Eintrag No. 657 — Schnell und dreckig hier meine heute im Laufe des Tages schnell zusammengetippen Eindrücke und Ratz-Fatz-Protokolle des ersten Tages des Gründungskongresses der ›Gesellschaft für Fantastikforschung‹.
Donnerstag, 30. Sept. 2010 — 07:58
Nun im Zug von Frankfurt nach Hamburg. Leichtes Unwohlsein bei der Anfahrt, was mir schon lange nicht mehr passiert ist. Merke, dass ich anders als ich es mir selbst eingeredet habe, ziemlich nervös vor Aufregung und Vorfreude bin. Die Sonne ist bereits aufgegangen, verbrigt sich aber hinter einem die Gesamtheit des Firmamentes verhüllenden zart-grauen Wolkenparavent, ja, einzelne Nebelbänke reichen herab bis auf den Grund, so dass mein Blick aus dem Zug keines Landschaftspanoramas, sondern nur einzelner Fragmente aus Bäumen, Feldern und vereinzelten Häusern ansichtig wird, ganz so, als auf Papierfetzen gezeichnete Skizzen an mir vorbeizögen. Keine zwanzig Minuten, und meine Übelkeit ist verflogen und meine alte Liebe für Eisenbahnfahrten erfüllt mich. — Verpflegung: das Cola von Red Bull und »Quicksilver« von Neal Stephenson als englisches Hörbuch.
›Cappuccino‹, Grindelallee — 14:46
Nach meiner Ankunft im A&O-Hostel (empfehlenswert, gleich beim Hauptbahnhof) erstmal das gemacht, was ich am liebsten in einer fremden Stadt mache: mich verlaufen. Also drei Stunden grob nach Gefühl nördlich durch Hamburg gelatscht; den Rathausplatz passiert; an den Verlagshäusern von ›Der Spiegel‹, ›Die Zeit‹ (Grusel! gleich gegenüber: Scientology) sowie ›Gruner + Jahr‹ vorbei. Letzteres hat mich sogar architektonisch beeindruckt. Die Wege, welche ich instinktiv einschlagen wollte, waren alle mit Baustellen verrammelt, und so wäre ich fast in Richtung Hafenstadt abgeirrt, konnte mich aber dann nach Konsultation des Sonnenstandes neu orientieren, fand so zum Hanseturm, den Messehallen und schließlich zur Grindelallee. War natürlich (Aberglaube Aberglaube – ganz Sternzeichen Widder) eine halbe Stunde zu früh vor Ort, habe den Kongressort besichtigt, dem netten Herrn Organisator Schmeink die Hand geschüttelt und tanke nun erstmal eine Runde heiße Schoko, Fritz Cola und Internet, und markiere mir im Kongressprogramm die Vorträge, die mich interessieren.
Hörsaal GfF — 16:22
Endlich Simon Spiegel in Persona getroffen und dann Anmeldung erledigt. Gigantisches Zuckerl im Kongress-Sackerl: Band 1 der Strugatzki-Werksausgabe von Heyne. Nun auch Frank Weinreich lebendfrisch die Hand geschüttelt (Frank gegenüber plagt mich ja ein schlechtes Gewissen, weil ich in seinem Blog meist nur besserwisserische Widerspruch-Kommentare platziere; aber ich schätze seine Texte sehr).
Vorrede Lars Schmeink: Sehr angenehm sein Gebrauch der Expeditions-Metapher. GfF soll Basis-Camp sein. Das überraschend große Interesse lässt die Hoffnung zu, dass aus der deutschsprachigen Gesellschaft in naher Zukunft eine europäische wird. Fein auch sein Ansatz, den ›Fantastik‹-Begriff weit abzustecken, damit all die verschiedenen Einzelunternehmungen berücksichtigt werden. Klare Unterscheidungen zu finden ist ein Ziel.
Diskussion: »Researching the Fantastic in the 21st Century«
Gunzenhäuser: Fantastik hat bemerkenswerte Präsenz ist auf dem Feld der Computerspiele (aber auch TV und Kino). Vor allem Spiele: Raum und Performanz wichtig.
Ruthner: Außenseiterthema in den 90ern (Wendelin Schmidt-Dengler empfahl, dem CV auch ernste Themen hinzuzufügen). Spezialgebiet Vampire, in letzter Zeit aber Entwicklungen (»Twillight«) die ihn zuwider sind. — Sieht 2 Strömungen der Fantatstik-Forschung: 1) Rhetorisch = linguistisch & strukturalistisch, nach Todorov; / 2)›Liminality‹ (ist wohl DAS neue Modewort in der akademischen Beschäftigung mit Fantastik … zumindest mir neu. Hab auch erst mal Wiki konsultieren müssen. Verlinkt habe ich den deutschen Eintrag, aber der englische ist, wie so oft, ergiebiger.).
Tomkowiak: Ebenfalls Außenseitererfahrungen im akademischen Betrieb (›Fantastik ist zu populär‹). Oft toter Punkt in Artikeln und Diskussion, wenn bestimmt werden sollte, was Fantastik ›genau‹ ist. Beschäftigung mit Paul Albrecht Müller (Nazi-Superhelden) erhellte, dass Fantastik viel mit Realität und Ideologie zu tun hat. Fantastik oftmals genutzt um Wissenschaftsprobleme z.B. der Unsterblichkeitsforschung zu veranschaulichen. Nun Forschung fantastischer Kinderliteratur & Filme.
Coelsch-Foisner: Wie die Fantastik-Phänomene und -Strategien mit Wirklichkeit interagieren und sie unterbricht. Körperlichkeit, Metamorphosen, Transformationen und Korrespondenz in Wissenschaft und Gesellschaft. — Besonderes Interesse an Fantastik-Entwicklungen nach Fall der Mauer; Fantastik und Erinnerungsorte! ›Fantastik-Effekt‹ der deformierten Füße von chinenischen Lotos-Damen. — Freut sich auf Kollaboration. Fantastik wirkt auf Alltagsleben ein.
Was ist neu auf dem Feld der Fantastik-Forschung im 21. Jahrhundert?
R: Großer Korpus gegenwärtiger Kunst, die fantastisch ist.
C-F: Erstaunt, dass sich niemand mit Fantastik in der Werbung beschäftigt! YES!!! — Identitäts-Konstrukte und Überschreitung von Grenzen.
G: Generationsfrage; junge Leute begeistern sich. Werkzeugkasten um über das Neue nachzudenken, sich ihm anzunähern.
Welche institutionellen Rahmenbedingungen für Fantastik-Forschung sind erwünscht?
R: Nationalliteratur-Foschung erscheint ihm Schrebergartenhaft GENAU!. Kollaps der Geisteswissenschaften im anglo-amerikan. sorgt dafür, dass Leute aus unterschiedlichen Disziplinen nun miteinander reden. — Fantastik wurde zum Mainstream (deshalb seine Nostalgie).
C-F: Literatur zu einer Rückkehr verhelfen, Fantastik reizvoll für junge Leute. Natürwissenschaftler-Kongress zeigt deren Interesse an Fantastik.
T (zu R): Wegen Nostalgie-Klage. Unterscheidung U- und E-Kultur sollte aufgegeben werden. In der Schule muss man mit Mainstream anfangen, um die jungen Leute abzuholen.
R: Fühlt sich missverstanden. Meinte Kulturindustrie, die ›Verkindergartung‹ der Fantastik geht von ihr aus. Börsenhandel der ganzer Länder verwüstet; was könnte ›fantastischer‹ sein?
Auditorium-Fragen
Frage nach nicht-fiktionaler Fantastik; 1) Wie ist das Verhältnis von Fiktion und Fantastik? / 2) Verhältnis europäischer und amerikanischer Fantastik-Forschung?
R: Zu 1): Kulturwende, alles ist konstruiert, alles fiktionalisiert. Fantastik ist Sonderfall der Fiktion. Wirtschaftstheorie ist ebenso Fantastik wie Asimov oder Tolkien.
C-F: Zu 1): Wie Museen Geschichte vermitteln. Zieht ›Narration‹ den Begriff ›Fiktion‹ vor. / Zu 2): Großes Interesse der USA an Osteuropa.
Geld war immer schon Fiktion, wir behandeln als aber als etwas Wirkichliches. Das Fantastische ist nicht mehr so fantastisch. Also: Ändert sich nicht etwas an der Funktionsweise, wenn etwas ehemals Marginalisiertes nun hochpopulär wird?
C-F: Fantastik ändert sich dauernd und überschreitet sich selbst.
Grenzüberschreitung. Wegen Sprache: Europa viele Sprachen, in Spanien lebendige Entwicklung; wird Englisch hegemoniale Sprache der Fantastik-Foschung und der GfF?
Schmeink: GfF beginnt als deutschsprachig, auf europäischer Ebene ist Englisch aber Austauschsprache. Schönes Ziel wäre, mehr verschiedene europäische Texte ins Englische und Deutsche zu übersetzen.
Kapitalistische Wirtschaftstheorie wie Märchen: ›keiner‹ denkt, dass sie wahr ist, aber man glaubt willentlich daran, weil man es für das Bestmögliche hält.
T: Beispiel Dan Brown, Leser beginnen dessen Verschwörungsgeschichte zu glauben. Kräfte die gegen die Menschheit vorgehen … da trifft sich die Börse mit der Fantastik.
R: Siehe großer Aufschwung der Fantastik in Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg. — Fantastik als Facette der Andersartigkeit; Identität, Spiegelbild und Projektion. Vorschlag des Studienfelds ›Kultur-Teratologie‹ (= etwa: ›Kulturelle Monsterkunde‹).
Was ist pragmatischer Zusammenhang zwischen Geldern für Fantastik-Forschung und deren Beliebheit?
G: Fantastik immer noch nicht allzu akzeptiert im akademischen Bereich, trotz deren Beliebheit.
R:›Gentrifizierung‹ der Fantastik an Unis. Fantastik-Forschung nur die nächste Modewelle, hat er so nicht erwartet.
C-F: Hat Erfahrung gemacht, dass sich viele Leute aus verschiedenen Fachbereiche für Fantastik interessieren. (Salzburgs Life-Science-Direktor ist SF-Fan — Hört Hört!). Fantastik kann zu vielen Forschungsfeldern Beitrag leisten: z.B. Trauma-, Kriegs-, Propaganda-Studien. Fantastik wurde da noch nicht hinreichend gewürdigt! YES
(Trommelwirbel) Deutsche Frage: Englisch = Einbahnstraße. Begriff des Fantastik so weit, spielt schon ins Spiritistische. Sieht wenig Zusammenhang mit Film & Literatur. Sind mehr Mythen des Alltags. Wo ist der Anschluss an Literatur?
