Eintrag No. 662 — Film: Hinke ja arg weit hinterher, was das Liefern von Film-Rezis oder zumindest Film-Kurzreszis angeht. Also hohle ich mal nach, zumindest von meinen jüngsten Kino-Besuchen zu berichten
Vor ca. zwei Wochen war ich in »Ponyo – Das große Abenteuer am Meer«, und wieder mal bin ich überwältigt von der Macht, die ein ›Studio Ghibli‹-Film über mich hat. Der Film richtet sich unverkennbar zuerst mal an Kinder von etwa 4 bis 7 Jahren, aber wie meine Begleiterin Andrea so trefflich sagt: »Bei einem Miyazaki-Film dauert es etwa zwei Minuten, und ich bin wieder am Staunen wie eine Fünfjährige«. Wie immer bin ich mitunter am meisten von den stillen Momenten fasziniert, wenn ›eigentlich‹ nix passiert. Die kann Regisseur Miyazaki inszenieren, wie kaum jemand sonst. Und fast das Herz gesprengt hat mir natürlich der große Äktschn-Höhepunkt, wenn Ponyo auf wilden Meerenwogen parallel zum einem Auto der Küstenstraße folgt.
— Kurz: ca. 9 bis 10 von 10 Punkten.
Und dann hatte ich letzte Woche Gelegenheit, mir den neuen David Fincher »The Social Network« anzuschauen. Wieder erstaunlich, wie mühelos Fincher sich in einem neuem Genre tummelt. Im Grunde funktioniert »The Social Network« wie ein Theaterstück oder ein Woody Allen-Film. Leute sitzen herum und reden, nicht zu knapp. Der Film veranschaulicht gelungen, wie man als Macher eines Projekt getrieben wird von dem Verlangen, etwas gestalten und bewegen zu wollen, und natürlich, wie im Zuge des Begehrens, Ruhm und Geld anzuhäufen im juristischen Slalomlauf so manche Freundschaft auf der Strecke bleibt. Dass freundschaftliche Bindungen der Erschaffung einer sozialen Netzwerk-Plattform geopfert werden, ist nur die offensichtlichste Ironie des Filmes.
— Wertung: ca. 7 bis 8 von 10 Punkten.
Interessanten Einblick in den Buchkaufhaushandel bietet das Hugendubel Verdi Info-Blog. Besonders gefallen mir die ›Sprachlos‹-Einträge, die ergreifend den Frust engagierter Buchverkäufern, die bei Hugidubi arbeiten, bebildern.
Für ›Jungle World‹ legt Alex Feuerherdt mit Hauptsache Religion einen feinen Kommentar zu den derzeit abgegeben Profilierungsschwachsinn der ›C‹-Parteien vor.
Apropos ›jüdisch-christliche Wurzeln‹: Jeder, der sich auch nur halbwegs mit Kultur- und Religionsgeschichte beschäftigt, und dabei nicht durch Interessens-Doktrinierungen gehirngewaschen wurde, weiß, dass die Rede vom ›jüdisch-christlichen‹ Fundament des Hauses Europa einfach Quatsch ist. Man konsultiere einfach mal ein Kulturgeschichtswerk, in dem Begriffe wie ›Volksreligion‹ und ›Elitenreligion‹ vorkommen. (Zum Beispiel »Lebensformen Europas« von Wolfgang Reinhard.) — Über Holger KleinsStackenblochen-Blog fand ich meinen Weg zu einem Kommentar von Don Alphonso in seinem F.A.Z. Stützen der Gesellschaft-Blog, den ich gerne auch hier zitieren möchte:
Christliches Abendland heisst immer: Ich bin zu blöd, die Schattenseiten der letzten 1200 Jahre zu kennen.
Jüdisch-Christliches Erbe heisst oft mitunter: Ich finde es geil, mein Herrenrassentum so zu verkleiden, dass ich mich notfalls auf Deinen Antisemitismus rausreden kann, wenn Du mich für den stinkenden Fascho hältst, der ich bin. Dabei wird es schwer sein, einen Juden zu finden, der sich auf dieses angebliche Erbe berufen möchte: Als ob es noch nicht genug Geschlichtsklitterung und Fälschung in dem Bereich gegeben hätte.
Klar gesagt: Es gibt kein jüdisch-christliches Erbe. Die allerwenigsten, denen das aus dem Maul trieft, kennen vom Judentum mehr als die Kipah. Christentum und Judentum sind allein schon wegen der Frage des Messias absolut unvereinbar gewesen, und das Verhältnis hat sich von 800 bis 1945 dann auch merklich verschlechtert, um es höflich zu formulieren.
Auch wenn ich, nein: gerade weil ich ja ein bekennender und überzeugter Atheist bin, kann ich nur den Kopf schütteln über diesen Blödsinn: Nicht nur Kirchenaustritt, auch Enttaufung möglich. Zugegeben: nachdem viele ja ohne gefragt zu werden als Kleinkinder getauft wurden, fände ich es nur angebracht, wenn es die Möglichkeit gäbe, sich als Erwachsener, der eine entsprechende Weltsicht angenommen hat, zeremoniell Ent-taufen lassen zu können. Andererseits kann man das ja auch selbst gestalten und vornehmen, sei es alleine, oder im Kreise entsprechend Gleichgesinner. Ohne, dass man einen umgemodelten Föhn kaufen muss. — Durchaus originell finde ich allerdings den im Artikel vorgeschlagenen Gerbauch der Verse von Catull (aus »Carmen 85«) als Ent-Taufungs-Formel, auch wenn diese Zeilen, typisch für diesen römischen Dichter, etwas zu zerknirscht für meinen Geschmack sind:
Odi et amo. Quare id faciam, requiris Fort Asse? Nescio, sed fieri Sentio et excrucior.
Ich hasse und liebe. Du fragst vielleicht, warum ich das tue. Ich weiß es nicht, aber ich fühle, dass es geschieht und ich quäle mich.
Und Marc Fabian Erdl jubiliert in ›Der Freitag‹ ausführlich über die erste komplette deutsche Ausgabe der geheimen Tagebücher von Samuel Pepys (einer durchaus wichtigen Nebenfigur in Neal Stephensons »Barock-Zyklus«): Geiler Bock, Staatsbeamter.
Der großartige Jeff Vandermeer berichtet in seinem Blog flappsig aber erhellend davon, wie sein diesmaliger Anlauf Thomas Pynchons »Gravities Rainbow« (dt. »Die Enden der Parabel«) zu lesen nun vergnügt von statten geht: This Book Is Restoring Mah Brain Powers to Mah Brain und Reading Gravity’s Rainbow: First 75 Pages, Initial Contact. Ich selber gurke derweil irgendwo auf Seite 300 herum, und kann mich nicht so recht entscheiden, ob ich den Roman auf Englisch oder Deutsch lesen soll und pendle entsprechend zwischen beiden Sprachen.
Da beleibt mir nur, mich der Hoffnung anzuschließen, die Daniel Domscheit-Berg für ›Der Freitag‹ in seinem Text Der gute Verrat zur Sprache bringt, nämlich, dass als Ausgleich für solche Sehnsüchte der Gestaltungsmächtigen in Zukunft vermehrt mutige Geheimnisverräter rechtzeitig zur Kenntnis genommen werden, und dass die Anerkennung von solchen Petzer-Helden zunehmen wird.
