kein Rockefeller).

Im iPod nun endlich die kompletten mittleren und späten Streichquartette von Beethoven (Melos Quartett), alle von Mendelssohn (Melos Quartett), alle Quar-, Quin- und Sextestte von Brahms (verschiedene Künstler), sowie alle Symphonien von Beethoven, Brahms & Schumann (Bernstein & die Wiener in den Achtzigern). Fehlen nur noch meine Lieblingsstücke von Vaughan-Williams-, Britten- und Bruckner-Symphonien. Ach ja: und endlich auch die komplette Kate Bush aufgespielt.

So.

Und jetzt habe ich ein paar Tage frei. Da wird übersetzt (Sandman-Handreiche, Miéville-Gastbloggerei) und gelesen (Moorcock, Kubin) wie verrückt.

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