C-F: Siehe Fandom und Fan-Fiction, also Literatur spielt durchaus eine große Rolle bei Fantastik-Forschung.
Findet problematisch, dass Fantastik-Begriff der GfF sehr weit ist. Was ist Unterschied zu Mythos?
G: Deshalb fasziniert sie Fantastik, sie kehrt stets wieder, ändert sich, hat eben auch mythische Qualität.
Fantastik-Aufschwung durch neue Technologien gefördert?
G: Neue Medien vermischen verschiedene Kulturen. ›Neue Fantastik‹ hat mit diesen neuen Technologien zu tun (Computer, Filme).
C-F: Technologie beeinflusst Fantastik und vice versa.
R: Fantastik ist Schatten der Moderne.
70er- und 80er-Jahre wurde Fantastik niedergemacht von der Ideologiekritik.
R: Verstehe. Gustavson: »F. = reaktionär«, schon klar. Gibt aber auch z.B. feministischen Einsatz für die Fantastik.
G: Viele Beispiele für Fantastik, die von politischen Bewegungen genutzt wird, natürlich verschiedene Anwendungen möglich.
Frage nach der Fantastik und Phantastik.-Unterscheidung. ETA Hoffman = PH und »Twillight« = F, und wie kann ein Werk (z.B. »Harry Potter«) vom einem zum anderen werden? Bestimmte Fantastik tut sich schwer, ernsthaft besprochen zu werden, andere hatte diese Probleme nie?
C-F: Das war nie so klar. Blickwinkel ändern sich. Mary Shelly-W. war in den 70 die Frau von Shelly… nun ist es umgekehrt. Hängt von Klassifizierung ab.
Verlegerfrage: Anteil von fantastischen Werken war nie so groß wie heute. Früher war Fantastik subversiver, gegen den Massengeschmack gerichtet.
R: Vielleicht ähnlich wie ›Pornofizierung‹ der Gesellschaft, nun eine ›Fantastikisierung‹ der Gesellschaft?
C-F: Dramatische Veränderungen in Gesellschaft. Einige fantastische Schreibweisen beschäftigen sich genau damit, wie man mit großen Veränderungen umgeht, fertig wird.
Ausklang: Foyerumtrunk und Häppchenmampfen zusammen mit Simon, Jörg Hartmann und Melanie Knaup. Anschließendes Geplausche in einem Eiscafe mit Simon und Melanie (die tapfer uns Labermännchen ertragen und Paroli geboten hat). — Auf dem Weg ins Hostel noch mal für eine Stunde in St. Georg verlaufen. Leicht gruselig die Prostituierten und ein Typ, der mir erklärt, dass er sich in meinem Windschatten, genauer, vor mir herlaufend mit mir als Sichtschutz, den Blicken irgendwelcher ihm Übel wollender Menschen entziehen muss. Ich tue so, als ob ich kein Deutsch verstehe: »I don’t understand a word you say … Suite yourself … Take care.« — 00:20 Richtung Bett.
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Es war einmal ein Maler, ein fröhliches Blut, aber ein armer Schelm und zwar ein doppelter, den er hatte zugleich den Schelm im Nacken; darum fehlte es ihm auch an Gönnern und Beschützern; die reichen Leute wollten sich nicht von ihm malen lassen, weil sie ihm nicht trauten und die armen Leute, nun, die lassen sich von Natur nicht malen; die sind jetzt schon sehr froh, wenn ihnen nur Nichts weiß gemacht wird und man sie nicht bei ihren Vorgesetzten oder Brotherren anschwärzt; von bunten Farben ist also bei ihnen nicht die Rede, denn das Leben macht es ihnen oft bunt genug. Besagter Maler aber war sehr übel daran; er gehörte zu gar keiner Schule, weder zu der Münchener, noch zu der Düsseldorfer, weder zu der Dresdener, noch zu der Berliner, ja nicht einmal zur Filial in Leipzig noch zu der großen Porzellanmalergilde aus dem Thüringer Walde oder zur Dosendeckel-Akademie in Schmölle oder Braunschweig. Daher bekam er auch von nirgends her Aufträge und hatte weder Fresken für eine Dorfkirche noch Mimilis für einen zukünftigen Fabrikanten auf Papier-Masche zu liefern; er malte nur für sich und war sein eigener Gönner, sein eigener Kunstverein und sein eigenes Publikum. Reich wurde er dabei just nicht, auch nicht immer satt; die Farben gingen ihm zuletzt aus; er behielt nur etwas Weiß auf seiner Nase und Schwarz in seinem Geldbeutel, denn Schwarz entsteht bekanntlich aus Mangel an allen anderen Farben und ferner aus Mangel an Licht, und wo kein Geld ist, da kann es nicht leuchten, wo es aber nicht leuchten kann, wird es nie eine Finsternis vertreiben.
Kein Prediger auf der Welt predigt so nachdrücklich und so eindringlich als der Überfluss an Geldmangel; diese Predigten aber bekam unser Maler so oft zu hören, dass er doch endlich auf den Gedanken fiel, er müsse einen neuen Adam anziehen. Der alte Adam, der im Paradiese nämlich, faulenzte, der neue aber, der außerhalb des Paradieses, musste im Schweiße seines Angesichts sein Brot essen. Diesen neuen Adam nun zog unser Künstler an und beschloss für Geld zu arbeiten und zwar weder Fresken noch Ölbilder, weder Stillleben noch Portraits, sondern Karikaturen zu liefern. Er hatte nämlich gehört, dass Karikaturen, wenn sie recht zeitgemäß sind, abgehen wie warme Semmeln, und da ihm die warmen Semmeln lange abgegangen waren, so dachte er, es sei doch besser, seine Karikaturen gingen ab und die warmen Semmeln kämen zu ihm. Es war damals gerade eine bewegte Zeit, das heißt, es war ein langer Friede und die Leute hatten eigentlich Nichts zu tun, sondern machten sich nun allerlei zu tun und zwar meist allerlei Unnützes, und dadurch entstand Hader und Streit, wodurch die ganze Welt wirklich zu tun bekam, freilich auch Unnützes. Die Polizei musste spionieren, das Militär füsilieren, der Gerichtshof inquirieren, die Ärzte trepanieren {= operatives Verfahren zum Öffnen von fest, z.B. durch Knochen, umschlossenen Körperräumen; Beispiel: Kopf aufbohren}, die Censur damnieren {= jmd. Verurteilen, verdammen, verwerfen}, die Zeitungen referieren, kurz das -Iren spielte durch alle Variationen des Grundthema’s und unser Maler glaubte, nun sei die beste Zeit, die Zeit selbst zu karikieren. Dabei ließ er sich aber vom Teufel verführen, seine Zeichnungen mit Worten zu illustrieren, und nun ging es ihm schlecht, denn nun ging es an ein Confiscieren, Inquirieren und Inhibiren {= hemmen, lindern}, Nichts half sein Protestieren, man drohte ihn zu exilieren, denn er war kein Eingeborener und am Ende fand er, es sei das Geratenste sich zu skisiren {= ›sich entschuldigen‹ im Sinne von ›aus dem Staub machen‹}. Glücklicher Weise ließ sich das leicht bewerkstelligen; er hing seinen Stubenschlüssel an den Schlagbaum dicht vor seinem Hause, schlug einen Purzelbaum und war im Nu über die Grenze in eines anderen Herren Land.
Aber was jetzt beginnen? ― Hungrig war der arme Schelm immer noch, satt wollte er werden, und ein anderes Mittel sich zu sättigen als seine Kunst hatte er nicht. Die Kunst musste nach Brot gehen, und bei diesem Gehen ging es ihr, wie es ihr eben so oft geht, sie fand keins und wurde vor der Zeit so müde, so müde, dass sie am Ende vergaß, dass die Kunst nur um ihrer selbst willen auf der Welt sei, und meinte, sie sei eigentlich nur geschaffen, um sich von anderen Leuten misshandeln zu lassen oder zu hungern.
Solche und ähnliche Gedanken gingen unsere Maler durch den Kopf, und verstimmten ihn immer mehr, je mehr er fühlte, dass je voller er den Kopf habe, desto leerer sei sein Magen.
»O! diese Welt, diese Welt!«, rief er erbittert aus und wollte noch Allerlei hinzusetzen, als plötzlich eine fremde Stimme vernahm, die zu ihm sagte: »Thor! Wenn Dir diese Welt nicht behagt, warum machst Du Dir nicht eine andere? Du hast ja die Mittel dazu von der Natur empfangen.«
Erstaunt blickte er auf und sah eine junge schlanke Dame vor sich stehen, die zwar nicht nach der neuesten Mode gekleidet, deren Tracht aber stets neumodisch war, denn sie war hübsch und ihr ganzer Anzug erhöhte ebenso ihre Reize, wie ihre Reize ihren Anzug.