(Deutschsprachige) Phantastik-Funde
Klaus Jarchow liefert seinem ›Stilstand‹-Blog einen feinen kleinen Text über die Tugend von die Phantasie kitzelnden Leerstellen in Texten, Ehret die Lücken!, illustriert anhand der Geschichte »Die Grube und das Pendel« von Edgar Allan Poe.
Holger M. Pohl hat eine neue Kolumne für ›Fantasyguide‹ verfasst: Proll vs. Niemand. Auch wenn mir HMPs Text ein wenig zu gehässig geraten scheint, finde ich es trefflich, wie er die in SF-Genrekreisen typische Erregung einiger über den Erfolg anderer kommentiert. Stein des Anstoßes war dieser Thread bei SF-Netzwerk: Kritik an SF Neuerscheinungen, Iwoleit vs. Heitz oder schaden Autoren wie Heitz der SF?, aus dem dann dieser allgemeinere Thread hervorging: Exploitation SF, Annäherung an ein Phänomen. Ich denke ja, es ist unfair, sich bei der Klage über die Verflachung des geliebten Genres lediglich auf die erfolgreichen Autoren einzuschießen. Immerhin ist es das Zusammenspiel von Autoren-Ambition, Programmgestaltung und Vermarktungstrategien der Verlage, sowie der Nachfrage von Kunden, die dazu führen, dass enervierend seichtes Zeugs das Feld dominieren.
Wie immer empfehle ich das neuste RSAnimate-Filmchen. Diesmal illustrieren die Meister von ›cognitive media‹ einen Vortrag von Sir Ken Robinson zum Thema Changing Education Paradigms, und besonders gelungen finde ich, wie das noch übliche Schulsystem mit der Logik von Fabriken verglichen wird.
Sobald ich mein PayPal-Konto entsprechend aufgepimpt habe, werde ich das hier bestellen: The Science Tarot. Obwohl ich mit ›Eso-Kram‹ nichts mehr (oder nicht mehr viel) am Hut habe, hege ich immer noch eine Schwäche für originelle Tarot-Karten. Ich verstehe das Tarot als eine Art interaktives Comic, das sich immer wieder zu neuen Geschichten auslegen lässt.
Mike Shaughnessy hat für ›BoingBoing‹ einen bewegenden Text zum Thema ›der Blick von Immigranten auf die neue Heimat‹ geschrieben, und es geht nicht um Muslime in der westlichen Welt, sondern um einen Deutschen in Amerika: My Man Anton Schutz: An Immigrant's View of the New York.
Dem ›Wall Street Journal‹ hat der geniale Scott Adams — der als Schöpfer der »Dilbert«-Strips dafür sorgt, dass Büromalochern dank Humor emotionelle Gesundheit bewahren — ein Interview gegeben: How to Write Like a Cartoonist.
Als sichere Weihnachtsbeglückung für mich darf ich mich auf den nächsten Film der Coen-Brüder freuen: True Grit, und ich bin schon sehr gespannt, wie sich dieser Rache-Western machen wird. Hier der bisher zweite, längere Trailer.
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Eintrag No. 658 — Die Reise nach Hamburg und der dortige Gründungskongress der ›Gesellschaft für Fantastikforschung‹ war eine wunderbare Sache. Meinen Bericht über den Eröffnungsabend habe ich noch während des Kongresses zustande gebracht (über den Rest berichte ich, sobald ich wichtigere Illustrations- und Textverpflichtungen abgearbeitet habe).
Lektüre: Kommt selten vor, aber die letzte Woche war ich ziemlich lesemüde. Doch wieder einmal hat der »BAROCK-ZYKLUS«-Virus mich erwischt. Dieses Riesenwerk von Neal Stephenson habe ich bereits jeweils einmal auf Englisch und Deutsch genossen. Am Mittwoch konnte ich dem Angebot einer kompletten englischen Hörbuchlesung nicht mehr widerstehen, und habe mir den ersten (»Quicksilver«) von 7 Teilen besorgt, also die ersten ca. 15 Stunden von insgesamt etwa 124 Stunden. Und ich kann sagen, die Lesung von Simon Prebble gefällt mir und ich bin (wieder mal) hingerissen. Ja, ich gehe sogar so weit, im Augenblick geneigt zu sein, dieses Riesenwerk als den bisherigen Lektürehöhepunkt meines Lebens einzustufen.
Ansonsten greife ich für Zwischendurch zu meinen neuen »Transmetropolitan«-Sammelbänden. Ist ewig her, seit ich die Abenteuer von Spider Jerusalem in Einzelheften gelesen habe. Stelle fest, dass diese gesellschafts-kritische Science Fiction-Satire immer noch beachtlichen Wumms hat. Nicht umsonst bewachen Spider und seine Mutantenkatze Missgeburt meinen Verstärker.
NETZFUNDE
Im ›Guardian‹ erzählt der unvergleichliche Stephen Fry unhaltsam und geistreich wie immer, warum er, aus jüdischer Familie stammend, die Musik von Richard Wagner mag: Why Stephen Fry loves Wagner. Weitere gute Nachricht Mr. Fry betreffend: er wird in der Fortsetzung von Guy Richies »Sherlock Holmes« den älteren Bruder des Meisterdetektivs, Mycroft Holmes, geben.
Anlässlich der Biographie »Sarah: The Life of Sarah Bernard« liefert Graham Robb für ›New York Review of Books‹ einen unterhaltsamen Text über The Divine Sarah. Großes Schmunzeln erregte bei mir die Anekdote betreffs eines Ausspruchs von Alexandre Dumas den Jüngeren, der sinngemäß meinte:
»Wissen Sie«, sagte er über die bekanntermaßen gertenschlanke Schauspielerin, »sie ist eine derart notorische Lügnerin, dass es mich nicht wundern würde, wenn sie in Wirklichkeit fett wäre!«
Sven Ahnert hat für die ›NZZ‹ ein Werkstattgespräch mit dem exzellenten Übersetzer Nikolaus Stingl geführt (der unter anderem meine Säulenheiligen Thomas Pynchon und Neal Stephenson ins Deutsche überträgt): Auf der Jagd nach dem richtigen Ton.
(Deutschsprachige) PHANTASTIK-FUNDE
Florian Schwebel hat für ›Lesen was klüger macht‹ einen ausführlichen Essay zum Thema Mythen (in/out) geschrieben. Ebenfalls lesenwert ist sein bereits etwas älterer Beitrag Das Ende des Fiktionsvertrags.
Es erstaunt mich immer wieder, wie groß und gut organisiert die Life-Rollenspiel-Bewegung hierzulande ist. Da gibt es zum Beispiel (bisher von mir nicht bemerkt) ein eigenes Webportal für Filme, auf dem nun die neue Reihe ›Das Phantastische Quartett‹ debutierte. In Folge 1 plauschen, moderiert von Anet Enzmann, Gesa Schwartz, Thomas Finn und Thomas Plischke über die immer wieder gern gestellte, und wohl nie endgültig zur Zufriedenheit aller beantwortbaren Frage: Was ist eigentlich Phantastik?. Das macht Freude, das bringt Laune. Ich sehe weiteren Folgen des ›Q4‹ gespannt entgegen.