»Gehorsamer Diener!«, sagte der kleine Maler, »mit wem habe ich die Ehre?«
»Du kennst mich nicht?«, erwiderte sie erstaunt. »Du kennst mich nicht! Nein, das geht ja über mich selbst hinaus!«
»Ja«, entgegnete er, »das mag wohl sein, aber damit weiß ich immer noch nicht wer Sie sind und was Sie von mir wollen? Sind Sie die Dame Censur? Von der habe ich immer gehört, sie ginge in Sammet und in Seide und schnitte sich selber die Gewänder zu, dass ja Alles recht genau auf ihren Leib passe.«
»Nicht doch.«
»Aber die Dame Pressefreiheit können Sie nicht sein, denn sie ist eben keine Freundin von verhüllenden Gewändern.«
»Nein, auch nicht, doch sind wir Geschwisterkind und soll ich mich frei bewegen, darf sie nicht fern sein. ― Ich bin die Phantasie.«
»Oh!«, sagte der kleine Maler und schlug wieder einen Purzelbaum, »das ist ja scharmant. Du willst mir gewiss den abscheulichen prosaischen Hunger stillen, der mich schon so lange plagt, denn sonst wärst Du ja keine Göttin und am Wenigsten meine Göttin.«
»Stillen! So weit geht meine Macht nicht, aber Dir helfen ihn zu vergessen.«
»Ach Gott! Der Hunger hat ein gar zähes Gedächtnis; er ist wie ein Kettenhund der im Hofe meines Magens liegt und wenigstens knurrt, wenn er nicht beißen kann.«
»Du wirst ihn vergessen, wenn Du Dir eine neue Welt schaffst.«
»Wie soll ich das anfangen?«
»Wirf Dich mir in die Arme!«
»O, mit dem größten Vergnügen!«
Gesagt, getan! Der kleine Maler schlug keck den Arm um sie und fasste sie »mit feurig schlauen Blicken wohl um die schlanke Hüfte frei« und sie schwang ihren Zauberstab. Sie war größer als er und er daher, um ihr gleich zu sein, auf einen kleinen Erdhaufen gestiegen, der unter seinen Füßen zerbröckelte. Als er nun näher hinschaute sah er, dass das kein kleiner Erdhaufen, sondern die ganze alte Erde sei, der er einen tüchtigen Knacks gegeben. Den Nordpol hatte er eingedrückt, das Eismeer war übergelaufen und das Eis natürlich von der Friction {= Reibung} geschmolzen; den schlimmsten Riss hatte Europa bekommen. Das Menschengeschlecht war dabei untergegangen und nur einige vorsündtflutliche Sparbüchsen und Runkelrüben hatten sich gerettet und wussten nicht, wohin. Ein dicker Blasebalg sah sich die Sache von Weitem grämlich an und seine Frau die Feuerzange stand hinter ihm und schlug vor Verwunderung die Beine zusammen; sie waren Beide wie Philemon und Baucis, denen die Hütte abgebrannt ist. Neben der Phantasie gestaltete sich aber unmittelbar unter ihrem Zauberstabe eine neue Welt und aus dem Wasser kamen schon allerlei Geschöpfe, noch ehe sie halb fertig war, um sie zu bevölkern. Ein himmellanger Tambourmajor hatte bereits von ihr Besitz genommen, aber ein Bär mit einem Menschenkopfe kam und demonstrierte ihm, dass sein Reich nicht von dieser Welt sei. Hinter der alten Erde standen allerlei Mammuthe und Leviathans die durch den Eindrückungsprocess wieder lebendig geworden und gern auf die neue Welt wollten, damit die künftigen Naturforscherversammlungen Futter hätten für ihre Forschungen. Oben am Himmel ging es auch seltsam zu; Sonne, Mond und Wassermann, Zodiacallicht und einige halbgebildete Planeten guckten neugierig und teilnehmend zu; nur ein Komet zog hoch oben stolz seine Bahn und der abgesetzte Schütz des Tierkreises spielte Fangball mit den Sternen des großen Bären und einigen anderen Himmelskörpern, ohne sich um die neue Erde zu kümmern, auf der er doch auch hätte einen Wirkungskreis finden können, der seinen Kräften und Fähigkeiten angemessen war.
Der kleine Maler war außer sich vor Vergnügen und wollte sich gleich an das Werk machen; allein da er weder Farben noch Pinsel bei der Hand hatte, sondern nur Feder und Kreidestifte, so musste er sich mit bloßem Skizzieren begnügen, was seiner Freundin, der Phantasie, auch ganz recht war, die ihm versprach ihm nachher zu Hause bei der Ausführung mit Farben zu helfen. ― Aber was geschah nun: Feder und Kreidestifte wurden lebendig, erhoben sich aus dem Futteral in dem sie friedlich neben einem soliden Federmesser geschlummert, wuchsen zu menschlicher Größe an, erhielten halb menschliche Gestalt und fingen an sich ganz menschlich um den Vorrang zu streiten. ―
»Erst komme ich«, sagte die Feder, »ich schildere, und was ich geschildert habe, magst Du dann versinnlichen.«
»Warum nicht gar«, fragte der Kreidestift, der in einem messingenen Rocke mit langen Schößen steckte, Porte-Crayon genannt, »umgekehrt wird ein Schuh daraus. Erst zeichne ich, dann magst Du beschreiben. Ich
―― will nicht länger Diener sein, Will nun selbst den Herren machen;
ich habe Deine Tyrannei satt; Deine Inspirationen genügen mir nicht mehr; ich war zu bescheiden; ich will mich emancipiren, will meiner eigenen Nase nachgehen, mein eigener Führer sein! Verstanden?«
»O Himmel!«, rief die Feder aus, »so ein Kreidestiftchen will Redner sein, so ein Stiel mit seinem Styl prunken! – Unverständiger Jüngling, weißt Du, was Du beginnst? Wer war Deine Bonne? {Bonne = Dienstmädchen, Hausfrau} Wer hat Deine ersten Schritte in die Welt geleitet, wer Dir gezeigt, wie man Schatten und Licht gehörig zu verteilen habe? Wer führte Dich in das Heiligtum der Geister ein, sicherte Dich vor der Geißel der Kritik? Ich war es, ich tat es, ich ganz allein, und so dankst Du es mir! Zieh hin, Undankbarer, und mögen Dir Gummi elasticum und alles Weißbrot gnädig sein.«
Als die Feder diese Rede geendet hatte, schluchzte sie wie eine junge erste Liebhaberin in einem Trauerspiel. Der Kreidestift war aber ein zugespitzter Jüngling und die Jugend ist heutzutage aus Egoismus und Eitelkeit zusammengesetzt; er achtete daher der Klagen seiner früheren Gattin gar nicht – bisher hatten nämlich bei allen illustrierten Werken Feder und Kreidestift als ein treu verbundenes Ehepaar gemeinschaftlich gewirkt und die Feder als weibliche Hälfte, wie ganz natürlich, das Regiment geführt – und rief ihr zu: »Ich will nicht länger Dein Ehemann sein, ich will mich emancipieren, darum halte Deinen Schnabel!«
Über die abscheulichen Wortspiele, die er unmöglich von ihr, der Feingeschnittenen, gelernt haben konnte, sondern aus früherer unerlaubter Bekanntschaft mit gewissen, leichtsinnigen Federn sich bewahrt haben musste, geriet die arme Feder außer sich und weinte so laut, dass das Federmesser davon erwachte.
Das Federmesser, von Amts- und Rechtswegen Beider Vormund, reckte und dehnte sich, klappte sich auseinander, richtete sich auf, stellte sich auf seinen Spalter und sah die Beiden verwundert und zürnend an. Das Federmesser war ein solider Mann, hatte einen glänzenden Jabot und ein spitzes Toupe und trug einen Paletot von Schildplatt mit langer Taile und großen Knöpfen. Man sah ihm an, dass es sich seines Ranges, seines Wertes und seines Einflusses wohl bewusst war. Freilich hatte es im Dienste seines Monarchen, des Malers, nicht bloß die Feder, sondern zu Zeiten auch den Kreidestift corrigieren müssen und durch dessen Hartnäckigkeit am unteren Teile seiner Klinge einigen Schaden gelitten, aber es war doch noch immer ein rüstiger Beamter, eine wackere Stütze der Bureaukratie und eine einflussreiche Person. Im Gefühl seiner Würde fragte es daher streng: »Was gibt es hier? Warum weinst Du, liebe Penna?«
»Er will mich böslich verlassen!«, schluchzte die Feder, »will ohne mich eine Reise von Gott weiß wie vielen Lieferungen antreten; als ob es ihm ohne mich gelingen würde!«
Das Federmesser runzelte die sonst so glatte Stirn; der Kreidestift ließ sich aber dadurch nicht einschüchtern und erwiderte: »Ich brauche Dich nicht, doch bin ich gar nicht gesinnt, Dich, wie Du sagst, böslich zu verlassen; Du kannst mich in Apollo’s Namen begleiten, jedoch unter gewissen Bedingungen.«
»Und die wären?«, fragte die Feder bereits etwas beruhigt.
»Du gewährst mir volle Freiheit, zu verweilen oder fortzusetzen, wo, wie und wann ich es für gut finde. – Ich habe eine neue Erde zu entdecken und darzustellen; ein zweiter Columbus werde ich von einem unbekanntem Festlande Besitz nehmen. Ich will zuerst meine Fahne dort aufpflanzen und Niemand soll mir diesen Ruhm rauben. Du kannst meinen Geheimschreiber abgeben und meine ruhmreichen Züge schildern, jedes Mal wenn ich von ihnen zurückgekehrt bin.«
»Das darf ich doch auf meine Weise tun?«
»Behüte der Himmel. Ich werde Dir den Inhalt angeben und Du redigierst ihn ganz einfach, ohne fremde Gelehrsamkeit, ohne Citate, ohne überschwängliche Redensarten in gutem, ehrlichem und reinlichem Deutsch.«
»Nun wohl, ich bin es zufrieden; ich will ja Nichts als Deine treueste Freundin und Ratgeberin sein. Arm in Arm mit Dir, so fordere ich mein Jahrhundert in die Schranken!«
»Lieber Engel, nur keine Citate, selbst nicht aus Schiller. Eine Feder wie Du muss sich nicht mit fremden Federn schmücken wollen.«
»Verzeih«, sagte die Feder, »es ist eine alte pedantische Gewohnheit, ich will mich bemühen sie abzulegen.«
»Recht so, meine Kinder!«, sprach nun das Federmesser. »Als Eure Ehe beschlossen ward, als unsere Fürstin, die schöne Literatur, Euch ihren Segen gab, da rief sie mit Schiller, den sie vor Allem das Recht hat zu citieren: ›Seid einig! einig! Einig!‹ – Ihr seid es jetzt. Umarmt Euch! Ich wünsche Euch glückliche Reise; ich werde in der Stille Eure glorreiche Rückkehr erwarten; vielleicht bedürft Ihr dann Meiner. Also nochmals glückliche Reise und gute Nacht.«
Und es geschah wie das Federmesser gesagt hatte. Unter dem Geräusch der zärtlichen Umarmung des liebenden Paares schlummerte es ein.
»Nun mein Freund«, sagte die Phantasie zu dem Maler, »bist Du bereit?«
»Ja«, erwiderte dieser, »aber weder ich, noch das Volk da, das sich schon auf die Beine gemacht hat«, – der Schlingel von Kreidestift läuft mit einer brennenden Cigarre im Munde wie toll voran und seine arme Feder kann kaum nach –, »wir drei dürfen unmöglich die Helden dieser allerneusten Odyssee sein; wirklichen Personen schenkt die Welt nur mit Widerstreben Glauben. Hast Du keine besseren Helden?«
Die Phantasie schwang von Neuem ihren Stab und es erschien ein Kleeblatt von Heroen, wie nur sie allein zu begeistern vermag.
»Das sind sie, das sind die rechten!«, jubelte der Maler. »Das sind die Könige der Welt; alle Zeitungen huldigen ihnen; alle Leute schenken ihnen Glauben, Bauer und Bürger lassen sich zu Zeiten für sie totschlagen oder schlagen sich um ihretwillen die Köpfe blutig. Diese drei, sie sollen der Columbus, der Cortez, der Pizarro meiner neuen Welt und zusammen der Atlas derselben sein.
»Frisch an das Werk! Eilen wir, meine getreuen Diener einzuholen.«
Und siehe, am Arm der Phantasie, von ihr geleitet, vergaß der kleine Maler Hunger und Durst und durchschritt, ein neuer Mensch, die neugeschaffene Erde.
Hier endet das wahrhafteste aller Märchen und die Wirklichkeit beginnt.
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Eintrag No. 655 — Wie ich in meiner Empfehlung dieses Klassikers der Phantastik in »Stromern auf ungetrampelten Pfaden« (zu finden in »Magira – Jahrbuch für Fantasy 2010«) versprochen habe, werde ich in den kommenden Monaten Kapitel für Kapitel den Text von »Eine andere Welt« hier in der Molochronik zugänglich machen. Der Test von Plinius dem Jüngerem mit den Illustrationen von Grandville erschien 1844 in Frankreich, der 1847 eine deutsche Übersetzung durch die Hand von Goethes Sekretär Oskar Ludwig Wolff folgte. Diese Fassung habe ich mir erlaubt um erläuternde Links und Begriffserklärungen zu ergänzen, sowie die Rechtschreibung stellenweise für heutige Leser zugänglicher zu gestalten, ohne jedoch gänzlich den Charme der alten Schreibweisen zu tilgen.
Die kompletten Illustrationen einer alten französischen Ausgabe habe ich dem flick-Album von blaque jaques entnommen.
Apotheose des Doctor Puff.Puff erzählt seine Geschichte und beweist, daß die Welt einen neuen Glauben brauche.
I. Die Teilung der Erde.Woraus man, neben anderen Offenbarung über die Neugötter, erfährt wie sie aus Mangel an einem Viergroschenstück genötigt wurden, sich freundschaftlich in die Erde zu teilen.
II. Das Dampf-Concert.Von der wunderbaren Entdeckung, welche Dr. Puff machte, mit deren Hilfe er ein Riesenconcert geben und für sechs Silbergroschen zu Mittag essen konnte.
III. Eine Hand wäscht die andere.Bericht der Pickelflöte, Zeitung für Geist, Herz und Musik, über das Concert des Dr. Puff im Besonderen und die Dampfmusik im Allgemeinen.
IV. Die Erde in der Vogelperspektive.Schwadronarius, Neugott und Aerostograph, beurteilt die Menschen aus der Vogelperspective und empfindet tiefes Herzeleid 6000 Fuß hoch über dem Niveau des Straßenpflasters.
V. Der Fasching in der Flasche.Man wird die Notwendigkeit dieses Kapitels erst später einsehen, jedoch den Keim der Philosophie der Verkleidung, welche die Fortsetzung der Philosophie der Geschichte bildet, jetzt schon darin entdecken.
VII. Verkleidete Charactere, oder Verkleidungen von Characteren.Verkleidung eines deutschen Perfectum in das Griechische; Doctor Puff erfindet die Philosophie der Verkleidung als Fortsetzung der Philosophie der Geschichte. ― Entwicklung dieser von Gas erhellten Theorie.
XI. Eine Reise in den April.Wie Puff sich gezwungen sah, der Erfindung von künstlichen Gemüsen zu entsagen, und eine sehr lange Reise auf dem Papiere machte.
XII. Wie im Tiergarten!Sandsteinbildsäulen, Bäume, die im Sande nicht recht gedeihen, Kot, Staub.
XIII. Das Reich der Marionetten.Dieser Abschnitt muss unbedingt gelesen werden, denn man erfährt durch denselben Nichts über das Gliedermännchen und ebenso wenig über das Land, in welchem das Feuer kein Feuer ist.
XV. Eine eheliche Eklipse.Hier erfährt man die wirklichen Ursachen der Eklipse, welche 2000 Jahre vor der Erschaffung einer anderen Welt stattfand.
XVI. Liebesgeschichte des Gliedermännchen.Geheime Denkwürdigkeiten aus der mythologischen Zeit. Eines Zeyphir’s Autobiographie. ― Die Rache der Venus. ― Ein Gliedermännchen, das seine Flügel wieder erhält.
XVII. Ein Nachmittag im zoologischen Garten (1).Krack’s Manuscript, zweites Kapitel. ― Eindrücke und Documente für die Aprilreise erwartend, setzt Puff die Lectüre von Krack’s Manuscript fort.
XIX. Der Tod einer Immortelle.Nachdem er sein Kaoutschuk-Beefsteak und das zweite Kapitel von Krack’s Manuscript, beide gleich schwer verdaulich, zu sich genommen, geht Puff in einen Garten, um den Duft der Blumen zu atmen, und wird Zeuge eines Selbstmordes.
XX. Aerostatische Locomotionen.Doctor Puff, Neugott, führt nacheinander auf verschiedene Weise mehrere Luftfahrten aus, kehrt mit ungewöhnlicher Schnelle auf die Erde zurück und findet hier einen ganz unerhofften Empfang.
XXI. Die Geheimnisse des Unendlichen.Schwadronarius’ Wanderungen durch den Raum. Der Reisende entdeckt den Ursprung aller Dinge und noch einiger anderen.
XXII. Die Jahreszeiten.Schwadronarius sammelt in diesem Kapitel Stoff zu einem Gedichte auf die vier Jahreszeiten, von wegen Sonnenschein und Regen.
XXIII. Die Langen und die Kurzen.Puff entdeckt auf einer Inselgruppe den Urgrund aller gesellschaftlichen Unterschiede, aber es fällt ihm nicht ein, dies Motiv auf die Bühne zu bringen.
XXIV. Das junge China.Puff sieht die Morgenröte einer neuen Civilisation dämmern.
XXV. Ein Tag in Regulanum.Krack entdeckt das Altertum, das nicht verloren gegangen ist, knüpft frühere Bekanntschaften mit Patriciern, Tribunen, Rittern, Prätoren und Questoren von Neuem an, und findet Gymnasien, Athenäen, Lyceen, Koliseen, Odeen, Akademien und andere Anstalten und Monumente wieder.
XXVI. Himmlisches Geschmisch-Geschmach. Götter, Engel, Teufel.Hier erfährt man, was aus der Göttin des Ruhmes geworden ist, sowie eine Menge anderer Dinge, namentlich wie es die Teufel anfangen, die Engel zu quälen. ― Schadronarius wird durch die Liebe aufgetaut.
XXVII. Eheliches Wettrennen.Doctor Puff verläßt China. Reise zur Entdeckung eines Herzens und einer Aussteuer. Nach reiflicher Überlegung beschließt der Doctor, sein Glück noch zu vertagen.
XXVIII. Elysium und seine Freuden.Krack, der in den Schlummer der Tradition versunken ist, träumt, dass er nach Elysium hinabsteige, einem göttlichen ländlichen Vergnügungsorte, in welchem sich die Weisen wie Narren amüsieren.
XXIX. Krack’s Hölle. Ein Seitenstück zu Dante’s Hölle.Nur eine notwendige Ergänzung des Vorhergehenden. Krack, gleich allen Helden eines Epos, steigt in die Hölle hinab, gleichfalls vom Führer des Dante begleitet.
XXX. Die Hochzeit des Dr. Puff mit der Dame Censur.Doctor Puff, als Preis oben auf einer Kletterstange, erstrebt von mehr als elftausend Jungfrauen. ― Die Heirat durch das Wochenblatt.
XXXI. Die Metamorphosen des Schlafes.Ist nur eine lange Extase, durch die man jedoch erfährt, was aus Schwadronarius geworden, als ihn Armor augetaut.
XXXII. Die beste Regierungsform.Wieder auf die Oberfläche des Wassers zurückgekehrt, unterwirft Krack sämmtliche Regierungsformen einer staatswissenschaftlichen Prüfung, und erfindet ein unfehlbares Mittel, alle Menschen glücklich zu machen.
XXXIII. Das Ende der einen, wie der anderen Welt.So inhaltsreich, das eine Inhaltsangabe zu den Unmöglichkeiten gehört.
Epilog.
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Eintrag No. 653 — Kinder, was soll ich sagen. Bin derart eingespannt die Tage, dass ich außer Brotjob, Hausarbeit, erschöpft umfallen zu kaum was komme.
Seltsam: Ein Buchhandel- & Leser-Rezi-Portal hat mich angemailt und gefragt, ob ich an einem Linktausch interessiert wäre. Hab deren Seite auf die Schnelle geprüft, festgestellt, dass die unübersichtlich ist und der Inhalt nur ›das Übliche‹ bietet (= Popularität, also was das Durchschnittsgemensche so zusammenklickt, macht die Musik). Habe dann zuerst etwas planlos knapp zurückgefragt, was ein Linktausch bringen soll. — Antwort: Verbessert das Google-Ranking, bringt neue Leser, mehr Klicks. — Darauf ich: Technischer Nutzen von Linktausch schon klar, aber wie kommen Sie zu dem Eindruck, ich wäre an einem Linktausch mit einem kommerziellen Portal interessiert? — Hab dann geklärt, dass ich einer solchen Partnerschaft zwar nicht prinzipiell abgeneigt bin, aber im Falle dieses Onlinebuchhändlers doch Abstand davon nehme.
Film: Eigentlich wäre ich gerne in den neuen (schon zwei Jahre alten und endlich auch bei uns laufenden) Ghibli-Film »Ponyo« gegangen, hatte aber keine Zeit. — Stattdessen am Samstag, als Pausenkontrast zur Hausarbeit, »Kick-Ass« gegönnt. Zur Abwechslung mal wieder ein erträglicher, ja sogar amüsanter Nicolas Cage, und natürlich konnte auch ich mich dem Charme von Hit Girl nicht entziehen. Aber genau das ist ein Wurm des Filmes: er hat die falsche Hauptfigur. Ich fand Big Daddy und Hit Girl interessanter und habe mich mit Dave, alias Titelfigur Kick-Ass, ziemlich gelangweilt. Auch die Bösewichter blieben reichlich formelhaft und fad, obwohl der mich begeisternde Mark Strong den Unterweltboss spielt. Fazit: einige schöne Set Pieces und leider die Androhung einer Fortsetzung. Ca. 6 oder 7 von 10 Punkten.