Richard Kämmerlings ist der neue leitende Kulturredakteur der ›Die Welt‹, und wie es sich anschickt, beginnt er seine Tätigkeit mit einem programmatisch-fordernden Text: Blühe, deutsches Faserland, in dem er sich wundert und beklagt, dass es immer noch keine (und das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen) ›Great German Novel‹ gibt, also ein Erzählwerk, das geeignet ist, ein Pendent zu Werken amerikanischer Autoren wie Jonathan Franzen zu sein. — Das ausführliche Ausdeuten, wie dünngeistig diese Forderungs-Jammerei ist kann ich mir sparen, denn das erledigte bereits Gregor Keuschnig von ›Glanz & Elend‹ mit seinem Beitrag Wiederbelebungsversuch an einer Leiche. Trefflich diagnostiziert Keuschnig:
In Kämmerlings’ Traum spiegelt sich nämlich eine Sehnsucht, die disparate Gesellschaft- und Kulturentwürfe, ein Wesensmerkmal der Moderne, nicht zur Kenntnis nimmt. Wenn er schon den deutschsprachigen Kulturraum verengt auf das ›deutsche‹ respektive das ›ostdeutsche‹ — wie soll dann als Beispiel für eine zweihunderte Jahre gewachsene Einwanderungskultur wie die USA ein äquivalenter Roman entstehen können? Woraus speist sich die Annahme, dass Franzens Familie in irgendeiner Form repräsentativ für die USA ist? Da macht man sich ernsthaft Sorgen um Kämmerlings’ Amerika-Bild.
ZUCKERL
Habe das Blog des französischen Künstlers Sam van Olffen entdeckt. Wie Ann Vandermeer in einem ›io9‹-Beitrag trefflich beschrieb, bietet von Olffen schwindelerregende Kreuzungen aus Steampunk und Surrealismus.
Das ›Graphic Novel Info‹-Blog hat eine lobenswerte Übersicht zu verschiedenen Beiträgen über den von mir sehr verehrten Künstler Jaques Tardi zusammengestellt, anlässlich der Verfilmung von Tardis »Adeles ungewöhnliche Abenteuer«-Comics durch Luc Besson und dem Erscheinen des zweiten (und abschliessenden) Bandes »Elender Krieg«: Jacques Tardi in den Medien.
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Eintrag No. 651 — Bin seit letzter Woche allein zuhause, denn Andrea brach zu ihrem Jahresurlab und Richtung Waldviertel auf. Am Wochenende, als ich von meinem Brotjob frei hatte, legte ich eine Übersetzungssession hin (heisst: von Freitag auf Montag nur zwei Mal ins Bett gegangen). Ich bin unfassbar dankbar für das Projekt. Kurzgeschichten, die mich wirklich erfreuen, von einer Vielfalt, die mich begeistert und beeindruckt zu übersetzten fühlt sich nun mal nicht wie ›Arbeit‹.
Nachteil (= Lektüre): Bin selber kaum zum Lesen gekommen, außer, dass ich mir die deutsche Ausgabe von »The City & The City« besorgt und darin herumgeblätert habe, um knifflige Stellen zu prüfen. Soweit ich gesehen habe, kann ich absolut nichts zum Bemäkeln an Eva Bauche-Eppers deutscher Fassung von »Die Stadt & Die Stadt« finden und empfehle den Roman allen, die gerne mal eine gelungene Mischung aus Krimi und Phantastik lesen wollen. Ich denke, ich kann es wagen, dieses Buch jetzt schon zur — leider! — unterschätztesten Neuerscheinung der Saison auszurufen, denn ›Dank‹ des schröcklichen Umschlagbildes und der kümmerlichen Platzierung in den Regalen (wenn meine Umschau in den Frankfurter Buchhandlungen halbwegs repräsentabel ist) wird sich kaum herumsprechen, wie gut dieser Roman ist.
Film: Immerhin war ich letzte Woche im Kino. Leider war ich so dumm, mir »The Sorcerer's Apprentice« anzutun. Ein langweiliger, vorhersehbarer und peinsam-harmloser Streifen. So etwa 3 oder 4 Punkte von 10.
Ganz interessant dagegen meine DVD -Sichtung von Christopher Nolans Erstling »Following«. Als kleiner, fieser Krimi durchaus gelungen (und als S/W-Film sowieso), wenn auch Nolan hier schon durch seine super-ernste und (unter)kühl(t)e Inszenierung leicht nervig auffällt, die auch seine späteren Filme meist kennzeichnet. So etwa 6 bis 7 von 10 Punkten
Schlimmer noch ist allerdings das Verhältnis von demokratischem Staat und wirtschaftlicher Macht, das hier zum Ausdruck kommt: {…} Der Geheimvertrag ist das Eingeständnis, dass der demokratische Staat gegenüber den wirtschaftlich Mächtigen nicht mehr das „Gewaltmonopol“ hat, das heißt sich nicht mehr mit hoheitlicher Macht durchzusetzen vermag, sondern dass er bestenfalls noch Verhandlungspartner gegenüber wirtschaftlicher Macht ist. {…} Da sitzen also auf der einen Seite die Regierung und auf der anderen Seite die Konzernbosse und klären per Telefon die Konditionen; und das Parlament darf dann bloß noch den geheimen Deal sozusagen der demokratischen Form halber absegnen.
Diesbezüglich habe ich mich bei ›lobbycontrol‹ der Unterzeichnungs-Aktion angeschlossen, man möge doch anstandshalber das Atom-Geheimabkommen widerrufen!
›ad sinistram‹ nimmt Sprachpansch in der Rubrik ›nomen est omen‹ unter die Lupe: »Gebär- und Zeugungsstreik«. — Ich verstehe ja folgendes nicht: wenn es einerseits zuviele Menschen auf der Welt gibt, und Menschen aus schlimmen Gegenden, wo das Überleben äußerst mühevoll ist, wegwollen, warum regen sich dann andererseits irgendwelche Anzugträger darüber auf, dass die ›richtigen Frauen‹ zu wenig gebähren? — Okey, ist sicherlich richtig, dass sich Akademikerinnen (zumindest wenn sie selbst einen gut bezahleten Job haben oder mit dem Gatten eine gute Partie gemacht haben) eher bessere Kinderpflege und Schulen leisten können. Das bedeutet aber nur, dass die Qualität der Kindererziehung stärker vom privaten Geld der Bürger und den Möglichkeiten, die es eröffnet abhängt, als vom Geld der staatlichen Gemeinschaft. Das fügt sich mit der Theorie, der ich anhänge, dass ein langfristiges Ziel ›des Kapitals‹ ist, den Bereich der Bildug zu ökonomisieren, und dass es bei diesem Ansinnen auf einem erfolgreichen Weg ist.
Nathalie Roller schrieb am 12. September für ›Telepolis‹ einen löblichen Artikel über grüne Krieger in den heutigen Metropolen: Die Gartenguerilla erobert die Städte.
(Deutschsprachige) PHANTASTIK-FUNDE
Neustart des Magazins für interantionale Science Fiction: Inter Nova. Ich wünsche viele interessierte Leser!
Wieder ein Umsonst-Lesetip für alle, die noch zuviel Zeit haben: Digital Comic Museum.
Ein youtube-Filmchen, in dem Daten augenfällig aufbereitet wurden, und das damit höhere Zusammenhänge anschaulich macht. Scott Manley Asteroid Discovery from 1980 - 2010. Scott Manleys Seite beim Armagh Obsertvatorium bietet weitere wissenschaftliche Animationen zum Thema Asteroiden.
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Eintrag No. 650 — Mache eine Phase von Spätsommer-Müdigkeit durch.