NETZFUNDE
Im ›Guardian‹ gabs ein Treffen von David Attenborough (mir bekannt aus Kindertagen durch die dolle Doku-Serie »Das Leben auf unserer Erde«) und Richard Dawkins (dem ›Atheisten-Papst‹): Of mind and matter: David Attenborough meets Richard Dawkins.
›Telepolis‹ bietet einen Auszug aus dem Buch »Die Drogenlüge« von Mathias Bröckers: Die Drogenlüge und der Sündenfall. Selber habe ich nix (mehr) mit Drogen am Hut, außer gutem Kaffee, guter Schoko und Single Malt Scotch. Aber die im Text skizzierte Pathologisierung von Rauschkultur und die erschreckende Heuchelei der Politik bezüglich Drogen treibt mich um.
Bei ›Der Freitag‹ gibt es einen Blog-Lesezirkel zu Thomas Pynchons »Die Enden der Parabel«: Parabel – Freitag. Lustig, wenn man die ziemlich beknackten Beiträge mit den eloquenteren vergleicht.
Ebenfalls Fantasyguide: Oliver Kotowskis stellt auf seinem nächstem Zwischenstopp seiner phantastischen Weltreise, Lateinamerika, Bücher von Lucía Puenco, Ignácio de Loyola Brandão, Gabriel García Márquez, Mayra Montero und Carlos Fuentes, vor.
ZUCKERL
Interessanter Filmbeitrag von Kirby Ferguson zum Thema Remix-Kultur, inklusive einem ausführlichen Blog zur Doku:Everything is a Remix. Hoffen wir mal, dass die geplanten Teile 2 bis 4 noch folgen.
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{Diese Rezension erschien ursprünglich in »Magira 2009 — Jahrbuch zur Fantasy«, Hrsg. von Michael Scheuch und Hermann Ritter. Hier nun korrigiert und exklusiv um einige weiterführende Links erweitert.
Eintrag No. 652 — Vor zwei Jahren habe ich von meinem Entzücken über die mannigfaltigen Mimikri- und Formenspielereien berichtet, die Jeff Vandermeer in seinem seltsamen Collageroman »Die Stadt der Heiligen & Verrückten« veranstaltet. Als jemand, der sich in zupass kommenden Musen-Stimmung sehr gern auf derartig verknobelte Verkleidungs- und Verschachtelungsgrillen einlässt, befriedigt es mich außerordentlich, mit welch großer Aufmerksamkeit (und oft auch mit welch ansteckenden Elan und/oder erhellendem Geschick) sich in den verschiedensten Medien Mark Z. Danielelwskis (*1966) monströsem »Das Haus« gewidmet wurde. Das ist um so erstaunlicher, da dieses Buch seinen Lesern äußerst fiese hermeneutische Spanische Stiefel umschnallt. Mit fortlaufender Lektüre wird der ›Schmerz‹ den Verwirrung und Undurchdringlichkeit zeitigen immer heftiger, und bescherte zumindest mir wonnigliches Ungemach. Ja, eine Zeit lang habe ich »Das Haus« pausieren lassen, da es mir Alpträume und Anflüge von Beklemmung bereitete (was aber meinerseits nicht zu Abneigung gegenüber dem Buch führte, sondern im Gegenteil, meinen Respekt und meine Wertschätzung für Danielewskis Schreibmacht weiter steigerte).
Nun, seit ich den Brocken einmal erklommen habe, rumort dessen Nachwirkung bis heute in mir weiter: Wie ernst soll ich diesen ausgeklügelten Irrwitz nehmen? Ist »Das Haus« lediglich ein elaborierter, unheimlicher Jux? Warum schaffte es dieses Teil trotzdem, mich so nachhaltig zu beunruhigen? Solche Resummee-Unsicherheiten kann man auf zweierlei Wiese vermeiden: zum einen natürlich schlicht, indem man die Finger von solchen Zumutung lässt und einen großen Bogen um das »Das Haus« macht. Nicht umsonst lautet das erste Empfangs-Motto »Dies ist nicht für Dich«. Wer dennoch frohen Mutes der Meinung ist, dass »Das Haus« etwas für ihn sei, der kann (und sollte) sich auf heftige emotionelle und intellektuelle Wechselfälle einstellen, und vielleicht wird ihm oder ihr dann auch das sehr seltene Schmökerabenteuer zuteil, dass gerade die zunehmende Verunsicherung einen Reiz liefern kann, die mit (in Ermangelung eines besseren Ausdrucks) besinnlich-verstörendem Leseglück vergolten wird.
Das Buchlabyrinth beginnt mit einer Einleitung aus dem Jahre 1998 von Johnny Turant, einem kalifornischem Tunichgut-Twen der in einem Tattoo-Shop Hilfstätigkeiten verrichtet, kreuzunglücklich in eine ältere Stripperin verknallt ist, und ansonsten mit seinem Kumpel Lude sauf- und auch sonst drogenfreudig durch die Kneipen der Stadt zieht und glücklosen sexuellen Eskapaden nachgeht. Das (für mich) große Hauptthema stimmt bereits der erste Satz an, in dem Johnny schreibt, dass er immer noch Alpträume bekommt. Wovon? — Also: kurz nachdem er von seinem Vermieter rausgeworfen wurde, vermittelt ihm Lude in seinem Mietshaus eine freigewordene Wohnung. Ein exzentrischer alter Mann, ein Katzenopa, ist dort gestorben, und in der nun von Johnny bezogenen Bude dieses Herrn Zampano findet sich eine Kiste mit einem ungeordneten Konvolut unterschiedlichster Manuskriptseiten und Notizen. Johnny macht sich daran, diese Papiere zu sortieren und das Ergebnis bildet den Hauptteil von »Das Haus«, ein Großessay mit dem Titel »The Navidson Record«. Dreiundzwanzig Kapitel umfasst dieses seltsame, über und über mit Fußnoten gespickte Manuskript. Zampano schreibt darin in sehr sachlicher, analytischer und unaffektiver Sprache über den Meisterphotograph Will Navidson, seine Frau Karen Green (ein Ex-Model) und deren beiden Kinder Chad und Daisy[01]. Will hat für seine Photoreportagen über Expeditionen in die Wildnis und in Krisen- und Kriegsgebiete Publizer-Preis-Ruhm einstreichen können, doch nun soll Schluss sein mit gefährlichen Touren. Um die durch Wills oftmalige räumliche Ferne abgekühlte Ehe und die Eltern-Kind-Harmonie zu fördern, ziehen die Navidsons in ein abseits stehendes Haus in der ländlichen Provinz von Virginia. Immer noch ganz Dokumentarjunkie, installiert Will zig Videokameras um in Big Brother-Container-Manier das neue Lebenskapitel einzufangen, um festzuhalten, wie Menschen sich eine neue Umgebung aneignen. Doch ein kosmischer Schrecken von buchstäblich unfassbaren Ausmaßen ist dem Haus, das sie bezogen haben, eigen. Ganz langsam und sachte zieht Danielewski die Unheimlichkeitszwingen fester. Zuerst befindet sich plötzlich in einem Wandschrank eine weitere Tür ins benachbarte Kinderzimmer. Bald darauf stellt sich nach mehrmaligen Vermessen heraus, dass das Haus Innen um einige Inch größer ist als Außen. Bald darauf sind es nicht nur marginale Größenunterschiede, sondern hinter der geheimnisvollen Tür befindet sich auf einmal ein aschgrauer Gang in einen großen Vorraum, von dem aus man eine riesige Halle betritt in deren Mitte eine große Wendeltreppe scheinbar in endlose Tiefen führt und viele weitere Gänge zweigen in ein dunkles Labyrinth aus Korridoren und Zimmern ab. All diese rätselhaften Räume befinden sich im Inneren des Hauses, und sind doch zum verrückt werden vieles umfangreicher als das Haus selbst. Und da sich bei Danielewski dem Leser auch klassische Mythen entgegenräkeln, lauert, wo ein Labyrinth, irgendwo auch ein Minotaurus.
Seine eigenen Erkundungen in dieses Reich der Dunkelheit filmt Will, und sein Zwillingsbruder Tom sowie der seit einem Unglück auf einen Rollstuhl angewiesene Freund Billy Reston leisten der Familie Beistand, um dem Raum-Mirakel auf den Grund zu gehen. Schließlich heuert man den machohaften Profi-Abenteurer Robert Holloway nebst zwei Assistenten an, um die Geheimnisse der Hausdimension auszukundschaften. All das wird so minutiös sie es vermögen von der Familie und ihren Helfern auf Film und mit Photos gebannt und Will (und zum Teil seine Frau Karen) stellen aus dem gewonnenen Material später einen »Blair Witch Project«-artigen Film mit dem Titel »The Navidson Record« zusammen, der von Zampano ausführlichst beschrieben und kommentiert wird.
Diese Inhaltsskizze ist nun übersichtlicher geraten als »Das Haus« tatsächlich ist, denn das Buch bombardiert seine Leser mit falschen Fährten, einerseits getilgten Informationen und andererseits einer Informations- und Zeichenflut, mit Andeutungen und Widersprüchlichkeiten, dass einem ganz schwummrig wird. Die brachialste Ironie des Buches ist vielleicht, dass der alte Zampano blind gewesen ist. Wie konnte er also derart detailversessen über einen Film schreiben? Viele der von ihm in Fußnoten genannten Bücher, Artikel und Interviews über den Film sind pure Erfindung, und das Parodiespiel welches Danielewski dabei mit den fiktiven Titeln und den Verlagsnamen treibt ist oft ziemlich witzig[02].
Eine weitere, die Lektüre verkomplizierende Ungebändigkeit von »Das Haus«: Dreimal werden längere Exkursionen in die finsteren Eingeweide des Hauses unternommen, bei denen dann die Buchseiten selbst alle herkömmlichen Formatierungs-Gepflogenheiten hinter sich lassen. Die Unmittelbarkeit und damit einhergehende Beunruhigung (und gottseidank auch manchmal Belustigung und Verblüffung) mit der mir als Leser der Wahn in einer aus zu vielen Zeichen zusammengeballten Dunkelheit auf den Pelz rückte, hat mich in größtes Erstaunen versetzt. Mal kriecht der Text beengt durch schmale Schächte, dann steht er kopfüber, längs oder quer, immer in kunstvoller Analogie zu den im Haus-Labyrinth umherirrenden Figuren[03].
Klingt immer noch eigentlich verhältnismäßig übersichtlich? Nun, ich habe noch nicht von Johnnys Textbeigaben erzählt. Immer wieder, vor allem, wenn ihm Zampano’sche Ungereimtheiten im »Navidson Record« auffallen oder beunruhigen, kommentiert Johnny Tunichtgut ausführlicher und hebt ab, abschweifend von paranoid-halluzinatorischen Krisen seines eigenen Lebens zu erzählen. Der Kontrast zu der distantiert-kühlen aber genau beobachtenden Essaysprache Zampanos könnte kaum größer sein, denn Johnnys urbane Slacker-Prosa ist rauschhaft und subjektiv, entblödet sich leidenschaftlich, plappert mit manisch-depressiver Verve über Drogentrips und Fickspielchen, tischt Flunkereien und Geständnisse über Kindheits- und Jugendtraumatas und über Ausreisserglobetrotterei auf. Und, wie bereits gesagt, am unheimlichsten ist, wie Johnny durch seine Lektüre von und seiner Mühen mit Zampanos Manuspkript schön langsam durchdreht und allen Halt verliehrt, wenn das Grauen des Hauses der Familie Navidson mittels Sprache auch auf sein Leben übergreift.
Am meisten Respekt flößt mir bei »Das Haus« wohl die Könnerschaft Danielewskis ein, mit der er aus eigentlich sehr einfachen Ausgangsprämissen ein gigantisches Spiel über die Unsicherheiten des Menschseins aufführt. Das Buch treibt mit voller Absicht seine Komplexität viel zu weit, als dass irgendjemand ihrer Herr werden könnte. Aber das Fundament bildet schlicht der irritierend einfache Umstand, dass das Verunsicherung verbreitende Unbekannte nicht zuvörderst im andersweltlichem Dunklen lauert, sondern sich schon in den Vermittlungslücken verbirgt, die zwischen einander nahestehenden Menschen klaffen, sowie in den nicht einsehbaren und fremdbleibenden Winkeln unseres eigenen Selbst.
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Mark Z. Danielewski: »House of Leaves«, The Remastered Full-Color Edition; 709 Seiten; Pantheon Books 2007; ISBN: 0-375-70376-4
Deutsche Ausgaben — Gebunden:»Das Haus«; aus dem Amerikanischen von Christina Schünkle; s/w-Abbildungen, Lesebändchen; 797 Seiten; Klett-Cotta ; ISBN: 978-3-608-93777-0.
— Taschenbuch: 832 Seiten, BTB 2009; ISBN: 978-3-442-73970-7.
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ANMERKUNG:
[01] Als Soundbeispiel hier eine Passage, in der Zampano aus einem fiktiven Essay zitiert; »The Navidson Record« Kapitel IV, Seite 44:
Rätsel: Sie können entweder Freude machen oder auch Qualen bereiten. Die Freude liegt in der Auflösung. Antworten sorgen für strahlende Momente von Verständnis, genau das Richtige für Kinder, denn Kinder leben noch in einer Welt, in der Lösungen allzeit greifbar sind. Die Form des Rätsels birgt in sich das Versprechen, dass sich der Rest der Welt genauso einfach entschlüsseln lasse. Und so beruhigen Rätsel den kindlichen Geist, der angesichts all der vielen Informationen, die ihn bedrängen, und all der vielen Fragen, sich sich daraus ergeben, wie wild rotiert und kreiselt.
Die Welt der Erwachsenen erzeugt dagegen Rätsel von anderer Art. Rätsel, auf die es keine Antwort gibt und die man nicht selten geheimnisvoll oder paradox nennt. Der alte Anklang an die Form des Rätsels aber korrumpiert gleichsam diese Fragen, indem er ein ums andere die grundlegendste Lektion wiederholt: Es muss eine Antwort geben. Daher rührt die Qual.
[02] Empfehlung für alle die mit derartigen intertextuellen und selbstbezüglichen Textwelten noch minder vertraut sind: Gerhard Wolpert: »Hypertextantrieb – Ein Reiseführer in postmoderne Erzählwelten« (Kampsuhr Verlag, 1999) legt in 10 einfachen Lektionen dar, wie man in einem Roman Verweise und Zitate (sowohl selbstbezügliche wie solche zu anderen Romanen und Medien) erkennt, in welche Klassen man diese sortieren kann, und wie man Sinn und Lesefreude aus ihnen herausquetscht und konserviert. Nützlich vor allem Dank seiner vielen Tabellen, farbigen Karten und Risszeichnungen. ••• Zurück
[03] Auch wenn Danielewski dem ›Genre‹ (post)moderner Formsperenzchien mit »Das Haus« ein triumphales Werk hinzugefügt hat, wäre es übertrieben, ihn diesbezüglich als Pionier einzustufen. Ich verweise darauf, dass dem Lesepublikum derartige (post)moderne Prosaexperimente bereits mit Laurence Sternes »Tristram Shandy« (1760-1767) dargeboten werden und als weitere markante Lieferanten solcher Textlabyrinthe können gelten: Arno Schmidt (»Zettel’s Traum«, 1970) Raymond Federman (»Alles oder Nichts«, 1971, dt. Die Andere Bibliothek 1986), Julio Cortázar (»Rayuela – Himmel und Hölle«, 1974, dt. Suhrkamp 1981). ••• Zurück
Eintrag No. 650 — Mache eine Phase von Spätsommer-Müdigkeit durch.
Spazieren gewesen, was ich bei leichtem Regen, kühl-milden Temperaturen sehr gerne tue. Einmal den Frankfurter Grüngürtel entlang, mit einer Zwischenstation bei meinem Comicdealer des Vertrauens, um mir den ersten Sammelband von »Preacher« auf Englisch zu holen.
Meldung: Ich will einen Haufen Sachen loswerden, unter anderem Einzelheft-Comics. Hier also schon mal verkündet: wer »Preacher komplett als Einzelheft haben will, soll sich melden und einen Tauschvorschlag machen (siehe z.B. Amazon-Wunschliste; zumindest die Porto-Kosten sollten wieder reinkommen; und ich lege keinen Wert Tauschobjekte zum vollen Neuwarenpreis). Ich habe keinen Bock mehr auf diese Art der Comic-Aufbewahrung, sondern werde mir die Trades anschaffen. »Preacher« ist eine abgeschlossene Geschichte und umfasst 66 Hefte, sowie einige Specials. — Ebenfalls loswerden will meine Einzelthefte von »Transmetropolitan«, von denen ich allerdings nur Heft 1 bis 48 der insgesammt 60 Hefte bieten kann.
Ebenfalls abzugeben habe ich einen kompletten deutschen »Der Drachebeinthron« von Tad Williams als Fischer Taschebuch (mit handschriftlichen Inhaltsverzeichnis) sowie einen kompletten englischen »The Dark Tower« von Stephen King als Taschenbuch. — EDIT-AKTUALISIERUNG 11. Sept. 2010: »Drachenbeinthron« und »Dark Tower« sind vergeben.
Film: Habe mir die Filmklassiker »Luftschlacht um England« (kenne ich noch nicht) und »Gesprengte Ketten« (kennen ich, aber lang nicht mehr, und noch nie im Original gesehen) besorgt.
Auf DVD gesehen habe ich mittlerweile:
»The Book of Eli«: Ganz nett anzuschauen, etwas langsam und fad und am am Ende mir deutlich zu christlich-wunderlich; ca. 6 von 10 Punkten (= Plus 1).
»Daybreakers«: Es macht Spaß Darsteller wie Sam Neill, William Defoe und Ethan Hawke in so einem SF-Vampir-Flick zu sehen, leider ist der Streifen aber zeimlich doof; ca. 4 bis 5 von 10 Punkten (= Minus 1 oder 2).
»Pandorum«: Besser als ich erwartet habe; ein feiner SF-Thriller zum Thema Generations-Schiff; ca. 7 von 10 Punkten (= 2 Plus).
NETZFUNDE
Über das von Neal Stephenson geleitete Gruppen-Schreibprojekt »The Mongoliad« habe ich bereits in Wochenrückblick 3 berichtet. Nun gibt es erste Inhalte. Ob ich ein Abo nehme, weiß ich noch nicht. Bisher sieht die Sache ganz reizvoll aus.
Cheryl Morgan hat ein neues Webzine gegründet, und in der ersten Ausgabe von ›Salon Futura‹ gibt es ein interessantes Interview mit China Miéville. Miéville erzählt unter anderem aufschlussreich über seine Schreibarbeit, z.B. wie er es anstellt, zwei sehr unterschiedliche Bücher wie »The City and the City« und »Kraken« nebeneinander her zu schreiben.
Zum zweiten Mal bietet die Schirn Kunsthalle Frankfurt eine ungewöhnliche Reihe von 20 Aktionen in 20 Tagen unter dem Titel »Playing The City«. Es geht los am 8. September und ich empfehle allen, die sich für moderne Aktions-Kunst interessieren und Frankfurt besuchen können, vorbeizuschauen. Die Grundidee von PTC dreht sich um die Problematik (und zeigt entsprechende Angebote), wie Kunst in den öffentlichen Raum und in gesellschaftliche Prozesse eingreifen kann. Entsprechend wird es ›Guerilla‹-Aktionen geben, die auf den ersten Blick nicht als ›Kunst‹ zu erkennen sind, die Irritation provozieren und damit ein Appell sein sollen, aus dem Alltagstrott herauszutreten und die Wirklichkeit neu zu sehen, auch um sie besser zu gestalten.
(Deutschsprachige) PHANTASTIK-FUNDE
Letzte Woche habe ich auf eine englische Konfektsammlung mit SF-Genre-Definitionen hingewiesen. Darauf hin bekam ich einen netten Hinweis von SF-Netzwerk-Haberer t.sebesta, der auf seiner Website eine umfassende deutschsprachige SF-Definitions-Sammlung bietet. Vielen Dank für den Tipp!
Oliver Kotowski von ›Fantasyguide‹ beeindruckt mich wieder einmal. Für die Homepage von ›Fantasyguide‹ hat er eine Rezension zu Hal Duncans »Signum« geschrieben (dem zweiten Band des »Ewigen Stundenbuches«) und kommt zu keinem positiven Urteil, was ihn selbst umtreibt und so hat er dann für das Blog von ›Fantasyguide‹ einen löblichen Eintrag über »Die Traurigkeit des Rezensenten« verfasst, wenn man eigentlich große Sympathie für ein Werk empfindet, ihm aber dann doch eine schlechtere Note geben muss, als einem selbst gefällt.