Spazieren gewesen, was ich bei leichtem Regen, kühl-milden Temperaturen sehr gerne tue. Einmal den Frankfurter Grüngürtel entlang, mit einer Zwischenstation bei meinem Comicdealer des Vertrauens, um mir den ersten Sammelband von »Preacher« auf Englisch zu holen.
Meldung: Ich will einen Haufen Sachen loswerden, unter anderem Einzelheft-Comics. Hier also schon mal verkündet: wer »Preacher komplett als Einzelheft haben will, soll sich melden und einen Tauschvorschlag machen (siehe z.B. Amazon-Wunschliste; zumindest die Porto-Kosten sollten wieder reinkommen; und ich lege keinen Wert Tauschobjekte zum vollen Neuwarenpreis). Ich habe keinen Bock mehr auf diese Art der Comic-Aufbewahrung, sondern werde mir die Trades anschaffen. »Preacher« ist eine abgeschlossene Geschichte und umfasst 66 Hefte, sowie einige Specials. — Ebenfalls loswerden will meine Einzelthefte von »Transmetropolitan«, von denen ich allerdings nur Heft 1 bis 48 der insgesammt 60 Hefte bieten kann.
Ebenfalls abzugeben habe ich einen kompletten deutschen »Der Drachebeinthron« von Tad Williams als Fischer Taschebuch (mit handschriftlichen Inhaltsverzeichnis) sowie einen kompletten englischen »The Dark Tower« von Stephen King als Taschenbuch. — EDIT-AKTUALISIERUNG 11. Sept. 2010: »Drachenbeinthron« und »Dark Tower« sind vergeben.
Film: Habe mir die Filmklassiker »Luftschlacht um England« (kenne ich noch nicht) und »Gesprengte Ketten« (kennen ich, aber lang nicht mehr, und noch nie im Original gesehen) besorgt.
Auf DVD gesehen habe ich mittlerweile:
»The Book of Eli«: Ganz nett anzuschauen, etwas langsam und fad und am am Ende mir deutlich zu christlich-wunderlich; ca. 6 von 10 Punkten (= Plus 1).
»Daybreakers«: Es macht Spaß Darsteller wie Sam Neill, William Defoe und Ethan Hawke in so einem SF-Vampir-Flick zu sehen, leider ist der Streifen aber zeimlich doof; ca. 4 bis 5 von 10 Punkten (= Minus 1 oder 2).
»Pandorum«: Besser als ich erwartet habe; ein feiner SF-Thriller zum Thema Generations-Schiff; ca. 7 von 10 Punkten (= 2 Plus).
NETZFUNDE
Über das von Neal Stephenson geleitete Gruppen-Schreibprojekt »The Mongoliad« habe ich bereits in Wochenrückblick 3 berichtet. Nun gibt es erste Inhalte. Ob ich ein Abo nehme, weiß ich noch nicht. Bisher sieht die Sache ganz reizvoll aus.
Cheryl Morgan hat ein neues Webzine gegründet, und in der ersten Ausgabe von ›Salon Futura‹ gibt es ein interessantes Interview mit China Miéville. Miéville erzählt unter anderem aufschlussreich über seine Schreibarbeit, z.B. wie er es anstellt, zwei sehr unterschiedliche Bücher wie »The City and the City« und »Kraken« nebeneinander her zu schreiben.
Zum zweiten Mal bietet die Schirn Kunsthalle Frankfurt eine ungewöhnliche Reihe von 20 Aktionen in 20 Tagen unter dem Titel »Playing The City«. Es geht los am 8. September und ich empfehle allen, die sich für moderne Aktions-Kunst interessieren und Frankfurt besuchen können, vorbeizuschauen. Die Grundidee von PTC dreht sich um die Problematik (und zeigt entsprechende Angebote), wie Kunst in den öffentlichen Raum und in gesellschaftliche Prozesse eingreifen kann. Entsprechend wird es ›Guerilla‹-Aktionen geben, die auf den ersten Blick nicht als ›Kunst‹ zu erkennen sind, die Irritation provozieren und damit ein Appell sein sollen, aus dem Alltagstrott herauszutreten und die Wirklichkeit neu zu sehen, auch um sie besser zu gestalten.
(Deutschsprachige) PHANTASTIK-FUNDE
Letzte Woche habe ich auf eine englische Konfektsammlung mit SF-Genre-Definitionen hingewiesen. Darauf hin bekam ich einen netten Hinweis von SF-Netzwerk-Haberer t.sebesta, der auf seiner Website eine umfassende deutschsprachige SF-Definitions-Sammlung bietet. Vielen Dank für den Tipp!
Oliver Kotowski von ›Fantasyguide‹ beeindruckt mich wieder einmal. Für die Homepage von ›Fantasyguide‹ hat er eine Rezension zu Hal Duncans »Signum« geschrieben (dem zweiten Band des »Ewigen Stundenbuches«) und kommt zu keinem positiven Urteil, was ihn selbst umtreibt und so hat er dann für das Blog von ›Fantasyguide‹ einen löblichen Eintrag über »Die Traurigkeit des Rezensenten« verfasst, wenn man eigentlich große Sympathie für ein Werk empfindet, ihm aber dann doch eine schlechtere Note geben muss, als einem selbst gefällt.
ZUCKERL
Bin über ein kurzweiliges klassisches 8-bit-Spiel gestolpert, richtig gute alte Schule, drei Level mit einem Flugzeug Feinde ballern, und wenn die geschafft sind, gibt’s ein Superflugzeug und einen Survival Modus: Tom Clancys H.A.W.X. 2 Mini Game. Sieht aus und klingt wie ein Commodore 64-Spiel.
Es gibt ja unzählige Tarotkarten-Versionen und seit sehr langer Zeit hat mich keines beeindruckt (zuletzt vor einigen Jahren diese minimalistische Fassung der Großen Arkanum-Karten von John Coulthart, perfekt geeignet für den modernen Großstadt- oder Firmenmagier). Als Freund von zeitgenössischer surrealistischer Phantastik gefällt mir nun das Low Brow Tarot ziemlich gut, das von der Website ›Hi-Fructose‹ präsentiert wird.
Einen neuen Genre-Phantastik-Künstler habe ich entdeckt: zuerst das Blog, dann die Portfolio-Site von Sean Andrew Murray. Der wäre ein hervorragender Bas-Lag-Illustrator, folgt er doch zum Teil der Tradition eher exzentrischer Form- und Strukturbehandlung, für die z.B. Ian Miller ein typischer Vertreter ist. Geht mal stöbern bei Sean. Es lohnt sich!
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Eintrag No. 646 — War diese Woche meistens in der Minderheit … zumindest, als ich wieder mal bei »Wer ist Dir lieber?« vorbeigeschaut habe um abzustimmen. — Butter oder Margarine?: die Mehrheit mag Butter, aber ich nicht. — Caesar oder Cleopatra?: die Mehrheit mag Cleopatra, aber ich nicht. — Lady Gaga oder Madonna?: die Mehrheit mag Madonna, aber ich nicht. — Lediglich bei den Abstimmungen zu Vollmond oder Neumond, sowie Fox Moulder oder Dana Scully gehörte ich zur Mehrheit: Vollmond und Moulder. (Bei den anderen Abstimmungen war ich unentschlossen oder kannte die entsprechenden Kandidaten gar nicht.).
Lektüre: Derzeit ein etwas planloses Lesen verschiedener Sachen. Kapitelweise oder abschnittwiese wechsle ich zwischen Peter Watsons »The German Genius« und dem ersten Roman einer Quatro, seinem, wie der Autor selbst meint, bedeutendstem Werk. Ich bin sehr zerquält. Nach mehr als der Hälfte von Band 1 zweifle ich wirklich an dem Verstand entweder meiner selbst, oder eben all derer, die diesen Autor und sein Werk so hoch einschätzen.
Desweiteren lese ich zur Erholung querbeet in Mark Twains Spätwerk herum. Vor allem »Der Geheimnisvolle Fremde« (hier zur Originalfassung bei ›Project Gutenberg‹: »The Mysterious Stranger«), nach dem Tod von Twain 1916 erstmals erschienen, hat es mir angetan. Diese Wenig bekannte Fantasy-Geschichte spielt 1590 in einem österreichischen Kaff, und der jugendliche Erzähler Theodor erzählt, wie er und seine Kumpels Nikolaus und Seppi von einem Engel namens Satan besucht werden (einem Neffen des Gestürzten). — Und dann bin ich bei »The Walking Dead« mittlerweile auf Seite 800 von 1088. Ich wähne ein Muster zu erkennen, das mir nicht so ganz schmeckt. Trotzdem: ein großartiges Comic. Hier zu Heft 1 umsonst (auf Englisch).
Eine amüsante und erkenntnisfördernde Idee des »Oribit«-Blogs, die Motive der Coverkunst von Fantasy-Büchern statistisch zu untersuchen: The Chart of Fantasy Art, 2009. Gefunden dank eines Hinweises in Andrea Bottlingers interessanten Blog »Katasthrophengebiet«
Jeff Vandermeer und seine Frau Ann arbeiten derzeit unter anderem an der Anthologie »The Thackery T. Lambshead Cabinet of Curiosities«. Dabei haben sie zu einem Wettbewerb für Kurzbeiträge aufgerufen. Wenn ich kann, werde ich auch versuchen etwas dafür zu schreiben.
Thomas Neumann rezensiert Douglas Coupland: »Generation A« für ›Literaturkritk.de‹. Das ist wieder so ein Symptom, das mich beunruhigt. Ein SF-Roman wie der von Coupland wird in der SF-Szene selbst eher übersehen. Ich kann »Generation A« nur empfehlen. Zugleich sehr komisch, berührend und philosophisch. Hier die Seite zur deutschen Ausgabe bei Klett-Cotta; dort gibt es auch eine Leseprobe der ersten 25 Seiten. Die Figuren des Buches erzählen sich ab der Hälfte gegenseitig spontan ausgedachte Geschichten. Hier ist eine davon als Motion-Comic: »The Short & Brutal Life of the Channel 3 News Team«.
Noch mal Klett-Cotta: Die ersten beiden Bände der neuen Ausgabe von Mervyn Peaks »Gormenghast«-Büchern sind nun erschienen und auch hier bietet Klett-Cotta Leseproben im Netz an, und Interessierte sollten die Vorwörter von Kay Meier (für Band 1: »Der junge Titus«) und Tad Williams (für Band 2: »Im Schloss«) lesen. Vor allem Meiers Einleitung gefällt mir sehr, Williams ist mir etwas zu reisserisch und spoilert mir zu viel von der Handlung (doch seine ehrliche Begeisterung ist trotzdem ansteckend).
Fra Anubis von »Lake Hermanstadt« hat mit Dunkle Pilze einen großartigen Blog-Eintrag über die Bande zwischen moderner Phantastik und durchgeknallten Ideologien geschrieben.
Lindsey ›The Dudette‹ Ellis hat einen feinen Video-Essay erstellt. Nostagia Chick: Playing God über die beiden dominierenden Klischees, wie Wissenschaft in Genre-Filmen dargestellt wird.
Eintrag No. 645 — Diese Woche gibts viel Zuckerl. Keine nennenswerten Ereignisse bei mir diese Woche, außer, dass ich die Molochronik bei Flattr angemeldet habe.
Flattr ist ein Weg, mit kleinen Gutschreibungen einen Internetbeitrag zu entlohnen. Wer bei Flattr angemeldet ist und über ein Guthaben verfügt, kann derweil einmal im Monat der Molochronik etwas spenden (siehe Flattr-Button oben in der rechten Säule). — Sobald ich dazu komme, werde ich die aufwendigeren ›de luxe‹-Einträge der Molochronik mit eignen Flatter-Buttons ausstatten. — Und ich freue mich natürlich, dass ich nach drei Tagen schon einmal geflattert wurde (kein Vergleich freilich zu wirklich beliebten Websites).
NETZFUNDE
Spannend ist der Briefwechsel von Marvin Oppong mit der Stadt Duisburg den »Carta« bietet. Oppong will Einsicht in die Genehmigungsunterlagen der Love-Parade, die so tragisch-tödlich verlaufen ist. Die verschiedenen Behörden mauern, unterschiedliche Auffassungen des Informationsfreiheitsgesetztes prallen aufeinander.
Leider hatte ich noch nicht die Zeit, ausführlich im neuen Gruppenblog der »F.A.Z.«, Deus ex Machina, zu stöbern. Dort soll berichtet werden …
… getreulich und mit Plaisir {…} von den göttlichen Internetmaschinen neuester Art, ihren Berechnungen unberechenbarer Weis- und Torheiten, und ihrem Wirken zum Gedeih und Verderb der menschlichen Art hienieden auf Erden {…}
Sehr gute Besprechung des Films »Agora« im Oliblog. Ich hab den Film im Kino gesehen, obwohl er ›nur‹ auf Deutsch lief. Auch wenn man sich bei der Nacherzählung des Martyriums der durch Fundi-Christen getöteten Bibliothekarin von Alexandria große Freiheiten die historischen Details betreffend genehmigt hat, bietet der Film ein bewegendes Drama und versteht es, weltanschauliche Streitfragen und ihre Verquickung mit einzelmenschlichen Zwängen ergreifend darzustellen. Allen Jungfrauen beiden Geschlechts zur inniglichen Beherzigung anempfohlen
Interviews mit zwei von mir sehr geschätzten Autoren habe ich diese Woche entdeckt: einmal spricht »io9« mit China Miéville über seinen neuesten Roman »Kraken«, warum er Joss Whedons Zeug mag und J. J. Abrams’ Zeug nicht; — und zweitens hat Matt Ruff der Seite »The Author Speaks« Fragen beantwortet, z. B. zum ›Lustiger Schwarzer Kerl‹-Klischee in Äktschnfilmen und seinen nächsten Roman »The Mirage«.
»Inception« ist einer dieser Filme, die das Publikum zum Deuten herausfordern. (Gehört zu den großartigsten Dingen, die ein Film fürs Massenpublikum leisten kann. Statt hinterher nur darüber zu babbeln, was cool, was nicht cool war, werden die Zuschauer animiert, weiter zu fabulieren und philosophieren.) — Peter V. Brinkemper hat für »Glanz & Elend« eine ausführliche Rezension über Christopher Nolans »Inception« geschrieben, die ich als (im besten Sinne) schwurbelige, schwindelerregende Cinemaskopie-Poesie bezeichnen kann. Der Text hat mich beim ersten Lesen etwas verstörend amüsiert (hatte z.B. den Verdacht, der Text sei zu fremdwortversalzen), doch die Zweitlektüre versetzt mich in einen schmunzelnden Sprachrausch, durch Sätze wie folgenden:
In »Inception« sind Träume und Traumzustände lebendige Membrane von anwesenden und unsichtbaren, aber spürbaren Ereignissen, Träume werden durch Kollektivschaltung zu sanften oder heftigen Dramen, immer noch intersubjektiv beeinflussbaren Situationen und relativ klaren Bewusstseinszuständen, zwischen rationaler Konstruktion, gezielt eingreifender, dominanter Manipulation und unwillkürlich subjektiver Projektion.