ZUCKERL
Bin über ein kurzweiliges klassisches 8-bit-Spiel gestolpert, richtig gute alte Schule, drei Level mit einem Flugzeug Feinde ballern, und wenn die geschafft sind, gibt’s ein Superflugzeug und einen Survival Modus: Tom Clancys H.A.W.X. 2 Mini Game. Sieht aus und klingt wie ein Commodore 64-Spiel.
Es gibt ja unzählige Tarotkarten-Versionen und seit sehr langer Zeit hat mich keines beeindruckt (zuletzt vor einigen Jahren diese minimalistische Fassung der Großen Arkanum-Karten von John Coulthart, perfekt geeignet für den modernen Großstadt- oder Firmenmagier). Als Freund von zeitgenössischer surrealistischer Phantastik gefällt mir nun das Low Brow Tarot ziemlich gut, das von der Website ›Hi-Fructose‹ präsentiert wird.
Einen neuen Genre-Phantastik-Künstler habe ich entdeckt: zuerst das Blog, dann die Portfolio-Site von Sean Andrew Murray. Der wäre ein hervorragender Bas-Lag-Illustrator, folgt er doch zum Teil der Tradition eher exzentrischer Form- und Strukturbehandlung, für die z.B. Ian Miller ein typischer Vertreter ist. Geht mal stöbern bei Sean. Es lohnt sich!
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Eintrag No. 649 — Das war eine schwere Geburt und hat mich daran erinnert, warum ich vor vielen Jahren gemerkt habe, dass ich nicht wirklich dazu tauge mit Graphik-Design und Illustrationen meine Brötchen zu verdienen. Gewisse Dinge kann ich ja locker aus dem Handgelenk schütteln, meine Improvisationen zum Beispiel.
Aber mein lieber Schwan, was für eine Tortur, wenn es nicht so einfach klappt!
An dem Titelbild für ein kommendes Buchprojekt über Todorovs Fantastik-Theorie habe ich Woche um Woche herumgeschustert und mich nur mit kleinen Hühnertapperl dem hier vorliegenden Ergebnis annähern können. (Ergänzung 13. November 2010: Zur Buchseite von Simon Spiegels »Theoretisch phantastisch. Eine Einführung in Tzvetan Todorovs Theorie der phantastischen Literatur«.) Und auch diese Illu ist stellenweise immer noch peinsam für mich: den Drachen links kann ich nicht ausstehen, bekomme ihn aber nicht besser hin und muss damit leben, dass irgendwann eben mal Schluss sein muss (dafür ziehe ich mich an dem SF-Motiv in der rechten Schublade hoch, dem einen Detail des Bildes, das mich rundum freut).
Wenn ich dazu komme und den Mut aufbringe, dann präsentiere ich die ganzen versauten Entwürfe und Zwischenschitte zu diesem Illu. Das Original ist keine Augenweide, denn es ist aus Stücken zusammengeklebt und benötigte entsprechend ausgiebige Digitalkosmetik.
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Musik: In einer Nostalgie-Anwandlung habe ich mir den Soundtrack von »The Hallelujah Trail« (auf Deutsch bekannt als »Vierzig Wagen Westwärts«) beim ›Musikladen‹ bestellt; — mir bei iTunes die ebenfalls von Elmer Bernstein komponierten »Main Title« von »The Great Escape« (= »Gesprengte Ketten«) runtergeladen; — sowie die (für mich) drei wichtigsten Stücke von Bernard Herrmann für Hitchcock: »North by Northwest – Main Title« (= »Der Unsichtbare Dritte«), »A Portrait of Hitch« (= Suite zu »Immer Ärger mit Harry«) und natürlich die Suite zu »Psycho«.
Für das neue Album »Bring mich nach Hause« von »Wir sind Helden« erst ein Mal Zeit gehabt. Kann grob sagen, dass ich mit diesem Album nicht so gut zurecht komme wie mit den drei Vorgängern. Einige Songs finde ich sogar richtiggehend nervig (»Meine Freundin war im Koma…«, Klavier klingt zudem verdächtigt nach »Mad World«). Am besten gefällt mir derweil »Kreise». — Naja, ich verenge mich musikalisch immer mehr. Pop hat es in den letzten Monaten/Jahren immer schwerer bei mir. Kann sein, dass ich in 5 Jahren nur noch Bach oder Savall höre.
NETZFUNDE
Andreas längere »Reiseberichte«-Einträge wurden deutlich seltener, seit sie für die F.A.Z. arbeitet. Aber hier ist wieder eine von den prächtigen Gemmen, einer jener Einträge, die für den guten Ruf von Frau Diener als einer der besten Bloggerinnen sorgen: der böse könig mit dem muni, über das Schweizer Schwinger-Fest in Frauenfeld.
Kolibris gehören zu meinen Lieblingstieren und so freute ich mich über den Hinweis von ›mentalfloss‹ zu einer Doku über diese Superhelden der Natur zu stolpern. Um genau zu sein, ist das ein kurzer Bericht der Naturfilmerin Ann Prum über die eigentliche Doku, die man bei PBS als Stream gucken kann: Hummingsbirds: Magic in the Air (leider in Deutschland gesperrt, aber vielleicht weiß ja der ein oder andere Molochronik-Leser, wie man diese Sperren umgeht und hat dann seine Freude an der Doku).
Vorletzte Woche habe die »Inception«-Besprechung von Peter Brinkemper aus »Glanz & Elend« empfohlen. Mittlerweile habe ich noch einige ältere Beiträge von Brinkemper gefunden, die sich auch unbedingt lohnen:
Lustige Zusammenstellung zur Kniffelei, das Science Fiction-Genre zu definieren, liefert Charlie Jane Anders für »io9«: How many definitions of science fiction are there? — Die Kommentare sind lustig.
(Deutschsprachige) PHANTASTIK-FUNDE
Ganz vergessen hier zu verlinken! Oliver Kotowskis Phantastische Weltreise ging ja weiter. Hier also der vierte Zwischenstopp: Asien und Ozeanien, mit Empfehlungen zu Büchern von Mo Yan, Amitav Ghosh, Xiaolu Guo, Hwang Sok-yong, Haruki Murakami und Rosie Scott.
Auch wenn ich selbst nix mit Steven Eriksons großem Fantasy-Epos »Malazan Book of the Fallan« anfagen konnte (und nach ca. 200 Seiten den ersten Band weggelegt habe), finde ich Olivers Vorhaben großartig, seine Lektüre der über 10.000 Seiten in einem eigenen Blog, dem Malazan-Tagebuch zu protokollieren. — Ach ja: Ich selber verschenke Band 1 und 5!
ZUCKERL
Wer »Calvon & Hobbes« und/oder Bösewichter aus dem DC-Superheldenuniversum mag, wird an diesem kleinen Comic seine Freude haben: »Joker & Lex«.
Corey Vidal hat selbst-viert ein schönes John Williams Medley eingespielt. Der Text ist »Star Wars« gewidmet und verherrlicht größtenteils Wookies. Die Musik aber stammt von den Williams-Scores zu (natürlich) »Star Wars«, aber auch »Jaws«, »Close Encounters«, »Raiders of the Lost Ark«, »E.T.« und »Jurassic Park«.
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Eintrag No. 645 — Diese Woche gibts viel Zuckerl. Keine nennenswerten Ereignisse bei mir diese Woche, außer, dass ich die Molochronik bei Flattr angemeldet habe.
Flattr ist ein Weg, mit kleinen Gutschreibungen einen Internetbeitrag zu entlohnen. Wer bei Flattr angemeldet ist und über ein Guthaben verfügt, kann derweil einmal im Monat der Molochronik etwas spenden (siehe Flattr-Button oben in der rechten Säule). — Sobald ich dazu komme, werde ich die aufwendigeren ›de luxe‹-Einträge der Molochronik mit eignen Flatter-Buttons ausstatten. — Und ich freue mich natürlich, dass ich nach drei Tagen schon einmal geflattert wurde (kein Vergleich freilich zu wirklich beliebten Websites).
NETZFUNDE
Spannend ist der Briefwechsel von Marvin Oppong mit der Stadt Duisburg den »Carta« bietet. Oppong will Einsicht in die Genehmigungsunterlagen der Love-Parade, die so tragisch-tödlich verlaufen ist. Die verschiedenen Behörden mauern, unterschiedliche Auffassungen des Informationsfreiheitsgesetztes prallen aufeinander.
Leider hatte ich noch nicht die Zeit, ausführlich im neuen Gruppenblog der »F.A.Z.«, Deus ex Machina, zu stöbern. Dort soll berichtet werden …
… getreulich und mit Plaisir {…} von den göttlichen Internetmaschinen neuester Art, ihren Berechnungen unberechenbarer Weis- und Torheiten, und ihrem Wirken zum Gedeih und Verderb der menschlichen Art hienieden auf Erden {…}
Sehr gute Besprechung des Films »Agora« im Oliblog. Ich hab den Film im Kino gesehen, obwohl er ›nur‹ auf Deutsch lief. Auch wenn man sich bei der Nacherzählung des Martyriums der durch Fundi-Christen getöteten Bibliothekarin von Alexandria große Freiheiten die historischen Details betreffend genehmigt hat, bietet der Film ein bewegendes Drama und versteht es, weltanschauliche Streitfragen und ihre Verquickung mit einzelmenschlichen Zwängen ergreifend darzustellen. Allen Jungfrauen beiden Geschlechts zur inniglichen Beherzigung anempfohlen
Interviews mit zwei von mir sehr geschätzten Autoren habe ich diese Woche entdeckt: einmal spricht »io9« mit China Miéville über seinen neuesten Roman »Kraken«, warum er Joss Whedons Zeug mag und J. J. Abrams’ Zeug nicht; — und zweitens hat Matt Ruff der Seite »The Author Speaks« Fragen beantwortet, z. B. zum ›Lustiger Schwarzer Kerl‹-Klischee in Äktschnfilmen und seinen nächsten Roman »The Mirage«.