Nix Neues, aber eben letzte Woche von mir entdeckt, nämlich dass es eine Web-Site zum Werk des grandiosen deutschen Zeichners Hans Georg Rauch gibt. H. G. Rauch ist vielleicht am bekanntesten durch seine Illustrations-Reihe ›ZEITzeichen‹ für das große Hamburger Wochenblatt. Ist aber schon viele Jahre her. Rauch kann Wimmelbilder schraffieren wie nur wenige. Vor allem seine Auseinandersetzungen mit Strukturen, den Themen Landschaft und Architektur sind atemberaubend. Leider sind die Wiedergaben im Netz oft zu klein für diese detailreichen Meisterwerke.
ZUCKERL
Der ›Nostaligia Critic‹ hat einen dreiteiligen »Animaniacs« Tribut erstellt, in dem er Glanzmomente dieser Cartoon-Reihe zeigt und mit den Autoren & der Autorin (die teilweise auch Sprecher bzw. Sprecherin einiger Figuren sind) einen ausführlichen & erhellenden Plausch geführt. Ein Muss für Freunde des höheren Blödsinns.
Habe die Seite Springfield Punks entdeckt. Hier entwerfen Freunde der Familie Simpson selbst ihre gelbhäutigen Springfield-Versionen bekannter Figuren, von denen es eben noch keine Simnpson-Version gibt. Hier z.B. die »Watchmen«-Hauptfiguren im Matt Groening-Stil. Kann man bitte mal den ganzen Comic so machen?
Apropos ›Comic machen‹: Mahendra Singh zeichnet phantastische Illustrationen mit klassisch-altmodischem Strich (erinnern mich an Emlematik-Zeichnungen und Max Ernst). Ich freue mich schon auf den von ihm zum Graphic Novel hoch-illustrierten Lewis Carroll-Schaffenshöhepunkt »The Hunting of the Snark«, der im November erscheinen wird. In Mahendras Blog »Just the place of a Snark« kann man den Werdegang der Illustration vom Mai 2007 an verfolgen. — Hier als Beispiel die Doppelseite 10/11 des kommenden Buches, aus dem ›Second Fit‹ (›Zweiten Krampf‹).
Eintrag No. 641 — Nicht lange rumlgelabert. Hier die dieswöchigen Links.
NETZFUNDE
Peter Sloterdijk, den manchen ja nur für einen bedenklichen Dampfplauderer halten, dessen Bücher mir aber großes Vergnügen bereiten, hat in »Der Welt« ein Interview gegeben: »Wir leben in einer Frivolitätsepoche«. Interessant ist, dass Sloterdijk dieses Gespräch dazu nutzt, irrige Interpretationen zu Äßerungen von ihm aus dem letzten Jahr zu relativieren. Sloterdijk hatte (flappsig umschrieben) in der jüngsten Vergangenheit vom verbrecherischen Akt erster Aneignungen und dem Steuerstaat als großen etablierten Dieb von Privatvermögen gesprochen und schließlich davon, dass es wünschenwert wäre, man käme weg von einer Zwangsabgabe hin zu einer neuen Kultur des Mäzenatentums und Spendens. Jetzt nun sagt er deutlich, dass der Staat sich durch irrationale Wirtschaftsideologien entmächtigen ließ, in der Finanzkrise aber wieder als einziger Milliardär der importiert rettend auftreten dürfe.
Othmar Keel lieferte für die »NZZ« einen Essay über die tierischen Ursprünge der Engel: Unheilabwendende Schlangen und geflügelte Löwen. Lustig, wie kurz skizziert wird, wie aus Schlangen (griechisch: ›seraphis‹) kleine nackte Bürschchen werden (römische Eros-Figuren).
Endlich: das Prospekt zum gesetzten »Zettel’s Traum« von Arno Schmidt als PDF. Auch wenn ich fürchte, dass ich kaum Zeit haben werde, mich ab Herbst dem Monsterschmöker mit gebührender Hingabe zu widmen, freue ich mich schon darauf, mir das Teil endlich ins Regal zu stellen und damit meine Schmidt-Werksausgabe zu kompletieren.
Auf dem letzten Comic-Con saßen J. J. Abrams und Joss Wheadon (Teil 1 von 7) gemeinsam auf dem Podium und beantworteten Fragen zum Thema Geschichtenerzäheln. Höhepunkte: Joss wuppt Maximal-Komplimente in Richtung J. J. für dessen »Star Trek«-Film. — J. J. fällt schockiert in sich zusammen, als Joss erklärt, dass er beim Drehbücherschreiben ohne Überarbeitung auskommt.
(Deutschsprachige) PHANTASTIK-FUNDE
Zufällig entdeckt, dass Georg Seeßlen seit einem guten Jahr unter die Blogger gegangen ist. Seeßlen schreibt sonst sehr gute Filmrezis für die großen Feuilletons, und ist mir seit langer Zeit als Sachbuchautor bekannt (legendär z.B. sein »Lexikon der Unterhaltungsindustrie« aus den Siebzigern). Sein Blog hat den ›verstörenden‹ Titel Das Schönste an Deutschland ist die Autobahn, und entdeckt habe ich es über den Eintrag CONTRA NATURAM: oder Die Weltordnung und das Wunder, einem gehaltvollen Kurzessay zum Thema Phantastik, Fantasy und Weltbilder.
Entdeckt habe ich das PDF-Magazin von Literaturzirkel. Monatlich reichlich Rezis, Schwerpunkt zwar auf Phantastik, aber immer wieder auch zu literarischen Titeln. Werd ich im Auge behalten.
In der »NZZ« erschien am 29. Juli eine unterhaltsam zu lesende Rezi von Leopold Federmair zum zweiten Borges & Casares-Band der neuen Hanser-Werkaushabe (ich habe die Fischer-Taschenbuchausgabe der Erstauflage): Dumme Detektive. Vor allem stimme ich dem Lob zur Anmerkungs-Poetik von Gisbert Haefs zu.
›Thomas Sch‹ hat für »Roter Dorn« eine Rezi »Die Zimtläden« von Bruno Schulz (dtv-Taschenbuchausgabe der Neuübersetzung bei Hanser) geschrieben.
Sehr gefreut habe ich mich über Oliver Kotowskis Rezi bei »Fantasyguide« zu dem schmalen aber feinem Büchlein »Die Erscheinungen im Weißen Hotel« von Herbert Rosendorfer (Text) und Fabius von Gugel (Illustrationen). Leider gibt es im Internet kaum Bilder des 2000 verstorbenen Phantastik-Künstlers Fabius von Gugel zu sehen. Ich hatte vor Jahren das Glück, den Bildband »Das graphische Werk« aus dem DuMont-Verlag günstig zu bekommen. Tja deutsche Phantastik-Feinschmecker, stöbert herum und lernt von Gugel kennen!!!
Für die »Literarische Welt« schrieb Elmar Krekeler eine Empfehlung zu »Handbuch der Detektive« von Jedediah Berrys. (Ich selbst bin, aus Mangel an Kenntnis des Werkes von Tschechow, ein Borgesianer). Dank an Oliver Naujoks für den Hinweis!
Bescheidgeb: Hier gehts zum PDF vom Fandom Observer No. 254; enthält unter anderem eine Rezi zu Dan Simmons »Drood«.
ZUCKERL
Der ›Narr im Wald‹ berichtet von seiner Begeisterung für die Collage-Romane von Max Ernst: Drive-In Saturday: Ernst Enough For Us. Viele Links, unter anderem zu …
… dem Künstler Dan Hiller, der die Tradition von Max Ernst weiterführt, speziell für alle heutigen Fans von Belle Epoche-Klamotten tragenden Hybrid-Wesen. In seinen Gallerien gibt es z. B. einen Vogelgentlemen mit hutlüpfendem Hut; — einen Waldgeist in blauer Nass in Nass-Technik; — und ganz blöd zusammengewachsene siamesische Brüder.
Eintrag No. 637 — In Bericht dazu, wie ich beim diesjährigen Deutschen Phantastik Preis abgestimmt habe, entspann sich ein Gespräch über Unzufriedenheit mit dem Einerlei routinierter Rezensionen, Wünsche nach besserer Vernetzung oder Zusammenspiegelung der ›anspruchvolleren‹, oder zumindest ›interessanteren‹ Phantastik-Kritikertexte. Ob und was ich unternehmen werde um den gefühlten Mangel zu schmälern will ich nicht zerreden (Aberglaube Aberglaube), was ich aber ab jetzt im Wochenrückblick anbieten werde, ist die Rubrik »Phantastik-Funde« (oder »Fantastik-Pfunde«?).
NETZFUNDE
Riesenlanges zweiteiliges Interview mit Fiktions-Großmeister Alan Moore anläßlich des englischsprachigen Erscheinens des nächsten Kapitels seiner »League of Extraordinary Gentlemen«-Saga, »Century: 1969«. Teil 1: Bestiary of Fictional Worlds, Teil 1 und Bestiary of Fictional Worlds, Teil 2.
Solange ich selbst keine Rezi zu China Miévilles jüngstem Roman »Kraken« rummwachsen lasse, hier als Trost ein informatives und offenherziges Interview mit dem Meister, das Jason Heller am 15. Juli für AV-Club geführt hat: Toying Around With The Mack-Daddy Of All Zap-Guns (Titel von Molo vergeben, nach einer Stelle aus dem Interview).
(Deutschsprachige) PHANTASTIK-FUNDE
Myriel, die fleissige Leserin, lieferte am 22. Juli eine geschickte und lobende Rezi zu Oliver Plaschkas hervorragendem Roman »Die Magier vom Montparnasse«.
Ich finde es immer spannend, wenn ›Genre-Leser‹ über den Tellerrand gucken und Sachen besprechen, die ›eigentlich‹ nicht als Exemplar aus dem Reich der Phantastik gelten. Gutes Beispiel: Thomas Harbach hat für »SF-Radio« zwei Bücher von Uwe Tellkamp verköstigt, »Der Eisvogel« und »Der Turm«.
WORTMELDUNGEN
Habe mich im Blog des von mir sehr verehrten Verlages Klett-Cotta gemeldet, bei einem Info-Filmchen zur deutschen Ausgabe von Tolkiens »Sigurd und Gudrún«, um Parkettboden-Alarm zu gebenxnb
Als komisch deklariert, aber doch schon auch sehr nützlich, erklären diese Filmchen des »Japan Culture Lab« uns Langnasen, wie sich traditionsbewußte Japaner benehmen. (Leider habe ich nicht alle Filmchen der Serie mit englischen Untertiteln gefunden. Es fehlen also die Einträge zu ›Grünem Tee‹, ›Süßen Nachspeisen‹, ›Reiskloßkneten‹ und Teil 3 und 4 von ›Mann wirbt um Frau‹).
tejime (手締め): Jubel-Klatschen bei förmlichen Anläsen wie z.B. Shareholder-Versammlung oder Vertragsabschluss;
shazai (謝罪): Kunst der Entschuldigung in verschiedensten Härtstufen, je nach Schwere des Vergehens;
dogeza (土下座): Weil schwerer als die anderen Entschuldigungen, ein eigener Eintrag nur für das, was bei uns als ›Kotau‹ bekannt ist;
origami (折り紙): Die Kunst des Papierfaltens, mit einem spektakulären Kampf zweier Meister;
hashi (箸): Ess-Stäbchen, wie man sie trennt und hält;
sushi (鮨): Wie man ein Sushi-Restaurant betritt, dort bestellt und bezahlt. Mit englischer Synchronisation;
kosai (Mann wirbt um Frau), Teil 1 und kosai, Teil 2: Superkomplex. Leider kann ich Teil 3 und 4 nicht finden.
Eintrag No.623 — Viel passiert die Woche. Dennis Hopper ist gestorben. Ich muss gestehen, dass ich »Easy Rider« bis heute nicht kenne. Und Hopper-Fans müssen gestehen, dass er peinlich oft in lauen und/oder trashigen Filmen den Bösewicht gegeben hat. Wer aber wissen will, wie gut er war, der gucke erst »Blue Velvet« (Hopper als völlig durchgenallt-dämonischer Bösewicht) und dann »True Romance« (Hopper als weiser, herzensguter Looser-Papa des von Christian Slater gespielten Helden).
Apropos Bösewicht: Roland Koch zog sich letzten Dienstag aus dem Rampenlicht der Politik zurück. Wahrscheinlich, um sich seine lava-festen schwarzen Handschuhe anzuziehen und weiße Fluffikatzen zu streicheln.
Lektüre: Komme wenig zum Lesen, aber wenn, habe ich derzeit meinen Spaß mit Ian Tregillis »Bitter Seeds« (Band 1 der »Milkweed«-Trio). Nach dem ersten Drittel (von 352 Seiten) kann ich sagen: Ist sehr fein. Erinnert mich an Kim Newmans »Anno Dracula«-Romane (obwohl: Tregillis erzählt weniger extravagant) und Scott Westerfields »Leviathan« (obwohl: Tregillis liefert kein Jugendbuch ab und ist entsprechend ›härter‹). Die Nazis haben in der ›Reichbehörde für die Erweiterung des germanischen Potentials‹ mittels Götterelektron-Verstärkern Superhelden-Krieger & -Agenten geschaffen. Die Engländer bekommen über einen ihrer Spione in Spanien Wind davon und wagen es, sich hilfesuchend an englische Warlocks zu wenden (die blieben bisher nämlich lieber unter sich und können mit traditioneller Blutmagie Elementare beschwören). — Ach ja: »Bitter Seeds« ist Ian Tregillis Debut-Roman, nachdem er bisher im »Wild Cards«-Anthologieteam Kurzgeschichten unter Geroge R. R. Martins Mentorenschaft veröffentlicht hat, und Mr. Tregillis hat eine umwerfend schöne Website (Link führt zur Blog-Abteilung). — Und hier gehts zur Galerie des Cover-Künstlers von »Bitter Seeds«: John Jude Palencar.