»Inception« ist einer dieser Filme, die das Publikum zum Deuten herausfordern. (Gehört zu den großartigsten Dingen, die ein Film fürs Massenpublikum leisten kann. Statt hinterher nur darüber zu babbeln, was cool, was nicht cool war, werden die Zuschauer animiert, weiter zu fabulieren und philosophieren.) — Peter V. Brinkemper hat für »Glanz & Elend« eine ausführliche Rezension über Christopher Nolans »Inception« geschrieben, die ich als (im besten Sinne) schwurbelige, schwindelerregende Cinemaskopie-Poesie bezeichnen kann. Der Text hat mich beim ersten Lesen etwas verstörend amüsiert (hatte z.B. den Verdacht, der Text sei zu fremdwortversalzen), doch die Zweitlektüre versetzt mich in einen schmunzelnden Sprachrausch, durch Sätze wie folgenden:
In »Inception« sind Träume und Traumzustände lebendige Membrane von anwesenden und unsichtbaren, aber spürbaren Ereignissen, Träume werden durch Kollektivschaltung zu sanften oder heftigen Dramen, immer noch intersubjektiv beeinflussbaren Situationen und relativ klaren Bewusstseinszuständen, zwischen rationaler Konstruktion, gezielt eingreifender, dominanter Manipulation und unwillkürlich subjektiver Projektion.
Nix Neues, aber eben letzte Woche von mir entdeckt, nämlich dass es eine Web-Site zum Werk des grandiosen deutschen Zeichners Hans Georg Rauch gibt. H. G. Rauch ist vielleicht am bekanntesten durch seine Illustrations-Reihe ›ZEITzeichen‹ für das große Hamburger Wochenblatt. Ist aber schon viele Jahre her. Rauch kann Wimmelbilder schraffieren wie nur wenige. Vor allem seine Auseinandersetzungen mit Strukturen, den Themen Landschaft und Architektur sind atemberaubend. Leider sind die Wiedergaben im Netz oft zu klein für diese detailreichen Meisterwerke.
ZUCKERL
Der ›Nostaligia Critic‹ hat einen dreiteiligen »Animaniacs« Tribut erstellt, in dem er Glanzmomente dieser Cartoon-Reihe zeigt und mit den Autoren & der Autorin (die teilweise auch Sprecher bzw. Sprecherin einiger Figuren sind) einen ausführlichen & erhellenden Plausch geführt. Ein Muss für Freunde des höheren Blödsinns.
Habe die Seite Springfield Punks entdeckt. Hier entwerfen Freunde der Familie Simpson selbst ihre gelbhäutigen Springfield-Versionen bekannter Figuren, von denen es eben noch keine Simnpson-Version gibt. Hier z.B. die »Watchmen«-Hauptfiguren im Matt Groening-Stil. Kann man bitte mal den ganzen Comic so machen?
Apropos ›Comic machen‹: Mahendra Singh zeichnet phantastische Illustrationen mit klassisch-altmodischem Strich (erinnern mich an Emlematik-Zeichnungen und Max Ernst). Ich freue mich schon auf den von ihm zum Graphic Novel hoch-illustrierten Lewis Carroll-Schaffenshöhepunkt »The Hunting of the Snark«, der im November erscheinen wird. In Mahendras Blog »Just the place of a Snark« kann man den Werdegang der Illustration vom Mai 2007 an verfolgen. — Hier als Beispiel die Doppelseite 10/11 des kommenden Buches, aus dem ›Second Fit‹ (›Zweiten Krampf‹).
Eintrag No. 644 — Ich will nicht jammern, dass ich alt werde, aber derzeit spüre ich schon, dass ich einen BrotJob mit langen Schichten hab, Illustrationen für Propjekte zeichne, und Kurzgeschichten übersetzte. — Wobei ich mich sehr glücklich schätze, denn die Kurzgeschichten gefallen mir sehr gut.
Musik: Bin immer noch zu 90% in KlassikGefilden unterwegs, genauer: Barock. Habe große Freude mit den 4 Alben der Vivaldi’schen »Concerti da camera« in der Aufnahme von ›Il Giardino armonico‹. — Vergnüge mich dabei, verschiedene »Die Kunst der Fuge«-Aufnahmen zu vergleichen (überraschend gefühlvoll und schimmernd die von Jordi Savall & Hespèrion XX; — energisch und klar die von Reinhard Goebel & Musica Antiqua Köln; — episch orchestral hinbetoniert oder mit Stahlklingen-Cembalos geschweißt ist die Einspielung von Herman Scherchem & Wiener Rundfunk Orchester). — Neu hab ich auch eine Aufnahme von Francois Couperins »Les Nations«, wieder vom Jordi Savall.
Lektüre: Nach dem Doppelpack der dicken, heftigen Niebelschütz-Romane verpasse ich mir eine umfangreiche Sachbuch-Kur. Da ich nicht warten will, bis der neue Peter Watson auf Deutsch erscheint (und die US-Ausgabe deutlich günstiger UND schöner ist) habe ich mir »The German Genius« (Leseprobe) beim ›Readers Corner‹ besorgt. Peter Watson hat mich 2001/2002 mit seiner Kulturgeschiche des 20. Jahrhunderts, »Das Lächeln der Medusa«, und ebenso dann 2007 mit seiner großen »Ideen«-Menschheitskulturgeschichte für sich gewinnen können. — Nun geht es also um die letzten 250 Jahre deutsche Kulturgeschichte, ›von Bach bis Benedict XVI.‹ wie die deutsche Ausgabe trällert. Bisher habe ich mir die Overtüre und die Conclusio durchgelesen und kann sagen: taugt mir, was der gelahrte Herr Engländer da schreibt. — Hier eine Rezi der New York Times von Brian Ladd: Made In Germany, die zwar durchaus kritisch urteilt, dass »The German Genius« zuviel Sekundär- (statt der Original-)Stimmen sampelt, aber ich schließe mich nicht dem Urteil an, dass Watson zu trocken erzählt oder sein Buch von zuviel Namedropping erstickt wird. Da sind schon große Linien drin, die aus dem ganzen eine Story machen.
NETZFUNDE
Herzlichen Glückwunsch!!! zum sechsten Jahrstag wünsche ich Netzpolitik, aus meiner Sicht eines der wichtigsten Blogs in Deutschland. Markus Beckedahl blickt zurück und erzählt, wie Netzpolitik entstanden und gewachsen ist, und was er da versucht zu machen.
Neueste Ausgabe der »SF- und Fantasy-Rundschau« der österreichischen Tageszeitung »Der Standard«. Soweit ich weiß, die einzige Zeitung, die eine derartige Rubrik pflegt, noch dazu mit Blick auf interessante Neuerscheinungen des deutschen und englischsprachigen Marktes. Großes Lob!!! Zeus und die Zeitmaschine. Treffich die Anmerkung zur Eröffnung der Rezi zu Kai Meiers »Seide und Schwert«:
Einmal ganz allgemein gesprochen: Ein bisschen mehr Fantasie bei Plots und Worldbuilding dürfte es für meinen Geschmack in der Fantasy — und speziell dem eingeengten Spektrum, das auf Deutsch erscheint — ruhig sein.
Frank Drehmel hat für »Phantastik-News« eines meiner Lieblings-Fantasy-Comics rezensiert: den ersten Band der »Die Gefährten der Dämmerung«-Trio von François Bourgeon: »Im Zauber des Nebelwaldes«, neu editiert, exzellent übersetzt und gedruckt bei Splitter erschienen. Vor allem der voluminöse dritte Band hat mich vor vielen Jahren umgehauen.
Erik Schreiber ist einer der produktivsten Rezensenten der deutschen Phantastik-Szene. Manche winken ab, meinen, dass seine Besprechungen zu routiniert, zu unkritisch und zu ›flach‹ seien. Ich denke, dass Eriks Besprechung des ungeheuerlichen Artefakt-Buches »Das Haus« von Mark Z. Danielewski zeigt, dass, wenn sich Leser auf eine Lektüre einlassen, die mehr als nur eine anspornende Herausforderung, ja eigentlich eine Zumutung ist, wunderbare Leseerlebnisberichte die Frucht der Mühen sein können. Kurzum: Erik kann wundervolle Rezis schreiben, wenn dieser sagenhafte Schnell-Leser (er schafft ein, ab und zu auch zwei normale Taschenbuch an einem Tag) Bücher anpackt, die seine Lesemuskeln herausfordern.
WORTMELDUNGEN
Zuerst habe ich ja noch gedacht, ich platziere den neuesten Essay der »Phantastik-Couch« unter der Wochenrückblick-Rubrik »Rüge«, denn Andrea Bottlingers Text Die Zukunft der Fantasy erschien mir im Affekt erstmal nur ärgerlich schlecht aufgebaut. Dann aber dachte ich mir, ich melde mich besser erstmal mit paternalistisch-demütiger Besserwisserei im Blog von Frau Bottlinger und versuche auszudeutlen, was mit dem Essay meiner Ansicht nach im Groben nicht stimmt.
Wieder mal ist ein Artikel über Ayn Rand erschienen, diesmal am 5. August in der »FAZ« geschrieben von Ingeborg Harms: Sie sah den Übermenschen als Unternehmer. In den Kommentaren habe ich einen kecken Aphorismus, der in der englischsprachigen Welt herum-memt, zu Rands Werk übersetzt:
Es gibt zwei Romane, die das Leben eines büchernärrischen Vierzehnjährigen verändern können: »Der Herr der Ringe« und »Atlas wirft die Welt ab«. Der eine Roman enthält kindische Phantastereien, die oftmals eine lebenslange Obsession für seine unglaubwürdigen Helden hervorruft, und so seine Leser zu emotionell unterentwickelten, sozial verkrüppelten Erwachsenen werden lässt, die unfähig sind, mit der wirklichen Welt zurecht zu kommen. — Der andere Roman ist freilich der, in dem es Orks gibt.
ZUCKERL
Habe nach längerer Zeit mal wieder im »Moby Dick™«-Gruppenblog gestöbert. Natürlich verlange ich ab nun von jedem Amœnokraten-Anwärter, dass er alle Fragen eines Dilettanten mit einem Radio daheim für sich beantworten muss.
Karten sind ein wundervolles Mittel nicht nur fürs Zurecht- und Wegfinden in der materiellen Welt, sondern auch als Verbildlichungs-Instrument zum Sichtbarmachen immaterieller Dinge. Also, hier ist die 2010 Networking Map u. a. mit den LOL-Cat Inseln und den Google Informations-Sammel-Außenposten.
»Super Punch« bietet eine wunderbare kleine ›Ausstellung‹, mit künstlerischen Arbeiten die vom Werk China Miévilles inspiriert wurden: Dispatches from a Troubled City.
Hier hat ein echter Menschenfreund eine große Sammlung klassischer Entenhausen-Comics zusammengetragen. Ach, die Zeit möcht ich haben, mich auf Tage darin zu verliehren!
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