NETZFUNDE
In Sachen Copyright / Urheberrecht gibt es hier eine heftige Denkanregung zu bestaunen. Johanna Blakley erteilt als TED-Sendung »Lessons from fashion’s free culture« (»Lehren der freien Modewelt-Kultur«). In dem 16-minütigen (englischen) Vortrag erfährt man, dass es in der Modewelt kein Urheberrecht auf eimzelne Design-Ideen gibt, sondern nur eines auf Handelsmarken. Also, ein bestimmtes Muster, eine bestimmte Kleidform ect pp ff wird in der Modeindustrie nicht urheberrechtlich geschützt (wäre ja auch ein Unding, wenn man Lizenzen für Dinge wie Pagodenschultern, oder Picadilly-Kragen, bestimmte Abnähvarianten usw blechen müsste). Durchaus unter Schutz stehen aber die Marken-Logos von Channel, Gucci, Versace usw.
Sprung etwa in die 11 Minute des Vortrages: Verblüffend die Aufzählung von Industriefeldern, die mit äußerst geringem Schutz von geistigen Eigentum florieren: Nahrungsmittelrezepte und Aussehen, Gesamtform von Autos, Möbeldesign, Magietricks, Haarstilistik, Open Sorce Software, Databases, Tattoo-Künstler mögen kein Copyright (»Woll’n wa’ nich’. Iss’ nich’ cool, Dude«), Witze, Feuerwerkchoreographie, Spielregeln, Geruch von Parfumes.
(Ich hab den Vortrag direkt bei TED gefunden. Die »Perlentaucher« haben ihn über »BoingBoing« gefunden und am 28. Mai in ihrer Feuilletons-Rundschau die gleiche Stelle wie ich in ihrer Meldung zusammengefasst.)
»Die Welt« glänzt durch Weisheit und ein gutes Händchen, denn für die hat am 25. Mai Frank Fischer vom genialen »Umblätterer«-Team den ›Nachruf‹ anlässlich der letzten Folge von »Lost« schreiben dürfen: Das letzte Abendmahl
Andrea hat am Samstag Grand Prix geguckt, zusammen mit Tine, Daniel und Eric. Ich selber habe an dem Abend gearbeitet und nix mitbekommen. Doch dank diesem Live-Ticker in den »Reisenotizen« konnte ich dann zuhause fast sagen: ich war dabei.
Ab morgen kann man die Ausstellung »Zelluloid. Film ohne Kamera« in der Schirn Kunsthalle Frankfurt besichtigen. Das Team der Schirn überrascht mich mich immer wieder damit, wie kontraststark die Ausstellungsfolge, und wie effizient die Räumlichkeiten gestaltet wurden (vielleicht nicht immer passend für den Andrang von mehreren gleichzeitig herumwuselnden Gruppen). Diesmal begibt man sich in ein dunkles, großes Kleinkinowabenwerk, das auf mich wie ›Caligari goes New Wave‹ wirkt. Zu sehen (und hören) gibt es direkt auf Filmstreifen gezeichnete, geritzte, collagierte oder chemisch hervorgezauberte Kunst (im Katalog habe ich eine Frau sogar mit der Heinz Ketchup Flasche hantieren sehen). Meine beiden Lieblingsclips im Youtube-Kanal der Schirn sind: Ian Helliwells »Orbiting the Atom« und Jennifer Wests »Wearing Thick Heavy«.
So sieht das Haus aus, bei dem die Bücher »Q« und »Altai« von Wu Ming (ehemals Luther Blissett) auf Japanisch erscheinen werden. Ich hoffe, bald mal mit einer Rezi zu »Manituana« aufwarten zu können. Dieser historische Roman aus dem amerikanischen Unabhängigkeitskrieg hat mich schwer beeindruckt. Er wird aus Sicht der ›Native Americans‹ der Six Nations erzählt. Eine beeindruckende längere Strecke schildert, wie sich englandtreue Siedler, Indianer und Mischlinge zwecks Ersuchen von diplomatisch-militärischer Unterstützung nach London begeben. Die Exotengruppe aus der Ostküstenwildnis und ihr Blick auf die wuselige Gesellschaft Londons des Jahres 1775-1776 ist ›phantastischer‹ als viele Fantasy- oder SF-Stoffe.
Hurrah! Klett Cotta bringt eine Neuausgabe von »Gormenghast« heraus. Molochronikleser wissen, dass für mich die »Gormenghast«-Romane von Mervyn Peake wichtige Klassiker und Meisterwerke der ›anderen Fantasy‹ sind (die ›eine‹, also ›übliche‹ Mainstream-Fantasy ist natürlich jene, welche von Tolkien, Rollen- und Computerspielen geprägt wird). — Kai Meyer und Tad Williams durften Vorworte für die ersten beiden schreiben. Und: Klett Cotta wird wohl auch den vor einigen Monaten in England im Nachlass von Peake gefundenen, und von seiner Witwe Maeve Gilmore kompletierten vierten Band auf Deutsch veröffentlichen. — Hier die Titelbilder der ersten beiden Bände der Neuausgabe, die im August 2010 erscheinen sollen. Ich bin zear nicht superduperhappy (das Schloss links ist mir zu europäisch, die Farben zu knallig und die Ornamente etwas zu arschgeweihig) aber immerhin: viel schöner als die bisherigen deutschen Ausgaben. Ungeschickt finde ich, dass die Bücher wieder um die 22,– € kosten werden. Ein Preis, den wohl größtenteils nur Leute zu berappen willig sind, die Mervyn Peake bereits schätzen. Dabei bräuchten wir (weil die deutsche Fantasy-Szene viel zu Tolkien-dominiert ist) mal eine deutsche Taschenbuchausgabe von »Gormenghast«, einfach, damit mehr Leut den Zugriff beim Einkauf wagen.
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(Eintrag No. 588; Lyrik, Kunst, Gesellschaft) — Muss mal wieder Werbung für eine Ausstellung der Schirn Kunsthalle Frankfurt machen. Dort steht jetzt ein großes ›Statuen-Comic‹, welches kurz vor Beginn der chinesischen Kulturrevolution angefertigt wurde. Die Skulpturen-Gruppe »Hof der Pachteinnahme« zeigt die Ausbeutung der Landbevölkerung durch einen Großgrundbesitzer.
Vor diesen Figuren stehend
Schäumt mein Herz wie das wütende Meer;
Nicht die weit zurückliegende Vergangenheit wird hier gezeigt,
Sondern unser erbärmliches Gestern,
Als drei große Berge (*)
Das chinesische Volk zermalmten
Und ganz China ein ›Hof der Pachteinnahme‹ war.
Vor diesen Figuren stehend
Wird mein Herz von Hass geflutet;
Ich starre sie mit qualerfüllten Augen an
Und glaube die Hilfeschreie meiner Lieben zu hören;
Und instinktiv wird da meiner Hände
Griff um mein Gewehr fester.
Vor diesen Figuren stehend
Rinnen Tränen aus meinen Augen;
Tropfen in mein Herz hinein und verwandeln sich in Feuersamen,
und verwandeln sich Kugeln als sie auf mein Gewehr fallen;
Die Vergangenheit zu vergessen ist Verrat,
Die Verantwortung eines Soldaten ist schwer wie ein Berg.
Vor diesen Figuren stehend
Bringt lodernder Hass mein Blut zum Kochen;
Auf den fünf Kontinenten gibt es noch unzählige Landherren,
Gibt es immer noch unzähige Höfe der Pachteinnahme auf dieser Erde.
Zu den Waffen, Sklaven!
Vereint Euch und Kämpf bis zum Anbruch des Morgens.
Ein Soldat
(*) Imperialismus, Feudalismus und bürokratischer Kapitalismus.